PROGRAMM
2015 | 5775/6
Bildungsabteilung
im Zentralrat der Juden in Deutschland
im Zentralrat der Juden in Deutschland
Grundzüge und Aufgaben
Nachdem die europäischen Gesellschaften tiefe politische und kulturelle Transformationen erfahren
haben, besteht zunehmend die Notwendigkeit, ein
neues Selbstverständnis innerhalb der sich verändernden Kulturen zu bilden und ihre Grundlagen
kritisch zu hinterfragen.
Diese Aufgabe will die jüdische Bildungsarbeit im
Blick auf Tradition und Gegenwart des Judentums
in Deutschland wahrnehmen und deren Rolle in
der deutschen, europäischen und transatlantischen Öffentlichkeit analysieren.
Das Judentum ist eine der geistigen Säulen Europas: Als wesentlicher Gegenpart des Christentums
prägte es die kulturelle, politische und ökonomische Geschichte vom Mittelalter bis in die frühe
Neuzeit. Für die Aufklärung war die Beteiligung
von Juden und die Auseinandersetzung mit dem
Judentum von herausragender Bedeutung.
Das jüdische Bildungsverständnis sieht sich besonders dem Postulat einer aktiven Toleranz und eines
gleichberechtigten Miteinanders von Kulturen
verpflichtet. Die Bildungsabteilung will gerade
im Zeitalter der Globalisierung ihren Beitrag dazu
leisten, dass die deutsche Gesellschaft, in der sie
wirkt, kulturelle und religiöse Pluralität akzeptiert.
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Weiterhin sieht die jüdische Bildungsarbeit ihre
Aufgabe – nach dem in der Shoah erfahrenen
Zivilisationsbruch – in der kreativen und kritischen Aneignung des religiösen und kulturellen Erbes des europäischen und besonders des
deutschen Judentums. Sie ist bestrebt, dieses Erbe
in der Zukunftsdebatte sowohl in den Jüdischen
Gemeinden als auch in der deutschen wie der
euro­päischen Gesellschaft einzubringen. Zugleich
möchte sie die Traditionen des in der ehemaligen
Gr undzüg
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Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland
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Bildungsabteilung
Die Bildungsabteilung im Zentralrat wird dieses
Programm in vielfältigen Formaten, wie Seminaren, Podiumsdiskussionen, Buchvorstellungen,
Filmvorführungen sowie Vorträgen umsetzen und
dabei besondere Schwerpunkte setzen. Mit Sitz
in der Hauptstadt Berlin wird sie ihre Programme auch in anderen Städten der Bundesrepublik
anbieten.
Schwerpunkte:
1. Das Judentum – eine lebendige Religion
in Geschichte und Gegenwart
Eine Vielfalt religiöser Strömungen und
Liturgien von der Orthodoxie über das
Reform­judentum bis zu chassidischen Gruppen formen das jüdische Leben weltweit.
Die Bildungsarbeit des Zentralrats wird die
innerjüdische Pluralität zum Thema machen
und eine Plattform anbieten, die sich mit den
Positionen und Traditionen der unterschiedlichen religiösen Strömungen des Judentums
auseinandersetzt.
2. Der jüdisch-jüdische Integrationsprozess
in den deutschen Gemeinden
Die große Herausforderung und die Aufgabe, vor der die jüdische Gemeinschaft in
Deutschland steht, ist die Integration jüdischer Zuwanderer aus Staaten der GUS
sowie das Zusammenwachsen der älteren
Gemeinden mit der künstlerisch und intellektuell anspruchsvollen zweiten Generation
der Immigranten. Es ist diese Generation, die
das Bild des künftigen deutschen Judentums
prägen wird. Diese entstehende Synthese lässt
sich allerdings, ohne die intensive Auseinandersetzung mit der Jahrhunderte alten Geschichte der russischsprachigen Juden, kaum
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Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland
Sowjet­union gewachsenen Judentums, die durch
die Zuwanderung der russischsprachigen Juden in
den Jüdischen Gemeinden zur Geltung kommen,
würdigen und aufnehmen.
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Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland
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verstehen. Der aktive Beitrag der Bildungsabteilung des Zentralrats zur Entwicklung der
jüdischen Gemeinschaft in Deutschland wird
darin bestehen, Vertretern jüdischer Gruppen
unterschiedlicher Herkunft ein Forum der
Auseinandersetzung mit kulturellen, politischen oder religiösen Themen zu bieten.
Die russisch-jüdische Immigration nach
Deutschland ist zugleich Anlass, den besonderen Formen und Leistungen von Migrations- und Diasporakulturen Beachtung zu
schenken.
