Mittwoch, 20. Mai 2015 • Nr. 116 Einsatz für das Einwohnerwahlrecht PLATE-FORME MIGRATIONS & INTÉGRATION Ein Ja gegen das Demokratiedefizit Serge Kennerknecht Weniger als drei Wochen vor dem Referendum will die Plattform noch einmal ansetzen, um vor allen Dingen mit rationalen Argumenten gegen eventuelle Ängste anzugehen. Hauptsächlich gilt dieser Ansatz für das Einwohnerwahlrecht sprich das Wahlrecht für Nicht-Luxemburger, wie auf einer gestrigen Pressekonferenz unterstrichen wurde. Zahlreiche Informationsversammlungen hat man bereits ausgerichtet, Artikel verschickt, Flyer verteilt. Diese Kampagne möchte man bis zum Tag vor dem Referendum fortsetzen, wie Laura Zuccoli von Minté erläuterte. Dies sei um so nötiger, da auf den Informationsversammlungen klar geworden sei, dass viele Menschen mit den Begriffen fakultativ oder aktives Wahlrecht so ihre Probleme haben. Sie wüssten nicht, dass wer sich als Nicht-Luxemburger freiwillig für das Wahlrecht entscheidet und sich in die Wahlliste einträgt, dann auch wählen muss, aber nicht gewählt werden kann. Die Gefahr einer Partei mit eigenen Leuten einer bestimmten Nationalität ist also nicht gegeben. Auch bei den Gemeinderatswah- Foto: Didier Sylvestre Rund 20 verschiedene Organisationen und Vereinigung sind in der Plattform „Migrations & Intégration“ (Minté) zusammengeschlossen, um sich für ein Ja bei allen drei Fragen des Referendums vom 7. Juni einzusetzen. ger im Lande zu überzeugen, dass man vor mehr Demokratie keine Angst zu haben braucht, so der bekannte Psychologe Gilbert Pregno, selber ein Bürger mit Migrationshintergrund. Damit steht er nicht alleine. 64,9% aller in Luxemburg lebenden Menschen, also Luxemburger einbezogen, haben einen Migrationshintergrund. Was laut Statec bedeutet, dass sie zwar in Luxemburg geboren wurden, ihre Eltern jedoch im Ausland, oder dass sie wie ihre Eltern im Ausland geboren wurden. Damit haben nur 35,1% hierzulande keinen solchen Hintergrund. Wie ihre Eltern kamen sie in Luxemburg zur Welt. Stehen für das Ja: Laura Zuccoli (Präsidentin ASTI), Serge-Arno Klumper, Romain Roden len ist es noch nie zu einer solchen Situation gekommen. Dabei haben Nicht-Luxemburger, wenn sie sich hierfür auf die Wählerlisten eintragen lassen, dort seit 23 Jahren sowohl das aktive (wählen) als auch das passive (gewählt werden) Wahlrecht. Und sie müssen wählen gehen, wenn sie sich eingetragen haben. Für Ärger sorgte gestern eine Mitteilung einer Initiative, die gegen das Einwohnerwahlrecht ist. Dort hieß es, die Plattform würde mit falschen Zahlen operieren. Dabei berief sich diese Initiative auf die Angaben, die das Luxemburger Statistikamt Statec rezent vorgestellt hat. Statec spreche von 105.000 potenziellen Wählern, während Minté sagen wür- de, es wären höchstens 35.000, so die Kritik der Initiative. „Wir geben keine falschen Zahlen an“, so Zuccoli. Aus der Mitteilung des Statec gehe klar hervor, dass nur 35.000 Nicht-Luxemburger in den Wählerlisten für die Europawahlen und Gemeindewahlen eingetragen waren. Wobei nicht gesagt werde, ob sie auch seit zehn Jahren in Luxemburg wohnen, eine weitere Bedingungen in der Referendumsfrage. Wenn jetzt Statec sagt, es könnten deren 105.000 werden, dann sei dies eine reine Annahme. Dafür müsste man jedoch davon ausgehen, dass sich bei den kommenden