Swiss Finish kostet Unternehmen unnötige CHF 1

Swiss Finish kostet Unternehmen unnötige CHF 1,5 Mrd.
Freihandelsverhandlungen mit den USA wieder aufnehmen
Für die Entlastung der Schweizer Unternehmen schlägt Handel Schweiz den Verzicht auf ein Swiss Finish
bei Zollverfahren, im Umweltrecht, in der Luftreinhaltung, beim Gewässerschutz, Bau- und
Sonderabfällen sowie eine Harmonisierung der Baunormen vor – das würde CHF 1,5 Mrd. sparen. Der
Dachverband des Handels fordert ausserdem die Wiederaufnahme der Freihandels-verhandlungen mit
den USA, Russland und Brasilien. Beides könnte die negativen Folgen der neuen Freihandelsabkommen
der USA mit der EU und dem pazifischen Raum mindern.
Der Handel ist unter Druck: Seit Mitte Januar leiden Import und Export unter den Auswirkungen des neuen
Wechselkurses. Überteuerte Lager, eine weggebrochene Nachfrage und der fast schon bestehende Zwang, die
sogenannten Währungsvorteile an den Kunden weiterzugeben. Allerdings sind die Währungsvorteile für den
Handel jetzt noch nicht spürbar. Bis ein Lager erneuert ist, dauert es im Durchschnitt vier Monate. Werden also
die Preise gesenkt, geht das auf Kosten der Marge. Investitionsstopp und viele Umtriebe sind die Folge:
Kostensenkungsprogramme, Gespräche mit Kunden und Lieferanten, Entwickeln von speziellen Angeboten,
Kurzarbeit. Diese Entwicklung trifft den Handel zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Schon vor dem Wegfall des
Franken-Mindestkurses rechneten die Grosshandelsunternehmer mit einer weiteren Eintrübung des Geschäftes.
Vor allem die sinkende Nachfrage drückte vor dem 15. Januar 2015 das Ergebnis, und setzte den befragten
Grossisten zu. Die sinkende Zuversicht schlug sich auch in der Belegschaft nieder: Die Grösse der Belegschaft
war im Grosshandel zum ersten Mal seit 2013 gesunken.
Handel ist auch Dienstleister
Jean-Marc Probst, Präsident Handel Schweiz, betonte am heutigen Mediengespräch, dass für Händler das Risiko
in der Lagerbewirtschaftung gestiegen sei und die Tendenz Richtung kleinere Lagerbestände zeige. Das
wiederum könnte sich auf die Verfügbarkeit von Waren auswirken. Probst: «Gleichzeitig wird von Kunden immer
mehr just in time verlangt; es müssen also grosse Ersatzteillager vorhanden sein – für viele Händler ein
Dilemma. Der Handel übernimmt neben der Lagerhaltung noch andere wichtige Funktionen wie Anarbeitung,
Service, Umarbeitung, Verpackung, Beschriftung, Etikettierung sowie Ausbildung, Schulung und Beratung.»
Im politischen Umfeld sieht Jean-Marc Probst Gefahren in der weiteren Isolation der Schweiz. Spätestens jetzt
sei es an der Zeit, die Ausarbeitung und rasche Umsetzung eines breit angelegten Massnahmenkatalogs zur
Senkung der Regulierungskosten an die Hand zu nehmen. Als konkrete Massnahmen nannte er u.a. den Verzicht
auf «Swiss finish»-Regelungen bei den Zollverfahren: Damit können jährlich gut CHF 60 Mio. Regulierungskosten
reduziert werden. Mit dem Verzicht auf «Swiss finish» und Marktabschottungen im Umweltrecht, vor allem in
Luftreinhaltung, beim Gewässerschutz, bei Bau- und Sonderabfällen können total über CHF 1 Mrd.
Zusatzbelastungen der Unternehmen gesenkt werden. Die Harmonisierung der Baunormen würde bis zu CHF 300
Mio. Belastungen abbauen.
Bilaterale unverzichtbar
Kaspar Engeli, Direktor Handel Schweiz, zeigte auf, dass die Bilateralen Verträge die wirtschaftliche Entwicklung
der Schweiz mehrfach beflügelt haben; ein Liebäugeln auf den Verzicht der Bilateralen Verträge sei
verantwortungslos. Es gibt aktuell verschiedene Untersuchungen. Je nach Berechnungsmodell kommen die
Experten von Prognos, des KOF, des SECO oder von economiesuisse auf CHF 20 Mrd. bis 200 Mrd. zusätzliches BIP
Handel Schweiz: Medienmitteilung Politik, 24. März 2015
Seite 1 von 4
dank der bilateralen Verträge. Seit 2002 gibt es 700'000 Arbeitsplätze mehr in der Schweiz – diese besetzen
nicht nur die Einwanderer, sondern zur Hälfte auch Schweizer.
