Zwei Minuten war er tot, mehr lag nicht drin Vergnüglich schwarzhumorig: Daniel Mezger schickt einen der grössten (noch) lebenden Popstars auf die Bühne im Schlachthaus. Wo dieser über die verpasste Chance nachdenkt, rechtzeitig zu sterben. Die Affiche liess bangen: ein achtzigminütiger Monolog, in dem das Leben eines Popstars abgehandelt werden soll. Kann das gut gehen? Es kann. Und zwar weil das Stück von Daniel Mezger nicht den Anspruch hat, der Achterbahnfahrt eines Rockstarlebens eine universelle Weisheit abgewinnen zu wollen, sondern einfach nur gute Unterhaltung bietet. Von Gisela Feuz 24.04.2015 Es heisst «Als ich einmal tot war und Martin L. Gore mich nicht besuchen kam», und im Zentrum steht der englische Sänger Dave Gahan, Frontmann der Synthiepopband Depeche Mode, die in den frühen Achtzigerjahren erste Erfolge feierte und heute den erfolgreichsten Bands aller Zeiten zugerechnet wird. Kiffen mit Britney Dennis Schwabenland (exzellente Leistung!) mimt in Mezgers Monolog den Gahan, lässt ihn auf Britney Spears treffen und beim gemeinsamen Joint in die Vergangenheit abtauchen. Dabei wird das Aufwachsen in einer englischen Asphaltstadt thematisiert, ausserdem früher Kontakt mit Kriminalität, Drogen, Rebellion, die Langeweile vor und nach Konzerten, zerlegte Hotelzimmer, noch mehr Drogen, zweiminütiger klinischer Tod und erfolgreiche Reanimation. Er habe alle seine Ziele erreicht, erklärt er: «Rockstar werden, Drogen nehmen und daran sterben.» Jetzt sei er ein wenig orientierungslos. «Als ich einmal tot war . . .» will weder dokumentarisches Stück sein noch einen musikalischen Abend liefern. Auf der Kellerbühne des Schlachthaus-Theaters gibt es denn auch nur Fetzen aus bekannten Depeche-Mode-Songs zu hören. Trotzdem ist die Musik omnipräsent, denn auf allem liegt der lange Schatten des Martin L. Gore. Der war nicht nur der Mann am Keyboard bei Depeche Mode, sondern auch der Drahtzieher im Hintergrund, hat er doch praktisch alle Songs und Texte in Eigenregie verfasst. Das frisst an Gahan, immer wieder landet er in seinem Monolog nämlich beim «Überflieger» Gore, womit klar wird, wie stark der Sänger mit seiner Rolle als ferngesteuertes Aushängeschild hadert. Überhaupt hat er nicht viel Platz für Selbstbestimmung und -verwirklichung, und so spielt Schwabenland drei Viertel des Stücks in einem Glaskasten, den er allerdings vielseitig zu nützen weiss. Mezgers Text und Schwabenlands Spiel gewinnen der grimmigen Ausgangslage sehr viel Komik ab. Das Junkie-Elend wird hier in seiner Schrulligkeit vorgeführt, wie es auch der schottische Regisseur Danny Boyle in «Trainspotting» tat. Zudem ist es vergnüglich schwarzhumorig, wie sich Schwabenlands Gahan darüber aufregt, dass ihm dieser Kurt Cobain die Todesart weggenommen habe und er es deswegen verpasst habe, im «richtigen» Alter von 27 Jahren zu sterben. So klang das damals Der Einsatz diverser Effektgeräte, Rückkopplungen und Klangcollagen (Sounddesign: Joachim Budweiser) sowie zahlreiche Zitate aus der verdrögten Popkultur – etwa von Allen Ginsberg oder Pink Floyds «The Wall» – evozieren stimmig eine MTV-Ästhetik der Neunzigerjahre, jener Zeit also, in der Gahan auf dem Höhepunkt seiner Drogenkarriere und tot war. Wer eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Mechanismen des Pop sucht, lese Diedrich Diederichsens «Über Pop-Musik». Wer mehr über Gahans Leben wissen willl, kaufe Trevor Bakers Biografie. Wer aber gut unterhalten werden will, der gehe zu Schwabenland. Weitere Vorstellungen: 25. (in Begleitung von Matto Kämpf) und 26. April sowie 16./17./22./23. Mai. www.schlachthaus.ch. (Der Bund) (Erstellt: 24.04.2015, 09:24 Uhr) Viel Platz zum Leben hat er ja nicht: Dennis Schwabenland spielt Dave Gahan. (Bild: zvg)
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