Volltext - Regionalmuseum Neubrandenburg

Neubrandenburger Zeitung
Donnerstag/Freitag,
2./3. April
2015 (2015-04-02) = Nr. 78, S. 75
Nordkurier / Neubrandenburger
Zeitung
Seite 75
Unglaubliches Bilderrätsel ist gelöst
Von Hartmut Nieswandt
Jahrzehntelang dachte die
Malerstochter, die Bilder
zeigen Lüneburg-Motive.
Nun weiß sie: Es sind die
Neubrandenburger Wiekhäuser. Darum schenkte sie die
1927 gemalten Pastelle und
das Ölbild bei ihrer ersten
Reise an die Tollense der
Viertorestadt.
Vier einzigartige Bilder sind seit
Mittwoch Eigentum der Stadt
Neubrandenburg. Fast genau
so interessant wie die drei
Pastelle und das eine Ölbild
ist die Geschichte, die sich
hinter diesen Kunstwerken
verbirgt. Die konnte Gudrun
Barnbeck erzählen, die jetzt
kurz vor Ostern mit ihrem
Mann Rüdiger Barnbeck extra
aus Lüneburg in die Viertorestadt kam, um das großherzige Geschenk an die Tollense
zu bringen.
Die Bilder zeigen allesamt
Motive von Neubrandenburger Wiekhäusern. Die
Geschichte der Bilder beginnt
damit, dass Gudrun Barnbeck
jahrzehntelang felsenfest davon überzeugt war, dass auf
den Gemälden – sie stammen
aus der Hand ihres Vaters, des
Malers Hugo Friedrich Hartmann – die Bardowicker Mauer von Lüneburg zu sehen ist.
„Weil meine Mutter immer
sagte: ,Das ist Lüneburg‘“,
erzählt die heute 72-Jährige.
NEUBRANDENBURG.
Eines Tages im Jahr 2010 kam
eine wohlhabende Dame zu
ihr, die Lüneburger Bilder des
in der Region bekannten Malers Hartmann kaufen wollte.
Gudrun Barnbeck bot ihr die
„Wiekhaus-Motive“ an. Die
Dame reagierte empört, das
ist niemals Lüneburg, rief sie
und ging, erinnert sich die
Malertochter.
Was aber ist dann darauf
zu sehen? Gudrun Barnbeck
fragte den Lüneburger Stadtarchivar Dr. Edgar Ring. Der
ahnte etwas und sagte: „Ich
fahre sowieso nach Neubrandenburg, ich könnte
mir vorstellen, dass Dr. Voß
das weiß“, antwortete er,
nahm die Mappe und fuhr
nach Mecklenburg. Dort
zeigte er die Bilder Harry Schulz von der Unteren
Denkmalschutzbehörde Neubrandenburg, der die Wiekhäuser natürlich sofort erkannt. Ebenso wie Rolf Voß,
Leiter des Regionalmuseums.
Zwei von den Gemälden
konnte der Museumsverein
damals kaufen. Die übergab
er 2010 dem Museum. „Die
drei Pastelle und das Ölbild
musste ich allerdings zurückbringen, was ich sehr
traurig auch tat. Denn Mittel
für den Ankauf aller Bilder
ließen sich nicht auftreiben“,
erinnert sich der Museumsleiter. Wie dem auch sei,
die beiden gekauften Bilder
gehören längst zum Bestand
des Hauses und jeder Mu-
Schon früh Maler aus Passion
Hugo Friedrich Hartmann
wurde 1870 in Rosenberg
(Westpreußen) geboren,
er wuchs in Berlin auf.
Früh fasste er den
Beschluss, Maler zu
werden. Er studierte an
der Akademie der Künste
in Dresden. Danach zog
er nach Bardowick bei
Lüneburg, wo er bis zu
seinem Tod lebte. Dort
lernte er den Architekten
Wilhelm Matthies kennen, mit dem ihn eine
lebenslange Freundschaft
verband. 1940 heiratete er
Hilde Molsen, 1942 wurde
Tochter Gudrun geboren.
Bekannt ist auch sein
großes Wandbild im
Lüneburger Bahnhof. nie
Das kostbare Geschenk wird von Gudrun Barnbeck übergeben, die mit ihrem Mann Rüdiger Barnbeck (links) dazu aus Lüneburg
nach Neubrandenburg kam. Museumsleiter Rolf Voß ist hocherfreut.
FOTO: HARTMUT NIESWANDT
seumsbesucher kann sie sich
dort ansehen.
Nur selten noch dachte
Rolf Voß an die vier Wiekhausbilder. Da kam plötzlich
eines Tages im vorigen Jahr
Post aus Lüneburg: Gudrun
Barnbeck bot an, diese Bilder
der Viertorestadt zu schenken. „Ich ging im Sinne meines Vaters mit den Bildern
um und beschloss also, dass
sie dort hinkommen, wohin
sie gehören. Hier in Neubrandenburg sind sie am besten
aufgehoben“, erklärt die Stifterin. Dieses Vorhaben fand
am Mittwoch nun seinen
Abschluss mit der Übergabe
der vier Bilder im Regionalmuseum.
Trotz des Sturmtiefs „Niklas“ kamen Gudrun und
Rüdiger Barnbeck am Dienstag mit der Bahn gut in Neu-
brandenburg an. Zum ersten
mal in ihrem Leben übrigens
besuchten sie die Stadt. „Und
endlich habe ich die Wiekhäuser im Original gesehen
– wunderbar“, schildert Gudrun Barnbeck ihren ersten
Eindruck.
Ihr Vater, der Ölbilder malte und Aquarelle, der Graphiken, Holz- und Linolschnitte
schuf, Bücher illustrierte und
große Wandbilder gestaltete,
kam 1927 nach Neubrandenburg, damals war er 56 Jahre
alt. Per Fahrrad und Bahn
fuhr er bedächtig über Land,
malte und zeichnete. Und er
verfasste einen Reisebericht.
So kam er auch in die kleine
Ackerbürgerstadt Neubrandenburg. Warum gerade hierher? „Er sah Berlin zeitlebens
als seine Heimat an, legte das
Berlinern nie ab. Und Neubrandenburg liegt ja ganz in
der Nähe“, vermutet seine
Tochter. Und so entstanden
1927 die „Wiekhaus-Bilder“,
die seit Mittwoch wieder
in ihrer Heimat sind. Museumsbesucher werden sie
sicher demnächst ansehen
können.
Nach der feierlichen Übergabe der Bilder erhielten die
Anzeige
Gäste aus Lüneburg noch
eine Sonderführung durch
das Museum durch Rolf Voß.
Und danach wollten sie auf
jeden Fall noch einmal die
Stadtmauer
entlangwandern, um „ihre“ Wiekhäuser
genauer anzusehen. „Egal,
wie furchtbar das Wetter
auch sein mag“, zeigten sich
die beiden Lüneburger felsenfest entschlossen.
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