DIHK-Gründerreport 2015 - Deutscher Industrie

Talfahrt gebremst, aber
Schwäche dauert an
DIHK-Gründerreport 2015
2
DIHK-Gründerreport 2015
Mit dem DIHK-GRÜNDERREPORT legt der DIHK jährlich eine Einschätzung der IHK-Organisation zum Gründungsgeschehen in Industrie, Handel und den Dienstleistungsbranchen in Deutschland vor. Grundlage für die DIHKAussagen sind Erfahrungsberichte der IHK-Existenzgründungsberater aus den 80 Industrie- und Handelskammern
(IHKs) sowie eine statistische Auswertung zum IHK-Gründerservice.
Insgesamt fußt der DIHK-Gründerreport 2015 auf rund 230.000 Kontakten von IHK-Existenzgründungsberatern mit
angehenden Unternehmerinnen und Unternehmern. Die vorliegende Untersuchung erfasst einen Großteil des Gründungsgeschehens in Deutschland.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V.
Bereich Wirtschaftspolitik, Mittelstand, Innovation – Berlin 2015
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Redaktion
DIHK – Bereich Wirtschaftspolitik, Mittelstand, Industrie/Innovation
Dr. Marc Evers
ISSN
1869-7704
Stand
Mai 2015
Alle Rechte liegen beim Herausgeber. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur
mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet.
DIHK-Gründerreport 2015
3
Gründungsinteresse:
Talfahrt gebremst, aber Schwäche dauert an
Sechs Schlaglichter zum Gründungsgeschehen
– 6.924
Die Zahl der IHK-Gründungsgespräche ging im Jahr 2014 um drei
Prozent zurück auf nun insgesamt 227.703 – der vierte Rückgang in Folge
und ein weiterer Negativrekord.
+10 %
Existenzgründung
Immerhin kamen zehn Prozent mehr Gründer zur IHK-Gründungsberatung,
deren Hauptantrieb die Umsetzung einer unternehmerischen Idee war.
Dieser fortgeschrittenen Stufe des IHK-Gründerservice liegt bereits ein konkretes Geschäftskonzept zugrunde. Insgesamt legten 43.155 Gründer ihrer IHK ein Konzept vor.
–11%
Arbeitslosigk
e
Arbeitslosigkeit
die Zahl der Gründer mangels Erwerbsalternativen in der IHK-Beratung um elf Prozent – Spiegelbild der weiter
guten Lage auf dem Arbeitsmarkt.
84 %
2007
Dagegen sank
84 Prozent der Gründer gaben an, im Handel oder den
Dienstleistungsbranchen starten zu wollen.
2014
Fast jeder fünfte Gründer (19 Prozent) in der IHK-Gründungsberatung hat
mittlerweile einen Migrationshintergrund – ein Zuwachs um fünf Prozentpunkte seit 2007 (14 Prozent).
Die meisten IHK-Gründungsberater sehen bei Gründern mit Migrationshintergrund
Qualifikationsbedarf beim kaufmännischen Handwerkszeug,
wie Kostenrechnung oder Planrechnungen (78 Prozent). Fast 70 Prozent der Experten
berichten von Nachholbedarf, um mit Geschäfts- und Finanzierungspartnern in
verhandlungssicherem Deutsch kommunizieren zu können.
4
DIHK-Gründerreport 2015
Inhalt
Sieben Schlaglichter zum Gründungsgeschehen 2015
3
Empfehlungen der IHK-Organisation
5
Gründungsinteresse: Talfahrt geht weiter
7
Schwerpunktthema: Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund
18
Vorschläge zum Bürokratieabbau für Existenzgründer und junge Unternehmen
21
DIHK-Veröffentlichungen zur Existenzgründung
24
DIHK-Gründerreport 2015
5
Empfehlungen der IHK-Organisation
Startups Rückenwind geben

Zwei Drittel der Gründungsinteressenten, die ihrer IHK ein Geschäftskonzept vorlegen, wollen vornehmlich aus
unternehmerischem Antrieb gründen, und weniger aus Mangel an Erwerbsalternativen. Doch diese erfreuliche
Entwicklung reicht nicht aus, den Gesamttrend bei den Unternehmensgründungen hierzulande ins Positive zu
drehen. Das vierte Jahr in Folge ist die Zahl der IHK-Gründungsgespräche – Einstiegsgespräche und
Gründungsberatungen – im Jahr 2014 zurückgegangen (um drei Prozent) und erreicht damit einen erneuten
Negativrekord. Statt innovativen Startups mehr Rückenwind zu geben und so den Mittelstand von morgen zu
unterstützen, schafft die Politik in Gesetzesentwürfen zusätzliche Hemmnisse für Unternehmensgründer.

Zudem prüft die Bundesregierung – auf Initiative des Bundesrates – die Einführung der Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen bei Streubesitzanteilen an Kapitalgesellschaften, d. h. für Beteiligungen von unter zehn
Prozent. Das würde Beteiligungen für Investoren unattraktiv machen. Das würde Ankündigungen der Bundesregierung im Koalitionsvertrag und in der Digitalen Agenda konterkarieren, Verbesserungen für die Beteiligungsfinanzierung auf den Weg bringen zu wollen.

Seit anderthalb Jahren warten innovative Startups auf das im Koalitionsvertrag angekündigte Venture Capital
Gesetz. Deutschland ist beim Wagniskapital noch immer Entwicklungsland. Investitionen in innovative Gründungsideen sind durch lange Amortisationsphasen und oft sehr unsicheren Markterfolg geprägt. Nötig ist daher
ein Steuerrecht, das beim Investoreneinstieg sowie beim Anteilseignerwechsel eine vollständige Berücksichtigung von Verlusten vorsieht.

Zudem ist mehr Nachdruck auf die Vermeidung von Doppelbesteuerungen zu legen. Solange ausländische Investoren nicht sicher sein können, dass in Deutschland erzielte Beteiligungsgewinne zusätzlich zur Besteuerung
im Heimatland nicht auch hierzulande besteuert werden, werden sie Investitionen in deutsche Gründungen
meiden.

Immerhin konnten beim Kleinanlegerschutzgesetz ursprünglich geplante heftige Bremsen für das gerade entstehende Crowdfinancing verhindert werden, wie generelle Werbeverbote oder eine Begrenzung des Investitionsvolumens auf 10.000 Euro pro Engagement für professionelle Anleger.

