MOBILE - Horizont

27
REPORT
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
www.horizont.net/report
DIGITALMARKETING
MOBILE
Der Weg ist weit
Von Klaus Janke
„Es gibt viele Werbungtreibende, die noch
gar keine Mobilstrategie
haben.“
Mobile Displaywerbung wächst
schnell, jedoch von niedrigem
Niveau. Für noch mehr Tempo
sollen Nutzerorientierung und
Sonderwerbeformen sorgen
F
ür Dirk Kraus, Vorstand des Mobile-Vermarkters Yoc, besteht
kein Zweifel: „Die Zukunft der
digitalen Werbung wird mobil
sein. Das ganz große Wachstum wird
erst noch kommen.“ Für diesen Optimismus mag es viele Argumente geben,
die aktuelle Marktlage in Deutschland
gehört nicht dazu. Der Nettoumsatz mit
mobiler Displaywerbung legte 2014 um
52 Prozent auf 134 Millionen Euro zu,
2015 erwartet der Online-Vermarkterkreis (OVK) erneut ein Plus von 50 Prozent (HORIZONT 10/2015). Das sind hohe
Steigerungsraten, aber sie können die
Kluft zwischen Reichweite und Monetarisierung nicht zügig schließen.
Die OVK-Zahlen bilden indes bei
weitem nicht das Werbespektrum auf
dem Smartphone ab. Vor allem die Umsätze der mobilen Google-Suche sowie
die Nicht-Displaywerbung auf Facebook
bleiben außen vor. Vor allem das soziale
Netzwerk hat sich zum Mobile-Versteher
entwickelt: Es holt heute fast 70 Prozent
seines Werbeumsatzes von 11 Milliarden
Euro über mobile Plattformen herein
(Seite 37). „Facebook hat den weltweiten
Mobile-Advertising-Markt im 2. Halbjahr 2013 hart getroffen“, so Kraus.
Die Konkurrenz habe aber auch eine
positive Seite: „Facebook sorgt dafür,
dass der Inflection Point, der Punkt, an
dem die Wachstumskurve progressiv
steigt, schneller erreicht wird. Davon
profitieren die anderen Vermarkter.“
Auch Martin Lütgenau, Geschäftsführer
Tomorrow Focus Media (TFM), kann
dem Erfolg von Facebook etwas abge-
Martin Lütgenau, Tomorrow Focus Media
winnen: „Viele Unternehmen werden
überhaupt erst mal für Mobile gewonnen und buchen dann auch bei anderen
Vermarktern, um die notwendigen
Reichweiten zu bekommen.“
Hinter dem OVK-Plus von 52 Proverbirgt sich eine breite Streuung. Insbesondere bei Vermarktern, die über renommierte Medienmarken und entsprechendes Cross-Potenzial verfügen,
fährt der Zug schneller. „Wir wachsen
deutlich stärker als der Gesamtmarkt“,
erklärt Lütgenau. „Im 1. Quartal 2015
werden wir die Umsätze im Vergleich zu
I/2014 wahrscheinlich verdoppeln können. Mobile hat mittlerweile einen deutlich zweistelligen Umsatzanteil erreicht.“
Im Gesamtmarkt geht der Trend laut
Oliver von Wersch, Leiter der Unit Mobile Advertising (MAC) im BVDW, zu
großflächigen Sonderwerbeformen. Dabei ist „Auffallen“ nicht alles. Die Vermarkter sind sich einig, dass man bei der
Gestaltung der Werbung sensibler sein
muss als im Desktop-Bereich, weil der
Nutzer auf mobilen Endgeräten schneller genervt ist – dafür sind mittlerweile
auch die Werbungtreibenden einigermaßen sensibilisiert: „Beliebt sind vor
allem Werbeformen, die nachweisbar
von den Nutzern akzeptiert werden und
eine hohe Werbewirkung erzeugen“, erklärt Rasmus Giese, Geschäftsführer
United Internet Media (UIM). Werbung
„Vermarkter müssen
weiterhin viel
Überzeugungsarbeit
leisten“
Rasmus Giese, United Internet Media
Starke Zuwächse verzeichnen vor allem
TVspielfilm.de, Focus Online, Huffington Post und Chip Online. Bei den Werbeformen sind es insbesondere Videound Native-Formate, die dynamisch zulegen – sie stehen bei TFM heute für ein
Drittel der mobilen Umsätze.
müsse sinnvoll in die Nutzungssituation
eingebunden sein. Bei UIM liefere die
Inbox Ad, ein neues Native-Format im
E-Mail-Postfach, sehr gute Kampagnenergebnisse. Giese sieht noch viel
Handlungsbedarf in puncto Forschung:
„Dazu gehören Erkenntnisse darüber, in
welchen Situationen der Nutzer welche
Werbeformen akzeptiert und in welchen
Situationen welche mobile Werbeform
am besten wirkt.“
Eine Hürde stellt nach wie vor das
Desinteresse vieler Kunden: „Vermarkter müssen weiterhin viel Überzeugungsarbeit leisten, damit Mobile fester
Bestandteil der Kommunikationsstrategie eines Werbungtreibenden wird“,
glaubt Giese. Lütgenau sieht vor allem
ein Problem darin, dass viele Werbungtreibende „noch gar keine Mobilstrategie
haben“. Zudem ist die Durchführung
mobiler Kampagnen ist ein komplexes
Unterfangen. Es gibt eine Vielzahl von
Werbeformen und technischen Spezifikationen für die verschiedenen Endgeräte. Die Vermarkter sind bemüht, ihren
Kunden Hilfestellung zu geben und Formate und Reportings zu standardisieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt auf ihrer
Agenda ist Programmatic Buying. Yoc,
das sich hier besonders starkmacht, erwirtschaftet darüber bereits 20 bis 25
Prozent des Umsatzes. „Yoc bietet nicht
nur das eigene Inventar teilweise programmatisch an, sondern kauft im europäischen Kontext auch externen Traffic“, so Kraus. Der Vermarkter arbeitet
im Selling ausschließlich über Private
Market Places und ohne Auktionen, um
die Preise stabil zu halten.
Genau das ist im Gesamtmarkt nach
wie vor angesichts des Reichweitenüberhangs nicht einfach – obgleich Lütgenau
dafür eine andere Hauptursache sieht:
„Die Preisrückgänge im Markt erklären
sich in erster Linie durch die gestiegenen
Umsätze. Bei höheren Etats fallen immer
auch höhere Rabatte an.“ Oliver von
Wersch geht davon aus, dass die Preise
langfristig Desktop-Niveau erreichen.
Viele Baustellen also für die MobileVermarkter. Aber eine bleibt ihnen erspart: Die Installation von Adblockern
ist technisch aufwendiger als per Desktop. Daher liegt die Block-Rate laut Lütgenau bei lediglich einem Prozent.
ZUM THEMA
Spielwiese
Als Apple am 9. März seine lang erwartete
Smartwatch vorstellte, gab es ein zweifaches Déjà-vu: Einerseits den medialen
Hype um die neueste Kreation aus Cupertino, andererseits die mehr als zurückhaltenden Kommentare zum Potenzial
des neuen Gadgets. Ob es Apple tatsächlich gelingt, den Markt der intelligenten
Uhren schlagartig nach oben zu pushen,
sei dahingestellt. Auf jeden Fall fungieren
die Macher marktumwälzender Produkte
wie iPod, iPhone und iPad wieder einmal
als Katalysator für Geschäfte rund um eine neue Gerätekategorie. Denn schon
tüfteln die Mobile Marketer an Lösungen,
wie Werbebotschaften auch auf dem nun
ganz kleinen Screen an den Mann oder
die Frau gebracht werden können. In der
Anfangsphase bietet sich den Pionieren
zwar kein großes Publikum, aber eine interessante Spielwiese für kreative Lösungen, die das Terrain bereichern.
Jochen Zimmer
Ressortleitung Specials
INHALT
Shopping: Mobiles Einkaufen scheitert an
mangelnder Strategie des Handels.
28
Bonusprogramme: Zwischenbilanz für Location Based Services ist durchwachsen. 30
Smartwatches: Apple Watch weckt Hoffnung auf den Durchbruch.
32
Gastbeitrag: Denis Gassmann über die
Highlights des Mobile World Congress. 34
Nutzung: Obwohl mobile Websites öfter
angesteuert werden, sind Apps ein Muss. 36
Facebook: Soziales Netz dominiert den
Werbemarkt im mobilen Internet.
37
Anzeige
28 REPORT DIGITALMARKETING
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Kampf mit der Technik
Übers Smartphone
stöbern, aber per PC
kaufen – Mobile Shopping könnte mehr Spaß
machen, wenn die
Händler nur wollten
Mobile Suche
Suchtraffic über Smartphones
führt – auf die gesamte
Euro-Zone bezogen – im
Vergleich zu Anfragen auf
Desktop-PCs und Tablets
deutlich häufiger zum Kauf.