3. Positionsbestimmung gegenüber Israel
Die Verbindung zu dem Staat Israel ist für
die meisten Juden sowie für die in Deutschland ansässigen jüdischen Institutionen zu
einer Selbstverständlichkeit geworden. Die
Bildungsabteilung pflegt und vertieft die
bestehenden Beziehungen mit israelischen
Partnerorganisationen und trägt zu einer
umfassenden Auseinandersetzung mit den Belangen und Interessen des Staates Israel und
den dort vertretenen politischen Positionen in
Hinblick auf die Befriedung des Nahost-Konflikts bei.
4. Aufklärung über die Shoah
Die Massenvernichtung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland und seine Kollaborateure ist noch nicht
in allen wesentlichen Dimensionen erforscht.
Eine Aufgabe jüdischer Bildungsarbeit ist es,
neue substantielle Ergebnisse historischer
Forschung zur Debatte zu stellen.
Sie wird auch an der für die politische Bildung
Deutschlands entscheidenden Diskussion
teilnehmen, wie die Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen einer
in Deutschland lebenden Jugend vermittelt
werden kann, die in vielen Fällen keine deutschen Vorfahren hat.
Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland
5. Ästhetik, Kunst, Film und Literatur
Die Bandbreite jüdischen kulturellen Schaffens findet ihren Ausdruck in nahezu allen
künstlerischen Bereichen der modernen
Gesellschaft.
Diese tragen dazu bei, einen Einblick in eine
von Juden geführte ästhetische und literarische Auseinandersetzung mit ihrer Lebenswelt in Deutschland, Europa, den USA und
Israel zu gewinnen. Die Bildungsabteilung
im Zentralrat versteht sich auch als Forum
entsprechender künstlerischer Werke aus der
jüdischen Welt.
6. Jüdische Philosophie und Ethik
Die Lehren und Ideen des rabbinischen und
talmudischen Judentums haben einen wesentlichen Beitrag zum modernen jüdischen
Denken und seiner Kultur geleistet. Jüdische
Philosophie und Ethik basieren auf diesem
Denken und prägen die zeitgenössischen
Diskurse und existenziellen Fragestellungen.
Die Bildungsabteilung wird den notwendigen
sinn- und identitätsstiftenden Debatten Raum
geben, um die Grundlagen jüdischen Denkens und Handelns innerhalb der jüdischen
Gemeinschaft zu erweitern.
Schwer pun
k te
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Jahresprogramm 2015 | 5775/6
JAHRESPROGRAMM 2015
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Jüdische Museen treffen auf Jüdische
Gemeinden
18. - 19.01.2015
Jüdische Museen in Deutschland erzählen von
jüdischem Leben in Deutschland und Europa
vor und nach der Shoah. Sie übernehmen somit
eine herausragende Verantwortung für die
Aufklärung der Öffentlichkeit über jüdische Geschichte sowie religiöse und kulturelle Traditionen des Judentums. Bislang war das Verhältnis
von Jüdischen Museen und Jüdischen Gemeinden häufig durch Distanz oder auch Konflikte
gekennzeichnet.
Ziel der Tagung ist es, die Zusammenarbeit
zwischen Jüdischen Museen und Jüdischen
Gemeinden zu vertiefen, um wechselseitige Beratung und Inspiration im Hinblick auf geplante
Projekte zu ermöglichen. Zugleich eröffnet sich
durch eine institutionelle Annäherung die Möglichkeit, Mitglieder Jüdischer Gemeinden stärker
an die Angebote der Jüdischen Museen heranzuführen.
Fachtagung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Jüdischer Gemeinden und Jüdischer Museen, Berlin
Frau und jüdisch
18. - 20.2.2015
Die Rolle der Frau ist im
Judentum zwischen den verschiedenen religiösen Strömungen umstritten. Um ein
erweitertes Verständnis für
diese Thematik zu erhalten,
werden sowohl Grundlagen
eines orthodoxen Verständnisses der Stellung der Frau
im Judentum als auch religiöse Traditionen und deren
Begründungen vorgestellt. In einem weiteren Schritt
werden reformierte religiöse Ansätze im Hinblick auf
die Aufgabe und Wertschätzung der Frau in Familie,
Religion und Gesellschaft diskutiert.
Jahresprogramm 2015 | 5775/6
Zur Rolle und Bedeutung der Frau im Judentum
Tagung, Frankfurt am Main
Kennst
Kennst du
Du den?
den?
