THE DARK AGES MAR STALL „ JEDER TÖTET, WAS ER LIEBT “ THE DARK AGES GESPRÄCH MIT MILO RAU In THE DARK AGES stehen, wie bereits im 1. Teil Ihrer Europa-Trilogie THE CIVIL WARS, die Biografien der Schauspieler im Mittelpunkt. Warum dieser private Zugriff auf ein politisches Thema? Das Format, das ich für die EuropaTrilogie entwickelt habe, ist von banaler Schlichtheit und Statik: Weltgeschichte wird aus der Perspektive privater Erfahrungen erzählt. Die fünf Darsteller sprechen über sehr persönliche, teilweise sehr finstere Momente aus ihrem Leben. Diese Anekdoten zeigen beispielhaft Veränderungen in der Gesellschaft Europas der letzten 25 Jahre auf – und im Fall von Manfred Zapatka, dessen Erinnerungen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgehen, sogar der letzten 70 Jahre. Das heißt, es sprechen fünf spezielle Menschen, gleichzeitig sind es aber Figuren, die für uns alle, für „Europa“, eigentlich für den Mensch an sich stehen. Und das ist auch der Grund, warum ich THE DARK AGES als klassisches Drama gebaut habe: mit 5 Akten, die allegorische Titel wie „Die Schutzflehenden“ oder „Versuch über das Böse“ tragen. Man nimmt als Ausgangspunkt fünf spezielle, letztlich zufällige Leben. Durch ihre Montage und eine strenge Formalisierung – die Dreh-Bühne, die fugische Struktur und die Situation des Live-Drehs – werden diese aber ins Allgemeingültige gehoben. Die Darsteller kommen aus Deutschland, Russland, Bosnien und Serbien. Welche Rolle spielt Nationalität in THE DARK AGES? Im Jahr 2015 jähren sich zwei historische Brüche: das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 und der Genozid in Srebrenica 1995. Das eine Datum steht für den Sieg über Nazideutschland und damit die Geburt des postnationalistischen Europa, das andere für das Wiederaufflammen des ethnischen Nationalismus nach dem Untergang des Ostblocks. Ausgehend von diesen beiden historischen Brüchen, die die Biografien aller Schauspieler durchkreuzen und bestimmen, entspinnen sich die Geschichten von THE DARK AGES. Auf welchem Fundament ist Europa gebaut? Die gesellschaftlichen Themen unserer Zeit kehren in den Erzählungen der Schauspieler wieder: Entwurzelung, Flucht, Wiederaufbau, existenzielle und ideologische Unbehaustheit – und schließlich, auf fast geisterhafte Weise, die großen tragischen Themen des Bösen und der unmöglichen Gerechtigkeit. Mit Ausnahme von Sudbin Musić sind alle Erzähler auf der Bühne professionelle Schauspieler. Und auch Musić ist als Menschenrechtsaktivist, Autor und Politiker geübter Darsteller seiner selbst. Welche Rolle spielt der Beruf der Erzähler im Stück oder der – von der Gruppe Rimini Protokoll geprägte – Begriff vom „Experten des Alltags“? Wie bei THE CIVIL WARS ist das Spezielle an der Konstellation, dass die Erzähler als professionelle Performer nicht nur Spezialisten sind für ihr Leben – sondern auch dafür, wie man davon erzählt. THE DARK AGES ist ein Stück über das Erzählen genauso wie ein Stück über das, was die sogenannten „großen Erzählungen“ mit uns machen oder gemacht haben – weshalb die eine Seite der Bühne eine jener klassischen Rednerkanzeln ist, wie sie uns bei unseren Recherchen immer wieder begegnet sind. Die in Brüssel lebende Performerin Sanja Mitrović etwa muss sich mit dem Stempel der „bösen Serbin“ auseinander setzen, Sudbin Musić in Prijedor oder Vedrana Seksan in Sarajevo verzweifeln an der politischen Verlogenheit des europäischen Opferkults in Bezug auf Bosnien. Man- fred Zapatkas Erzählung wiederum gibt einem verbreiteten