Dies ergibt eine Analyse des
Marketing-Cloud-Anbieters
Marin Software. Danach lagen
Smartphones mit ihren
Conversion Rates sowohl bei
der Suchmaschinenwerbung
als auch im Google Display
Network vor PCs und Tablets.
Andrea Ramponi, Regional
Vice President DACH bei
Marin Software, empfiehlt:
„Budget in Search-Ads auf
Smartphones ist gut investiert.
Sie performen gut und sind im
Vergleich zu anderen Kanälen
noch relativ günstig.“
Von Klaus Janke
W
er in Deutschlands nach
Weltbild-Läden Ausschau
hält, wird künftig seltener
fündig: Die Buchhandelskette hat gerade 67 und damit die Hälfte
ihrer Filialen verkauft. Dafür will sie den
Kunden den Einkauf über digitale Kanäle
erleichtern. Auch der M-Commerce wird
forciert: Weltbild.de, Deutschlands zweitgrößter Online-Buchshop wurde mit Responsive Design ausgestattet, um auch eine optimale mobile Nutzung zu gewährleisten. „Bereits mehr als 20 Prozent der
Kunden kommen über ein mobiles Endgerät auf Weltbild.de“, so Weltbild-Geschäftsführer Sikko Böhm. Zu den neuen
Features gehören auch eine verbesserte
Suchfunktion und eine schnellere Kaufabwicklung: Registrierte Kunden können
ab sofort mit nur zwei Klicks ordern –
gerade auf dem Smartphone eine deutliche Erleichterung.
Nicht alle Unternehmen sind so engagiert. Erstaunlich, denn der Online-Traffic verlagert sich massiv auf Smartphone
und Tablets. Auch im Kaufprozess werden mobile Endgeräte immer wichtiger.
Mittlerweile recherchieren rund 20 Prozent der deutschen Internetnutzer über
Smartphones wie Google im vergangenen Jahr gemeinsam mit TNS Infratest
im „Consumer Barometer“ ermittelt hat.
Weitere 10 Prozent stöbern über Tablets.
Gekauft wird dann zwar in der Regel am
Desktop, aber bereits 4 Prozent der Käufe
werden über Tablets abgeschlossen, 3
Prozent über Smartphones. Angesichts
der Entwicklung in anderen Ländern ist
mit deutlichen Steigerungsraten zu rechnen. Mobile wird zum eigenständigen
Shopping-Kanal.
Herumgesprochen hat sich das aber
noch nicht überall. „In den allermeisten
Branchen wird das mobile Potenzial noch
nicht genutzt“, sagt Simon Loebel, COO
der Agentur United Digital Group
(UDG). „Eine Ausnahme stellt unter anderem die Reisebranche dar – Hotels, Airlines und Co betreiben bereits sehr ausgefeilte Systeme.“
Oft hakt es am Grundsätzlichen: „Die
meisten Unternehmen haben nach wie
vor keine mobil-spezifische Website“, beobachtet Anja Raatzsch, Senior Account
Manager bei der Digital-PerformanceAgentur Hurra.com. Selbst bei den großen Anbietern ist es noch nicht selbstverständlich, ihren Kunden in dieser Hinsicht entgegenzukommen: 20 der 100
größten deutschen Onlineshops verfüg-
Für Mobile optimierte Angebote können die Conversion Rate steigern
ten nach einer Auswertung des E-Commerce-Blogs Kassenzone im Herbst 2014
über keinerlei Mobile-Optimierung.
Ausgewertet wurde nach den drei gängigen Optionen: Man kann zum einen
eine für das Smartphone beziehungsweise Tablet optimierte Website einrichten.
Nachteil: Nicht alle Funktionen des Onlineshops werden immer abgebildet. Eine
Alternative ist Responsive Design, mit
dem sich die Website mit allen Inhalten
und Funktionen an jede Displaygröße
von Endgeräten anpasst. Darüber ist das
Bereitstellen einer App für iOS- und Android-Geräte eine verbreitete Praxis bei
großen E-Commerce-Anbietern.
E
rkenntnisse auf breiterer Basis liefert eine Befragung von 465 Onlinehändlern, die das Handelsforschungsinstitut ECC Köln im Januar
durchgeführt hat. Danach haben 27,1
Prozent der Unternehmen ihre Website
über Responsive Design mobiloptimiert.
21,5 Prozent beziehungsweise 6,5 Prozent
bieten optimierte Shops für Smartphone
und Tablet an. Immerhin fast 30 Prozent
planen zumindest eine mobile Optimierung. Nach Einschätzung von Experten
geht der Trend in eine Richtung: „Auf
Dauer wird sich Responsive Design gegenüber App-Lösungen und separaten
Mobile-Shops durchsetzen“, glaubt
UDG-Manager Loebel. „Damit kann
man optimal auf alle neu hinzukommenden Endgeräte reagieren.“
Eine App ist als zusätzliches Angebot
dennoch attraktiv, weil sie viel Komfort
bietet. Allerdings muss sie erst heruntergeladen werden und hat den Nachteil,
nicht mit Online-Werbemaßnahmen
verknüpfbar zu sein. „Eine App muss einen klaren Mehrwert für den Nutzer bieten, ansonsten hat sie auf Dauer keine
Lebensberechtigung“, fordert Raatzsch.
Auch sie geht davon aus, dass Responsive
Design zum Standard wird.
Aber Responsive Design und mobile
Optimierung allein sind kein Garant für
steigende Conversion Rates. Eine konsequente mobile Strategie erfordert,
ständig an allen Stellschrauben zu drehen. Ist die Website für die organische
Suche optimiert? Enthalten die Suchanzeigen die wichtigsten Elemente, also
Produktbezeichnung, Preis und aussagekräftiges Foto? Transportiert die Onlinewerbung einen unmissverständlichen „Call to Action“? Wie schnell wird
nach dem Klick auf eine Landing-Page
weitergeleitet? Eigentlich gilt eine Ladezeit von zehn Sekunden als Limit, dennoch liegt fast die Hälfte der 100 größten
deutschen Shops darüber, wie Kassenzone ermittelt hat.
Darüber hinaus gibt es häufig noch
Probleme in puncto Usability. „Eingabekomponenten, die auf Desktop-PC funktionieren, können mobil zum Abbruchgrund führen“, erklärt Loebel. Wichtig ist
vor allem, nicht zu viele Eingaben machen zu müssen, um zu kaufen. In dieser
Hinsicht hat Amazon mit der „1-Click“Bestellfunktion einen Service geschaffen,
der auf breiter Basis kopiert wird.
Hurra.com-Expertin Raatzsch nennt
weitere Punkte: „Häufig vergessen Anbieter, dass User ihr Smartphone durchaus
auch zum Telefonieren nutzen. Ein Clickto-Call-Button ermöglicht den persönlichen Kontakt zum Unternehmen und
vereinfacht den Kaufprozess.“ Und: „Die
meisten Shopbetreiber bieten keine Möglichkeit, den Check-out-Prozess zu speichern, um ihn später fortzusetzen. Dies
wäre jedoch vor allem fürs mobile Shopping sehr hilfreich: In der U-Bahn kurz
vor dem Tunnel werden mobile Kaufprozesse oft abgebrochen.“
F
ür Handlungsbedarf in puncto Mobiloptimierung wird demnächst
Google sorgen. Am 21. April soll die
mobile Suche von einem neuen Algorithmus bestimmt werden, der mobiloptimierte Websites im Ranking bevorzugt.
Zudem werden Nutzer, die eine bestimmte App installiert haben, deren Absender
prominenter in den Suchergebnissen finden – ein Anreiz, Apps anzubieten. Bereits heute zeigt Google in den USA in
den mobilen Suchergebnissen an, welche
Websites „mobile friendly“ sind. Wer wissen will, ob die eigene Website diese Anforderungen erfüllt, kann sie im „Mobile
Friendly Test“ prüfen lassen. Google
kümmert sich wie immer um alles.
Im Fokus: Neue Messe für Mobile Business
Wenn am 11. und 12. Mai 2015 die Messe
Frankfurt die Tore ihrer Fachveranstaltung für
das Mobile Business öffnet, geschieht dies unter
dem neuen Label Mobikon. Von 2011 bis 2014
waren es an gleicher Stelle die M-Days, die
zuletzt 4400 Besucher anlockten. „Die Mobikon
löst das an einigen Stellen in die Jahre gekommene bisherige Konzept ab. Sie schafft mit
modernerem Marketing, einem professionalisierten, Fachbeirat-gestützten Kongress sowie
der 2015 eingeführten Internationalisierung um
,Mobile Africa‘ einen frischeren Look für dieses
innovative Format“, erläutert Iris JeglitzaMoshage, Mitglied der Geschäftsleitung der
Messe Frankfurt Exhibition, die Neufassung.