Jüdischer
Jüdischer Humor
Humor als
als Zugang
Zugang zur
zur Welt
Welt
neuer Termin und Ort: 2. - 4.12.2015,
22. - 24.4.2015
neuer
Termin und Ort: 2. - 4.12.2015,
Frankfurt am Main
Frankfurt am Main
Der sogenannte jüdische
Humor ist Ausdruck eines
spezifischen Umgangs eines
oft von Verfolgungen und
Überlebensängsten geprägten
Lebens vieler Juden. Biographische Erfahrungen in
der Auseinandersetzung mit
einem oft widerspenstigen
sozialen Umfeld werden im
jüdischen Humor reflektiert.
Ironie, Witz und eine fundierte Kenntnis der Welt
und ihrer Tücken scheinen in dem jüdischen Humor
auf. Wir wollen uns auf der Tagung dieser lebendigen Tradition widmen und sie ebenso wissenschaftlich wie künstlerisch betrachten und erleben.
Tagung, Frankfurt am Main
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Reformator, Ketzer, Judenfeind
Jahresprogramm 2015 | 5775/6
Jüdische Perspektiven auf Martin Luther
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10. - 12.6.2015
In Anbetracht der
derzeitigen Reformationsdekade
finden zahlreiche
Veranstaltungen
zur Würdigung
von Martin Luthers
Wirken und dessen
Einfluss auf theologische Überzeugungen, politische
Denkweisen und
gesellschaftliche Entwicklungen in der
frühen Neuzeit und
der Moderne statt.
Bezüglich der Einschätzung der Denk- und Handlungsmuster Luthers gegenüber den Juden gab
und gibt es sowohl in der Forschungs- als auch in
der Wirkungsgeschichte im deutschen Protestantismus eine Vielzahl von Lesarten. Während die
einen Luther als Kind seiner Zeit vom Vorwurf des
Antisemitismus freisprechen, sehen die anderen
in Luthers judenfeindlichen Schriften eine Vorlage
für die ideologische Verfestigung des modernen
politischen Antisemitismus und verfolgen seine
Unheilsspuren bis in die Gegenwart.
Die Tagung nimmt die jüdische Rezeptionsgeschichte Luthers in den Blick und ergründet die
Motive, die Juden - je nach zeitgeschichtlichem
Kontext - dazu veranlassten, Luthers Person und
Werk unterschiedlich zu bewerten.
Neben der Frage, ob Luthers Antijudaismus als
‚Geburtsfehler‘ des Protestantismus zu betrachten
ist, wird es in den Debatten immer wieder darum
gehen, wie Luthers schillerndes Erbe im Licht
des erneuerten christlich-jüdischen Verhältnisses
einzuordnen ist.
Tagung, Berlin
25 Jahre jüdisch-russischsprachige
Einwanderung
14. - 16.10.2015
Als sich das Gerücht bewahrheitete und zur
Gewissheit wurde, war die Freude grenzenlos:
Juden aus der Sowjetunion erhielten die Erlaubnis auszuwandern – und viele von ihnen entschieden sich, nach Deutschland einzuwandern.
Eine kleine, von Schrumpfung und Überalterung
gekennzeichnete jüdische Gemeinschaft, die die
jüdische Existenz in der Bundesrepublik nach
1945 begründete, erkannte die Chance, sich zu
vergrößern und ihre jüdische
Stimme in Deutschland
wieder lauter werden zu
lassen. Das religiöse und
kulturelle Leben in den
Gemeinden versprach
eine Renaissance zu
erfahren. Juden aus allen
Teilen der ehemaligen Sowjetunion wurden in den
bestehenden Gemeinden
aufgenommen, und neue
Jüdische Gemeinden wurden gegründet.
Was bleibt nach all den Jahren von der damaligen
Aufbruchsstimmung? Wie haben sich die Zuwanderer integriert, wie haben die Alteingesessenen
die ungeahnten Herausforderungen bewältigt?
Welche Krisen und Konflikte haben den Eingliederungsprozess begleitet und welche Auswirkung hat die Einwanderung auf die Struktur der
Gemeinden und deren religiöses und kulturelles
Leben? Welche jüdischen Identitätskonzepte und
Lebensformen setzen sich in der zweiten Generation der Zuwanderer durch?
Diese und weitere Fragen und Erkenntnisse werden auf der Tagung sowohl mit Alteingesessenen
als auch mit Zuwanderern, Wissenschaftlern und
Publizisten thematisiert und reflektiert.
