News, 18.04.2015

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News
issue
18/04/2015
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52-55
WIRTSCHAFT
Mehr Pirat,
weniger Staat
Verstaatlichte Industrie Der Staat hat eine neue Beteiligungsfirma.
Unter ihrem Dach finden unter anderem Post und OMV Platz.
Neue Weichen für eine kluge Standortpolitik werden dennoch nicht gestellt.
Die staatliche Beteiligungs-
holding ÖIAG wurde per
30. März durch die ÖBIB
Wie
braucht wenig, um den Wert heimischer
Standortpolitik zu beschreiben. "Eine schlanke Lösung
mit einer kostengünstigen
Struktur" sei
ÖVP
und
SPÖ
gelungen, sagte er FinanzHans Jörg Schelling
bei der Vorstellung der neuen
Beteiligungsfirma des Bundes.
Kanzler und Vizekanzler benutzten die gleichen Worte.
Dennoch gab es Kritik allerseits, weil Standortpolitik eben
mehr sein sollte, als eine
Struktur zu verschlanken.
Am 6. Mai läuft die Bewerbungsfrist für die Geschäftsführerstelle bei der neuen
Standortgesellschaft ÖBIB ab.
Diese tritt an die Stelle der
minister
Beteiligungsholding ÖIAG
und wird künftig wichtige
Staatsbeteiligungen verwalten.
Darunter die OMV (31,5 Prozent), die Post (knapp 53 Prozent) und die Telekom Austria
(28,4 Prozent). Neu hinzukommen werden die Anteile
der Münze Österreich an den
Casinos Austria.
GesmbH unter dem Dach des
Finanzministeriums ersetzt.
Allein: Die neue Gesellschaft
ist auch nicht das Gelbe vom
Ei. Die ÖIAG galt als Filter
zwischen Politik und Unternehmen, die nunmehr direkte
Anbindung der ÖBIB an den
Finanzminister ist ein Zeichen
für stärkere politische Vereinnahmung. Auf den zweiten
Blick offenbart sich zudem ein
Kräftemessen zwischen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Der Kanzler hat Macht zurückgewonnen. Und der Proporz
feiert fröhliche Urstände. Immer fein aufgewogen: ein Zuckerl für die Roten, eines für
täne Wolfgang Leitner, CEO
Staatssekretäre nutzen. Der
paritätischen Ordnung bis in
Geyer, Aufsichtsratspräsident den letzten Schalthebel steht
der Vienna Insurance Group, also nichts im Wege. So wird
runden das Bild ab. Leitner sich die rot-schwarze Aufteiwird eher der ÖVP zugeord- lung bis in die Abteilungen der
der Andritz
AG,
und Günter
net, Geyer sicher der SPÖ.
Diese Viererrunde bestellt
auch die Aufsichtsräte für
OMV, Post und Telekom Austria. Der neue Geschäftsführer
der ÖBIB, in Gesetz und Stellenausschreibung auch Generalsekretär genannt, wird in
keinem Aufsichtsrat sitzen.
Das schränkt seinen Einfluss
massiv ein. Der Generalsekretär kann also bloß verwalten,
zum Mitreden fehlt ihm die
Stimme. Das ist eine der größten Schwächen der neuen
Konstruktion und macht den
Generalsekretär zum bloßen
Verwalter politischen Willens.
die Schwarzen.
Die ÖBIB wird eine politisch aufgeladene Organisati- Politischer Einfluss steigt.
Wie stark der Einfluss der
on. Das untermauert nicht zuletzt das Vierergremium, das Politik ist, zeigt auch die Voran die Stelle eines Aufsichts- gangsweise für die Bestellung
rates tritt: Die Staatssekretäre des Generalsekretärs: Der
Harald Mährer und Sonja Finanzminister wird nicht alSteßl halten die Stellung für lein entscheiden. Es gibt eine
Vizekanzler Reinhold Mitter- Vereinbarung, dass Kanzler
lehner respektive Bundeskanz- Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
ler Werner Faymann.
und dafür ihre
Die zwei Wirtschaftskapi- mitreden
-
ÖBIB hinein widerspiegeln.
Wer den Job des Geschäftsführers bzw. Generalsekretärs
bekommt, ist noch nicht klar.
Gute Chancen werden Günter
Leonhartsberger zugesprochen. Er hat sich früher schon
für den Job des ÖIAG-Vorstandes beworben und ist fachlich
versiert. Dass er keiner Partei
zuzurechnen ist, könnte sein
Vorteil sein.
Ob das Vehikel Bestand
haben wird, ist zu bezweifeln.