Am Grundkonzept einer Mobile-BusinessFachmesse mit Kongress wird jedoch nicht
gerüttelt, und auch die Zielgruppe von Professionals aus Vertrieb, Marketing, Produktion
und Organisation unterschiedlichster Wirt-
schaftsbereiche bleibt die gleiche. Das Themenspektrum des Kongresses umfasst sechs wichtige Mobile-Kernthemen: Mobile Internet &
Apps, Mobile Marketing & Advertising, Mobile
Commerce & Payment, Mobile Enterprise &
Solutions, Mobile Security & Big Data sowie
Internet of Things & Wearables.
Erfolgsformate der M-Days wie etwa die in die
Fachmesse integrierten Kongress-Hubs werden
ausgebaut. Auch die Verleihung des Best of
Mobile Awards (BoM) findet wieder in Frankfurt
statt (siehe Foto). Die größte Mobile Community
der Welt, Mobile Monday, trifft sich bereits am
10. Mai zum Mobile Monday Global Summit.
Weitere Informationen: mobikon.com
30 REPORT DIGITALMARKETING
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Im Shopkick-System sendet ein
kleiner Transmitter Ultraschallsignale ans Smartphone (l.);
die „Kicks“ kann man unter
anderem bei Douglas sammeln
F
Handys,
hört die
Signale!
Von Klaus Janke
ür stationäre Händler klingt es
verlockend: Man ortet über Beacons oder andere Technologien
potenzielle Kunden beim Einkaufsbummel und lockt sie mit Prämienpunkten, Rabatten oder Werbebotschaften in den Laden. Kein Wunder, dass mobile Bonus-Programme wie Shopkick,
Gettings, Yoints und Barcoo großes Interesse wecken. Gut ein Jahr nach den ersten Tests in Deutschland fällt die Zwischenbilanz allerdings zwiespältig aus.
Die schlechte Nachricht: Mit Shopnow hat sich bereits ein Bonus-App-Anbieter vorerst zurückgezogen. Der strategische Partner Axel Springer stellt die Finanzierung ein, nun sollen neue Investoren gefunden werden. Shopnow war in
den Testmärkten Hamburg und Berlin
aktiv. Durch das Betreten von Filialen von
Hallhuber, Deichmann und weiteren
Partnern sowie über das Einscannen von
Produkten konnten die Nutzer Punkte
sammeln und sie gegen Prämien eintauschen. Offenbar fanden sich aber nicht
ausreichend viele Partner.
Einen differenzierten Blick auf die Potenziale, aber auch auf die Schwierigkeiten erlaubt das Beacon-Pilotprojekt, das
der Bonus-Anbieter Gettings von Juli bis
Dezember 2014 mit 60 Partnerfirmen in
Düsseldorf durchgeführt hat. Die
Telefónica-Tochter installierte Beacons in
72 Geschäften. Die kleinen Sender, die im
Eingangsbereich und an Regalen installiert wurden, kommunizieren per Bluetooth Low Energy (BLE) mit Smartphones registrierter Nutzer und schicken diesen eine Push-Nachricht, sobald sie in die
Nähe kommen. Voraussetzung ist, dass
die Nutzer die Gettings-App heruntergeladen, ein Opt-in gegeben und Bluetooth
aktiviert haben.
Im Raum Düsseldorf wären rund
13000 Smartphone- und Gettings-Nutzer
technisch in der Lage gewesen, die Beacon-Botschaften zu empfangen. Allerdings gaben lediglich rund 4000 Nutzer
ihr Opt-in, tatsächlich auf Nachrichten
reagiert haben letztlich rund 2000. Erzielt
wurden Klickraten von bis zu 45 Prozent,
Mobile Bonus-Apps stoßen auf großes Interesse bei Händlern /
Die erste Zwischenbilanz ist jedoch durchwachsen
besonders attraktiv waren Preisnachlässe.
Das höchste Interesse weckten Angebote
von Modehäusern (siehe Charts).
B
eacons sind ohne Frage ein interessantes Marketinginstrument, aber
es gibt Licht und Schatten“, resümiert Tobias Dupuis, Leiter Marketing &
PR bei Gettings. „Man sollte vor allem die
mit dem Einsatz verbundenen organisatorischen und strategischen Herausforderungen nicht unterschätzen.“ So fielen
zahlreiche technische Probleme auf: „Die
Batterien der Beacons haben aus Herstellersicht eine Laufzeit von zwei Jahren“,
berichtet Dupuis. „Das gilt aber nicht,
wenn sie in einem hohen Intervall senden. Nach unseren Erfahrungen beträgt
die Laufzeit dann rund drei Monate.“
Insgesamt sei das Echo bei den teilnehmenden Händlern zwiespältig gewesen: „Es gab Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten, sowie auch durch-
Verweildauer der beim Gettings-Projekt angesprochenen
Beacon-User in den jeweiligen Shops
in Minuten
20
Mode
Wohnen
14
Gastronomie
14
Kosmetik
B
ereits deutschlandweit ist Shopkick aktiv, ein amerikanischer
Loyalty-Dienstleister, der seit
Herbst auch hierzulande ein mobiles Bonussystem anbietet. Shopkick informiert
die Nutzer über interessante Angebote in
der unmittelbaren Umgebung. Ist die
App aktiviert, bekommen die Nutzer sogenannte Kicks gutgeschrieben, sobald
sie ein Partnergeschäft betreten. Diese
können für eine Vielzahl von Prämien
eingelöst werden. Auch für das Scannen
der Barcodes bestimmter Produkte von
Markenpartnern wie Nestlé, Henkel,
Procter & Gamble und Coca-Cola gibt es
Kicks. Dabei nutzt Shopkick eine patentierte Ultraschalltechnologie, mit der
V
ier Monate nach dem Deutschland-Start zeigt sich Shopkick
hochzufrieden: Die Bonus-Shopping-App verzeichnet mittlerweile über
eine Million Downloads. Die aktuelle Gesamtzahl aktiver Nutzer gibt Shopkick
nicht bekannt, im Weihnachtsgeschäft
2014 war von 110000 aktiven Nutzern pro
Woche die Rede. Bislang hat die App in
diesem Jahr für rund 500000 Kundenbesuche in den deutschen Partnershops
gesorgt, dazu zählen unter anderem Douglas, Karstadt, Media-Markt, Obi, Penny,
Saturn und neuerdings auch Reno. Claudia Reinery, Vorsitzende der Douglas-Geschäftsführung, gratulierte zum Start:
„Die Zusammenarbeit mit einer innovativen Plattform wie Shopkick kommt bei
unseren Kunden spürbar gut an.“
Die bisherige Verbreitung der BeaconTechnologie im Handel belegt die aktuelle
Studie „IT-Trends im Handel 2015“, für
die das Handelsforschungsinstitut EHI
CIOs und IT-Leiter von 95 Handelsunternehmen in den deutschsprachigen Ländern befragt hat. Danach nutzen 15 Prozent der Unternehmen bereits Beacons,11
Prozent planen Projekte. Weiteren Auftrieb könnte das Thema bekommen,
wenn der Bonus-Riese Payback mit seinen 25 Millionen Nutzern einsteigt. Dieser testet das Thema derzeit und prüft,
wie sich Beacons in das Bonus-System
integrieren lassen.
Neben den technischen Herausforderungen gibt es jedoch noch viele offene
Fragen: Was bringen die Systeme für den
Umsatz? Welche Angebote sind für den
Nutzer auf Dauer wirklich relevant? Wie
verhindert man über „Frequency Capping“ künftig, dass Konsumenten in der
Fußgängerzone mit Botschaften überhäuft werden? Wie verknüpft man die
Aktionen sinnvoll mit anderweitigen
Nutzer- und Kundendaten? Und vor allem: Wie geht das alles unter Berücksichtigung des Datenschutzes?
Starkes Interesse an Bekleidung
Klickraten pro Kampagnentyp beim
Gettings-Projekt
in Prozent
Preisnachlässe in Prozent
Klickraten nach Branche beim
Gettings-Projekt
in Prozent
66
Mode
45
Preisnachlässe in Euro
54
Gastronomie
40
43
Kosmetik
Geschenke / Proben
11
Informationen zum PoS
9
29
HORIZONT 12/2015
Quelle: Gettings
28
Wohnen & Freizeit
19
Telko & Elektronik
Basis: 2000 Unique User
Basis: 2000 Unique User
Quelle: Gettings
zweiseitigen Marktes: „Die Unternehmen
kommen, wenn es viel Interesse vonseiten
der Konsumenten gibt. Die wiederum
sind nur dann interessiert, wenn das Angebot groß genug ist.“
Rabatte ziehen am besten
Viel Zeit für Mode
Telko & Elektronik
weg positive Resonanzen.“ Ob Gettings
mit Handelspartnern weitere BeaconAktivitäten durchführen wird, steht noch
nicht fest.