Tagung, Berlin
Jahresprogramm 2015 | 5775/6
Wer integriert hier wen?
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Jahresprogramm 2015 | 5775/6
Bilder und Zerrbilder vom Anderen
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Israel in deutschen Schulbüchern –
Deutschland in israelischen Schulbüchern
4. - 5.11.2015
In der interdisziplinär zusammengesetzten deutschisraelischen Schulbuchkommission, die vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut, dem Auswärtigen
Amt und dem israelischen Erziehungsministerium
koordiniert wird, werden das Deutschland- bzw. das
Israelbild sowie Darstellungen der jüdischen Geschichte und der Shoah in den Schulbüchern beider
Länder untersucht. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass
die Vorgeschichte der Gründung des Staates Israel,
sowie die demokratischen Strukturen der israelischen Gesellschaft und deren bleibende Herausforderung, Millionen von jüdischen Einwanderern zu
integrieren, nur selten thematisiert werden.
Vor diesem Hintergrund haben sich das GeorgEckert-Institut, die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK), die Botschaft des Staates Israel und der
Zentralrat der Juden in Deutschland entschieden,
eine gemeinsame Fachtagung zu den Ergebnissen
der mehrjährigen Arbeit der Schulbuchkommission
durchzuführen. Darüber hinaus wird im Rahmen
dieser Veranstaltung eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer allgemeinbildender Schulen
zur Würdigung der vor fünfzig Jahren aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Diese Handreichung, die die vormalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz und der
israelische Botschafter anlässlich des deutsch-israelischen Jubiläums initiiert haben, soll zu Beginn des Schuljahres 2015/16 in Schulen zum
Einsatz kommen.
Der Zentralrat der Juden begleitet und unterstützt die Vorhaben und Anliegen der
genannten Institutionen und richtet
diese Fachtagung aus, auf dem die
Fachöffentlichkeit informiert wird.
Fachtagung, Berlin
Next step
Fortbildungsprogramm für jüdische
Nachwuchsführungskräfte
Der Zentralrat der Juden in Deutschland führt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Israelitischen
Kultusgemeinden Österreichs und dem Schweizerischen
Israelitischen Gemeindebund ein Fortbildungsprogramm
für jüdische Nachwuchsführungskräfte durch.
Ziel ist es, eine Fortbildungsreihe anzubieten, die jüdische Nachwuchsführungskräfte darauf vorbereitet,
leitende Aufgaben in unterschiedlichen Institutionen
zu übernehmen. Dazu gehören u.a. Handlungskonzepte, Führungs- und Managementkompetenzen
sowie der verantwortliche und strategische Umgang mit Finanzen und Ressourcen. Das gemeinsam
entwickelte Fortbildungsprogramm findet in den
drei europäischen Ländern statt. Je zehn deutsche,
österreichische und schweizerische Teilnehmer und
Teilnehmerinnen absolvieren drei mehrtägige Seminare und eine Abschlussreise nach Israel.
Ausbildungsziele:
• Entwicklung und Vertiefung von Kenntnissen in
Management, Führung und Leadership, bezogen auf
soziale und wirtschaftliche Unternehmen.
• Konfliktmanagement und Mediation
• Rhetorik und Kommunikation
• Moderation und Gesprächsführung
• Projektentwicklung und Problemlösungskompetenz
• Kenntnisse innerjüdischer Diskurse im europäischen
Vergleich
• Möglichkeiten und Grenzen des interreligiösen Dialogs
• Gender- und Generationsfragen in sozialwirtschaftlichen Unternehmen
• Jüdische Migration und Pluralität
Jahresprogramm 2015 | 5775/6
Karriere – Konzepte – Konfliktmanagement
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Seminar 1
Termin: 20. - 23.3.2015 in Zürich
Seminar 3
Termin: 13. - 15.11.2015 in Wien
Studienreise nach Israel
Termin: Sommer 2016
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Seminar 2
Termin: 16. - 19.7.2015 in Berlin
Herausgeber:
Zentralrat der Juden in Deutschland (K.d.ö.R.)
Bildungsabteilung
Dipl. Päd. Sabena Donath
Leiterin der Bildungsabteilung
Prof. Dr. Doron Kiesel
Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung
Postanschrift:
Postfach 04 02 07,
10061 Berlin
E-Mail: [email protected]
Fotos:
willma/photocase (1), Jüdisches Museum Berlin (6),
R. Herlich (7), J. Louis (7), wikimedia (8),
W. Kaminer (9), M. Limberg (10)
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Bildungs
Design:
WARENFORM, Berlin