Mit Blick auf den globalen Markt
Handel Schweiz betont, dass sich gleichzeitig die Schweiz weiterhin stärker auch auf andere Länder ausrichten
müsse. Seit einigen Jahren verschieben sich die Prioritäten in den Handelsbeziehungen der Schweiz. Die EU ist
zwar nach wie vor der wichtigste Handelspartner, doch hat sich der Aussenhandel Schweiz–EU in den letzten 12
Jahren von 67 % auf 54 % reduziert. Das ist ein markanter Rückgang. Der Aussenhandel mit dem Rest der Welt
ist gleichzeitig von 33 % auf 46 % gestiegen. Engeli: «Hier sind die Treiber eindeutig die vielen
Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und anderen Ländern. Ausserdem ist der Welthandel in den
vergangenen Jahren vor allem ausserhalb Europas gewachsen.»
Während 2014 die Einfuhren aus den drei grössten Partnerländern Deutschland, Italien und Frankreich – sie
machen immerhin 46.8 % des gesamten Imports aus – um 0.9 % (Deutschland), 3.3 % (Italien) und 2.4 %
(Frankreich) zurückgingen, nahm der Import aus China um 6.7% zu. Gleichzeitig nahm der Export nach
Deutschland – mit 18.5 % Anteil der grösste Partner – um 2.8 % zu, derjenige nach China um 7.5 % und erreichte
immerhin 4.2 %. Damit ist China bereits heute unsere sechstwichtigste Exportdestination.
Zudem unterhält die Schweiz Freihandelsabkommen mit Südafrika, Japan, Korea und Singapur. Allein in Asien
verhandelt die Schweiz mit Staaten wie Indien, Indonesien, Malaysia, Thailand und Vietnam – allesamt wichtige
grosse Märkte mit viel Potenzial. Handel Schweiz setzt sich für weitere Abkommen ein. Dazu zählen neben den
bereits genannten auch Russland, Brasilien und USA. Engeli: «Je mehr Marktzugang wir haben, umso produktiver
können wir sein.» Der Direktor von Handel Schweiz betonte, dass diese neuen Freihandelsabkommen die
wahrscheinlichen negativen Auswirkungen der Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA sowie USA und
Asien auf die Schweiz etwas abmildern könnten.
Handelsströme EU–USA
Das Freihandelsabkommen EU–USA soll in diesem Jahr zum Abschluss kommen. Das Handels- und
Investitionsabkommen umfasst einen riesigen Markt von fast 1 Mrd. Menschen beidseits des Nordatlantiks –
ohne Drittstaaten wie Mexiko und Canada oder die Türkei. Dieses Abkommen ist gleichzeitig zu sehen vor dem
Hintergrund des ebenfalls zurzeit verhandelten pazifischen Pendant, der Trans-Pacific Partnership (TPP). USA,
Australien, Neuseeland, Japan, Brunei, Malaysia, Singapur, Vietnam, Chile und Peru verhandeln über ein
umfassendes Freihandelsabkommen im Pazifikraum. Beide Abkommen haben wegen ihrer Grösse und
Bedeutung das Potenzial, die WTO mehr und mehr abzulösen. Der Direktor von Handel Schweiz warnte: «Die
Schweiz ist in jedem Fall betroffen. Da sie nicht Verhandlungspartnerin ist und die Verhandlungen mit den USA
dazumal abgebrochen hat, muss sie mit dem klar kommen, was sich ergeben wird.» Die EU und die USA sind
nicht nur global die handelspolitischen Schwergewichte, sondern auch die zwei grössten Handelspartner der
Schweiz. Mehr als zwei Drittel aller Schweizer Exporte gehen in die EU (56%) und die USA (11%). Dies
verdeutlicht, dass für die Schweizer Wirtschaft einiges auf dem Spiel steht.
Die TTIP hat Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zum Ziel. Die TTIP hat das Potenzial, die
Wirtschaft der EU um € 120 Mrd., die Wirtschaft der USA um € 90 Mrd. und die Weltwirtschaft um € 100 Mrd.
anzukurbeln. Von einem regen Handel zwischen den USA und Europa profitiert der gesamte Welthandel.
Ausserdem werden vom TTIP-Abkommen auch Impulse für die internationale Annäherung von Vorschriften und
Normen erwartet. Denn wenn EU und USA ihre Vorschriften annähern, setzt dies Impulse im internationalen
Normungsprozess. Diese Annäherung kann den internationalen Handel durch den Abbau von
Handelshemmnissen zwischen anderen Ländern zusätzlich beleben. Sowohl in der EU als auch in den USA gelten
Handel Schweiz: Medienmitteilung Politik, 24. März 2015
Seite 2 von 4
sehr hohe Sicherheitsstandards für Lebensmittel, Medikamente, Maschinen, Geräte und Alltagsgegenstände.
Dennoch gibt es unterschiedliche Philosophien beim Risikomanagement.
In der EU gilt das so genannte Vorsorgeprinzip. Das heisst: Bei fehlender Gewissheit bezüglich Art, Ausmass oder
Eintrittswahrscheinlichkeit von möglichen Schadensfällen wird vorbeugend gehandelt, um diese Schäden von
vornherein zu vermeiden. Produkte dürfen also nur dann vermarktet werden, wenn ihre Unbedenklichkeit
erwiesen ist und sie kein Risiko darstellen. So soll verhindert werden, dass Schäden für Mensch und Umwelt
überhaupt erst entstehen.
