27 REPORT HORIZONT 12/2015 19. März 2015 www.horizont.net/report DIGITALMARKETING MOBILE Der Weg ist weit Von Klaus Janke „Es gibt viele Werbungtreibende, die noch gar keine Mobilstrategie haben.“ Mobile Displaywerbung wächst schnell, jedoch von niedrigem Niveau. Für noch mehr Tempo sollen Nutzerorientierung und Sonderwerbeformen sorgen F ür Dirk Kraus, Vorstand des Mobile-Vermarkters Yoc, besteht kein Zweifel: „Die Zukunft der digitalen Werbung wird mobil sein. Das ganz große Wachstum wird erst noch kommen.“ Für diesen Optimismus mag es viele Argumente geben, die aktuelle Marktlage in Deutschland gehört nicht dazu. Der Nettoumsatz mit mobiler Displaywerbung legte 2014 um 52 Prozent auf 134 Millionen Euro zu, 2015 erwartet der Online-Vermarkterkreis (OVK) erneut ein Plus von 50 Prozent (HORIZONT 10/2015). Das sind hohe Steigerungsraten, aber sie können die Kluft zwischen Reichweite und Monetarisierung nicht zügig schließen. Die OVK-Zahlen bilden indes bei weitem nicht das Werbespektrum auf dem Smartphone ab. Vor allem die Umsätze der mobilen Google-Suche sowie die Nicht-Displaywerbung auf Facebook bleiben außen vor. Vor allem das soziale Netzwerk hat sich zum Mobile-Versteher entwickelt: Es holt heute fast 70 Prozent seines Werbeumsatzes von 11 Milliarden Euro über mobile Plattformen herein (Seite 37). „Facebook hat den weltweiten Mobile-Advertising-Markt im 2. Halbjahr 2013 hart getroffen“, so Kraus. Die Konkurrenz habe aber auch eine positive Seite: „Facebook sorgt dafür, dass der Inflection Point, der Punkt, an dem die Wachstumskurve progressiv steigt, schneller erreicht wird. Davon profitieren die anderen Vermarkter.“ Auch Martin Lütgenau, Geschäftsführer Tomorrow Focus Media (TFM), kann dem Erfolg von Facebook etwas abge- Martin Lütgenau, Tomorrow Focus Media winnen: „Viele Unternehmen werden überhaupt erst mal für Mobile gewonnen und buchen dann auch bei anderen Vermarktern, um die notwendigen Reichweiten zu bekommen.“ Hinter dem OVK-Plus von 52 Proverbirgt sich eine breite Streuung. Insbesondere bei Vermarktern, die über renommierte Medienmarken und entsprechendes Cross-Potenzial verfügen, fährt der Zug schneller. „Wir wachsen deutlich stärker als der Gesamtmarkt“, erklärt Lütgenau. „Im 1. Quartal 2015 werden wir die Umsätze im Vergleich zu I/2014 wahrscheinlich verdoppeln können. Mobile hat mittlerweile einen deutlich zweistelligen Umsatzanteil erreicht.“ Im Gesamtmarkt geht der Trend laut Oliver von Wersch, Leiter der Unit Mobile Advertising (MAC) im BVDW, zu großflächigen Sonderwerbeformen. Dabei ist „Auffallen“ nicht alles. Die Vermarkter sind sich einig, dass man bei der Gestaltung der Werbung sensibler sein muss als im Desktop-Bereich, weil der Nutzer auf mobilen Endgeräten schneller genervt ist – dafür sind mittlerweile auch die Werbungtreibenden einigermaßen sensibilisiert: „Beliebt sind vor allem Werbeformen, die nachweisbar von den Nutzern akzeptiert werden und eine hohe Werbewirkung erzeugen“, erklärt Rasmus Giese, Geschäftsführer United Internet Media (UIM). Werbung „Vermarkter müssen weiterhin viel Überzeugungsarbeit leisten“ Rasmus Giese, United Internet Media Starke Zuwächse verzeichnen vor allem TVspielfilm.de, Focus Online, Huffington Post und Chip Online. Bei den Werbeformen sind es insbesondere Videound Native-Formate, die dynamisch zulegen – sie stehen bei TFM heute für ein Drittel der mobilen Umsätze. müsse sinnvoll in die Nutzungssituation eingebunden sein. Bei UIM liefere die Inbox Ad, ein neues Native-Format im E-Mail-Postfach, sehr gute Kampagnenergebnisse. Giese sieht noch viel Handlungsbedarf in puncto Forschung: „Dazu gehören Erkenntnisse darüber, in welchen Situationen der Nutzer welche Werbeformen akzeptiert und in welchen Situationen welche mobile Werbeform am besten wirkt.“ Eine Hürde stellt nach wie vor das Desinteresse vieler Kunden: „Vermarkter müssen weiterhin viel Überzeugungsarbeit leisten, damit Mobile fester Bestandteil der Kommunikationsstrategie eines Werbungtreibenden wird“, glaubt Giese. Lütgenau sieht vor allem ein Problem darin, dass viele Werbungtreibende „noch gar keine Mobilstrategie haben“. Zudem ist die Durchführung mobiler Kampagnen ist ein komplexes Unterfangen. Es gibt eine Vielzahl von Werbeformen und technischen Spezifikationen für die verschiedenen Endgeräte. Die Vermarkter sind bemüht, ihren Kunden Hilfestellung zu geben und Formate und Reportings zu standardisieren. Ein weiterer wichtiger Punkt auf ihrer Agenda ist Programmatic Buying. Yoc, das sich hier besonders starkmacht, erwirtschaftet darüber bereits 20 bis 25 Prozent des Umsatzes. „Yoc bietet nicht nur das eigene Inventar teilweise programmatisch an, sondern kauft im europäischen Kontext auch externen Traffic“, so Kraus. Der Vermarkter arbeitet im Selling ausschließlich über Private Market Places und ohne Auktionen, um die Preise stabil zu halten. Genau das ist im Gesamtmarkt nach wie vor angesichts des Reichweitenüberhangs nicht einfach – obgleich Lütgenau dafür eine andere Hauptursache sieht: „Die Preisrückgänge im Markt erklären sich in erster Linie durch die gestiegenen Umsätze. Bei höheren Etats fallen immer auch höhere Rabatte an.“ Oliver von Wersch geht davon aus, dass die Preise langfristig Desktop-Niveau erreichen. Viele Baustellen also für die MobileVermarkter. Aber eine bleibt ihnen erspart: Die Installation von Adblockern ist technisch aufwendiger als per Desktop. Daher liegt die Block-Rate laut Lütgenau bei lediglich einem Prozent. ZUM THEMA Spielwiese Als Apple am 9. März seine lang erwartete Smartwatch vorstellte, gab es ein zweifaches Déjà-vu: Einerseits den medialen Hype um die neueste Kreation aus Cupertino, andererseits die mehr als zurückhaltenden Kommentare zum Potenzial des neuen Gadgets. Ob es Apple tatsächlich gelingt, den Markt der intelligenten Uhren schlagartig nach oben zu pushen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall fungieren die Macher marktumwälzender Produkte wie iPod, iPhone und iPad wieder einmal als Katalysator für Geschäfte rund um eine neue Gerätekategorie. Denn schon tüfteln die Mobile Marketer an Lösungen, wie Werbebotschaften auch auf dem nun ganz kleinen Screen an den Mann oder die Frau gebracht werden können. In der Anfangsphase bietet sich den Pionieren zwar kein großes Publikum, aber eine interessante Spielwiese für kreative Lösungen, die das Terrain bereichern. Jochen Zimmer Ressortleitung Specials INHALT Shopping: Mobiles Einkaufen scheitert an mangelnder Strategie des Handels. 28 Bonusprogramme: Zwischenbilanz für Location Based Services ist durchwachsen. 30 Smartwatches: Apple Watch weckt Hoffnung auf den Durchbruch. 32 Gastbeitrag: Denis Gassmann über die Highlights des Mobile World Congress. 34 Nutzung: Obwohl mobile Websites öfter angesteuert werden, sind Apps ein Muss. 36 Facebook: Soziales Netz dominiert den Werbemarkt im mobilen Internet. 37 Anzeige 28 REPORT DIGITALMARKETING HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Kampf mit der Technik Übers Smartphone stöbern, aber per PC kaufen – Mobile Shopping könnte mehr Spaß machen, wenn die Händler nur wollten Mobile Suche Suchtraffic über Smartphones führt – auf die gesamte Euro-Zone bezogen – im Vergleich zu Anfragen auf Desktop-PCs und Tablets deutlich häufiger zum Kauf. Dies ergibt eine Analyse des Marketing-Cloud-Anbieters Marin Software. Danach lagen Smartphones mit ihren Conversion Rates sowohl bei der Suchmaschinenwerbung als auch im Google Display Network vor PCs und Tablets. Andrea Ramponi, Regional Vice President DACH bei Marin Software, empfiehlt: „Budget in Search-Ads auf Smartphones ist gut investiert. Sie performen gut und sind im Vergleich zu anderen Kanälen noch relativ günstig.