Auf jeden Fall expandieren will der
Bonus-App-Anbieter Yoints, der bislang
im Hamburger Testmarkt in über 600
Outlets Beacons installiert hat. Die App
sei bislang über 35000 Mal heruntergeladen worden, berichtet Geschäftsführer
Niels Denefleh. Mit genauen Angaben zu
den aktiven Nutzern hält er sich jedoch
zurück und spricht von einer „deutlich
fünfstelligen Zahl“. Diese stehen pro Woche im Schnitt für fünf bis sieben Interaktionen, also Shopbesuche oder Scannen von Produkten.
Yoints würde gern im Herbst den nationalen Roll-out angehen, aber: „In welchem Umfang, steht noch nicht fest, da
wir uns mitten in den Verhandlungen befinden“, so Denefleh. Es gebe bei derartigen Services die Herausforderung des
auch die Nutzer älterer Smartphones erreicht werden können. Unterstützung
bekommt Shopkick vom strategischen
Partner Pro Sieben Sat 1, unter anderem
mit zahlreichen TV-Spots auf dessen
Sendern.
19
Basis: 2000 Unique User
HORIZONT 12/2015
Quelle: Gettings
HORIZONT 12/2015
32 REPORT DIGITALMARKETING
Clever und
smart am
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Handgelenk
Der Hype um die Apple Watch weckt Hoffnungen auf den Durchbruch smarter
Uhren / Marken sollten eher auf Nutzwert denn auf Werbung setzen
J
Von Ulrike Langer
edes Mal, wenn Apple ein neues Produkt vorstellt, wird es mit Spannung
erwartet und mit Genuss verrissen.
Ob iPod, iPhone oder iPad, die stereotype Kritik lautet wahlweise, „So etwas
gibt es doch längst“, oder „Elegantes, aber
viel zu teures Lifestyle-Gadget für AppleFans.“ Doch am ersten Verkaufstag stehen die Käufer wieder einmal Schlange
vor den Apple-Shops und das neue Produkt wird zum neuen Umsatzbringer für
das wertvollste Unternehmen der Welt.
Das dürfte auch für die neue smarte Armbanduhr gelten, die Apple am 9. März bei
seinem „Spring Forward“-Event in San
Francisco im Detail vorstellte. Verkaufsstart in acht Ländern, darunter auch
Deutschland, ist am 24. April, ab 10. April
kann die Uhr vorbestellt werden.
Was die Apple Watch so begehrlich
macht – egal, ob in der mit 18 Karat vergoldeten „Edition“ ab 10000 US-Dollar
aufwärts oder als einfache „Watch“-Version für 350 Dollar – ist weniger das Design. Es gab schon schickere Uhren. Allerdings noch keine, die vom Start weg so
viele verschiedene Funktionen besitzt
und zudem aufgrund von Apples führendem App-Kosmos auch das Potenzial für
jede Menge Funktionserweiterungen hat.
Kevin Lynch, stellvertretender Technologiechef bei Apple, demonstrierte auf der
Bühne recht eindrucksvoll, wie viel praktischer es ist, per Apple Watch statt per
iPhone mal eben Siri um Rat zu fragen,
seiner Frau einen blitzschnellen Gruß zu
schicken, eine Verabredung zum Essen zu
bestätigen, ein Uber-Auto herbeizurufen
oder das kameraüberwachte Garagentor
daheim für seine Kinder zu öffnen.
Marketer sollten das „Must-have“-Potenzial der neuen Apple Watch nicht unterschätzen. Denn dazu tragen nicht nur
die nativen Funktionen der Watch bei
(neben Uhrzeit und Kalender zum Bei-
spiel E-Mail, Musikplayer/iTunes, Wetter), sondern auch zum Start bereits mehr
als 50 Apps aus den Kategorien Reise,
Einkauf, Fitness, Produktivität und Entertainment. First Mover profitieren von
der massiven Medienaufmerksamkeit
schon im Vorfeld. Wer später einsteigt,
kann auf einen zunehmenden Massenmarkt setzen: Schätzungen zufolge werden bis 2019 weltweit rund 150 Millionen
Wearable Devices im Einsatz sein, davon
zwei Drittel Smartwatches. Und bei diesen werde zumindest in den ersten Jahren
die Apple Watch den Löwenanteil ausmachen, bis die Wettbewerber aufholen.
Doch als Marke auf der Uhr dabei sein
ist nicht alles. Die meisten der bisher für
die Apple Watch vorgestellten MarkenApps halten sich trotz aller Verschiedenheit an wichtige Grundprinzipien. Erstens: Sie machen auf dem kleinsten und
persönlichsten aller mobilen Bildschirme
keine Werbung, sondern bieten puren
Mehrwert. Zweitens: Sie halten sich an
das Prinzip „Weniger ist mehr“. Alles, was
aus Nutzersicht unterwegs entbehrlich
ist, bleibt dem Smartphone vorbehalten,
zumal die Apple Watch ohnehin nur in
Kombination mit einem iPhone nutzbar
ist. Drittens: Sie gehen alle von einem
jeweils konkreten Nutzungsszenario aus.
E
inige Beispiele: Auf der extrem reduzierten „Moments“-App des
„Guardian“ lassen sich Schlagzeilen schnell überfliegen. Nur bei Interesse
an vertiefenden Informationen muss das
iPhone gezückt werden. Läufer sehen auf
ihrer „Nike+ Running App“ wie auf dem
iPhone Route, Distanz, Laufdauer sowie
Tempo und können ihre Musik im Ohr
steuern. Doch die Uhr am Handgelenk
hat weniger Gewicht als ein iPhone am
Bizeps und ist ohne Verrenkungen oder
lästige Laufunterbrechungen stets im
Blickfeld.
Auch Fandango macht sich nützlich
am Handgelenk. Der Ticketbuchungs-
Apple nicht der erste − aber der teuerste Anbieter
Übersicht Smartwatches
Apple Watch
Pebble Time Steel
Asus Zen Watch
LG Watch Urbane
Moto 360
Markteintritt
April 2015
Juli 2015
1. November 2014
offen
1. September 2014
Preis
349 - 399 US-Dollar,
549 - 1099 US-Dollar,
>10 000 US-Dollar
299 US-Dollar
199 US-Dollar
offen
249 US-Dollar
Smartphone
Kompatibilität
iPhone
iPhone/Android
Android
Android
Android
Apps
abgewandelte iPhone Apps
Pebble / Android Wear Apps
Android Wear Apps
Android Wear Apps
Android Wear Apps
Armband
original Apple-Armbänder
Standard 22mm
Uhrenarmbänder
Standard 22mm
Uhrenarmbänder
Standard 22mm
Uhrenarmbänder
Standard 22mm
Uhrenarmbänder
Material
Aluminium / rostfreier Stahl /
18 Karat Gold
rostfreier Stahl
rostfreier Stahl
Stahl mit Silber- / Goldlegierung
rostfreier Stahl
Quelle: Unternehmensangaben / Techcrunch
HORIZONT 12/2015
Service zeigt nach dem Ticketkauf per
Smartwatch sofort den Weg zum Veranstaltungsort an. Am Kino oder Konzertsaal angekommen, braucht man nur
noch seine Uhr mit einem angezeigten
Scanner an einen Barcode zu halten.
Shazam-Nutzer wiederum werden es zu
schätzen wissen, dass die Musikerkennungs-App jetzt auch über die Apple
Watch nutzbar ist. Denn so nützlich Shazam auf dem iPhone auch ist – bis das
Smartphone aus der Tasche gezogen und
die App aktiviert ist, läuft der unbekannte coole Song oft schon nicht mehr.
Da Shazam mit iTunes integriert ist,
lässt sich der Titel per Watch auch gleich
kaufen oder im Musikabo als Favorit
markieren.
R
etailer und Gastronomen setzen
bei ihren mobilen Marketingkonzepten zum einen auf Geofencing
per iBeacon. Impulskäufe werden dabei
außerdem über die integrierte Bezahlfunktionen Apple Pay noch leichter gemacht. Allerdings werden Mobilnutzer
schon heute zumindest in amerikanischen Großstädten mit den entsprechenden Apps auf dem Smartphone an beinahe jeder Straßenecke mit Coupons für
Sonderangebote bombardiert. Marketer
sind per Smartwatch noch näher dran am
Kunden. Sie riskieren allerdings noch
mehr als auf dem Smartphone, als Spammer wahrgenommen zu werden. Präzises
Targeting wiederum birgt auch Gefahren:
Kunden könnten passgenaue Angebote,
die direkt an ihrem Körper landen, leicht
als „creepy“, als unheimliche Überwachung empfinden.
Handelsketten wie Best Buy oder Target entwickeln deshalb Systeme, die mobile Coupons mit In-Store-Navigationsystemen, personalisierten Einkaufslisten
und Bezahlfunktionen verbinden. Auch
hier steht Nutzwert ganz oben. Am deutlichsten wird das bisher bei der US-Supermarktkette Marsh, die vor allem im
Mittleren Westen vertreten ist. Marsh hat
in Erwartung eines Siegeszuges der Apple
Watch in Kooperation mit dem Mobile
Marketing-Dienstleister Inmarket im
vergangenen Winter 75 seiner Läden in
den Bundesstaaten Ohio und Indiana mit
iBeacons ausgerüstet. „Wenn man bedenkt, wie gestresste Kunden durch den
Laden hetzen, um ihre Einkaufslisten und
Coupons abzuarbeiten, ist es doch viel
einfacher, wenn sie dabei die Hände frei
haben“, betonte Inmarket-Chef Todd Dipaola in einem Interview mit dem Fachdienst Advertising Week.