Die teilweise Förderung von Gründercoachings gibt Gründern einen Anreiz, sich in der schwierigen Aufbauphase
durch einen Berater kompetent begleiten zu lassen. So sollte das Programm Gründercoaching Deutschland unter Beteiligung der IHKs fortgeführt und qualitätsorientiert weiter entwickelt werden.
Migrantinnen und Migranten den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern

Die meisten gründungsinteressierten Migranten gehen gut vorbereitet in die IHK-Gründungsberatung. Zwei
Drittel der IHK-Experten sehen allerdings Qualifikationsbedarf, um mit Geschäfts- und Finanzierungspartnern in
verhandlungssicherem Deutsch kommunizieren zu können. Bund und Länder sollten das Angebot an Sprachkursen auch für Selbstständige verbessern.
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DIHK-Gründerreport 2015

Willkommensstrukturen sollten deutschlandweit auch mit Blick auf Selbstständige mit Migrationshintergrund
aufgebaut werden. Hier gibt es mancherorts bereits viel versprechende Ansätze. Das Angebot sollte orientiert
am Bedarf weiterentwickelt und bekannt gemacht werden. Dabei können sich Bund, Länder, Kommunen und Institutionen der Wirtschaft an gut funktionierenden Beispielen orientieren. So können Welcome Center - auch
gründungswillige - Zugewanderte bei Fragen rund um das Leben und Arbeiten in Deutschland begleiten sowie
bei Behördengängen unterstützen. Business Support Center können darüber hinaus Hilfestellung beim Eintritt
in den deutschen Markt und bei ausländerrechtlichen Fragen leisten. Für Studierende und Hochschulabsolventen sollte die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erleichtert werden.

Viele Migranten berichten den IHK-Experten von bürokratischen Hürden. Dass dieses Problem von einem Viertel
der Gründungsberater genannt wird, hängt vor allem mit ausländerrechtlichen Fragen zusammen. Insgesamt
muss das gesamte Zuwanderungsverfahren von der Visabeantragung bis zur Arbeitsaufnahme oder der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit verkürzt und transparenter gestaltet werden, u. a. durch konsequenten
Ausbau von E-Government-Angeboten.
Bürokratiehürden aus dem Weg räumen

Das am 25. März 2015 vom Bundeskabinett beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz enthält einzelne gute
Ansätze, so die höheren Schwellenwerte für Buchführungs- und Statistikpflichten. Weiteres Abbaupotenzial in
Sachen Bürokratie gibt es etwa bei den Informationspflichten für Betriebsnachfolger, in der Handelsstatistik,
bei der Künstlersozialversicherung, den Meldungen zur Berufsgenossenschaft und beim Geldwäschegesetz. Die
Anhebung der Umsatz- und Gewinngrenzen, ab denen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gelten, sollte einhergehen mit einer Vereinfachung der Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR). Weitere Empfehlungen listet der Katalog am Ende dieses Reports auf.

Bund, Länder und Kommunen sollten möglich machen, innerhalb eines Monats ein Unternehmen zu gründen,
inklusive aller erforderlichen Genehmigungen. Für die von der Bundesregierung angekündigten One-StopAgenturen bieten sich die IHKs an, die bereits heute einen passgenauen Gründerservice aus einer Hand bieten –
von Erstauskunft über Businessplancheck bis hin zu Hilfen bei Finanzierung, Förderanträgen und Gewerbeanzeigen. Als erstes sollten alle Bundesländer den IHKs ermöglichen, Gewerbeanzeigen auch rechtsgültig zu bearbeiten. Das wäre auch im Sinne einer Empfehlung der EU.
Mehr Verständnis für Unternehmertum schaffen

Der DIHK-Gründerreport 2015 zeigt: Selbst bei guter Konjunktur determiniert die Entwicklung am Arbeitsmarkt
das Gründungsgeschehen. Qualifizierte Fachkräfte suchen eher die Sicherheit einer Festanstellung. Alle gesellschaftlichen Akteure müssen stärker zur Selbstständigkeit ermuntern und zu einem positiven Unternehmerbild
beitragen.