“ Von Klaus Janke W er in Deutschlands nach Weltbild-Läden Ausschau hält, wird künftig seltener fündig: Die Buchhandelskette hat gerade 67 und damit die Hälfte ihrer Filialen verkauft. Dafür will sie den Kunden den Einkauf über digitale Kanäle erleichtern. Auch der M-Commerce wird forciert: Weltbild.de, Deutschlands zweitgrößter Online-Buchshop wurde mit Responsive Design ausgestattet, um auch eine optimale mobile Nutzung zu gewährleisten. „Bereits mehr als 20 Prozent der Kunden kommen über ein mobiles Endgerät auf Weltbild.de“, so Weltbild-Geschäftsführer Sikko Böhm. Zu den neuen Features gehören auch eine verbesserte Suchfunktion und eine schnellere Kaufabwicklung: Registrierte Kunden können ab sofort mit nur zwei Klicks ordern – gerade auf dem Smartphone eine deutliche Erleichterung. Nicht alle Unternehmen sind so engagiert. Erstaunlich, denn der Online-Traffic verlagert sich massiv auf Smartphone und Tablets. Auch im Kaufprozess werden mobile Endgeräte immer wichtiger. Mittlerweile recherchieren rund 20 Prozent der deutschen Internetnutzer über Smartphones wie Google im vergangenen Jahr gemeinsam mit TNS Infratest im „Consumer Barometer“ ermittelt hat. Weitere 10 Prozent stöbern über Tablets. Gekauft wird dann zwar in der Regel am Desktop, aber bereits 4 Prozent der Käufe werden über Tablets abgeschlossen, 3 Prozent über Smartphones. Angesichts der Entwicklung in anderen Ländern ist mit deutlichen Steigerungsraten zu rechnen. Mobile wird zum eigenständigen Shopping-Kanal. Herumgesprochen hat sich das aber noch nicht überall. „In den allermeisten Branchen wird das mobile Potenzial noch nicht genutzt“, sagt Simon Loebel, COO der Agentur United Digital Group (UDG). „Eine Ausnahme stellt unter anderem die Reisebranche dar – Hotels, Airlines und Co betreiben bereits sehr ausgefeilte Systeme.“ Oft hakt es am Grundsätzlichen: „Die meisten Unternehmen haben nach wie vor keine mobil-spezifische Website“, beobachtet Anja Raatzsch, Senior Account Manager bei der Digital-PerformanceAgentur Hurra.com. Selbst bei den großen Anbietern ist es noch nicht selbstverständlich, ihren Kunden in dieser Hinsicht entgegenzukommen: 20 der 100 größten deutschen Onlineshops verfüg- Für Mobile optimierte Angebote können die Conversion Rate steigern ten nach einer Auswertung des E-Commerce-Blogs Kassenzone im Herbst 2014 über keinerlei Mobile-Optimierung. Ausgewertet wurde nach den drei gängigen Optionen: Man kann zum einen eine für das Smartphone beziehungsweise Tablet optimierte Website einrichten. Nachteil: Nicht alle Funktionen des Onlineshops werden immer abgebildet. Eine Alternative ist Responsive Design, mit dem sich die Website mit allen Inhalten und Funktionen an jede Displaygröße von Endgeräten anpasst. Darüber ist das Bereitstellen einer App für iOS- und Android-Geräte eine verbreitete Praxis bei großen E-Commerce-Anbietern. E rkenntnisse auf breiterer Basis liefert eine Befragung von 465 Onlinehändlern, die das Handelsforschungsinstitut ECC Köln im Januar durchgeführt hat. Danach haben 27,1 Prozent der Unternehmen ihre Website über Responsive Design mobiloptimiert. 21,5 Prozent beziehungsweise 6,5 Prozent bieten optimierte Shops für Smartphone und Tablet an. Immerhin fast 30 Prozent planen zumindest eine mobile Optimierung. Nach Einschätzung von Experten geht der Trend in eine Richtung: „Auf Dauer wird sich Responsive Design gegenüber App-Lösungen und separaten Mobile-Shops durchsetzen“, glaubt UDG-Manager Loebel. „Damit kann man optimal auf alle neu hinzukommenden Endgeräte reagieren.“ Eine App ist als zusätzliches Angebot dennoch attraktiv, weil sie viel Komfort bietet. Allerdings muss sie erst heruntergeladen werden und hat den Nachteil, nicht mit Online-Werbemaßnahmen verknüpfbar zu sein. „Eine App muss einen klaren Mehrwert für den Nutzer bieten, ansonsten hat sie auf Dauer keine Lebensberechtigung“, fordert Raatzsch. Auch sie geht davon aus, dass Responsive Design zum Standard wird. Aber Responsive Design und mobile Optimierung allein sind kein Garant für steigende Conversion Rates. Eine konsequente mobile Strategie erfordert, ständig an allen Stellschrauben zu drehen. Ist die Website für die organische Suche optimiert? Enthalten die Suchanzeigen die wichtigsten Elemente, also Produktbezeichnung, Preis und aussagekräftiges Foto? Transportiert die Onlinewerbung einen unmissverständlichen „Call to Action“? Wie schnell wird nach dem Klick auf eine Landing-Page weitergeleitet? Eigentlich gilt eine Ladezeit von zehn Sekunden als Limit, dennoch liegt fast die Hälfte der 100 größten deutschen Shops darüber, wie Kassenzone ermittelt hat. Darüber hinaus gibt es häufig noch Probleme in puncto Usability. „Eingabekomponenten, die auf Desktop-PC funktionieren, können mobil zum Abbruchgrund führen“, erklärt Loebel. Wichtig ist vor allem, nicht zu viele Eingaben machen zu müssen, um zu kaufen. In dieser Hinsicht hat Amazon mit der „1-Click“Bestellfunktion einen Service geschaffen, der auf breiter Basis kopiert wird. Hurra.com-Expertin Raatzsch nennt weitere Punkte: „Häufig vergessen Anbieter, dass User ihr Smartphone durchaus auch zum Telefonieren nutzen. Ein Clickto-Call-Button ermöglicht den persönlichen Kontakt zum Unternehmen und vereinfacht den Kaufprozess.“ Und: „Die meisten Shopbetreiber bieten keine Möglichkeit, den Check-out-Prozess zu speichern, um ihn später fortzusetzen. Dies wäre jedoch vor allem fürs mobile Shopping sehr hilfreich: In der U-Bahn kurz vor dem Tunnel werden mobile Kaufprozesse oft abgebrochen.“ F ür Handlungsbedarf in puncto Mobiloptimierung wird demnächst Google sorgen. Am 21. April soll die mobile Suche von einem neuen Algorithmus bestimmt werden, der mobiloptimierte Websites im Ranking bevorzugt. Zudem werden Nutzer, die eine bestimmte App installiert haben, deren Absender prominenter in den Suchergebnissen finden – ein Anreiz, Apps anzubieten. Bereits heute zeigt Google in den USA in den mobilen Suchergebnissen an, welche Websites „mobile friendly“ sind. Wer wissen will, ob die eigene Website diese Anforderungen erfüllt, kann sie im „Mobile Friendly Test“ prüfen lassen. Google kümmert sich wie immer um alles. Im Fokus: Neue Messe für Mobile Business Wenn am 11. und 12. Mai 2015 die Messe Frankfurt die Tore ihrer Fachveranstaltung für das Mobile Business öffnet, geschieht dies unter dem neuen Label Mobikon. Von 2011 bis 2014 waren es an gleicher Stelle die M-Days, die zuletzt 4400 Besucher anlockten. „Die Mobikon löst das an einigen Stellen in die Jahre gekommene bisherige Konzept ab. Sie schafft mit modernerem Marketing, einem professionalisierten, Fachbeirat-gestützten Kongress sowie der 2015 eingeführten Internationalisierung um ,Mobile Africa‘ einen frischeren Look für dieses innovative Format“, erläutert Iris JeglitzaMoshage, Mitglied der Geschäftsleitung der Messe Frankfurt Exhibition, die Neufassung. Am Grundkonzept einer Mobile-BusinessFachmesse mit Kongress wird jedoch nicht gerüttelt, und auch die Zielgruppe von Professionals aus Vertrieb, Marketing, Produktion und Organisation unterschiedlichster Wirt- schaftsbereiche bleibt die