Phantomschmerz Ausdruck, der utopischen Leere des deutschen Wirtschaftswunders. Kurzum: Wir haben es mit einer Konstellation von Schauspielern zu tun, für die ihre jeweilige Nationalität genauso bestimmend wie problematisch ist – und die, jeder für sich und in ihrem jeweils sehr eigenen Stil, Spezialisten dieser Art existenzieller Dauerkrise geworden sind. Zugleich gehen wir in THE DARK AGES über die Frage des Erzählens hinaus und fragen nach der Erinnerung: nach Dokumenten, Videos, Bildern und schließlich auch Geschichtskonstruktionen. Im Trailer zum Stück zitieren Ihre Schauspieler Shakespeare. Warum? Die Musik zu THE DARK AGES stammt von der slowenischen Band Laibach. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Mich interessiert, dass diese Band im Lauf ihrer Karriere die Geschichte Jugoslawiens, aber auch Europas abgebildet hat. Bereits vor der Wende ist sie in Europa und im Ostblock getourt, hat sehr kritische Alben über das Projekt der EU veröffentlicht und Fragen der Identität und der Staatlichkeit in fast allen ihren Projekten reflektiert – einmal hat sie sogar selbst einen Staat gegründet. Besonders interessant ist aber, dass Laibach nie in der Rolle der Gutbürger oder, wie die vom Kult-Faktor her vergleichbare Band Kraftwerk, als quasi-posthumanes Kunstprodukt aufgetreten ist, sondern immer in der Rolle der klassischen „alteuropäischen“ Pathetiker. Ihr Soundtrack für THE DARK AGES folgt dem Prinzip der wagnerianischen Überwältigung, in größtmöglicher Antithese zur Intimität der Inszenierung: Er ist die zugleich bösartige und melancholische Hymne zu den Erzählungen der Schauspieler. Hier wird der kollektive Alptraum des sich auf den Ruinen des Zweiten Weltkriegs und den Massengräbern des jugoslawischen Bürgerkriegs fröhlich vereinigenden Europa fühlbar. So ist es nur logisch, dass das Leitmotiv des verschiedene historische Epochen und Stile Europas zitierenden Soundtracks zu THE DARK AGES auf einem von Oscar Wilde adaptierten Shakespeare-Zitat beruht: „Jeder tötet, was er liebt“ – in Heiner Müllers DIE HAMLETMASCHINE dann übrigens weitergesponnen zu „Was du getötet hast, sollst Du auch lieben“. Der alte Mensch muss untergehen, damit der neue leben kann, hieß es im Faschismus und Kommunismus. Und das gleiche gilt auch für das Neue Europa. Blöd nur, dass wir alle noch zur alten Kollektion gehören. THE DARK AGES ist der zweite Teil von Milo Raus Europa-Trilogie, einer intimen Seelenschau des sich vereinigenden Europas. Der erste Teil THE CIVIL WARS (uraufgeführt im August 2014 beim Theaterspektakel Zürich) widmet sich Westeuropa und der Frage nach den Ursprüngen von sozialer Dekomposition und Extremismus. Der dritte Teil EMPIRE (Uraufführung im Dezember 2015 an der Schaubühne Berlin) wird die Auswirkungen der europäischen Wirtschaftspolitik in Afrika zum Ausgangspunkt nehmen. Komplettiert wird THE DARK AGES, das ab Mai 2015 auf internationale Tour geht, von einem Konzert der Band Laibach (am 11. April 2015 im Anschluss an die Premiere) und einer szenischen Lesung des LEITFADEN FÜR BRITISCHE SOLDATEN IN DEUTSCHLAND am 7. Mai 2015, genau 70 Jahre nach der Verkündung der deutschen Kapitulation im Radio. Am 9. Mai wird der LEITFADEN, gelesen von Manfred Zapatka, als Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk ausgestrahlt. DANK AN IN BELGRAD Matthias Müller-Wieferig und Goethe-Institut Belgrad, Anja Suša und BITEF-Festival, Ursula und Nikolaus Keller, Angelika Tomić und Österreichisches Kulturforum Belgrad, Borka Pavićević und