Insbesondere ist in den meisten Schulen „Unternehmertum“ als Unterrichtsinhalt kaum verankert. Ein eigenes
Schulfach „Wirtschaft“ (auch in Kombination mit z. B. Politik) könnte Abhilfe schaffen. Doch schon die Einbettung entsprechender Inhalte in bestehende Fächer könnte Fortschritte bewirken – etwa mit einem Unternehmensplanspiel.
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DIHK-Gründerreport 2015
Gründungsinteresse: Talfahrt geht weiter
Gründungsinteresse: dritter Negativrekord in Folge
IHK-Gespräche mit Existenzgründern: Einstiegsgespräche und Gründungsberatungen
406.101
410.000
387.433
380.000
376.609
356.070
350.000
357.015
361.058
349.037
351.362
329.591
320.000
320.174
290.000
260.000
234.627
252.229
- 3,0%
230.000
227.703
200.000
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Das Interesse an der Gründung eines eigenen Unternehmens ist erneut auf ein
historisches Tief gesunken. Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) verzeichneten im Jahr 2014 drei Prozent weniger Gespräche mit Personen, die ein Unternehmen in der Industrie, dem Handel oder den Dienstleistungsbranchen gründen wollten. Damit ist zum dritten Mal in Folge ein Negativrekord in der seit 2002 bestehenden IHK-Gründungsstatistik erreicht. Im Jahr 2014 führten die IHKs 227.703
Einstiegs- und Beratungsgespräche.
8
DIHK-Gründerreport 2015
Der harte Kern - die unternehmerisch Motivierten
Teilnehmer IHK-Gründungsberatung
"Unternehmer sein"
Mangel an Erwerbsalternativen
Arbeitslose
80.000
Teilnehmer
60.000
50.000
4,5
29%
70.000
32%
44%
4,0
36%
40%
44%
40%
41%
37%
3,5
40.000
30.000
20.000
71%
56%
50%
68%
64%
60%
56%
60%
59%
59%
64%
63%
10.000
Arbeitslose in Millionen
5,0
90.000
3,0
2,5
50%
41%
36%
2012
2013
2014
0
2,0
2003
2004
Arbeitsmarkt und
Fachkräfteknappheit sind
die Taktgeber
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Einmal mehr erweist sich das Gründungsgeschehen als Spiegelbild des Arbeitsmarktes. Der dortigen guten Entwicklung folgend wollten sich weniger Personen
aus Mangel an Erwerbsalternativen selbstständig machen. Das zeigt sich an der
IHK-Gründungsberatung. Um 10,7 Prozent sank die Zahl der Gründer, die aus der
Arbeitslosigkeit kommend ihrer IHK ein Konzept vorlegten. Die wieder gelockerte
Gewährung von Förderhilfen für arbeitslose Gründer (Gründungszuschuss) dämpft
den Rückgang sogar noch etwas ab. Die Beratungsgespräche sind nach den Einstiegsgesprächen, bei denen noch kein konkretes Konzept präsentiert wird, die
zweite Stufe im IHK-Gründerservice.
In den meisten Jahren bewegen sich die Zahlen der Arbeitslosen und der IHKGespräche mit Existenzgründern in die gleiche Richtung. Der Mangel an Erwerbsalternativen gibt hierzulande stärker als in anderen Ländern den Ausschlag zur
Gründung1. Das wirkt sich in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels umso stärker
auf das Gründungsgeschehen aus. Viele qualifizierte Fachkräfte schlagen lieber den
sicheren Weg einer gut dotierten Festanstellung ein anstatt sich den Risiken einer
Unternehmensgründung auszusetzen. Mittlerweile ist der Mangel an Fachkräften
für mehr als jedes vierte Unternehmen ein Geschäftsrisiko, mehr als doppelt so viel
1
Global Entrepreneurship Monitor, Unternehmensgründungen im weltweiten Vergleich, Länderbericht Deutschland 2014, Hannover, Nürnberg, April 2015.
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DIHK-Gründerreport 2015
wie vor fünf Jahren2 – eine Entwicklung, die sich auch bei den Gründungen bemerkbar macht.
Leichter Anstieg bei IHK-Gründungsberatungen
Einstiegsgespräche (linke Achse)
IHK-Gründungsberatung (rechte Achse)
350.000
90.000
330.000
80.000
310.000
70.000
290.000
60.000
270.000
+1,4% 50.000
250.000
40.000
230.000
30.000
210.000
- 3,9 %
190.000
20.000
10.000
170.000
150.000
0
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Zwar mehr Pioniere …
2
Im Jahr 2014 suchten fast zehn Prozent mehr Personen die IHKGründungsberatung auf, die aus unternehmerischem Antrieb den Weg in die
Selbstständigkeit gehen wollen und weniger aus Mangel an Alternativen – der
zweite Anstieg in Folge. Inzwischen ist der Anteil derjenigen, die vornehmlich aus
Unternehmermotivation gründen wollen, auf 64 Prozent gestiegen. Darunter sind
wissensintensive Startups etwa aus dem IT-Bereich, die gerade in Metropolregionen mit dichten Netzwerken aus Kunden, Geschäftspartnern und Universitäts- und
Forschungseinrichtungen gute Voraussetzungen sehen. In der Folge ist die Zahl der
Teilnehmer an IHK-Gründungsberatungen im Jahr 2014 leicht gestiegen, um 1,4
Prozent auf 43.155 Teilnehmer.
Sonderfaktoren tragen Konjunktur – Impulse von Ölpreis und Wechselkurs, Ergebnisse der DIHK-Konjunkturumfrage bei den Industrie- und Handelskammern,
Berlin, Jahresbeginn 2015.
10
… doch
Gesamttrend unverändert
DIHK-Gründerreport 2015
Doch der Zuwachs an unternehmerisch motivierten Gründern in der Gründungsberatung kann keine Trendwende bewirken. Ein solches Beratungsgespräch suchen
Gründer zumeist nach dem Einstiegsgespräch mit ihrer IHK auf. Die Zahl dieser
Erstkontakte mit der IHK hingegen sank um 3,9 Prozent – ein Indiz für das weiter
sinkende Gründungsinteresse. Grund für die unterschiedliche Entwicklung: Gerade
unternehmerisch motivierte Gründer haben einen festen Gründungswillen, viele
gehen nach dem Erstgespräch auch den zweiten Schritt und fassen ihr Projekt in
ein Geschäftskonzept. Viele derer, die sich mangels Alternativen für eine Gründung
interessieren, nehmen nach dem Erstgespräch von der weiteren Umsetzung Abstand, wenn sie z. B. wieder Möglichkeiten sehen, abhängig erwerbstätig zu sein.
Das gilt umso mehr bei gut laufender Konjunktur und guten Berufsperspektiven.
Das Segment der wissensintensiven Startups schätzen die IHK-Gründungsexperten
zudem auf gerade einmal sieben Prozent ein3. Insgesamt erkundigten sich 184.548
Personen in einem Erstgespräch bei ihrer IHK zu den grundlegenden Aspekten der
unternehmerischen Selbstständigkeit.
Nach IHK-Berichten wird auch die Demografie immer stärker im Gründungsgeschehen fühlbar. Es kommen mehr Gründer im Alter von 45 Jahren oder älter zur
Beratung.
Deutlicher Rückgang bei
IHK-Gründerseminaren
Im Jahr 2014 sank die Teilnehmerzahl an IHK-Gründerseminaren deutlich um 11,4
Prozent (22.009 Teilnehmer). An IHK-Gründertagen nahmen 50.936 Gründungsinteressierte teil und damit etwa so viele wie im Vorjahr. Zudem gab es 7.075 Online-Gründungsberatungen, 77.477 Mailanfragen sowie rund 2,7 Millionen Besuche
der IHK-Websites zur Existenzgründung.
Mit neuen Ideen den Markt aufmischen – bundesweite IHK-Aktion
Innovative Ideen standen im Mittelpunkt eines konzertieren IHK-Aktionstages am 18. November 2014. Bundesweit informierten die IHKs Gründer unter dem Motto „Mit neuen Ideen den Markt aufmischen“ – in Podiumsveranstaltungen, Pitches, Sprechtagen, Gründertagen und Seminaren. 2.400 Gründerinnen und Gründer beteiligten
sich.
3
Pioniergründer bringen frische Brise, DIHK-Gründerreport 2014, Berlin 2014.
DIHK-Gründerreport 2015
11
IHK-Gründerservice – zwei Stufen zur Gründung
Die IHK-Einstiegsgespräche zählen zu den IHK-Basisinformationen zur Existenzgründung.
• Auf dieser ersten Stufe vermitteln die IHKs grundlegende Informationen zur Selbstständigkeit, die jeder
angehende Unternehmer unabhängig vom konkreten Geschäftsvorhaben vor dem Start benötigt.
• Typische Themen sind etwa persönliche und fachliche Voraussetzungen für die Selbstständigkeit, betriebswirtschaftliche Planrechnungen sowie die soziale Absicherung.