gleiche. Das Themenspektrum des Kongresses umfasst sechs wichtige Mobile-Kernthemen: Mobile Internet & Apps, Mobile Marketing & Advertising, Mobile Commerce & Payment, Mobile Enterprise & Solutions, Mobile Security & Big Data sowie Internet of Things & Wearables. Erfolgsformate der M-Days wie etwa die in die Fachmesse integrierten Kongress-Hubs werden ausgebaut. Auch die Verleihung des Best of Mobile Awards (BoM) findet wieder in Frankfurt statt (siehe Foto). Die größte Mobile Community der Welt, Mobile Monday, trifft sich bereits am 10. Mai zum Mobile Monday Global Summit. Weitere Informationen: mobikon.com 30 REPORT DIGITALMARKETING HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Im Shopkick-System sendet ein kleiner Transmitter Ultraschallsignale ans Smartphone (l.); die „Kicks“ kann man unter anderem bei Douglas sammeln F Handys, hört die Signale! Von Klaus Janke ür stationäre Händler klingt es verlockend: Man ortet über Beacons oder andere Technologien potenzielle Kunden beim Einkaufsbummel und lockt sie mit Prämienpunkten, Rabatten oder Werbebotschaften in den Laden. Kein Wunder, dass mobile Bonus-Programme wie Shopkick, Gettings, Yoints und Barcoo großes Interesse wecken. Gut ein Jahr nach den ersten Tests in Deutschland fällt die Zwischenbilanz allerdings zwiespältig aus. Die schlechte Nachricht: Mit Shopnow hat sich bereits ein Bonus-App-Anbieter vorerst zurückgezogen. Der strategische Partner Axel Springer stellt die Finanzierung ein, nun sollen neue Investoren gefunden werden. Shopnow war in den Testmärkten Hamburg und Berlin aktiv. Durch das Betreten von Filialen von Hallhuber, Deichmann und weiteren Partnern sowie über das Einscannen von Produkten konnten die Nutzer Punkte sammeln und sie gegen Prämien eintauschen. Offenbar fanden sich aber nicht ausreichend viele Partner. Einen differenzierten Blick auf die Potenziale, aber auch auf die Schwierigkeiten erlaubt das Beacon-Pilotprojekt, das der Bonus-Anbieter Gettings von Juli bis Dezember 2014 mit 60 Partnerfirmen in Düsseldorf durchgeführt hat. Die Telefónica-Tochter installierte Beacons in 72 Geschäften. Die kleinen Sender, die im Eingangsbereich und an Regalen installiert wurden, kommunizieren per Bluetooth Low Energy (BLE) mit Smartphones registrierter Nutzer und schicken diesen eine Push-Nachricht, sobald sie in die Nähe kommen. Voraussetzung ist, dass die Nutzer die Gettings-App heruntergeladen, ein Opt-in gegeben und Bluetooth aktiviert haben. Im Raum Düsseldorf wären rund 13000 Smartphone- und Gettings-Nutzer technisch in der Lage gewesen, die Beacon-Botschaften zu empfangen. Allerdings gaben lediglich rund 4000 Nutzer ihr Opt-in, tatsächlich auf Nachrichten reagiert haben letztlich rund 2000. Erzielt wurden Klickraten von bis zu 45 Prozent, Mobile Bonus-Apps stoßen auf großes Interesse bei Händlern / Die erste Zwischenbilanz ist jedoch durchwachsen besonders attraktiv waren Preisnachlässe. Das höchste Interesse weckten Angebote von Modehäusern (siehe Charts). B eacons sind ohne Frage ein interessantes Marketinginstrument, aber es gibt Licht und Schatten“, resümiert Tobias Dupuis, Leiter Marketing & PR bei Gettings. „Man sollte vor allem die mit dem Einsatz verbundenen organisatorischen und strategischen Herausforderungen nicht unterschätzen.“ So fielen zahlreiche technische Probleme auf: „Die Batterien der Beacons haben aus Herstellersicht eine Laufzeit von zwei Jahren“, berichtet Dupuis. „Das gilt aber nicht, wenn sie in einem hohen Intervall senden. Nach unseren Erfahrungen beträgt die Laufzeit dann rund drei Monate.“ Insgesamt sei das Echo bei den teilnehmenden Händlern zwiespältig gewesen: „Es gab Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten, sowie auch durch- Verweildauer der beim Gettings-Projekt angesprochenen Beacon-User in den jeweiligen Shops in Minuten 20 Mode Wohnen 14 Gastronomie 14 Kosmetik B ereits deutschlandweit ist Shopkick aktiv, ein amerikanischer Loyalty-Dienstleister, der seit Herbst auch hierzulande ein mobiles Bonussystem anbietet. Shopkick informiert die Nutzer über interessante Angebote in der unmittelbaren Umgebung. Ist die App aktiviert, bekommen die Nutzer sogenannte Kicks gutgeschrieben, sobald sie ein Partnergeschäft betreten. Diese können für eine Vielzahl von Prämien eingelöst werden. Auch für das Scannen der Barcodes bestimmter Produkte von Markenpartnern wie Nestlé, Henkel, Procter & Gamble und Coca-Cola gibt es Kicks. Dabei nutzt Shopkick eine patentierte Ultraschalltechnologie, mit der V ier Monate nach dem Deutschland-Start zeigt sich Shopkick hochzufrieden: Die Bonus-Shopping-App verzeichnet mittlerweile über eine Million Downloads. Die aktuelle Gesamtzahl aktiver Nutzer gibt Shopkick nicht bekannt, im Weihnachtsgeschäft 2014 war von 110000 aktiven Nutzern pro Woche die Rede. Bislang hat die App in diesem Jahr für rund 500000 Kundenbesuche in den deutschen Partnershops gesorgt, dazu zählen unter anderem Douglas, Karstadt, Media-Markt, Obi, Penny, Saturn und neuerdings auch Reno. Claudia Reinery, Vorsitzende der Douglas-Geschäftsführung, gratulierte zum Start: „Die Zusammenarbeit mit einer innovativen Plattform wie Shopkick kommt bei unseren Kunden spürbar gut an.“ Die bisherige Verbreitung der BeaconTechnologie im Handel belegt die aktuelle Studie „IT-Trends im Handel 2015“, für die das Handelsforschungsinstitut EHI CIOs und IT-Leiter von 95 Handelsunternehmen in den deutschsprachigen Ländern befragt hat. Danach nutzen 15 Prozent der Unternehmen bereits Beacons,11 Prozent planen Projekte. Weiteren Auftrieb könnte das Thema bekommen, wenn der Bonus-Riese Payback mit seinen 25 Millionen Nutzern einsteigt. Dieser testet das Thema derzeit und prüft, wie sich Beacons in das Bonus-System integrieren lassen. Neben den technischen Herausforderungen gibt es jedoch noch viele offene Fragen: Was bringen die Systeme für den Umsatz? Welche Angebote sind für den Nutzer auf Dauer wirklich relevant? Wie verhindert man über „Frequency Capping“ künftig, dass Konsumenten in der Fußgängerzone mit Botschaften überhäuft werden? Wie verknüpft man die Aktionen sinnvoll mit anderweitigen Nutzer- und Kundendaten? Und vor allem: Wie geht das alles unter Berücksichtigung des Datenschutzes? Starkes Interesse an Bekleidung Klickraten pro Kampagnentyp beim Gettings-Projekt in Prozent Preisnachlässe in Prozent Klickraten nach Branche beim Gettings-Projekt in Prozent 66 Mode 45 Preisnachlässe in Euro 54 Gastronomie 40 43 Kosmetik Geschenke / Proben 11 Informationen zum PoS 9 29 HORIZONT 12/2015 Quelle: Gettings 28 Wohnen & Freizeit 19 Telko & Elektronik Basis: 2000 Unique User Basis: 2000 Unique User Quelle: Gettings zweiseitigen Marktes: „Die Unternehmen kommen, wenn es viel Interesse vonseiten der Konsumenten gibt. Die wiederum sind nur dann interessiert, wenn das Angebot groß genug ist.“ Rabatte ziehen am besten Viel Zeit für Mode Telko & Elektronik weg positive Resonanzen.