Centre for Cultural Decontamination, Mirjana Slavković und Museum of Yugoslav History, Goran Cvetković, Maja Ilić, Jelena Jankahidać, Mirjana Karanović, Ivan Medenica, Andrej Nosov, Slaviša Rajković, Lubisa Ristić, Sonja Vukicević IN LJUBLJANA Nevenka Koprivsek, Dragan Živadinov IN MÜNCHEN Dr. Ingeborg Kader, Horst Ziegler und Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke München, Puppentheatersammlung des Münchner Stadtmuseums IN NÜRNBERG Dr. Alexander Schmidt und Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Andreas Schiller und Liegenschaftsamt, Jan Henric Bogen und Staatstheater Nürnberg IN SARAJEVO Charlotte Hermelink, Azra Sijamhodžić und Goethe-Institut Sarajevo, Gerd Manderla und Deutsche Botschaft Sarajevo, Ermin Sijamija und Nationaltheater Sarajevo, Nihad Kreševljaković, Sabina Sabić, Hana Karadza und Sarajevo War Theater SARTR, Dino Mustafić, Selma Spahić und MESS Festival, Bakira Hasečić und Udruženje Žena – Žrtva rata, Sanja Mulać und Instituta za nestale osobe BiH, Vlado Azinović, Zana Marjanović, Erich Rathfelder, Alen Simić, Narcisa Cvitanović und Jasmila Zbanić IN SREBRENICA Zumra Sehomerović, Hatidža Mehmedović und „Udruženje Srebreničke majke“, Munira Subašić und „Majke enklava Srebrenica i Žepa“ SOWIE Tina Keserović, Jasmina Musić, Nada Mutić-Bjevoluk, Jacqueline Nießer und Udruženje logoraša „Prijedor 92“ THE DARK AGES Als wir auf unseren Recherchereisen in Serbien und Bosnien mit Schauspielern gesprochen haben, haben die auffällig oft „Richard III“ zitiert, um die Fragen des Bösen und der Gerechtigkeit in ihrer Heimat zu beschreiben. Unser Trailer beginnt darum mit Richards Anfangsmonolog. Im Probenprozess haben wir uns dann immer mehr auf Hamlet fokussiert: Es war geradezu unheimlich, wie Szenen aus Shakespeares Stück fast eins zu eins als authentische Erinnerungen unserer Darsteller wiederkehrten. Sudbin Musić hielt tatsächlich den Schädel seines Vaters in der Hand, Valery Tscheplanowa sprach auf einer Gastspielreise von DIE HAMLETMASCHINE mit dem Videobild ihres gerade verstorbenen Mentors Dimiter Gotscheff. Zugleich ist Hamlet für mich die Verkörperung des Nichtloslassen-könnens. „Etwas ist faul im Staate Dänemark“: Hamlet will Gerechtigkeit für seinen Vater, aber niemand will von seiner Geschichte noch etwas wissen. Er soll sich beruhigen, er soll sich integrieren, aber er kann die Vergangenheit nicht loslassen, wie unsere Darsteller. THE DARK AGES ist ein Stück über Heimatlosigkeit, über ein ständig hinausgezögertes, letztlich unmögliches Ankommen im Neuen Europa, über das Nicht-vergessen-können. TEXT UND SPIEL SANJA MITROVIĆ, SUDBIN MUSIĆ, VEDRANA SEKSAN, VALERY TSCHEPLANOWA, MANFRED ZAPATKA THE DARK AGES Konzept + Text + Regie Bühne + Kostüme Kamera + Videodesign Licht Dramaturgie Musik MILO RAU ANTON LUKAS MARC STEPHAN UWE GRÜNEWALD STEFAN BLÄSKE + SEBASTIAN HUBER LAIBACH REGIEASSISTENZ Jakub Gawlik BÜHNENBILDASSISTENZ Swetlana Klee KOSTÜMASSISTENZ Anna Maria Schories + Cátia Palminha ÜBERSETZUNG Marija Karaklajić DRAMATURGISCHE MITARBEIT Lucia Kramer + Rose Reiter RECHERCHE Stefan Bläske + Marija Karaklajić + Mirjam Knapp INSPIZIENZ Ronda Schmal PREMIERE 11. April 2015 MARSTALL Vorstellungsdauer ca. 2 Std. Keine Pause Uraufführung BÜHNENMEISTER Alexander Al-Akkam + Klaus Kreitmayr BELEUCHTUNGSMEISTER Uwe Grünewald STELLWERK Alexander Bauer + Johannes Frank + Oliver Gnaiger VIDEO Marie-Lena Eissing + Janet Haats + Stefan Muhle TON Jan Faßbender REQUISITE Barbara Hecht + Maximilian Keller + Anna Wiesler GARDEROBE