• Neben Einstiegsgesprächen bieten die IHKs auf dieser Stufe Gründerseminare, Informationsveranstaltungen, Gründertage, Print- und Web-Informationen.
Die IHK-Gründungsberatung bildet die zweite Stufe des IHK-Gründerservices.
• In ein bis zweistündigen Gesprächen erörtern Existenzgründer mit einem IHK-Existenzgründungsberater
ihr Geschäftskonzept.
• Typische Fragen: Was ist das Besondere an der Geschäftsidee? Wie entwickelt sich meine Branche? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Was muss ich beim Bankgespräch beachten?
12
DIHK-Gründerreport 2015
Geschäftskonzepte: keine weitere Verbesserung
Soviel Prozent der beratenen Gründer haben sich genügend Gedanken
zum Kundennutzen ihrer Geschäftsidee gemacht*
72%
70%
56%
53%
2004
52%
49%
49%
2005
2006
2007
52%
2008
47%
48%
2009
2010
49%
2011
2012
2013
2014
*100 Prozent abzgl. Anteil derer, die sich nicht genügend Gedanken zum Kundennutzen ihrer Geschäftsidee gemacht haben, siehe Seite x .
Gründungskonzepte: wieder etwas mehr Defizite
2014
Sämtliche Gründer in der IHK-Gründungsberatung ...
2013
34%
… haben die Finanzierung ihres Start-Ups nicht
gründlich genug durchdacht
30%
… haben kaufmännische Defizite
(Preiskalkulation/Kostenrechnung, betriebsw.
Planrechnungen…)
32%
24%
30%
28%
… haben sich zu wenig Gedanken zum
Kundennutzen ihrer Geschäftsidee gemacht
27%
24%
… äußern unklare Vorstellungen zur
Kundenzielgruppe
26%
28%
… schätzen den zu erwartenden Umsatz
unrealistisch hoch ein
23%
23%
… können ihre Produktidee nicht klar beschreiben
… haben unzureichende Fach-/Branchenkenntnisse
17%
18%
DIHK-Gründerreport 2015
Qualifikation: wieder etwas
mehr Luft nach oben
13
Die Qualifikation der Gründer hat sich den IHKs zufolge nicht weiter verbessert. 70
Prozent derjenigen, die ihrer IHK im Jahr 2014 ein Konzept vorlegten, konnten den
Kundennutzen Ihrer Idee hinreichend erklären, im Vorjahr waren es 72 Prozent.
Gleichwohl bewegt sich die Qualität der Gründungsvorbereitung weiter auf einem
besseren Niveau als in den Jahren bis 2012. Dazu hat auch die seit 2012 strengere
Förderung für arbeitslose Gründer beigetragen. So müssen Gründer sich stärker mit
ihrer Geschäftsidee als mit Fördergeldern auseinandersetzen.
Ein genauerer Blick in die Geschäftskonzepte offenbart, dass trotz der Verbesserungen noch immer viele Gründer Startdefizite aufweisen. Die IHKs beobachteten
2014 sogar wieder etwas mehr Mängel als im Jahr zuvor. Am häufigsten müssen
Gründer bei der Finanzierung nacharbeiten, über ein Drittel haben sich darüber
nicht genügend Gedanken gemacht. Auch bei einem guten Zinsumfeld ist die Finanzierung bei Gründungen kein Selbstläufer, zumal etwa die Rahmenbedingungen für Wagniskapital in Deutschland weiterhin Probleme aufweisen und ein ausreichendes Kapitalangebot für Gründer verhindern.
Fast ein Drittel haben Defizite in punkto Preiskalkulation, Kostenrechnung etc..
Doch diese Fertigkeiten können relativ rasch etwa in Gründungsseminaren vermittelt werden. Schwerer wiegt, dass wieder mehr Gründer dort Nachholbedarf haben,
wo es auf unternehmerisches Fingerspitzengefühl ankommt. 30 Prozent haben sich
zu wenig Gedanken zum Kundennutzen gemacht, rund ein Viertel äußern unklare
Vorstellungen zur Kundenzielgruppe oder können ihre Produktidee nicht klar beschreiben. Leichte Verbesserungen können die IHKs hingegen bei der Einschätzung
des künftigen Umsatzes und bei den Fach- und Branchenkenntnissen vermelden.
Gründer mangels Erwerbsalternativen haben den IHKs zufolge häufiger Nachholbedarf als vornehmlich unternehmerisch motovierte Gründer. So äußern 44 Prozent der Gründer mangels Alternativen unklare Vorstellungen zur Kundenzielgruppe, bei den Gründern aus Unternehmerantrieb sind es 17 Prozent.
14
DIHK-Gründerreport 2015
Weniger IHK-Stellungnahmen
1.031
1.248
1.929
4.149
4.102
2.858
575
2.327
3.938
3.634
665
4834
2.317
13586
3.103
628
7.501
2.085
3.908
1.719
Bürgschaftsbanken
Landesförderbanken
Unternehmerkapital
2.176
505
2.223
4.127
470
2.266
4.269
4.982
3.610
32437
25762
20.710
15.833
15268
2002
Gründungszuschuss
(seit 01.08.06)
827
2.032
6932
27949
Ich-AG
(2003 bis 30.06.06)
3.857
3.475
30973
Überbrückungsgeld
(bis 31.10.06)
2003
2004
Viele IHK-Stellungnahmen
für arbeitslose Gründer
2005
2006
2007
2008
18.747
2009
21.811
2010
19.371
2011
348
348
1.991
2.089
3.613
3.047
2.795
-8,3%
6.751
7.256
6.860
-5,5%
2012
2013
2014
274
2.024
-3,1%
Das nachlassende Interesse an der Unternehmensgründung schlägt sich auch in
der Anzahl der Stellungnahmen wieder, welche die IHKs für Förderanträge von
Gründern abgeben. Im Jahr 2014 haben die IHKs 6,2 Prozent weniger Stellungnahmen abgegeben, insgesamt 11.953. Die meisten Einschätzungen gaben IHKs für
Gründer aus der Arbeitslosigkeit ab (Gründungszuschuss, 57 Prozent aller Stellungnahmen). Es folgen Stellungnahmen für Bürgschaftsanträge (23 Prozent) und
für Programme der Landesförderbanken (17 Prozent).
15
DIHK-Gründerreport 2015
Dienstleistungen und Handel: 84 Prozent
sonstige Branchen
sonstige Dienste
Gastgewerbe
6%
8%
7%
8%
8%
6%
35%
41%
40%
43%
39%
40%
41%
9%
10%
10%
15%
11%
8%
7%
8%
6%
6%
5%
8%
10%
7%
6%
8%
10%
6%
Verkehr
Handel
10%
10%
9%
10%
10%
39%
39%
39%
39%
39%
14%
11%
11%
12%
13%
12%
9%
9%
5%
8%
5%
8%
5%
5%
5%
6%
5%
7%
24%
22%
22%
22%
21%
21%
18%
22%
22%
22%
23%
22%
7%
6%
6%
5%
5%
5%
5%
4%
5%
6%
5%
6%
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Branchen:
Viele gründen klein
Industrie
Dienstleistungen 62%
9%
Kredit/Versicherung
Mehr als vier von fünf Gründern wollen im Handel oder in einer Dienstleistungsbranche starten. Beliebt sind insbesondere Bereiche, in denen der Start auch mit
vergleichsweise wenig Kapital möglich ist, wie etwa bei manchen personenbezogenen Dienstleistungen. Aber auch wissensintensive Services für Unternehmen
können mit relativ geringem finanziellem Aufwand angeboten werden. Für viele
Unternehmensberatungen etwa ist neben einer guten IT-Ausstattung ein Firmenwagen und bisweilen ein Gewerberaum notwendig. Insbesondere im Bereich der
IT-Startups sind im Zuge des technischen Fortschritts und dem Trend zum Outsourcing von Funktionsbereichen wie etwa IT oder Buchführung die Marktzugangsschranken gesunken. In der Industrie hingegen sind größere Summen zu stemmen,
wenn etwa Maschinen, Produktionsstätten oder Labore für den Start notwendig
sind. Dementsprechend ist der Anteil derjenigen, die ein Industrieunternehmen
gründen möchten, über die Jahre hinweg gering.
16
DIHK-Gründerreport 2015
Anteil der Gründerinnen steigt weiter
Anteil Teilnehmerinnen an IHK-Seminaren zur Existenzgründung
41%
41%
2006
2007
42%
43%
44%
2013
2014
42%
41%
40%
41%
38%
33%
32%
2003
2004
Frauen und Männer
auf Augenhöhe
2005
2008
2009
2010
2011
2012
Beim Gründungsinteresse holen Frauen weiter auf. Mittlerweile liegt der Anteil der
Frauen in den IHK-Gründungsseminaren bei 44 Prozent. Langsam aber stetig wird
in dem steigenden Anteil gründungsinteressierter Frauen ein sich wandelndes Rollenverständnisses wirksam.
Viele Frauen wollen im Nebenerwerb gründen. Nach IHK-Erfahrungen steht einer
Gründung oft die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Selbstständigkeit entgegen, weshalb sich viele Frauen für eine Gründung im Nebenerwerb
entscheiden, obwohl sie Vollzeit durchstarten möchten. Viele nehmen auch von
dem Gründungsprojekt wieder Abstand.
17
DIHK-Gründerreport 2015
IHK-Ausblick 2015: Tiefpunkt erreicht
"In den nächsten Monaten wird das Gründungsinteresse in unserer IHK-Region ...
... steigen"
14%
… gleich bleiben"