"Für diese Legislaturperiode
wird es reichen", lautet der
Kommentar eines Insiders.
Ein genauer Plan schaut
anders aus.
Schon die
ÖIAG war kein
unabhängiges Vehikel und unter dem Einfluss des sich selbst
erneuernden Aufsichtsrates
seit Ex-Kanzler Wolfgang
Schüssels Zeiten dem Zugriff
des staatlichen Besitzers praktisch entzogen. Dass der Staat
Einfluss über eigene Unternehmen haben will, ist sein
PICTUREDSK.OM/XA
stärkt
man die
österreichische Wirtschaft? Es
gutes Recht. Die ÖIAG aber
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mit einer GesmbH zu ersetzen, die unter dem Finanzministerium Beteiligungen ver-
Besitzungen würde die Dinge
wesentlich vereinfachen.
Vor zwei Jahren hat es
durchaus erfrischende Pläne
waltet, kann keine Lösung auf
Dauer sein. Im Übrigen wollte
kaum einer der diversen Befragten und mit der Causa
Befassten Stellung beziehen.
So groß war die Ernüchterung
auch unter jenen, die zumindest auf einen mittelgroßen
Wurf gehofft hatten. Doch die
Politik entschied sich für eine
Strategie des Abwartens: Beteiligungen werden geparkt,
Privatisierungen abgelehnt.
Dabei könnte der Staatsschuldenberg leichter abgetragen
werden, wenn frisches Geld in
die leeren Kassen fließt.
Der Umbau der ÖLAG in
die ÖBIB beweist ein grundsätzliches Missverständnis, das
in der österreichischen Gesellschaft noch immer mehrheitsfähig ist: Der Staat ist gut, das
"Will man keinen politischen
Einfluss, muss man privatisieren."
Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria
Schrittweiter: "Wenn man keinen politischen Einfluss will,
schen. Franz Schellhorn, Chef muss man privatisieren." Er
des Think-TanksAgenda Aus- räumt aber auch ein, dass der
tria, sagt: "Ob ÖLAG oder ÖBIB Staat seinen Einfluss bei staatist nicht die entscheidende lichen Unternehmen geltend
Frage, sondern welche Strate- machen muss. Schließlich ist
gie der Staat hat." Die frühere der Staat ein wichtiger oder
Privatisierungsholdingsei jetzt auch der wichtigste Aktionär.
eine Verstaatlichungsagentur.
Eine transparentere ZuSchellhorn geht noch einen ordnung der staatlichen
Private schlecht. Dabei gäbe es
doch auch einen Weg dazwi-
Der Traum einer Infrastrukturholding
REPUBLIK ÖSTERREICH
[ Beteüigungsholding des Bundes"
PRIVATISIERUNGSAGENTUR
Reformierte ölAG
I
)
AUSTRIA
STANDORT- UND
FORSCHUNGSCLUSTER
Beteiligungsfonds 51 %
100%
EQUITY
PRIVATISIERUNGSZIEL
100%
bis auf 25+1 %
Wiener Zeitung
'Technologiefonds
Marktcluster
-OMV
-
Telekom Austria
Austrian Institute of Technology
- AWS
-
verbund und Service GmbH
Österreichische Post
'^ Verbund (Privatisierung bedarf eines Verfassungsgesetzes)
100%
Austrian Business Agency
C" österreichischer Bibliotheken-
L" Österreichische Volksbanken
100%
Mobilitätscluster
Graz-Köflacher Bahn- und Busbetriebs GmbH
-
Planai Hochwurzen Bahnen
Lokalbahn Lambach-Vorchdorf-Eggenberg
Neusiedler Seebahn
Raaberbahn
ÖBB Personenverkehr
^ ÖBB Rail Cargo Austria
49%
Infrastrukturcluster
-
Asfinag
Austro Control
Via Donau
ÖBB Infrastruktur
^ BIG
Austria" wurden Unterneh-
men mit einer Höchstbeteiligung des Staates von 51 Prozent eingestuft. Unter einem
"Marktcluster" wurden Beteiligungen des Bundes von
25 Prozent und einer Aktie
aufgelistet (etwa an OMV, Telekom Austria und Post). Ein
"Standortcluster" beinhaltete
unter anderem die Ansied-
lungsagentur Austrian Business Agency und die Förderbank AWS. Unter einer eigenen "Kulturgüterstiftung" fanden die Bundesforste ebenso
Platz wie die Spanische Hofreitschule oder Schloss Schönbrunn (siehe Grafik links).
Aktive Fondsverwaltung.