Sabine Berger IIPM (TOUR) REGIEASSISTENZ Mirjam Knapp TON Jens Baudisch PRODUKTIONSLEITUNG LICHT Aymrik Pech Mascha Euchner-Martinez Eine Produktion des RESIDENZTHEATERS in Zusammenarbeit mit MILO RAU / INTERNATIONAL INSTITUTE OF POLITICAL MURDER (IIPM) IN MEMORIAM Damir Todorović RESIDENZTHEATER SPIELZEIT 2014 / 2015 AUFFÜHRUNGSRECHTE schaefers philippen Köln TEXTNACHWEISE Das Interview mit Milo Rau sowie die Europa-Rede sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. REDAKTION Stefan Bläske MITARBEIT Lucia Kramer + Rose Reiter GESTALTUNG Herburg Weiland FOTO Thomas Dashuber INTENDANT Martin Kušej GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Holger von Berg CHEFDRAMATURG Sebastian Huber TECHNISCHER DIREKTOR Thomas Bautenbacher KOSTÜMDIREKTORIN Elisabeth Rauner KÜNSTLERISCHER DIREKTOR Roland Spohr CHEFDISPONENTIN Regina Maier PRESSE- U. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Sabine Rüter TECHNIK Matthias Neubauer + Gerrit Jurda WERKSTÄTTEN Michael Brousek AUSSTATTUNG Bärbel Kober + Maximilian Lindner BELEUCHTUNG / VIDEO Tobias Löffler TON Michael Gottfried REQUISITE Dirk Meisterjahn PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Enke Burghardt DAMENSCHNEIDEREI Gabriele Behne + Petra Noack HERRENSCHNEIDEREI Carsten Zeitler + Aaron Schilling MASKE Andreas Mouth GARDEROBE Cornelia Faltenbacher SCHREINEREI Stefan Baumgartner SCHLOSSEREI Ferdinand Kout MALERSAAL Katja Markel TAPEZIERWERKSTATT Peter Sowada HYDRAULIK Karl Daiberl GALERIE Christian Unger TRANSPORT Harald Pfähler BÜHNENREINIGUNG Adriana Elia RESIDENZ A N S P R AC H E Z U E H R E N D E S B E S U C H S D E R G RU P P E L A I B AC H A M B AY E R I S C H E N S TA AT S S C H AU S P I E L I N M Ü N C H E N , D E U T S C H L A N D THEATER APRIL 2015 DEUTSCHE! EUROPÄER! Gerade noch waren eure Städte brennende Ruinen. Eure Speise war das Selbstmitleid, eure Melodie hieß Amerika. Aber ihr habt eure Häuser wieder aufgebaut, ihr habt Tüchtigkeit und Gefühl gezeigt. Dafür schätzt euch die Welt. Nun aber ist es an der Zeit, dass ihr die Wahrheit erkennt, denn es bricht an das große Jahrhundert der Kriege. Asien, geführt von den Russen und Chinesen, stürmt gegen die Festung eurer Bequemlichkeit. Afrika schickt sich an, das Mittelmeer zu einem Binnenmeer zu machen. Wir werden es aber nicht zulassen, dass ihr noch einmal geschlagen werdet. D I E K O R N K A M M E R N D E R U K R A I N E G E H Ö R E N E U C H . E S W I R D K E I N Z W E I T E S S T A L I N G R A D G E B E N . Aber ihr dürft euch die Sache nicht zu einfach vorstellen. Es werden im Fernsehen so viele Menschen sterben, dass darüber eine Debatte entbrennen wird. Ihr werdet zweifeln am Neuen Europa. Doch eure Angst vor dem Bösen wird von niemandem geteilt werden, am wenigsten von euren Kindern. Seht ihr nicht, wie sie sich in jener heroischen Seelenruhe üben, die ihr mit Gefühlskälte verwechselt? Erkennt ihr nicht, wie sie einander im Schatten ihrer Spielplätze zu einem reineren Sein führen? Glaubt ihr denn, ihr könnt noch einmal 70 Jahre lang die Früchte genießen, die Amerikas bewaffnete Jugend für euch pflückt? D A S G U T E I S T E I N V O R R E C H T D E S H Ö C H S T E N , N I C H T D E S D E U T S C H E N . Deshalb wird es keine Liebe in Europa geben ohne die Mauern des Hasses. Denn der Hass ist nicht das Vorurteil der Ungerechten, der Hass ist der Panzer der Liebe. Das neue Europa wird gerecht sein, und es wird schön sein. Meine Damen und Herren: Wie jedermann weiß, hat der Künstler die Fähigkeit, das ewig