82%
... sinken"
4%
2009
Herbst
IHK-Prognose: Talsohle 2015
2010
Frühjahr
2010
Herbst
2011
Frühjahr
2011
Herbst
2012
2013
2014
2015
Frühjahr Frühjahr Frühjahr Frühjahr
Für das Jahr 2015 sehen die IHKs die Talsohle beim Gründungsinteresse erreicht.
82 Prozent der IHKs erwarten ein unverändertes Gründungsgeschehen. Noch nie
war dieser Wert höher seit erstmaliger Trenderhebung bei den IHKGründungsexperten im Jahr 2009. 14 Prozent der IHKs erwarten mehr, vier Prozent
weniger Gründungen.
Erfolgschancen sehen die IHKs bei Gründungen, die dem demografischen Wandel
begegnen. Dazu gehören Services im Gesundheitsbereich wie Wellness- oder Fitness-Angebote, Gründungen im Pflegebereich, Dienstleistungen für Senioren oder
Entwicklungen in der Medizintechnik. Im Umfeld der guten binnenwirtschaftlichen
Nachfrage sehen IHKs zudem Perspektiven für innovative Angebote in Freizeit und
Gastronomie.
Der technologische Fortschritt und die Outsourcing-Bestrebungen von Industrieunternehmen begünstigen den IHKs zufolge weiter das Entstehen von wissensintensiven Startups. Dazu gehören etwa Online-Handelsplattformen und Dienstleistungen
für Forschung und Entwicklung. In diesem Kontext schafft auch die „Industrie 4.0“,
die zunehmende Online-Vernetzung von Produktions- und Wertschöpfungsprozessen, Chancen für Startups. Perspektivisch werden zudem Lösungen für mehr Energieeffizienz von den IHKs als chancenreich eingeschätzt.
18
DIHK-Gründerreport 2015
Schwerpunkt: Gründerinnen und
Gründer mit Migrationshintergrund
Fast jeder fünfte Gründer mit Migrationshintergrund
Anteil an IHK-Gründungsberatung
19%
18%
14%
2007
2009
2014
Immer stärker beleben Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund das
Wirtschaftsgeschehen. Mittlerweile hat fast jeder fünfte Gründungsinteressierte,
der der IHK ein Geschäftskonzept vorlegt, ausländische Wurzeln. Hochgerechnet
auf die Zahl der Erstgespräche haben die IHKs im Jahr 2014 rund 35.000 Interessierte mit Migrationshintergrund zur Unternehmensgründung informiert.
Motor für Integration und
Innovation
Junge Unternehmen müssen sich ein komplexes Netzwerk von Geschäfts- und
Finanzierungspartnern sowie Kunden aufbauen. Des Weiteren stellen Menschen
aus dem Ausland, die hier ein Unternehmen betreiben, einen wichtigen Innovationsmotor für die Wirtschaft dar. Sie bringen Kenntnisse aus anderen Ländern mit
und helfen, Märkte leichter zu erschließen. Sie stellen in vielfacher Hinsicht ein
gutes Beispiel dar: Sie geben Menschen Arbeit, sind Vorbild für Betriebsgründungen und –übernahmen, unterstützen die betriebliche Ausbildung, sind Vorbilder für
gelungene Integration. Hier bauen die IHKs in vielfältiger Weise Brücken, auch
durch ihren Service zur Unternehmensgründung.
19
DIHK-Gründerreport 2015
Hoher Wille zur Integration
- Nach den 3 Top-Hemmnissen befragt soviel Prozent der IHK-Experten sagen: Gründer mit Migrationshintergrund ...
78%
haben qualifikatorisch/kaufmännische Defizite
68%
haben unzureichende Deutsch-Kenntnisse
53%
suchen Beratung zu wenig im professionellen Bereich
36%
haben Finanzierungsschwierigkeiten
26%
müssen hohe bürokratische Hürden bewältigen
21%
haben unzureichende Fach-/Branchenkenntnisse
müssen kulturelle Hürden beim Weg in die
Selbständigkeit bewältigen
müssen emotionale Hürden überstehen
Gut vorbereitet, hoher
Wille zur Integration
13%
10%
Die IHK-Experten stellen fest, dass bei den Gründungsinteressierten zumeist ein
hoher Wille zur Integration in hiesige Geschäfts- und Gesellschaftsstrukturen vorherrscht. Kulturelle Hürden werden von den IHK-Beratern nicht oft als Hemmnis
gesehen. Die meisten Gründer mit Migrationshintergrund sind schon im Beratungsgespräch mit den Usancen in ihrem Geschäftsumfeld vertraut.
Gründer mit Migrationshintergrund suchen in der Regel gut vorbereitet die IHKGründungsberatung auf. Die allermeisten Gründer hinterfragen kritisch die Betrachtung eines eigenen Segments „Gründer mit Migrationshintergrund“ und sehen
sich selber mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie ihre deutschen Kolleginnen
und Kollegen. Mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes in Deutschland verwischen die Unterschiede zu deutschen Gründerinnen und Gründern. Bereits bei den
Töchtern und Söhnen von Zugewanderten sehen die IHKs nur noch wenige Unterschiede.
So sehen denn die IHKs hinsichtlich der Beratungsthemen auch keine wirklich
herausstechenden Besonderheiten. Bisweilen liegen Schwerunkte auf den Feldern
Rechtsform und Gewerberecht, Finanzen und Förderung sowie Erstellung eines
Businessplans.
20
DIHK-Gründerreport 2015
Am häufigsten konstatieren die IHKs Defizite im kaufmännischen Bereich. Instrumente wie Preiskalkulation oder Erstellen eines Businessplans können jedoch
nachgeholt werden. Eine häufige Hürde sind unzureichende Deutsch-Kenntnisse.
Vielen Gründern empfehlen die IHKs, hier nachzuarbeiten, um verhandlungssicher
Geschäfts- und Finanzierungspartnern gegenüber treten zu können. Die öffentliche
Hand sollte Sprachangebote auch für ausländische Existenzgründer verbessern.
Zudem suchen sich nach IHK-Erfahrungen Gründer mit Migrationshintergrund
Beratung zu wenig im professionellen Bereich. Viele vertrauen auf den Rat aus der
eigenen Familie oder den eigenen Freundes-Netzwerken. Doch spätestens, wenn
mit der Gründung auch größere und langfristige Verpflichtungen eingegangen
werden müssen, etwa mit der Aufnahme von Krediten, sollte auch der Rat von
neutralen Beratungsstellen wie etwa den IHKs und von gewerblichen Unternehmens- und Steuerberatern eingeholt werden.
Viele Händler und
Gastronomen
Die IHK-Erfahrungen zeigen, dass Gründungen von Personen mit Migrationshintergrund häufiger als bei deutschen Gründern im Gastgewerbe und im Handel erfolgen. Ein Hauptgrund ist, dass Migrantinnen und Migranten bei ihrer Entscheidung
zur Selbstständigkeit häufig den traditionellen Beruf der Elterngeneration weiterführen – und dies sind insbesondere bei den großen Gruppen der türkisch- und
osteuropäisch-stämmigen Migranten Händler und Gastronomen.
Vielfältiges IHK-Angebot
Bei ihrem Gründerservice betonen die IHKs, dass Existenzgründer die deutsche
Sprache im täglichen Geschäftsumfeld beherrschen müssen. Selbst dann, wenn
Produkte und Dienstleistungen vornehmlich der eigenen ethnischen Community
angeboten werden, kommt es darauf an, auch im Umfeld mit deutschen Zulieferern oder Finanzierungspartnern sicher aufzutreten. Viele IHKs haben für den Einstieg Angebote auch in fremder Sprache parat, wie etwa Websites und Broschüren
oder auch Erstgespräche. Wird das Gründungsvorhaben jedoch konkreter, so werden die meisten IHK-Services ganz bewusst in deutscher Sprache gestaltet. Doch
auch auf diese Art ist die Angebotspalette der IHKs vielfältig. Einige Beispiele:
• IHKs bieten Welcome-Tage für Gründer mit Migrationshintergrund.
• Unternehmer mit Migrationshintergrund sind ehrenamtlich in IHK-Gremien
wie Ausschüssen und IHK-Vollversammlungen aktiv.
• Unternehmer mit Migrationshintergrund berichten in IHK-Veranstaltungen
von ihrem Weg – und nehmen so eine Rolle als Vorbilder für viele Gründungsinteressierte ein.
• IHKs portraitieren erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer mit
Migrationshintergrund in den IHK-Zeitschriften.
• IHKs richten interkulturelle Netzwerke ein, in denen Unternehmer mit Migrationshintergrund und deutsche Unternehmer voneinander lernen können.
DIHK-Gründerreport 2015
21
Vorschläge zum Bürokratieabbau für
Existenzgründer und junge Unternehmen