“ Ob Gettings mit Handelspartnern weitere BeaconAktivitäten durchführen wird, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall expandieren will der Bonus-App-Anbieter Yoints, der bislang im Hamburger Testmarkt in über 600 Outlets Beacons installiert hat. Die App sei bislang über 35000 Mal heruntergeladen worden, berichtet Geschäftsführer Niels Denefleh. Mit genauen Angaben zu den aktiven Nutzern hält er sich jedoch zurück und spricht von einer „deutlich fünfstelligen Zahl“. Diese stehen pro Woche im Schnitt für fünf bis sieben Interaktionen, also Shopbesuche oder Scannen von Produkten. Yoints würde gern im Herbst den nationalen Roll-out angehen, aber: „In welchem Umfang, steht noch nicht fest, da wir uns mitten in den Verhandlungen befinden“, so Denefleh. Es gebe bei derartigen Services die Herausforderung des auch die Nutzer älterer Smartphones erreicht werden können. Unterstützung bekommt Shopkick vom strategischen Partner Pro Sieben Sat 1, unter anderem mit zahlreichen TV-Spots auf dessen Sendern. 19 Basis: 2000 Unique User HORIZONT 12/2015 Quelle: Gettings HORIZONT 12/2015 32 REPORT DIGITALMARKETING Clever und smart am HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Handgelenk Der Hype um die Apple Watch weckt Hoffnungen auf den Durchbruch smarter Uhren / Marken sollten eher auf Nutzwert denn auf Werbung setzen J Von Ulrike Langer edes Mal, wenn Apple ein neues Produkt vorstellt, wird es mit Spannung erwartet und mit Genuss verrissen. Ob iPod, iPhone oder iPad, die stereotype Kritik lautet wahlweise, „So etwas gibt es doch längst“, oder „Elegantes, aber viel zu teures Lifestyle-Gadget für AppleFans.“ Doch am ersten Verkaufstag stehen die Käufer wieder einmal Schlange vor den Apple-Shops und das neue Produkt wird zum neuen Umsatzbringer für das wertvollste Unternehmen der Welt. Das dürfte auch für die neue smarte Armbanduhr gelten, die Apple am 9. März bei seinem „Spring Forward“-Event in San Francisco im Detail vorstellte. Verkaufsstart in acht Ländern, darunter auch Deutschland, ist am 24. April, ab 10. April kann die Uhr vorbestellt werden. Was die Apple Watch so begehrlich macht – egal, ob in der mit 18 Karat vergoldeten „Edition“ ab 10000 US-Dollar aufwärts oder als einfache „Watch“-Version für 350 Dollar – ist weniger das Design. Es gab schon schickere Uhren. Allerdings noch keine, die vom Start weg so viele verschiedene Funktionen besitzt und zudem aufgrund von Apples führendem App-Kosmos auch das Potenzial für jede Menge Funktionserweiterungen hat. Kevin Lynch, stellvertretender Technologiechef bei Apple, demonstrierte auf der Bühne recht eindrucksvoll, wie viel praktischer es ist, per Apple Watch statt per iPhone mal eben Siri um Rat zu fragen, seiner Frau einen blitzschnellen Gruß zu schicken, eine Verabredung zum Essen zu bestätigen, ein Uber-Auto herbeizurufen oder das kameraüberwachte Garagentor daheim für seine Kinder zu öffnen. Marketer sollten das „Must-have“-Potenzial der neuen Apple Watch nicht unterschätzen. Denn dazu tragen nicht nur die nativen Funktionen der Watch bei (neben Uhrzeit und Kalender zum Bei- spiel E-Mail, Musikplayer/iTunes, Wetter), sondern auch zum Start bereits mehr als 50 Apps aus den Kategorien Reise, Einkauf, Fitness, Produktivität und Entertainment. First Mover profitieren von der massiven Medienaufmerksamkeit schon im Vorfeld. Wer später einsteigt, kann auf einen zunehmenden Massenmarkt setzen: Schätzungen zufolge werden bis 2019 weltweit rund 150 Millionen Wearable Devices im Einsatz sein, davon zwei Drittel Smartwatches. Und bei diesen werde zumindest in den ersten Jahren die Apple Watch den Löwenanteil ausmachen, bis die Wettbewerber aufholen. Doch als Marke auf der Uhr dabei sein ist nicht alles. Die meisten der bisher für die Apple Watch vorgestellten MarkenApps halten sich trotz aller Verschiedenheit an wichtige Grundprinzipien. Erstens: Sie machen auf dem kleinsten und persönlichsten aller mobilen Bildschirme keine Werbung, sondern bieten puren Mehrwert. Zweitens: Sie halten sich an das Prinzip „Weniger ist mehr“. Alles, was aus Nutzersicht unterwegs entbehrlich ist, bleibt dem Smartphone vorbehalten, zumal die Apple Watch ohnehin nur in Kombination mit einem iPhone nutzbar ist. Drittens: Sie gehen alle von einem jeweils konkreten Nutzungsszenario aus. E inige Beispiele: Auf der extrem reduzierten „Moments“-App des „Guardian“ lassen sich Schlagzeilen schnell überfliegen. Nur bei Interesse an vertiefenden Informationen muss das iPhone gezückt werden. Läufer sehen auf ihrer „Nike+ Running App“ wie auf dem iPhone Route, Distanz, Laufdauer sowie Tempo und können ihre Musik im Ohr steuern. Doch die Uhr am Handgelenk hat weniger Gewicht als ein iPhone am Bizeps und ist ohne Verrenkungen oder lästige Laufunterbrechungen stets im Blickfeld. Auch Fandango macht sich nützlich am Handgelenk. Der Ticketbuchungs- Apple nicht der erste − aber der teuerste Anbieter Übersicht Smartwatches Apple Watch Pebble Time Steel Asus Zen Watch LG Watch Urbane Moto 360 Markteintritt April 2015 Juli 2015 1. November 2014 offen 1. September 2014 Preis 349 - 399 US-Dollar, 549 - 1099 US-Dollar, >10 000 US-Dollar 299 US-Dollar 199 US-Dollar offen 249 US-Dollar Smartphone Kompatibilität iPhone iPhone/Android Android Android Android Apps abgewandelte iPhone Apps Pebble / Android Wear Apps Android Wear Apps Android Wear Apps Android Wear Apps Armband original Apple-Armbänder Standard 22mm Uhrenarmbänder Standard 22mm Uhrenarmbänder Standard 22mm Uhrenarmbänder Standard 22mm Uhrenarmbänder Material Aluminium / rostfreier Stahl / 18 Karat Gold rostfreier Stahl rostfreier Stahl Stahl mit Silber- / Goldlegierung rostfreier Stahl Quelle: Unternehmensangaben / Techcrunch HORIZONT 12/2015 Service zeigt nach dem Ticketkauf per Smartwatch sofort den Weg zum Veranstaltungsort an. Am Kino oder Konzertsaal angekommen, braucht man nur noch seine Uhr mit einem angezeigten Scanner an einen Barcode zu halten. Shazam-Nutzer wiederum werden es zu schätzen wissen, dass die Musikerkennungs-App jetzt auch über die Apple Watch nutzbar ist. Denn so nützlich Shazam auf dem iPhone auch ist – bis das Smartphone aus der Tasche gezogen und die App aktiviert ist, läuft der unbekannte coole Song oft schon nicht mehr. Da Shazam mit iTunes integriert ist, lässt sich der Titel per Watch auch gleich kaufen oder im Musikabo als Favorit markieren. R etailer und Gastronomen setzen bei ihren mobilen Marketingkonzepten zum einen auf Geofencing per iBeacon. Impulskäufe werden dabei außerdem über die integrierte Bezahlfunktionen Apple Pay noch leichter gemacht. Allerdings werden Mobilnutzer schon heute zumindest in amerikanischen Großstädten mit den entsprechenden Apps auf dem Smartphone an beinahe jeder Straßenecke mit Coupons für Sonderangebote bombardiert. Marketer sind per Smartwatch noch näher dran am Kunden. Sie riskieren allerdings noch mehr als auf dem Smartphone, als Spammer wahrgenommen zu werden. Präzises Targeting wiederum birgt auch Gefahren: Kunden könnten passgenaue Angebote, die direkt an ihrem Körper landen, leicht als „creepy“, als unheimliche Überwachung empfinden. Handelsketten wie Best Buy oder Target entwickeln deshalb Systeme, die mobile Coupons mit In-Store-Navigationsystemen, personalisierten Einkaufslisten und Bezahlfunktionen verbinden. Auch hier steht Nutzwert ganz oben. Am deutlichsten wird das bisher bei der US-Supermarktkette Marsh, die vor allem im Mittleren Westen vertreten ist. Marsh hat in Erwartung eines Siegeszuges der Apple Watch in Kooperation mit dem Mobile Marketing-Dienstleister Inmarket im vergangenen Winter 75 seiner Läden in den Bundesstaaten Ohio und Indiana mit iBeacons ausgerüstet. „Wenn man bedenkt, wie gestresste Kunden durch den Laden hetzen, um ihre Einkaufslisten und Coupons abzuarbeiten, ist es doch viel einfacher, wenn sie dabei die Hände frei haben“, betonte Inmarket-Chef Todd Dipaola