Der Titel für die Apple-Watch-App
mit dem größten Wow-Effekt gebührt
derzeit jedoch den beiden Hotelketten W
und Starwood. Hotelgäste können auf der
Apple Watch ihre Reservierung, den Weg
zum Hotel und andere nützliche Informationen ablesen. Doch als Killer-Feature ermöglicht die Uhr auch mobilen
Check-ins und Check-outs am Terminal.
Und sie wird zum Zimmerschlüssel am
Handgelenk. Wer sich an diesen Komfort
gewöhnt hat, wird sich wohl nicht mehr
in die Schlange am Desk in der Lobby
einreihen oder zu vorgerückter Stunde an
der Zimmertür nach der Keycard kramen
wollen.
Weniger ist mehr
Fünf First Mover mit intelligenten
Apps für die Apple Watch
Wer die BMW i
Remote App auf
die Uhr lädt,
kann den Ladestatus
seines
elektrisch betriebenen BMW i
überprüfen und wird benachrichtigt, wenn die Batterie voll ist. Eine
versehentlich offen gelassene Autotür löst Alarm am Handgelenk aus,
Werkstatt-Termine werden angezeigt und der Wagen kann ferngesteuert vorgeheizt werden.
Die Citi Bank hat
ihre Citi Mobile
Smartphone-App,
die bei vielen Kunden einen Platz auf
dem Homescreen hat, für die
Smartwatch noch weiter auf wesentliche mobile Funktionen reduziert. Angezeigt werden die Kontostände von Giro-, Spar- und Kreditkartenkonten sowie die letzten
fünf Transaktionen. Ist eine Kreditkartenrate fällig, wird ein PushAlarm ausgelöst.
Passionierte Radfahrer schwören
auf die mobile Premium-App Strava, um Strecken zu
planen und zu dokumentieren. Bisher war das Smartphone am Lenker
eine riskantes Unterfangen. Mit der
Smartwatch-App kann das iPhone
dagegen in der Tasche bleiben.
Nutzer der App
von American
Airlines sehen
genau das, was
am
Flughafen
wichtig ist. Zum
Beispiel: Wo ist mein Gate und wie
lange brauche ich dorthin? Hat
mein Flug Verspätung? Wohin
muss ich zu meinem Anschlussflug? Wo ist mein Gepäckband?
Ähnlich reduziert lässt sich
die App der Buchungs-Plattform Expedia
nutzen mit allen
wichtigen Reisedaten inklusive Abfluggates, Sitzplatzinfos für Flüge
sowie Telefonnummern, Check-inund Check-out-Daten für Hotels et
cetera.
34 REPORT DIGITALMARKETING
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Das Smartphone
als Schaltzentrale
Der Mobile World Congress in Barcelona ist ein Mekka der ITK-Branche.
Accenture-Experte Denis Gassmann präsentiert für HORIZONT die Highlights der
diesjährigen Messe aus den Bereichen Wearables, Handel und Internet der Dinge
Der Autor Denis Gassmann
ist Geschäftsführer Communications, Media & Technology
bei der Unternehmensberatung Accenture und berät
Kunden aus der ITK- und
Medien-Branche
W
Wearables: Vom Modetrend zum Lifestyleprodukt
Schon 2014 hätten Fitness-Armbänder den Mobiltelefonen auf dem MWC fast die
Schau gestohlen. Ein Jahr später zeigt sich, dass Wearables keine Modeerscheinung
waren. Selbst Swarovski zeigt mit dem „Kristall Shine“ in Barcelona eine eigene
Variante (Bild links). Sportlich statt schick ist dagegen Huaweis „Talkband N1“, eine
Kombination aus Fitnesstracker und Bluetooth-Headset (Bild rechts). Und natürlich
gab es auf dem MWC auch jede Menge Konkurrenten für die Apple Watch zu sehen.
Am interessantesten ist vielleicht die „Urbane Watch LTE“ von LG, die dank eigener
SIM-Karte auch ohne Smartphone auskommt.
Gleichzeitig zeigt das Angebot auf der Messe, dass es bei Wearables gar nicht mehr
unbedingt auf die Hardware ankommt. Entscheidend ist, was der Käufer damit
machen kann und wie reibungslos sich Armbänder und Uhren in seinen Alltag
integrieren. Hier gibt es aktuell noch zu viele Grenzen und Kompatibilitätsprobleme
zwischen Apps und Betriebssystemen und damit viel Luft nach oben.
Eine ganz andere Form von Wearables sind Virtual-Reality-Brillen wie die von HTC
und Valve gemeinsam entwickelte System „Vive“, das in Barcelona Premiere feierte.
Zurzeit steht bei solchen Geräten noch die Anwendung bei Computerspielen im
Mittelpunkt. Setzt sich die Technik durch, könnte sie aber auch für Videoanbieter
oder als Plattform für virtuelle Einkaufs- oder Beratungserlebnisse interessant
werden.
ie sehr sich der Markt für
mobile Technik verändert
hat, zeigt sich nirgendwo
besser als auf dem Mobile
World Congress (MWC) in Barcelona.
Was als Branchentreffen der Handyhersteller und Netzanbieter begann, ist heute
vielleicht die wichtigste Leistungsschau
für mobile Technik. Natürlich gab es dort
dieses Jahr viele neue Flaggschiffe zu sehen, darunter das Samsung Galaxy S6
und HTCs One M9. Doch das Smartphone ist nicht mehr nur ein Handy mit Internetzugang, sondern die Schaltzentrale
für unterschiedliche Lebensbereiche des
Nutzers, vom Fitnesstracker bis zum
smarten Zuhause.
Mehr und mehr stehen dabei nicht
leistungsfähige Technik, sondern Alltagstauglichkeit und Funktionalität im Vordergrund. Das ist auch gut so – denn die
Ansprüche des Kunden sind gewachsen.
Eine Accenture-Studie zeigt, dass gerade
deutsche Verbraucher zunehmend Wert
auf Produktqualität und einfache Geschäftsprozesse legen. Werden die Ansprüche nicht erfüllt, sind Kunden immer
öfter bereit, den Anbieter zu wechseln.
Das gilt nicht nur für die Branchen Telekommunikation und Mobilfunk, sondern auch für den Einzelhandel. Für Unternehmen, die nicht bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, könnte das eine Bedrohung sein. Innovative
Akteure, die das Potenzial neuer Technik
für bessere Services nutzen, könnten von
diesen Veränderungen profitieren.
Internet der Dinge: Neue Chancen für alle Branchen
Selbst klassische Offline-Branchen können das Internet der Dinge künftig nutzen,
um ihren Kunden ganz neue Dienstleistungen und Erlebnisse zu bieten. In Barcelona gab es dafür mehrere Beispiele zu sehen: Der Koffer Bluesmart (Bild oben)
hat einen Steckplatz für SIM-Karten und eine integrierte Waage. So weiß der
Nutzer mit einem Blick aufs Smartphone nicht nur, was sein Gepäck wiegt,
sondern im Notfall auch, wo es gerade ist. Und intelligente Smart-Series-Zahnbürsten von Oral-B sollten medizinische Daten des Nutzers künftig direkt zum
Zahnarzt schicken können – natürlich nur, wenn der das auch will.
Welche Rolle smarte Technik künftig im Alltag spielen könnte, zeigt auch der
Smart-Home-Markt. Wo früher auf Messen noch Visionen und theoretische
Machbarkeit im Mittelpunkt standen, geht es jetzt um konkrete Lösungen, die im
Alltag eine echte Hilfe sind – von vernetzten Leuchtmitteln bis zum intelligenten
Stromzähler. Den besten Beweis für die Rolle von Technik im Zuhause liefert aber
vielleicht der Messeauftritt von Ikea: Die Schweden wollen in Zukunft Möbel mit
eingebauten Ablageflächen für die drahtlose Ladetechnik Qi anbieten (Bild
unten).
Handel: Aus dem Onlineshop in die reale Welt
Je mächtiger mobile Technik wird, desto größer ist die Chance für Einzelhändler, sie ins Einkaufserlebnis zu integrieren. Das reicht von intelligenter
Werbung wie der Smart Interactive Wall von Avanade (Bild links), die den
Käufer direkt anspricht und über Sprach- und Gestensteuerung auf seine
Antworten reagiert, bis zu Beacon-Netzwerken in Ladengeschäften.