Existenzgründern vierteljährliche (statt monatliche) Umsatzsteuervoranmeldung ermöglichen. Um besser
kontrollieren zu können, dass Unternehmen nicht nur zum Zweck des Umsatzsteuerbetruges gegründet werden,
wurde 2002 eine Sonderregel eingeführt: Existenzgründer müssen monatlich die Umsatzsteuervoranmeldung
abgeben. Es kann nicht belegt werden, dass diese Verpflichtung zu einem signifikanten Rückgang des Umsatzsteuerbetrugs geführt hat. Allerdings ist mit der monatlichen Meldepflicht ein hoher Verwaltungsaufwand für
alle Existenzgründer verbunden. Existenzgründer sollten die Umsatzsteuervoranmeldung daher wieder vierteljährlich abgeben dürfen statt monatlich.

Formular „Einnahme-Überschussrechnung“ grundlegend vereinfachen oder ganz abschaffen. Das im Jahr
2004 eingeführte Pflichtformular für Kleinunternehmer ist ohne Steuerberater kaum zu bewältigen.

Steuerliche Kleinunternehmergrenze erhöhen. Die Umsatzgrenzen, ab denen Unternehmer zwingend der Umsatzsteuer unterliegen, sollte beim Vorjahresumsatz von 17.500 Euro auf 25.000 Euro und für den voraussichtlichen aktuellen Jahresumsatz von 50.000 Euro auf 75.000 Euro erhöht werden. Ein solcher Bürokratieabbau
würde Existenzgründer entlasten und eine Unternehmensgründung ein Stück weit attraktiver machen. Zudem
sollte die Kleinunternehmerbesteuerung auch bei Überschreiten der 25.000-Euro-Grenze im vorangegangenen
Jahr beibehalten werden können, wenn der Jahresumsatz im aktuellen Jahr voraussichtlich wieder unter die
25.000 Euro-Grenze fällt.