in einem Interview mit dem Fachdienst Advertising Week. Der Titel für die Apple-Watch-App mit dem größten Wow-Effekt gebührt derzeit jedoch den beiden Hotelketten W und Starwood. Hotelgäste können auf der Apple Watch ihre Reservierung, den Weg zum Hotel und andere nützliche Informationen ablesen. Doch als Killer-Feature ermöglicht die Uhr auch mobilen Check-ins und Check-outs am Terminal. Und sie wird zum Zimmerschlüssel am Handgelenk. Wer sich an diesen Komfort gewöhnt hat, wird sich wohl nicht mehr in die Schlange am Desk in der Lobby einreihen oder zu vorgerückter Stunde an der Zimmertür nach der Keycard kramen wollen. Weniger ist mehr Fünf First Mover mit intelligenten Apps für die Apple Watch Wer die BMW i Remote App auf die Uhr lädt, kann den Ladestatus seines elektrisch betriebenen BMW i überprüfen und wird benachrichtigt, wenn die Batterie voll ist. Eine versehentlich offen gelassene Autotür löst Alarm am Handgelenk aus, Werkstatt-Termine werden angezeigt und der Wagen kann ferngesteuert vorgeheizt werden. Die Citi Bank hat ihre Citi Mobile Smartphone-App, die bei vielen Kunden einen Platz auf dem Homescreen hat, für die Smartwatch noch weiter auf wesentliche mobile Funktionen reduziert. Angezeigt werden die Kontostände von Giro-, Spar- und Kreditkartenkonten sowie die letzten fünf Transaktionen. Ist eine Kreditkartenrate fällig, wird ein PushAlarm ausgelöst. Passionierte Radfahrer schwören auf die mobile Premium-App Strava, um Strecken zu planen und zu dokumentieren. Bisher war das Smartphone am Lenker eine riskantes Unterfangen. Mit der Smartwatch-App kann das iPhone dagegen in der Tasche bleiben. Nutzer der App von American Airlines sehen genau das, was am Flughafen wichtig ist. Zum Beispiel: Wo ist mein Gate und wie lange brauche ich dorthin? Hat mein Flug Verspätung? Wohin muss ich zu meinem Anschlussflug? Wo ist mein Gepäckband? Ähnlich reduziert lässt sich die App der Buchungs-Plattform Expedia nutzen mit allen wichtigen Reisedaten inklusive Abfluggates, Sitzplatzinfos für Flüge sowie Telefonnummern, Check-inund Check-out-Daten für Hotels et cetera. 34 REPORT DIGITALMARKETING HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Das Smartphone als Schaltzentrale Der Mobile World Congress in Barcelona ist ein Mekka der ITK-Branche. Accenture-Experte Denis Gassmann präsentiert für HORIZONT die Highlights der diesjährigen Messe aus den Bereichen Wearables, Handel und Internet der Dinge Der Autor Denis Gassmann ist Geschäftsführer Communications, Media & Technology bei der Unternehmensberatung Accenture und berät Kunden aus der ITK- und Medien-Branche W Wearables: Vom Modetrend zum Lifestyleprodukt Schon 2014 hätten Fitness-Armbänder den Mobiltelefonen auf dem MWC fast die Schau gestohlen. Ein Jahr später zeigt sich, dass Wearables keine Modeerscheinung waren. Selbst Swarovski zeigt mit dem „Kristall Shine“ in Barcelona eine eigene Variante (Bild links). Sportlich statt schick ist dagegen Huaweis „Talkband N1“, eine Kombination aus Fitnesstracker und Bluetooth-Headset (Bild rechts). Und natürlich gab es auf dem MWC auch jede Menge Konkurrenten für die Apple Watch zu sehen. Am interessantesten ist vielleicht die „Urbane Watch LTE“ von LG, die dank eigener SIM-Karte auch ohne Smartphone auskommt. Gleichzeitig zeigt das Angebot auf der Messe, dass es bei Wearables gar nicht mehr unbedingt auf die Hardware ankommt. Entscheidend ist, was der Käufer damit machen kann und wie reibungslos sich Armbänder und Uhren in seinen Alltag integrieren. Hier gibt es aktuell noch zu viele Grenzen und Kompatibilitätsprobleme zwischen Apps und Betriebssystemen und damit viel Luft nach oben. Eine ganz andere Form von Wearables sind Virtual-Reality-Brillen wie die von HTC und Valve gemeinsam entwickelte System „Vive“, das in Barcelona Premiere feierte. Zurzeit steht bei solchen Geräten noch die Anwendung bei Computerspielen im Mittelpunkt. Setzt sich die Technik durch, könnte sie aber auch für Videoanbieter oder als Plattform für virtuelle Einkaufs- oder Beratungserlebnisse interessant werden. ie sehr sich der Markt für mobile Technik verändert hat, zeigt sich nirgendwo besser als auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Was als Branchentreffen der Handyhersteller und Netzanbieter begann, ist heute vielleicht die wichtigste Leistungsschau für mobile Technik. Natürlich gab es dort dieses Jahr viele neue Flaggschiffe zu sehen, darunter das Samsung Galaxy S6 und HTCs One M9. Doch das Smartphone ist nicht mehr nur ein Handy mit Internetzugang, sondern die Schaltzentrale für unterschiedliche Lebensbereiche des Nutzers, vom Fitnesstracker bis zum smarten Zuhause. Mehr und mehr stehen dabei nicht leistungsfähige Technik, sondern Alltagstauglichkeit und Funktionalität im Vordergrund. Das ist auch gut so – denn die Ansprüche des Kunden sind gewachsen. Eine Accenture-Studie zeigt, dass gerade deutsche Verbraucher zunehmend Wert auf Produktqualität und einfache Geschäftsprozesse legen. Werden die Ansprüche nicht erfüllt, sind Kunden immer öfter bereit, den Anbieter zu wechseln. Das gilt nicht nur für die Branchen Telekommunikation und Mobilfunk, sondern auch für den Einzelhandel. Für Unternehmen, die nicht bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, könnte das eine Bedrohung sein. Innovative Akteure, die das Potenzial neuer Technik für bessere Services nutzen, könnten von diesen Veränderungen profitieren. Internet der Dinge: Neue Chancen für alle Branchen Selbst klassische Offline-Branchen können das Internet der Dinge künftig nutzen, um ihren Kunden ganz neue Dienstleistungen und Erlebnisse zu bieten. In Barcelona gab es dafür mehrere Beispiele zu sehen: Der Koffer Bluesmart (Bild oben) hat einen Steckplatz für SIM-Karten und eine integrierte Waage. So weiß der Nutzer mit einem Blick aufs Smartphone nicht nur, was sein Gepäck wiegt, sondern im Notfall auch, wo es gerade ist. Und intelligente Smart-Series-Zahnbürsten von Oral-B sollten medizinische Daten des Nutzers künftig direkt zum Zahnarzt schicken können – natürlich nur, wenn der das auch will. Welche Rolle smarte Technik künftig im Alltag spielen könnte, zeigt auch der Smart-Home-Markt. Wo früher auf Messen noch Visionen und theoretische Machbarkeit im Mittelpunkt standen, geht es jetzt um konkrete Lösungen, die im Alltag eine echte Hilfe sind – von vernetzten Leuchtmitteln bis zum intelligenten Stromzähler. Den besten Beweis für die Rolle von Technik im Zuhause liefert aber vielleicht der Messeauftritt von Ikea: Die Schweden wollen in Zukunft Möbel mit eingebauten Ablageflächen für die drahtlose Ladetechnik Qi anbieten (Bild unten). Handel: Aus dem Onlineshop in die reale Welt Je mächtiger mobile Technik wird, desto größer ist die Chance für Einzelhändler, sie ins Einkaufserlebnis zu integrieren. Das reicht von intelligenter Werbung wie der Smart Interactive Wall von Avanade (Bild links), die den Käufer direkt anspricht und über Sprach- und Gestensteuerung auf seine Antworten reagiert, bis zu Beacon-Netzwerken in Ladengeschäften. Ein Beispiel dafür ist die LBS Platform von SK Telecom. Sie soll dem Kunden nicht nur bei der Suche nach dem gewünschten Produkt helfen, sondern kann ihm auch personifizierte Angebote unterbreiten. Vom selben Unternehmen stammt Smart Shopper (Bild rechts), ein virtueller Einkaufskorb fürs Ladengeschäft, mit dem der Käufer seine Ware nicht mehr selbst durch den Laden tragen muss. Was Verbraucher im Onlinehandel schätzen gelernt haben, können sie so künftig auch in der realen Welt nutzen. Ein Dauerbrenner der Technikmessen ist das Thema Mobile Payment – in Barcelona zum Beispiel in Form von Googles Android Pay und Samsungs schlicht Pay genannter Lösung. Potenzial gibt es hier vor allem in Kombination mit Mehrwertdiensten, etwa für Treueboni und Rabattaktionen. Erheblich zur Akzeptanz der Technik könnten auch Wearables wie Smartwatches beitragen: Damit müsste der Kunde zum mobilen Bezahlen künftig nicht einmal sein Smartphone aus der Tasche holen. 