Ein Beispiel dafür ist die LBS Platform von SK Telecom. Sie soll dem Kunden
nicht nur bei der Suche nach dem gewünschten Produkt helfen, sondern
kann ihm auch personifizierte Angebote unterbreiten. Vom selben Unternehmen stammt Smart Shopper (Bild rechts), ein virtueller Einkaufskorb
fürs Ladengeschäft, mit dem der Käufer seine Ware nicht mehr selbst durch
den Laden tragen muss. Was Verbraucher im Onlinehandel schätzen
gelernt haben, können sie so künftig auch in der realen Welt nutzen.
Ein Dauerbrenner der Technikmessen ist das Thema Mobile Payment – in
Barcelona zum Beispiel in Form von Googles Android Pay und Samsungs
schlicht Pay genannter Lösung. Potenzial gibt es hier vor allem in Kombination mit Mehrwertdiensten, etwa für Treueboni und Rabattaktionen.
Erheblich zur Akzeptanz der Technik könnten auch Wearables wie Smartwatches beitragen: Damit müsste der Kunde zum mobilen Bezahlen
künftig nicht einmal sein Smartphone aus der Tasche holen.
36 REPORT DIGITALMARKETING
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Die zwei Seiten
der Medaille
Auch wenn mobile
Websites von Verlagen
stärker genutzt werden,
sind Apps ein Muss
Economist Espresso
Morgen-Briefing: Unter der
Woche gibt‘s zum Frühstück
fünf Artikel zu den Themen
des Tages. Nicht-Abonnenten
lesen einen Text pro Tag
kostenfrei.
Bild Buzz
Personal Push: Nutzer sagen,
was sie interessiert. Gibt’s
dazu was Neues, kommt ein
Push. Wer mehr lesen will,
wischt nach rechts (wie bei
Tinder).
Focus Online
Top Nachrichten
Auf einen Streich: Zeitraum
wählen (von jetzt bis zum
letzten Monat) und die sieben
wichtigsten Nachrichten
lesen, ausgewählt von einem
Algorithmus.
Kompakt
Kurz und schick: News und
Unterhaltung zum Durchwischen. Mit viel Design und
der Möglichkeit, die eigene
Meinung zu hinterlassen.
S
Von Sara Weber
martphone gleich Apps. App
gleich kurz antippen und direkt
mittendrin. Alles, was interessiert,
gebündelt hinter einem Icon – so
das Versprechen der kleinen Programme.
Man lädt nur herunter, was man wirklich
will, und was stört, fliegt wieder. Ob Spiegel Online, Süddeutsche.de, Zeit Online
oder Focus.de, alle großen Medienmarken haben Apps. Apple und Android sind
das Minimum, wer ganz eifrig ist, entwickelt für Windows Phone und iPad.
Trotz des Aufwands: Wer sich informieren will, klickt eher auf mobile Websites, wie die Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung zeigen. Fast alle
Nachrichtenportale haben deutlich höhere Nutzungszahlen auf ihren mobilen
Websites als für ihre Apps (siehe Tabelle).
„Es gibt Apps, die sind Standard:
Maps, Wetter, Deutsche Bahn“, sagt Melina Ex, Geschäftsführerin der Agentur
Fetch Media. „Fast jeder Smartphone-Besitzer hat diese Apps installiert. Nachrichtenapps hingegen sind kein Muss.“ Das
spiegelt sich auch in der Nutzung wider:
Serviceangebote wie Wetter.com und TV
Spielfilm werden stärker per App genutzt.
Diese sprechen laut Marco Schierhorn,
Head of Mobile bei der Omnicom Media
Group Germany, „ein bestimmtes Bedürfnis des Users an, welches er in der
jeweiligen Situation befriedigen möchte“.
Sie erfüllen „eine bestimmte Anforderung und werden vom User direkt zielgerichtet genutzt“, so Schierhorn. Inhalte
von Nachrichten-Sites hingegen würden
häufig über Suchmaschinen oder Nachrichtenaggregatoren gefunden, die auf eine mobile Website verlinken.
Ein Grund, auf Apps zu verzichten?
Nein, sagt Fetch-Geschäftsführerin Ex:
„Apps bilden das Eigeninteresse der Verlage ab.“ Hier können Nutzer sich anmelden, Inhalte nach eigenen Interessen
zusammenstellen und Push-Meldungen
erhalten. „Wer täglich Meldungen von einem Medium auf das Handy geschickt
bekommt, wird auch eher an diese Marke
denken, wenn er sich sonst über Neuigkeiten informiert“, so Ex.
„Aus unserer Sicht lohnt sich die Investition in die Entwicklung nativer Apps,
denn wir beobachten eine deutlich höhere
Produktbindung bei Apps“, sagt Daniela
von Heyl, Gruner + Jahr Digital Business
Director News. Laut von Heyl bleiben die
Nutzer im Vergleich zur mobilen Website
länger, nutzen das Produkt deutlich intensiver, teilen sehr viel häufiger Inhalte
und kommen öfter zurück. „In den Apps
haben wir es mit den Fans der Marke zu
tun, die für uns als Multiplikatoren extrem wertvoll sind, während auf der mobilen Website der Anteil der Gelegenheitsnutzer deutlich höher ist. Unser Ziel ist
daher immer, die Nutzer der mobilen
Website zu App-Nutzern zu machen.“
Das sieht Stefan Plöchinger, Chefredakteur Süddeutsche.de, ähnlich: „Wer
eine App installiert hat, ist ein treuer Nutzer; auf die mobilen Webseiten verschlägt
es dagegen eher Gelegenheitsnutzer – wir
brauchen beide, um nachhaltig und dauerhaft zu wachsen.“ Ein weiterer Vorteil
von Apps liegt seiner Meinung nach in
„besseren, glatteren Bedienkonzepten“.
In diese ließen sich auch Werbeformen
angenehmer integrieren, so Plöchinger,
„nicht bloß aus Sicht von Werbekunden,
sondern auch aus Sicht von Lesern“.
M
atthias Streitz, Mitglied der
Chefredaktion von Spiegel
Online, glaubt ebenfalls, dass
Apps für Werbekunden „oft das attraktivere Umfeld“ sind. Bei Spiegel Online
kommen rund zwei Drittel der mobilen
Nutzer über die Apps (Stand Dezember)
– deutlich mehr als bei der Konkurrenz.
„Redaktionell schätzen wir die App, weil
wir den Nutzern hier weitere Angebote
machen können, die auf einer mobilen
Website so nicht möglich sind“, sagt
Streitz. Dazu gehören etwa Eilmeldungen
per Push, Push-Nachrichten aus ausgewählten Ressorts sowie das „Pack & Go“Feature, mit dem Leser Artikel für später
abspeichern können.
Genau solche Angebote machen Apps
für Nutzer attraktiv. „Nachrichtenseiten,
die sich nur auf den Content respektive
auf News fokussieren, funktionieren genauso gut auch als mobile Website“, sagt
Omnicom-Manager Schierhorn. „Zusatzfeatures wie Push Notifications oder
auch Geofencing für News mit einem regionalen Bezug können – beziehungsweise sollten eher – als App umgesetzt werden.“ Doch noch sind Apps oft kaum von
mobilen Websites zu unterscheiden (von
Push-Meldungen mal abgesehen). Eine
Personalisierung der Inhalte ist kaum
möglich. Das Bedürfnis dafür ist jedoch
durchaus da, wie Aggregatoren zeigen,
die Inhalte aus verschiedenen Quellen
sammeln. Auch Facebook mischt hier mit
der App Paper mit und empfiehlt Nachrichten zielgerichtet – individualisiert
durch Nutzerdaten (siehe Seite 37).
Apps kosten, bringen aber wenig Nutzen
Zugriffszahlen ausgewählter mobiler Nachrichtenangebote
Unique User in Millionen
Apps*
Mobile Websites
Bild
5,40
0,53
4,27
Spiegel Online
3,29
Die Welt
1,69
k. A.
2,97
Focus
1,05
Süddeutsche.de
2,08
0,26
Stern.de
2,03
0,21
Zeit Online
1,94
FAZ
1,66
N24
1,51
N-TV
1,40
0,08
k, A.
0,36
1,54
Unique User in Millionen für durchschnittlichen Monat von Juli bis September 2014
* alle Betriebssysteme
Quelle: AGOF Mobile Facts 2014-III
HORIZONT 12/2015
Einige Medienhäuser experimentieren
mit neuen App-Varianten. Axel Springer
hat Buzz (angelehnt an „Bild“) und Kompakt (angelehnt an „Welt Kompakt“) entwickelt (siehe links), die im Vergleich zu
den Apps von „Bild“ und Welt“ nicht kostenpflichtig sind. „Kompakt und Buzz
sind ganz unterschiedliche Angebote“,
sagt eine Sprecherin von Axel Springer.
„Beide sind ein spannendes Versuchsfeld
für uns; wir erfahren sehr viel darüber,
wie wir durch innovative Nutzerführung
sowie neue Zugänge und Präsentation
unserer journalistischen Inhalte vor allem
jüngere Zielgruppen erreichen können.“
Die Resonanz der Nutzer auf diese neuen
Angebote sei „sehr positiv“ und beide
Apps seien „im Store sehr gut bewertet“.
Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht.
A
uch Focus gibt keine Nutzungszahlen für seine App Focus Online Top Nachrichten heraus. Diese ist laut Chefredakteur Daniel Steil „vor
allem für Menschen konzipiert, die auf
dem Laufenden bleiben wollen, aber
nicht immer Zeit oder Lust haben, die
wichtigsten News aus einem großen
Nachrichtenangebot zu selektieren“.
Während Gruner + Jahr ebenfalls über
neue App-Angebote nachdenkt, wollen
Süddeutsche und Spiegel zunächst ihre
existierenden Apps weiter verbessern. Seit
2013 gibt es eine Spiegel-Online-FußballApp, zudem werden im Moment „mehrere Ideen“ geprüft, sagt Streitz. „Wenn wir
Marktchancen sehen, werden wir auch
weiterhin
Stand-alone-App-Projekte
starten.“ Der Trend dürfte weiter hin zu
personalisierten Inhalten gehen. Profitieren würden davon alle: Die Nutzer bekommen interessante Angebote, die Werbekunden attraktive Anzeigenplätze und
die Verlage stärken ihre Marken.
HORIZONT 12/2015
REPORT 37
19. März 2015
Ein eigenes
Universum
Facebook dominiert
das mobile Internet.
Für Verlage könnte das
zum Problem werden
abyfotos, Urlaubsvideos, Anekdoten – waren das noch Zeiten,
als die Facebook-Timeline das
Leben der Freunde widerspiegelte! Heute ist das Netzwerk zum Nachrichtenkanal geworden. Wer es nutzt, soll
dort alle Informationen bekommen, egal
ob über den Freundeskreis, das neueste
Meme oder die politische Weltlage. Wer
das Facebook-Universum einmal betritt,
soll es nicht mehr verlassen müssen.
Das gilt vor allem für das Smartphone:
Facebook-Messenger und Whatsapp ersetzen E-Mails und Skype, Fotos teilt man
bei Instagram, und für das iPhone gibt es
die Facebook-News-App Paper. Dort sehen Nutzer Nachrichten, die von
Freunden geteilt werden, sie können
einstellen, welche Themen sie interessieren und Artikel teilen. All das, ohne
zugreifen, doch ist im Zuge der Digitalisierung das Datensammeln an den Verlagen quasi vorbeigegangen“, so Wörpel.
Facebook hingegen besitze Daten über
seine Nutzer – „und genau das ist es, was
Facebook so wertvoll macht“.
Geht es nach Facebook, soll die Zusammenarbeit mit Verlagen ausgebaut
werden. Artikel auf Smartphones zu lesen
sei vielfach eine „sehr schlechte Erfahrung“, was Schnelligkeit oder Design angehe, so Chris Cox, Chief Product Officer
bei Facebook, auf der Code/Media-Konferenz im Februar: „Wir wollen versuchen, das Erlebnis für Publisher zu verbessern.“ Der Deal: Facebook hostet Inhalte, die sonst auf den Medien-Websites
veröffentlicht würden. Die Werbeerlöse
werden geteilt – Verhältnis unbekannt.
Laut Cox ist Facebook bereits mit Publishern im Gespräch, es soll jedoch noch
eine Weile dauern, bis solche Partnerschaften Reali-
die App zu verlassen, perfekt zugeschnitten auf jeden einzelnen Nutzer.
Facebook ist stark wie nie im mobilen Netz: Ende 2014, so die offiziellen Zahlen, hatte Facebook 1,39 Milliarden aktive Nutzer im Monat und 890
Millionen pro Tag. Das Gros greift vom
Smartphone aus auf die Seite zu: 745 Millionen mobile Nutzer täglich,1,19 Milliarden monatlich. Auch finanziell ist Facebook zum Mobile-Hit geworden: Im 4.
Quartal 2014 lag der Werbeumsatz bei
3,59 Milliarden US-Dollar, 69 Prozent davon kamen über Mobile Advertising.
Grund hierfür sind die Daten, die
Facebook über seine Nutzer hat. Sie ermöglichen es, personalisierte Inhalte auszuspielen, egal ob Werbung oder Nachrichten. Das Netzwerk lernt mit jedem
Klick, jedem Like, jedem gelesenen oder
geteilten Artikel. Persönliche Interessen
und Nachrichtenkonsum können durch
diese Daten auf eine Art verschränkt werden, von der Verlage nur träumen.
„Facebook konzentriert sich auf den
Nutzer: Das heißt, anhand des Nutzungsverhaltens wird bestimmt, was für den
User relevant ist – und hiernach ergeben
sich die Inhalte, die ihm angezeigt werden“, erklärt Peer Wörpel, Leiter Beratung Social Media bei Pilot. „Nachrichtenseiten hingegen funktionieren inhaltezentriert: Wer also einen Artikel über
Fußball gelesen hat, bekommt keine Artikel zu Themen, die ihn außerdem interessieren, sondern weitere Artikel über
Fußball angezeigt. Hier werden einfache
Empfehlungen anhand von kontextbasierten Analysen erstellt.“
Das liegt auch daran, dass Medienunternehmen kaum etwas über einzelne
Nutzer wissen. Um bei ihnen Nachrichten zu lesen, muss man sich nirgendwo
anmelden. „Früher konnten Verlage auf
eine Menge Daten über ihre Abonnenten
tät werden, und laut Cox sollen die Verlags-Websites in diesem Prozess nicht verschwinden.
Wird ein Artikel heute bei
Facebook verlinkt, öffnet sich die
Seite in der Facebook-App statt
im externen Browser – inklusive
Anzeigen. Für Daniela von Heyl, Gruner
+ Jahr Digital Business Director News, ist
das von Vorteil: „Wenn unsere Site sich
im In-App-Browser öffnet, ist die Hürde,
auf den Teaser zu klicken, deutlich geringer, als wenn der Nutzer die App verlassen
würde“, sagt sie. Selbst wenn dieser „dann
nicht in unserem Angebot bleibt, haben
wir dafür mehr Reichweite auf dem Artikel generiert“. Auch Matthias Streitz,
Mitglied der Chefredaktion von Spiegel
Online, hat keine Probleme mit der aktuellen Lage: „Sofern Unternehmen wie
Facebook oder Youtube den etablierten
Medienhäusern erlauben, Content auch
selbst zu vermarkten, sind diese Anbieter
durchaus interessant.“
Pilot-Mann Wörpel rät dennoch zur
Vorsicht – und zum Ausbau der eigenen
Aktivitäten: „Verlagen ist nicht zu empfehlen, einen Share-Deal mit Facebook
einzugehen. Stattdessen sollten sie die
Stärken der sozialen Plattform nutzen
und stets Traffic auf die eigene Seite leiten“, sagt er. US-Marken wie Buzzfeed
und Huffington Post seien darin bereits
sehr gut. „Würden Inhalte nur noch bei
Facebook veröffentlicht, verliert die Medienmarke an Relevanz und wird austauschbar.“ Verlage sollten laut Wörpel
„rechtzeitig in eigene Nutzer-Datenbanken investieren, um gegenüber Facebook
und Google unabhängiger zu sein“.
Das mag zunächst eine große Investition sein – die sich jedoch auszahlen kann:
durch Unabhängigkeit, zufriedene Nutzer und höhere Preise für individualisierte Werbung, direkt auf der Verlagsseite.
B
Von Sara Weber
Anzeige
38 REPORT DIGITALMARKETING
HORIZONT 12/2015
19. März 2015
Unterhaltung unterwegs
Mobile Content
und -Advertising
entwickeln sich immer stärker zu eigenständigen Varianten von Digitalmarketing. HORIZONT hat
Vermarkter nach
den Trends gefragt
Stefan Schumacher, Executive Director Digital G+J EMS
1
Generell ist in allen Themenfeldern eine zunehmende Verlagerung ins Digitale zu erkennen,
wobei sich bestimmte Bereiche – wie News,
Wetter, Reise, Entertainment – besonderer Beliebtheit
erfreuen. Schon bald werden erste Marken mehr
mobile als stationäre Internetnutzung verzeichnen.
Deshalb ist unser Anspruch „Mobile first“: Jeder
Euro, den wir in unsere digitalen Produkte investieren, wird daraufhin überprüft, ob er auch mobil
funktioniert. Der Fokus liegt neben der konsequenten Digitalisierung des G+J-Zeitschriftenportfolios in
Form von Apps, Mobile Websites und E-Mags auch
auf der Entwicklung von Mobile-Service- und Entertainment-Angeboten für Tablets und Smartphones.
Entscheidend für den Erfolg ist in allen Fällen eine
adäquate Aufbereitung für die mobile Nutzung.
2
1
Welche Umfelder werden
von den Nutzern zunehmend gefragt und welche
inhaltlichen Angebote werden
entsprechend von Ihnen derzeit
ausgebaut?