Bankencluster
Hypo Alpe Adria
- KA Finanz
-
^ Kommunalkredit
gegeben, die zumindest eine
Basis für ein unternehmerisches Agieren des Staates
geschaffen hätten. Nach den
NEWS zugespielten Plänen
hätte der damalige Finanzminister Michael Spindelegger
durchaus Fantasie gehabt.
Unter Federführungseines
wirtschaftspolitischen Beraters Johannes Kasai kam zumindest am Papier eine komplette Neuorganisation der
staatlichen Beteiligungen zustande: Eine Beteiligungsholding des Bundes hätte folglich
zu verschiedenenClustern geführt. Unter dem Titel "Equity
KULTURGÜTER-
STIFTUNG
100%
-t Bundesforste
Nationalparks (Gesäuse,
Kalkalpen, Thayatal und
Donauauen)
- Spanische
Hofreitschule
"t Bundestheater Holding
Theaterservice
-
-
-
Marchfeldschlösser
Schloss Schönbrunn
Schönbrunner Tiergarten
Bundesmuseen
Nicht zuletzt Finnland mit
seinem staatlichen Fonds wird
dabei als Beispiel genannt.
Grundsätzlich funktionieren
alle staatlichen Fonds nach
ähnlichem Prinzip. Der Fonds
kauft, verwaltet und verkauft
Beteiligungen. Die Strategie
dahinter: Die Unternehmen, an
denen der Staat beteiligt ist,
werden in drei Kategorien
gegliedert jene, an denen der
Staat 100 oder 50 Prozent hält,
-
BEIGSTL
PICTUREDSK.OM,
FOT:
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und jene, die bei entsprechender Marktlage privatisiert werden können. Die gewinnbringende Idee aus dem Kabinett
Spindeleggers fand jedoch bei
den österreichischen Regierungsgefährten keine Mehrheit, und die Pläne landeten im
Papierkorb. Betrachtet man die
Grafik, zeigt sich eine genaue
Aufteilung der Bundesgüter,
die für mehr Transparenz und
klügeres unternehmerisches
Agieren gesorgt hätte. Allein:
Das Papierwar wohl zu keinem
Zeitpunkt mehrheitsfähig.
Ein Blick in die Historie
zeigt: In den 80er-Jahren bauten die Austrian Industries
Schulden der öffentlichen Beteiligungen von 6,3 Milliarden
Euro ab. Von 2005 bis 2010
zahlte die ÖIAG 2,8 Milliarden
Euro ins öffentliche Budget
ein. Das Geld stammt aus Dividendenerlösen aus Post und
Co. Von 2000 bis 2015 stieg
der Vermögenswert der Beteiligungenvon fünfauf 5,8 Milliarden. Dabei waren 2005 noch
18 Unternehmen unter dem
Dach der ÖIAG, 2015 nur noch
drei. Ob die nunmehrige
StandortgesellschaftÖBIB so
gut für den Standort ist, darf
bezweifelt werden. Einfluss
der Politik und Dividende für
den Finanzminister sind keine
ausreichenden Kriterien einer
Standortpolitik.Dafür braucht
es eine klare Strategie.
Eine solche ist in Notzeiten
eher zu finden, wie im Jahr
1946. Damals wurde das erste
Verstaatlichtengesetz beschlossen, um Beschlagnahmungen zu verhindern. 1967
wurde die Vorgängerorganisation der Ö1AG gegründet
die Österreichische Industrieverwaltungs AG (ÖIG), die
seit 1986 ÖIAG hieß. Unumstritten war die Holding nie
und immer ein Zankapfel
besonders zwischen SPÖ und
ÖVP. Die Sozialdemokraten
waren und sind traditionell
-
weniger privatisierungsfreu-
dig als die Christdemokraten.
Um diesem Widerstreit entgegenzuwirken, schufen die
Koalitionspartner zwei Vorstandsposten.
Legendär waren Karl
Hollweger und Erich Becker.
Unter ihrer Ägide wandelte
sich die ÖIAG von einer Verwaltungs- in eine Privatisierungsagentur. Es wurden unter anderem die VA Tech und
die OMV teilprivatisiert. Später
wurden Austria Tabak, Teile
der Telekom Austria, des Flughafens Wien, das Dorotheum,
die Postsparkasse verkauft.
Besonders viel Freude an der
Privatisierung hatte die Regierung Schüssel. Bei aller Kritik:
Dem Kapitalmarkt hauchte
das Leben ein, und gleichzeitig
floss Geld ins Budget.
Esther Mitterstieler
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