36 REPORT DIGITALMARKETING HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Die zwei Seiten der Medaille Auch wenn mobile Websites von Verlagen stärker genutzt werden, sind Apps ein Muss Economist Espresso Morgen-Briefing: Unter der Woche gibt‘s zum Frühstück fünf Artikel zu den Themen des Tages. Nicht-Abonnenten lesen einen Text pro Tag kostenfrei. Bild Buzz Personal Push: Nutzer sagen, was sie interessiert. Gibt’s dazu was Neues, kommt ein Push. Wer mehr lesen will, wischt nach rechts (wie bei Tinder). Focus Online Top Nachrichten Auf einen Streich: Zeitraum wählen (von jetzt bis zum letzten Monat) und die sieben wichtigsten Nachrichten lesen, ausgewählt von einem Algorithmus. Kompakt Kurz und schick: News und Unterhaltung zum Durchwischen. Mit viel Design und der Möglichkeit, die eigene Meinung zu hinterlassen. S Von Sara Weber martphone gleich Apps. App gleich kurz antippen und direkt mittendrin. Alles, was interessiert, gebündelt hinter einem Icon – so das Versprechen der kleinen Programme. Man lädt nur herunter, was man wirklich will, und was stört, fliegt wieder. Ob Spiegel Online, Süddeutsche.de, Zeit Online oder Focus.de, alle großen Medienmarken haben Apps. Apple und Android sind das Minimum, wer ganz eifrig ist, entwickelt für Windows Phone und iPad. Trotz des Aufwands: Wer sich informieren will, klickt eher auf mobile Websites, wie die Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung zeigen. Fast alle Nachrichtenportale haben deutlich höhere Nutzungszahlen auf ihren mobilen Websites als für ihre Apps (siehe Tabelle). „Es gibt Apps, die sind Standard: Maps, Wetter, Deutsche Bahn“, sagt Melina Ex, Geschäftsführerin der Agentur Fetch Media. „Fast jeder Smartphone-Besitzer hat diese Apps installiert. Nachrichtenapps hingegen sind kein Muss.“ Das spiegelt sich auch in der Nutzung wider: Serviceangebote wie Wetter.com und TV Spielfilm werden stärker per App genutzt. Diese sprechen laut Marco Schierhorn, Head of Mobile bei der Omnicom Media Group Germany, „ein bestimmtes Bedürfnis des Users an, welches er in der jeweiligen Situation befriedigen möchte“. Sie erfüllen „eine bestimmte Anforderung und werden vom User direkt zielgerichtet genutzt“, so Schierhorn. Inhalte von Nachrichten-Sites hingegen würden häufig über Suchmaschinen oder Nachrichtenaggregatoren gefunden, die auf eine mobile Website verlinken. Ein Grund, auf Apps zu verzichten? Nein, sagt Fetch-Geschäftsführerin Ex: „Apps bilden das Eigeninteresse der Verlage ab.“ Hier können Nutzer sich anmelden, Inhalte nach eigenen Interessen zusammenstellen und Push-Meldungen erhalten. „Wer täglich Meldungen von einem Medium auf das Handy geschickt bekommt, wird auch eher an diese Marke denken, wenn er sich sonst über Neuigkeiten informiert“, so Ex. „Aus unserer Sicht lohnt sich die Investition in die Entwicklung nativer Apps, denn wir beobachten eine deutlich höhere Produktbindung bei Apps“, sagt Daniela von Heyl, Gruner + Jahr Digital Business Director News. Laut von Heyl bleiben die Nutzer im Vergleich zur mobilen Website länger, nutzen das Produkt deutlich intensiver, teilen sehr viel häufiger Inhalte und kommen öfter zurück. „In den Apps haben wir es mit den Fans der Marke zu tun, die für uns als Multiplikatoren extrem wertvoll sind, während auf der mobilen Website der Anteil der Gelegenheitsnutzer deutlich höher ist. Unser Ziel ist daher immer, die Nutzer der mobilen Website zu App-Nutzern zu machen.“ Das sieht Stefan Plöchinger, Chefredakteur Süddeutsche.de, ähnlich: „Wer eine App installiert hat, ist ein treuer Nutzer; auf die mobilen Webseiten verschlägt es dagegen eher Gelegenheitsnutzer – wir brauchen beide, um nachhaltig und dauerhaft zu wachsen.“ Ein weiterer Vorteil von Apps liegt seiner Meinung nach in „besseren, glatteren Bedienkonzepten“. In diese ließen sich auch Werbeformen angenehmer integrieren, so Plöchinger, „nicht bloß aus Sicht von Werbekunden, sondern auch aus Sicht von Lesern“. M atthias Streitz, Mitglied der Chefredaktion von Spiegel Online, glaubt ebenfalls, dass Apps für Werbekunden „oft das attraktivere Umfeld“ sind. Bei Spiegel Online kommen rund zwei Drittel der mobilen Nutzer über die Apps (Stand Dezember) – deutlich mehr als bei der Konkurrenz. „Redaktionell schätzen wir die App, weil wir den Nutzern hier weitere Angebote machen können, die auf einer mobilen Website so nicht möglich sind“, sagt Streitz. Dazu gehören etwa Eilmeldungen per Push, Push-Nachrichten aus ausgewählten Ressorts sowie das „Pack & Go“Feature, mit dem Leser Artikel für später abspeichern können. Genau solche Angebote machen Apps für Nutzer attraktiv. „Nachrichtenseiten, die sich nur auf den Content respektive auf News fokussieren, funktionieren genauso gut auch als mobile Website“, sagt Omnicom-Manager Schierhorn. „Zusatzfeatures wie Push Notifications oder auch Geofencing für News mit einem regionalen Bezug können – beziehungsweise sollten eher – als App umgesetzt werden.“ Doch noch sind Apps oft kaum von mobilen Websites zu unterscheiden (von Push-Meldungen mal abgesehen). Eine Personalisierung der Inhalte ist kaum möglich. Das Bedürfnis dafür ist jedoch durchaus da, wie Aggregatoren zeigen, die Inhalte aus verschiedenen Quellen sammeln. Auch Facebook mischt hier mit der App Paper mit und empfiehlt Nachrichten zielgerichtet – individualisiert durch Nutzerdaten (siehe Seite 37). Apps kosten, bringen aber wenig Nutzen Zugriffszahlen ausgewählter mobiler Nachrichtenangebote Unique User in Millionen Apps* Mobile Websites Bild 5,40 0,53 4,27 Spiegel Online 3,29 Die Welt 1,69 k. A. 2,97 Focus 1,05 Süddeutsche.de 2,08 0,26 Stern.de 2,03 0,21 Zeit Online 1,94 FAZ 1,66 N24 1,51 N-TV 1,40 0,08 k, A. 0,36 1,54 Unique User in Millionen für durchschnittlichen Monat von Juli bis September 2014 * alle Betriebssysteme Quelle: AGOF Mobile Facts 2014-III HORIZONT 12/2015 Einige Medienhäuser experimentieren mit neuen App-Varianten. Axel Springer hat Buzz (angelehnt an „Bild“) und Kompakt (angelehnt an „Welt Kompakt“) entwickelt (siehe links), die im Vergleich zu den Apps von „Bild“ und Welt“ nicht kostenpflichtig sind. „Kompakt und Buzz sind ganz unterschiedliche Angebote“, sagt eine Sprecherin von Axel Springer. „Beide sind ein spannendes Versuchsfeld für uns; wir erfahren sehr viel darüber, wie wir durch innovative Nutzerführung sowie neue Zugänge und Präsentation unserer journalistischen Inhalte vor allem jüngere Zielgruppen erreichen können.“ Die Resonanz der Nutzer auf diese neuen Angebote sei „sehr positiv“ und beide Apps seien „im Store sehr gut bewertet“. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. A uch Focus gibt keine Nutzungszahlen für seine App Focus Online Top Nachrichten heraus. Diese ist laut Chefredakteur Daniel Steil „vor allem für Menschen konzipiert, die auf dem Laufenden bleiben wollen, aber nicht immer Zeit oder Lust haben, die wichtigsten News aus einem großen Nachrichtenangebot zu selektieren“. Während Gruner + Jahr ebenfalls über neue App-Angebote nachdenkt, wollen Süddeutsche und Spiegel zunächst ihre existierenden Apps weiter verbessern. Seit 2013 gibt es eine Spiegel-Online-FußballApp, zudem werden im Moment „mehrere Ideen“ geprüft, sagt Streitz. „Wenn wir Marktchancen sehen, werden wir auch weiterhin Stand-alone-App-Projekte starten.“ Der Trend dürfte weiter hin zu personalisierten Inhalten gehen. Profitieren würden davon alle: Die Nutzer bekommen interessante Angebote, die Werbekunden attraktive Anzeigenplätze und die Verlage stärken ihre Marken. HORIZONT 12/2015 REPORT 37 19. März 2015 Ein eigenes Universum Facebook dominiert das mobile Internet. Für Verlage könnte das zum Problem werden abyfotos, Urlaubsvideos, Anekdoten – waren das noch Zeiten, als die Facebook-Timeline das Leben der Freunde widerspiegelte! Heute ist das Netzwerk zum Nachrichtenkanal geworden. Wer es nutzt, soll dort alle Informationen bekommen, egal ob über den Freundeskreis, das neueste Meme oder die politische Weltlage. Wer das Facebook-Universum einmal betritt, soll es nicht mehr verlassen müssen. Das gilt vor allem für das Smartphone: Facebook-Messenger und Whatsapp ersetzen E-Mails und Skype, Fotos teilt man bei Instagram, und für das iPhone gibt es die Facebook-News-App Paper. Dort sehen Nutzer Nachrichten, die von Freunden geteilt werden, sie können einstellen, welche Themen sie interessieren und Artikel teilen. All das, ohne zugreifen, doch ist im Zuge der Digitalisierung das Datensammeln an den Verlagen quasi vorbeigegangen“, so Wörpel. Facebook hingegen besitze Daten über seine Nutzer – „und genau das ist es, was Facebook so wertvoll macht“. Geht es nach Facebook, soll die Zusammenarbeit mit Verlagen ausgebaut werden. Artikel auf Smartphones zu lesen sei vielfach eine „sehr schlechte Erfahrung“, was Schnelligkeit oder Design angehe, so Chris Cox, Chief Product Officer bei Facebook, auf der Code/Media-Konferenz im Februar: „Wir wollen versuchen, das Erlebnis für Publisher zu verbessern.“ Der Deal: Facebook hostet Inhalte, die sonst auf den Medien-Websites veröffentlicht würden. Die Werbeerlöse werden geteilt – Verhältnis unbekannt. Laut Cox ist Facebook bereits mit Publishern im Gespräch, es soll jedoch noch eine Weile dauern, bis solche Partnerschaften Reali- die App zu verlassen, perfekt zugeschnitten auf jeden einzelnen Nutzer. Facebook ist stark wie nie im mobilen Netz: Ende 2014, so die offiziellen Zahlen, hatte Facebook 1,39 Milliarden aktive Nutzer im Monat und 890 Millionen pro Tag. Das Gros greift vom Smartphone aus auf die Seite zu: 745 Millionen mobile Nutzer täglich,1,19 Milliarden monatlich. Auch finanziell ist Facebook zum Mobile-Hit geworden: Im 4. Quartal 2014 lag der Werbeumsatz bei 3,59 Milliarden US-Dollar, 69 Prozent davon kamen über Mobile Advertising. Grund hierfür sind die Daten, die Facebook über seine Nutzer hat. Sie ermöglichen es, personalisierte Inhalte auszuspielen, egal ob Werbung oder Nachrichten. Das Netzwerk lernt mit jedem Klick, jedem Like, jedem gelesenen oder geteilten Artikel. Persönliche Interessen und Nachrichtenkonsum können durch diese Daten auf eine Art verschränkt werden, von der Verlage nur träumen. „Facebook konzentriert sich auf den Nutzer: Das heißt, anhand des Nutzungsverhaltens wird bestimmt, was für den User relevant ist – und hiernach ergeben sich die Inhalte, die ihm angezeigt werden“, erklärt Peer Wörpel, Leiter Beratung Social Media bei Pilot. „Nachrichtenseiten hingegen funktionieren inhaltezentriert: Wer also einen Artikel über Fußball gelesen hat, bekommt keine Artikel zu Themen, die ihn außerdem interessieren, sondern weitere Artikel über Fußball angezeigt. Hier werden einfache Empfehlungen anhand von kontextbasierten Analysen erstellt.“ Das liegt auch daran, dass Medienunternehmen kaum etwas über einzelne Nutzer wissen. Um bei ihnen Nachrichten zu lesen, muss man sich nirgendwo anmelden. „Früher konnten Verlage auf eine Menge Daten über ihre Abonnenten tät werden, und laut Cox sollen die Verlags-Websites in diesem Prozess nicht verschwinden. Wird ein Artikel heute bei Facebook verlinkt, öffnet sich die Seite in der Facebook-App statt im externen Browser – inklusive Anzeigen. Für Daniela von Heyl, Gruner + Jahr Digital Business Director News, ist das von Vorteil: „Wenn unsere Site sich im In-App-Browser öffnet, ist die Hürde, auf den Teaser zu klicken, deutlich geringer, als wenn der Nutzer die App verlassen würde“, sagt sie. Selbst wenn dieser „dann nicht in unserem Angebot bleibt, haben wir dafür mehr Reichweite auf dem Artikel generiert“. Auch Matthias Streitz, Mitglied der Chefredaktion von Spiegel Online, hat keine Probleme mit der aktuellen Lage: „Sofern Unternehmen wie Facebook oder Youtube den etablierten Medienhäusern erlauben, Content auch selbst zu vermarkten, sind diese Anbieter durchaus interessant.“ Pilot-Mann Wörpel rät dennoch zur Vorsicht – und zum Ausbau der eigenen Aktivitäten: „Verlagen ist nicht zu empfehlen, einen Share-Deal mit Facebook einzugehen. Stattdessen sollten sie die Stärken der sozialen Plattform nutzen und stets Traffic auf die eigene Seite leiten“, sagt er. US-Marken wie Buzzfeed und Huffington Post seien darin bereits sehr gut. „Würden Inhalte nur noch bei Facebook veröffentlicht, verliert die Medienmarke an Relevanz und wird austauschbar.“ Verlage sollten laut Wörpel „rechtzeitig in eigene Nutzer-Datenbanken investieren, um gegenüber Facebook und Google unabhängiger zu sein“. Das mag zunächst eine große Investition sein – die sich jedoch auszahlen kann: durch Unabhängigkeit, zufriedene Nutzer und höhere Preise für individualisierte Werbung, direkt auf der Verlagsseite. B Von Sara Weber Anzeige 38 REPORT DIGITALMARKETING HORIZONT 12/2015 19. März 2015 Unterhaltung unterwegs Mobile Content und -Advertising entwickeln sich immer stärker zu eigenständigen Varianten von Digitalmarketing. HORIZONT hat Vermarkter nach den Trends gefragt Stefan Schumacher, Executive Director Digital G+J EMS 1 Generell ist in allen Themenfeldern eine zunehmende Verlagerung ins Digitale zu erkennen, wobei sich bestimmte Bereiche – wie News, Wetter, Reise, Entertainment – besonderer Beliebtheit erfreuen. Schon bald werden erste Marken mehr mobile als stationäre Internetnutzung verzeichnen. Deshalb ist unser Anspruch „Mobile first“: Jeder Euro, den wir in unsere digitalen Produkte investieren, wird daraufhin überprüft, ob er auch mobil funktioniert. Der Fokus liegt neben der konsequenten Digitalisierung des G+J-Zeitschriftenportfolios in Form von Apps, Mobile Websites und E-Mags auch auf der Entwicklung von Mobile-Service- und Entertainment-Angeboten für Tablets und Smartphones. Entscheidend für den Erfolg ist in allen Fällen eine adäquate Aufbereitung für die mobile Nutzung. 