Betriebsübergang vereinfachen. Bei einem Betriebsübergang werden hohe Anforderungen an die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer gestellt. So muss der Arbeitgeber jeden Arbeitnehmer z.
B. über Zeitpunkt und Grund des Betriebsübergangs sowie über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen
Folgen informieren. Die EU-Richtlinie (2001/23/EG vom 21.03.2001) sieht einen Unterrichtungsanspruch nur
dann vor, wenn es keine Arbeitnehmervertretung gibt. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber – ohne dass die
EU-Richtlinie dies verlangt – ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen die Betriebsübernahme mit der
Unterrichtungspflicht verknüpft. Wurde der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß informiert, kann er einer Übernahme seines Arbeitsvertrages durch den neuen Betriebsinhaber widersprechen. Der bisherige Arbeitgeber muss
den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen oder gegebenenfalls betriebsbedingt kündigen. Die Frist zum Widerspruch
beträgt einen Monat ab ordnungsgemäßer Information. Erfolgt die Information nicht oder fehlerhaft, so bleibt
der Widerspruch über Jahre hinaus möglich. Das führt für alle Beteiligten zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Ergo: Die überzogene Umsetzung der EU-Richtlinie sollte auf eine Eins-zu-Eins-Umsetzung zurückgeführt
werden. Dafür sind die Informationspflichten beim Betriebsübergang zu vereinfachen, das Widerspruchsrecht
ist zeitlich auf sechs Monate zu befristen.
22
DIHK-Gründerreport 2015

Regelungen zur Künstlersozialversicherung (KSV) verschlanken. Für viele Gründer bringen die Regelungen zur
KSV bürokratische Lasten. Gerade bei jungen Unternehmen fallen häufig künstlersozialabgabepflichtige Marketingmaßnahmen an wie etwa die Erstellung von Webauftritt und Werbeflyern. Gründer müssen klären, ob z. B.
ein beauftragter Web-Designer oder IT-Spezialist tatsächlich eine Leistung erbringt, die unter die Abgabepflicht
fällt. Dabei muss die Abgabe ggf. auch dann gezahlt werden, wenn der Auftragnehmer selber gar nicht in der
KSV versichert ist und folglich auch keine Leistungen aus ihr bezieht. Das ist u. a. der Fall, wenn der Künstler
nebenberuflich tätig ist oder im Ausland lebt, aber auch, wenn man eine Personengesellschaft beauftragt, die
mehr als einen Angestellten hat. Daher ist es aus Sicht der IHK-Organisation sinnvoll, folgende Maßnahmen zu
ergreifen:
-
Begrenzung der KSV-Pflicht auf die KSV-Anspruchsberechtigten: Unternehmen sollten nur dann die Künstlersozialabgabe zahlen müssen, wenn der Beauftragte in der KSV versichert ist. Keine Abgabepflicht ohne Leistungsanspruch des Künstlers!
-
Zudem sollten die versicherten Künstler und Publizisten die Abgabe einziehen und abführen. Das spart Prüfkosten und reduziert Bürokratielasten.
-
Die Definition einer künstlerischen Leistung muss stärker eingegrenzt werden. Die im Laufe der Jahre erfolgte
Ausweitung des Künstler-Begriffs führt zu erheblichen Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Selbstständigen.
Weiterhin kann auch der Verwerter-Begriff hinterfragt werden: Ob ein kleines Unternehmen, welches sich seine
Website gestalten lässt – womöglich noch von einem Webdesigner, der gar nicht über die KSV versichert ist –
als Verwerter angesehen werden soll, ist zu bezweifeln. Die Definition des „Verwerters“ muss praxis- und realitätsnah ausgestaltet werden.
-
Die Abgabepflicht für Verwerter tritt nur dann ein, wenn sie „nicht nur gelegentlich“ Aufträge an Künstler erteilen. Das soll regelmäßig dann der Fall sein, wenn die Summe der Aufträge im Jahr 450 Euro nicht übersteigt.
Diese Bagatellregelung ist nicht ausreichend. Gerade die werbliche Erstausstattung einer Existenzgründung
oder die Marktetablierung birgt mit Logoentwicklung, Flyergestaltung, Homepage, Visitenkarten häufig höhere
Kosten, aber nur durch einmalige und nicht durch regelmäßige Aufträge. Die Grenze sollte daher zwischen
1000 und 2000 Euro liegen. Ergänzend zu dieser Definition der Entgeltsumme sollte auch eine zeitliche Komponente hinsichtlich der Regelmäßigkeit der Aufträge treten. Je nach Auftragsart kann diese Regelmäßigkeit
dann gegeben sein, wenn ein Auftrag mehrmals jährlich erteilt wird. Eine klare, praxisnahe Festlegung der Häufigkeit der Auftragsvergabe, ab der die Abgabepflicht eintritt, ist notwendig.