Wahre im innersten Kern zu erfassen. Viele fragen uns: Warum ist das Neue Europa so deutsch? Wir antworten: E U R O P A M U S S D E U T S C H S E I N , O D E R E S W I R D N I C H T S E I N . Uns interessieren die Engergiewende und der Atomausstieg, weil sie deutsch sind. Uns interessiert der Massenmord an den Juden, weil er deutsch ist. Unsere Prophezeiung ist: Von den Ebenen des Nordens bis an die Wolga werden Windkraftwerke stehen, und die Luft Europas wird sauber sein. An zahllosen Gedenkfeiern werdet ihr nachdenklich das Knie beugen, und die Vergangenheit wird euch gehören. D E N N U M E I N G E S U N D E S L E B E N Z U H A B E N , M U S S D I E O R D N U N G D E R G E S C H I C H T E S O H A R T S E I N W I E D I E O R D N U N G D E R W E LT W I R T S C H A F T . Einige werden fragen: Waren wir nicht welthistorischer, als wir uns gegenseitig getötet haben? Werden wir einander nicht entgleiten, wenn wir uns zu gleich werden? Aber es ist erst die Überwindung des Bluts, die das Neue Europa gebiert. Millionen und Abermillionen von Afrikanern und Asiaten kamen zu euch. Sie schliefen mit euren Schwestern und Brüdern, und nun sind sie eins mit euch. Dies ist also unser Richtspruch: D A S Ü B E R N A T I O N A L E I S T D A S E U R O P Ä I S C H E . Der Serbe soll dem Bosniaken, der Deutsche dem Türken, der Christ dem Muslim, der weiße dem schwarzen Europäer und der Zigeuner dem Stadtbewohner die Hand reichen. Nur so werdet ihr selig werden. Ja, ihr müsst herrschen, doch ihr empfindet Unbehagen über das, was in eurem Namen geschieht. So wisst: Eure Gefühle waren im 20. Jahrhundert interessant, nun sind sie es nicht mehr. Wie Tiere, die im Begattungskäfig übereinander herfallen, habt ihr allabendlich den sterilen Samen des schlechten Gewissens empfangen. Doch das Fernsehen bringt euch nur die Wirklichkeit, niemals die Wahrheit. Wer jenseits von Kairo und Kiew lebt, lebt ohne Geschichte. Denn die Geschichte heißt Europa, oder sie ist nicht. Wovor, fragt ihr, warnen wir euch also? W I R W A R N E N E U C H V O R D E N F E I N D E N D E R D E M O K R A T I E . Vergesst nicht, dass seit Einführung der Menschenrechte die totale Gleichberechtigung nicht nur von Mann und Frau, sondern auch der Rassen gilt. Das heißt: Die Afrikaner und die Asiaten sind gleich wie wir. Auch sie sind Ritter des Seins. Auch sie wollen die Energiewende und den internationalen Gerichtshof, auch sie wollen die verarbeitende Industrie und das organisierte Gedenken. Eure Aufgabe ist es also, Afrika und Asien freundschaftlich zu würgen, sonst werdet ihr im heißen Atem ihrer Gerechtigkeit verdorren. Das ist unser Rat. Denn wir sind hier, um euch Wissen und Wohlstand zu bringen. Liebe Freunde: Unsere Worte sind wie Rosen, dornig und voller Wohlgeruch. Auf den Ländern des alten Europa liegen sie und welken nicht, solange ihr sie mit den Tränen der Erinnerungspolitik begießt. Grüßen wir sie, die gesäuberten Schädel unserer Genozide. Und auch sie, die Kanzeln unserer überholten Weltanschauungen. DEUTSCHE! EUROPÄER! Wir verkünden euch den Marshallplan der Seele. Im Tausch gegen die Universalgeschichte erhaltet ihr die Unsterblichkeit. Das Paradies verfertigen wir euch in Afrika und den Tigerstaaten des Fernen Ostens. WAS IST EUCH NOCH DER TOD? EURE MELODIE HEISST ZUKUNFT Verfasst von M I LO R AU . Gehalten von SA NJ A M I T R OV I C , S U D B I N MU S I C , V E D R A N A S E KS A N , VA LE RY TSC H E P L A N OWA , M A N F R E D Z A PAT K A .
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