2 1 Welche Umfelder werden von den Nutzern zunehmend gefragt und welche inhaltlichen Angebote werden entsprechend von Ihnen derzeit ausgebaut? Neben Standardformaten kommen zunehmend native Werbeformen oder Next Generation Ad Specials zum Einsatz, weil sie mit ihren Mechaniken für hohe Aufmerksamkeit und intensives User-Involvement sorgen. Besonders gefragt sind dabei innovative Technologien, mit denen sich typische Smartphone-Funktionen gezielt für die Interaktion nutzen lassen. Und das Eingehen auf die individuelle Nutzungssituation des Users wird immer wichtiger; genauso wie die Device-unabhängige Cross-Channel-Ausspielung von Werbeformaten zur Abdeckung aller relevanten Touchpoints. Auch global standardisierte und etablierte Mobile-Formate funktionieren sehr gut, wobei diese zunehmend auch programmatisch abgewickelt werden. Oliver Wolde, Senior Vice President Sales & Publisher und Mitglied der Geschäftsführung Interactive Media 1 Bei der Entwicklung von Produkten und Formaten berücksichtigen wir besonders die Stärken von Mobile: Ort und Zeit. Gemeinsam mit unseren Publisher-Partnern optimieren wir kontinuierlich die Mobile-Angebote auf eine noch bessere Mobile-User-Experience. Dabei gehören inhaltliche Angebote zu Fußball, Sport, News, Gesundheit, Entertainment, Wetter und Mobility Services zu den beliebtesten Umfeldern, die zunehmend von den Nutzern über mobile Endgeräte konsumiert werden. Ein Trend, der sich in der spürbar steigenden mobilen Nutzung der von Interactive Media vermarkteten Marken (wie Kicker, T-Online, Netdoktor) und Umfeldern (zum Beispiel Wetter.info, Stau.info oder der Tanken-App) wiederfindet. 2 Wir sehen nicht, dass irgendwelche Werbeformate an Relevanz verlieren, sondern dass die Qualität von Mobile Creatives relevanter wird. Beispiel Mobile Storytelling: Für die Vermarktung von mobilem Content haben großflächige Rich Media Ads stark an Bedeutung gewonnen – vor allem unter Einsatz von Inpage Video. Warum? Weil diese Formate innovativ das kommunikative Potenzial des mobilen Kanals und die Funktionalität von Smartphone und Tablet nutzen. Werbungtreibende und ihre Marken können sich darüber effektiv inszenieren mit dem Ziel, Aufmerksamkeit, Markensympathie und Image zu steigern. Daneben sind bei unseren Werbekunden auch sogenannte Content Feed Ads mit Echtzeit-Targeting auf Kontext oder Events besonders gefragt. Thomas Port, Geschäftsführer Digital Seven-One Media 1 Der Trend geht auch auf den mobilen Screens zu bewegten Bildern. Smartphones und Tablets etablieren sich zunehmend als perfekte Videoplayer für unterwegs oder zu Hause. Dieser Entwicklung kommen wir durch unsere 7TV-App nach, die erstmals das Programm unserer sechs Sender per Mediathek und Livestream in einer Anwendung mobil bündelt. 2,5 Millionen Downloads innerhalb weniger Monate bestätigen uns einmal mehr den Wunsch der User nach unseren EntertainmentInhalten – auch mobil. 2 Die mobilen Devices bieten enorme Möglichkeiten für qualitativ hochwertige und spannend inszenierte Werbung: Schütteln, Drehen, Wischen – gute Mobile-Kampagnen machen Marken interaktiv erlebbar. Gefragt sind daher besonders Instream-Bewegtbildformate, aber auch großflächige Inpage-Werbemittel wie Prestitials und interaktive Elemente. Die Zauberformel aus unserer Sicht lautet hier schlicht: Möglichst großflächig, möglichst bewegt und das möglichst noch bei eingeschaltetem Ton. Aber es gibt noch kreativen Spielraum: Kampagnen, die eigens für die spezifischen Nutzungssituationen kreiert wurden und mit der Vielfalt des mobilen Baukastens interaktive Erlebniswelten schaffen, sind noch immer rar. Es heißt: weiter ausprobieren, neu erfinden und täglich dazulernen! 2 Welche Werbeformate gewinnen bei der Vermarktung von Mobile Content an Bedeutung – und welche verlieren an Relevanz? Linda Mozham, Commercial Director und Mitglied der Geschäftsleitung OMS 1 Ob mobil oder stationär – die User von Nachrichtenangeboten sind unseren Untersuchungen zufolge grundsätzlich an denselben Inhalten interessiert! Das liegt ja auch auf der Hand, schließlich richtet sich die Frage, wer welche Inhalte nutzt, in erster Linie nach dem persönlichen Interesse. Und das ändert sich nicht grundlegend, wenn die Nutzer mobil unterwegs sind. Situationsbedingt gibt es natürlich Inhalte, die je nach genutztem Endgerät eine höhere Aufmerksamkeit genießen. Entscheidend ist aber vor allem die Marke, die die gesuchten Inhalte – von Nachrichten über regionale News bis hin zu Tipps für die Freizeitgestaltung – zur Verfügung stellt, nicht der Kanal, über den diese Inhalte konsumiert werden. 2 HORIZONTREPORT ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Lisa Naumann Für die Werbekunden geht es vor allem darum, die gewünschte Zielgruppe zu erreichen – und das neben Mobile über alle digitalen Kanäle. Die Werbeformate sind genau dann bedeutend, wenn sie auf das jeweilige Ziel einzahlen. Und aus Sicht der Nutzer, für den tatsächlichen Erfolg einer Kampagne ja durchaus wichtig, steht die Usability der mobilen Angebote an erster Stelle: Werbeformate sollten schnell laden, leicht verständlich sein und auf keinen Fall das Nutzervergnügen beeinträchtigen. Florian Resatsch, Geschäftsführer Ströer Mobile Media 1 Das Targeting beziehungsweise Retargeting nach Nutzerverhalten steht bei uns im Fokus, um ein zielgerichtetes und effektives One-to-OneMarketing zu realisieren. Der Mensch ist unterwegs ständig digital erreichbar und offen für ein Markenerlebnis. Wir werden auch zukünftig die hyperlokale Kampagnenaussteuerung weiter ausbauen, die es zum Beispiel ermöglicht, Out-of-Home-Kampagnen auf den mobilen Kanal zu verlängern und User über Public Retargeting gezielt zu aktivieren. 2 Großflächige Formate wie zum Beispiel Interstitials mit gutem Frequency Capping sind weiterhin bei Werbekunden gefragt. Ebenso kreative Formate, die mit den Bordmitteln der Handys spielen, wie zum Beispiel den Sensoren. In den Fokus der Werbungtreibenden rückt zudem immer mehr die Kombination von Zeit und Ort. Die Überall-Verfügbarkeit des Internets gepaart mit der zunehmenden Mobilität eröffnen neue, kreative Kommunikationsmöglichkeiten. In Kombination mit individuellen Präferenzen der Nutzer lässt sich so ein zielgerichtetes und effektives One-to-One-Marketing realisieren. Christian Herp, Geschäftsführer IQ Digital Media Marketing 1 Der Trend zur mobilen Nutzung des Internets, der allgemein zu beobachten ist, zeigt sich auch bei Qualitätsmedien und vor allem im NewsSegment. Wir sehen deshalb ein starkes Ansteigen der digitalen Reichweite. Vor allem getrieben durch Mobile, aber auch durch die weiter wachsende Onlinenutzung nimmt die Reichweite der Newsplattformen zu. Der Einstieg in die mobilen Angebote erfolgt hier meist über die Startseiten der Medien. Die Nutzer möchten ihre Medienmarke unabhängig vom Endgerät nutzen. Außerdem erwarten sie einen echten Mehrwert durch Kommunikationsinhalte, die auf Themen abgestimmt sind, die sie interessieren. Nur dann werden sie auch konsumiert. Um diese Idee skalieren zu können, hat IQ Digital eine Technologie entwickelt, die es uns ermöglicht, automatisiert, portal- und deviceübergreifend kontextsensitiv Teaseranzeigen und Advertorial-Inhalte auszuspielen. Wir können so die Inhalte optimal über mehrere Plattformen, Endgeräte und Themenfelder streuen. 2 Der Trend zu großflächigen Formaten ist auch im Mobile Marketing zu erkennen. Display Advertising hat auch hier seine Existenzberechtigung, gerade wenn es um das Thema Branding geht. Insbesondere kleine Werbeformate wie 4:1 und 6:1 werden in diesem Kontext immer weniger nachgefragt, sondern mittlerweile performanceorientiert eingesetzt. Im Bereich Content Marketing kommt es entscheidend darauf an, dass native Formate eine kontextsensitive Einbindung der von Kunden gewünschten Inhalte auf den mobilen Websites ermöglichen.
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