Doppelmeldungen zur Berufsgenossenschaft vermeiden. Trotz Gewerbeanmeldung und der anschließenden
Weiterleitung an die nachgelagerten Behörden wie z.B. der Berufsgenossenschaft (BG) müssen sich Existenzgründer innerhalb einer Woche bei der zuständigen BG melden. Diese zusätzliche Meldung sollte entfallen.

Geldwäschegesetz anpassen. Die Pflichten aus dem Gesetz müssen auf risikorelevante Branchen und Unternehmen beschränkt werden. Die ausufernde Pflicht zur Datensammlung muss mit den besonderen Anforderungen des Datenschutzes und dem verfassungsrechtlich garantierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang
gebracht werden. Viele der Anforderungen aus dem Gesetz sind in der Praxis weder von den Aufsichtsbehörden
noch von den zahlreichen betroffenen Unternehmen im Nichtfinanzbereich handhabbar. Dies gilt insbesondere
für Existenzgründer, die hier zumindest für die ersten drei Jahre entlastet werden sollten, sofern sie nicht in besonders risikobehafteten Gewerbezweigen tätig sind.
DIHK-Gründerreport 2015
23

Berufszugangsregeln für Immobilienmakler und Wohnungseigentumsverwalter mit Augenmaß. Die Koalition
plant, einen Sachkundenachweis und eine Berufshaftpflichtversicherung für Immobilienmakler und Wohnungseigentumsverwalter einzuführen. Im Hinblick auf zusätzliche Voraussetzungen für die Berufszulassung bestehen
jedoch verfassungsrechtliche Bedenken. Missstände, die einen Eingriff in die Gewerbefreiheit rechtfertigen
würden, sind nicht bekannt. Sollte der Gesetzgeber gleichwohl die Sachkundeprüfung einführen wollen, kann
diese Aufgabe von der IHK-Organisation unter Wahrung bundeseinheitlicher Standards gut und effektiv übernommen werden.

Kommunale Satzungen von unverhältnismäßigen Belastungen befreien. Manche Gemeindesteuern benachteiligen Existenzgründer gegenüber etablierten Unternehmen (z. B. Schankerlaubnissteuer für Neubesitzer eines
Gastronomiebetriebes). In manchen Großstädten sind Gebühren für die so genannte Parkplatzablöse – einem
vom Gründer zu entrichtenden Betrag, wenn die Niederlassung nicht über ausreichend Kundenparkplätze verfügt – von 10.000 Euro und mehr pro Stellplatz nicht selten. Solche Regelungen engen Finanzierungsspielräume von Gründern und jungen Unternehmen zusätzlich ein.
24
DIHK-Gründerreport 2015
DIHK-Veröffentlichungen zur Existenzgründung
Die IHK-Organisation widmet sich in ihren Publikationen der gesamten Themenpalette der Existenzgründung. Ein
Auszug:
• Checkliste für ein besseres Gründerklima - Vorschläge der IHK-Organisation für eine nachhaltige Kultur der
Selbstständigkeit, Berlin 2003
• Frauen an den Start! - Auswertung einer Befragung von 2.500 Existenzgründerinnen, Berlin 2006
• Chance Einzelhandel – Arbeitsbuch für Existenzgründer und Jungunternehmer, Berlin 2007
• Die beste Geschäftsidee – Existenzgründer vorgestellt, Berlin 2007
• Erfolgreich gründen – Der Unternehmer als Künstler und Komponist, Berlin 2007
• Jeder gewinnt! – So profitieren Sie von Gründerwettbewerben, Berlin 2007
• Durchstarten mit Erfahrung – Existenzgründungen durch Ältere, Berlin 2007
• Meine Idee, mein Unternehmen, mein Erfolg. Ich gründe ein Hightech-Unternehmen! – Auswertung einer bundesweiten IHK-Aktion, Berlin 2008
• Die Künstlersozialabgabe – Nicht nur Künstler sind davon betroffen!, Berlin 2008
• Vorbereitung auf das Bankgespräch, Berlin 2008
• Selbstständigkeit im Vertrieb – Die handelsvertreterrechtlichen Rahmenbedingungen im Überblick, Berlin 2008
• Gründen und gestalten mit AG und Kleiner AG, Berlin 2008
• Existenzgründung – die wichtigsten Bausteine für das eigene Unternehmen, Berlin 2009
• Ohne Netz und doppelten Boden? Sozial gesichert starten – Auswertung einer bundesweiten IHK-Aktion, Berlin
2009
• Gründungsfinanzierung in schwierigen Zeiten, Wissen, worauf es ankommt – Auswertung einer bundesweiten
IHK-Aktion zur Gründungsfinanzierung in Deutschland, Berlin 2009
• Damit müssen Sie rechnen – kaufmännisches Grundwissen für Existenzgründer, Berlin 2010
• Setting up your own business – Some initial thoughts on your way to setting up your own business, Berlin 2010
• Selbstständig machen (Polnisch), Zalozyc wlasne przedsiebiorstwo - Pierwsze krokidrozde do samodzielnej dzialalnosci gospodarczej, Berlin 2010
• Selbstständig machen (Türkisch), Serbest calismaya baslayin - Is kurmaya giden yoldaki ilk düsünceler, Berlin
2010
• Selbstständig machen - Erste Überlegungen auf dem Weg zur Existenzgründung, Berlin 2013
• Soziale Absicherung 2014 – Tipps für Mittelstand und Existenzgründer, Berlin 2014