Misstrauen diesseits und jenseits
Auch in den USA sind die Vorschriften für die Produktsicherheit gesetzlich festgelegt. Hersteller und Importeure
sind dafür verantwortlich, dass ihre Produkte bei bestimmungsgemässem Gebrauch unschädlich sind. Eine
entsprechende Bescheinigung muss dem Produkt beigefügt werden. Lebensmittel müssen sicher sein; Hersteller
von neuen Lebensmittelzusatzstoffen müssen anhand von Studien nachweisen, dass von den neuen Stoffen
keine Gesundheitsgefährdung ausgeht. Allerdings dürfen Produkte und neue Stoffe verwendet werden, wenn
mögliche Risiken unwahrscheinlich sind. TTIP ermöglicht beiden Seiten, ihre jeweilige Risikobewertung
beizubehalten.
In den Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP wird in der
europäischen Diskussion zum Teil sehr einseitig auf die Gefahr des Abbaus europäischer Schutzstandards für
Lebensmittelsicherheit, Verbraucher und Umwelt verwiesen. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Bereichen, in
denen die USA sehr strenge Schutzstandards oder Genehmigungsverfahren vorsehen. In den USA dominiert
daher in der öffentlichen Debatte über TTIP eher die Furcht davor, dass durch das Abkommen hohe US-Standards
abgesenkt werden könnten. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung gehen 60 % der befragten US-Bürger
von besseren US-Umweltstandards und 67 % von höheren Standards für Lebensmittelsicherheit in den USA aus.
So dürfen bestimmte Früchte und Fruchtsäfte aus der EU wegen zu hoher Pflanzenschutzmittelrückstände bzw.
unklarer Festlegung von erlaubten Rückständen derzeit nicht in die USA exportiert werden. In den USA werden
Produkte, die in der EU als Kosmetika eingestuft werden, z. T. als rezeptfrei erhältliche Arzneimittel (so
genannte
Over-the-counter
Drugs)
eingestuft,
die
strengeren
Test-,
Registrierungsund
Etikettierungsvorschriften entsprechen müssen. Dies betrifft etwa Anti-Schuppenshampoo, Haarfärbemittel,
Zahnpasta mit Fluorid oder bestimmte Deodorants.
TPP: Japan und USA vereinen 38% der globalen Wirtschaftskraft
Die Transpazifische Partnerschaft (engl. Trans-Pacific Partnership, kurz TPP) war ursprünglich ein
Freihandelsabkommen zwischen Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur. Unterzeichnet am 3. Juni 2005, trat es
am 1. Januar 2006 in Kraft. Durch eine Beitrittsklausel haben andere Staaten die Möglichkeit, der TPP
beizutreten. 2008 erklärten die USA ihr Interesse an Beitrittsverhandlungen, die 2010 starteten. Auch Japan,
Kanada, Australien, Mexiko, Vietnam, Peru und Malaysia verhandeln, weitere Staaten sind interessiert. Allein die
USA und Japan, die beiden wirtschaftsmächtigsten beteiligten Nationen, vereinen gegen 38 % der globalen
Wirtschaftskraft. Das Abkommen ist für die USA das wichtigste handelspolitische Vorhaben, noch vor dem
Abkommen mit der EU. Studien schätzen die Auswirkungen auf amerikanische Firmen auf einen Anstieg der
Einnahmen von USD 78 Mrd. Die Verhandlungen im transpazifischen Abkommen sind denn auch weiter
fortgeschritten als im transatlantischen. Gleichzeitig verhandeln die USA auch mit einzelnen beteiligten Staaten.
Auf die nicht beteiligten Staaten hat das Abkommen grosse Auswirkungen. China beispielsweise wäre ebenfalls
an einem Abkommen interessiert, möchte sich aber nicht der Führung der USA unterordnen. Für die USA ist das
Handel Schweiz: Medienmitteilung Politik, 24. März 2015
Seite 3 von 4
Abkommen denn auch eine Möglichkeit, sich dem Einfluss von China in Asien zu entziehen. Derweil arbeitet die
Volkrepublik an einem eigenen asiatischen Freihandelsabkommen.
Der Handel ist mit 680'000 Mitarbeitenden der wichtigste private Arbeitgeber der Schweiz. Handel Schweiz ist
der Dachverband des Handels, dem 33 Branchenverbände mit insgesamt 3’700 Unternehmen angehören.
Handel Schweiz vertritt eine liberale Politik und setzt sich für eine starke Schweiz ein. Die KV-Branche Handel
bildet 1‘400 Lehrlinge aus und ist damit eine der grössten und beliebtesten Ausbildungsbranchen.
facebook.com/HandelSchweiz • twitter.com/HandelSchweiz • www.handel-schweiz.com
Kontakt:
Kaspar Engeli, Direktor, Tel. 061 228 90 33
Andreas Steffes, Sekretär, Tel. 061 228 90 32
Informationen:
Iris Wirz c&p communications, Tel. 043 500 52 88, [email protected]
Handel Schweiz: Medienmitteilung Politik, 24. März 2015
Seite 4 von 4