Neben Standardformaten kommen zunehmend
native Werbeformen oder Next Generation Ad
Specials zum Einsatz, weil sie mit ihren Mechaniken für hohe Aufmerksamkeit und intensives
User-Involvement sorgen. Besonders gefragt sind
dabei innovative Technologien, mit denen sich typische Smartphone-Funktionen gezielt für die Interaktion nutzen lassen. Und das Eingehen auf die individuelle Nutzungssituation des Users wird immer
wichtiger; genauso wie die Device-unabhängige
Cross-Channel-Ausspielung von Werbeformaten zur
Abdeckung aller relevanten Touchpoints. Auch global
standardisierte und etablierte Mobile-Formate funktionieren sehr gut, wobei diese zunehmend auch
programmatisch abgewickelt werden.
Oliver Wolde, Senior Vice President Sales & Publisher und Mitglied
der Geschäftsführung Interactive Media
1
Bei der Entwicklung von Produkten und Formaten berücksichtigen wir besonders die Stärken
von Mobile: Ort und Zeit. Gemeinsam mit
unseren Publisher-Partnern optimieren wir kontinuierlich die Mobile-Angebote auf eine noch bessere Mobile-User-Experience. Dabei gehören inhaltliche Angebote zu Fußball, Sport, News, Gesundheit,
Entertainment, Wetter und Mobility Services zu den
beliebtesten Umfeldern, die zunehmend von den
Nutzern über mobile Endgeräte konsumiert werden.
Ein Trend, der sich in der spürbar steigenden mobilen
Nutzung der von Interactive Media vermarkteten
Marken (wie Kicker, T-Online, Netdoktor) und
Umfeldern (zum Beispiel Wetter.info, Stau.info oder
der Tanken-App) wiederfindet.
2
Wir sehen nicht, dass irgendwelche Werbeformate an Relevanz verlieren, sondern dass die
Qualität von Mobile Creatives relevanter wird.
Beispiel Mobile Storytelling: Für die Vermarktung
von mobilem Content haben großflächige Rich Media Ads stark an Bedeutung gewonnen – vor allem
unter Einsatz von Inpage Video. Warum? Weil diese
Formate innovativ das kommunikative Potenzial des
mobilen Kanals und die Funktionalität von
Smartphone und Tablet nutzen. Werbungtreibende
und ihre Marken können sich darüber effektiv inszenieren mit dem Ziel, Aufmerksamkeit, Markensympathie und Image zu steigern. Daneben sind bei
unseren Werbekunden auch sogenannte Content
Feed Ads mit Echtzeit-Targeting auf Kontext oder
Events besonders gefragt.
Thomas Port, Geschäftsführer Digital Seven-One Media
1
Der Trend geht auch auf den mobilen Screens zu
bewegten Bildern. Smartphones und Tablets
etablieren sich zunehmend als perfekte Videoplayer für unterwegs oder zu Hause. Dieser Entwicklung kommen wir durch unsere 7TV-App nach, die
erstmals das Programm unserer sechs Sender per
Mediathek und Livestream in einer Anwendung
mobil bündelt. 2,5 Millionen Downloads innerhalb
weniger Monate bestätigen uns einmal mehr den
Wunsch der User nach unseren EntertainmentInhalten – auch mobil.
2
Die mobilen Devices bieten enorme Möglichkeiten für qualitativ hochwertige und spannend
inszenierte Werbung: Schütteln, Drehen, Wischen – gute Mobile-Kampagnen machen Marken
interaktiv erlebbar. Gefragt sind daher besonders
Instream-Bewegtbildformate, aber auch großflächige
Inpage-Werbemittel wie Prestitials und interaktive
Elemente. Die Zauberformel aus unserer Sicht lautet
hier schlicht: Möglichst großflächig, möglichst bewegt und das möglichst noch bei eingeschaltetem
Ton. Aber es gibt noch kreativen Spielraum: Kampagnen, die eigens für die spezifischen Nutzungssituationen kreiert wurden und mit der Vielfalt des
mobilen Baukastens interaktive Erlebniswelten schaffen, sind noch immer rar. Es heißt: weiter ausprobieren, neu erfinden und täglich dazulernen!
2
Welche Werbeformate
gewinnen bei der Vermarktung von Mobile
Content an Bedeutung – und
welche verlieren an Relevanz?
Linda Mozham, Commercial Director und Mitglied der
Geschäftsleitung OMS
1
Ob mobil oder stationär – die User von Nachrichtenangeboten sind unseren Untersuchungen
zufolge grundsätzlich an denselben Inhalten
interessiert! Das liegt ja auch auf der Hand, schließlich richtet sich die Frage, wer welche Inhalte nutzt, in
erster Linie nach dem persönlichen Interesse. Und
das ändert sich nicht grundlegend, wenn die Nutzer
mobil unterwegs sind. Situationsbedingt gibt es
natürlich Inhalte, die je nach genutztem Endgerät
eine höhere Aufmerksamkeit genießen. Entscheidend
ist aber vor allem die Marke, die die gesuchten Inhalte
– von Nachrichten über regionale News bis hin zu
Tipps für die Freizeitgestaltung – zur Verfügung stellt,
nicht der Kanal, über den diese Inhalte konsumiert
werden.
2
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Lisa Naumann
Für die Werbekunden geht es vor allem darum,
die gewünschte Zielgruppe zu erreichen – und
das neben Mobile über alle digitalen Kanäle. Die
Werbeformate sind genau dann bedeutend, wenn sie
auf das jeweilige Ziel einzahlen. Und aus Sicht der
Nutzer, für den tatsächlichen Erfolg einer Kampagne
ja durchaus wichtig, steht die Usability der mobilen
Angebote an erster Stelle: Werbeformate sollten
schnell laden, leicht verständlich sein und auf keinen
Fall das Nutzervergnügen beeinträchtigen.
Florian Resatsch, Geschäftsführer Ströer Mobile Media
1
Das Targeting beziehungsweise Retargeting nach
Nutzerverhalten steht bei uns im Fokus, um ein
zielgerichtetes und effektives One-to-OneMarketing zu realisieren. Der Mensch ist unterwegs
ständig digital erreichbar und offen für ein Markenerlebnis. Wir werden auch zukünftig die hyperlokale
Kampagnenaussteuerung weiter ausbauen, die es
zum Beispiel ermöglicht, Out-of-Home-Kampagnen
auf den mobilen Kanal zu verlängern und User über
Public Retargeting gezielt zu aktivieren.
2
Großflächige Formate wie zum Beispiel Interstitials mit gutem Frequency Capping sind
weiterhin bei Werbekunden gefragt. Ebenso
kreative Formate, die mit den Bordmitteln der Handys spielen, wie zum Beispiel den Sensoren. In den
Fokus der Werbungtreibenden rückt zudem immer
mehr die Kombination von Zeit und Ort. Die Überall-Verfügbarkeit des Internets gepaart mit der zunehmenden Mobilität eröffnen neue, kreative Kommunikationsmöglichkeiten. In Kombination mit
individuellen Präferenzen der Nutzer lässt sich so ein
zielgerichtetes und effektives One-to-One-Marketing
realisieren.
Christian Herp, Geschäftsführer IQ Digital Media Marketing
1
Der Trend zur mobilen Nutzung des Internets,
der allgemein zu beobachten ist, zeigt sich auch
bei Qualitätsmedien und vor allem im NewsSegment. Wir sehen deshalb ein starkes Ansteigen der
digitalen Reichweite. Vor allem getrieben durch
Mobile, aber auch durch die weiter wachsende Onlinenutzung nimmt die Reichweite der Newsplattformen zu. Der Einstieg in die mobilen Angebote
erfolgt hier meist über die Startseiten der Medien. Die
Nutzer möchten ihre Medienmarke unabhängig vom
Endgerät nutzen. Außerdem erwarten sie einen echten Mehrwert durch Kommunikationsinhalte, die auf
Themen abgestimmt sind, die sie interessieren. Nur
dann werden sie auch konsumiert. Um diese Idee
skalieren zu können, hat IQ Digital eine Technologie
entwickelt, die es uns ermöglicht, automatisiert,
portal- und deviceübergreifend kontextsensitiv
Teaseranzeigen und Advertorial-Inhalte auszuspielen. Wir können so die Inhalte optimal über mehrere
Plattformen, Endgeräte und Themenfelder streuen.
2
Der Trend zu großflächigen Formaten ist auch
im Mobile Marketing zu erkennen. Display
Advertising hat auch hier seine Existenzberechtigung, gerade wenn es um das Thema Branding geht.
Insbesondere kleine Werbeformate wie 4:1 und 6:1
werden in diesem Kontext immer weniger nachgefragt, sondern mittlerweile performanceorientiert
eingesetzt. Im Bereich Content Marketing kommt es
entscheidend darauf an, dass native Formate eine
kontextsensitive Einbindung der von Kunden gewünschten Inhalte auf den mobilen Websites ermöglichen.