Gemeinderatswahlen, die vor den nächsten Parlamentswahlen stattfinden werden, alle seit über zehn Jah- ren in Luxemburg lebende NichtLuxemburger, also 100%, in die Wählerlisten eintragen würden. Eine wenig glaubhafte Projektion des Statec, denn bislang liegt dieser Prozentsatz nur bei 17%. Mit ihrer Kampagne für das Ja zum Einwohnerwahlrecht will Minté gegen das Demokratiedefizit in Luxemburg angehen. Luxemburg hat mit einem Ausländeranteil von 46% eine außergewöhnliche Situation, für die es eine außergewöhnliche Antwort braucht, hieß es gestern im Bonneweger Casino seitens Minté. Um die Kampagne zu unterstützen, haben sich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten bereit erklärt, als Botschafter des Ja zum Einwohnerwahlrecht aufzutreten. Sie sollen helfen, die Bür- Botschafter des Ja Nachstehende Persönlichkeiten setzen sich für das Ja zum Einwohnerwahlrecht ein: Ainhoa Achutegui, Aline Schiltz, Anise Koltz, Carlo Schneider, Danielle Ignitti, Frank Feitler, Germain Wagner, Gilbert Pregno, Henri Losch, Jean-Claude Reding, Jean-Claude Thümmel, Jean Portante, Jo Kox, Marc Wagener, Marianne RodeschHengesch, Michel Pauly, Nicolas Steil, Paul Thiltges, Patrick Dury, Pierre Dillenburg, Serge Tonnar Meinungsbildung anscheinend schon abgeschlossen REFERENDUM Informationsversammlung der „Chamber“ in Diekirch Claude Clemens Am Montagabend fand in Diekirch die dritte vom Parlament organisierte Informationsversammlung statt. Wobei Information nicht mehr unbedingt benötigt wurde: Die Meinungsbildung war anscheinend schon abgeschlossen – diesen Eindruck ließen jedenfalls die Wortmeldungen aus dem Saal aufkommen. Foto: Didier Sylvestre Dieser war gut gefüllt: Die „Al Seeërei“ war für 180 Zuhörer bestuhlt, ca. 170 dürften es schließlich gewesen sein. Auch zahlreiche (Ex-)Politiker wurden gesichtet; die Mehrheit waren aber interessierte Bürger, schätzungsweise zehn Prozent davon Jugendliche. Für die sechs im Parlament vertretenen Parteien legten einleitend Claude Haagen/LSAP, Gilles Baum/DP, Claude Adam/„déi gréng“, Martine Hansen/CSV, Fernand Kartheiser/ADR und Serge Urbany/„déi Lénk“ während je sieben Minuten die hinlänglich bekannten Positionen dar. Anschließend ließ Moderator Maurice Molitor während einer Stunde Wortmeldungen zur Frage „Aktiivt Wahlrecht fir auslännesch Matbierger“ zu sowie während je einer Viertelstunde zu den beiden anderen Fragen. 14 Zuhörer, acht zum „Ausländer-Wahlrecht“, kamen so zu Wort. Direkte Fragen – „Was passiert, wenn?“, „Wie steht Ihre Partei zu ...?“, „Wie gedenkt Ihre Am Rande notiert Die „Al Seeërei“ in Diekirch war gut gefüllt Partei dieses oder jenes mögliche Problem zu lösen?“ – an einen der sechs Abgeordneten gab es sehr wenige. Die Wortmeldungen waren eher Stellungnahmen: Eine schon bestehende Meinung zum Ja oder Nein wurde kundgetan; die Politiker reagierten darauf. Alle Beiträge waren sachlich, lediglich ein Zwischenruf aus dem Saal war zu verzeichnen. Buhrufe oder ähnliches gab es nicht, auch das „Applausometer“ schlug nie signifikant nach oben aus. Auf Politikerseite erntete gefühlt Urbany am meisten Applaus, Kartheiser am meisten Kopfschütteln. Ein wenig Gelächter gab es bei zwei Nein-Stellungnahmen aus dem Saal, während der gefühlte größte Applaus des Abends für eine junge Dame war: Auf „Deuxième“ und gerade 18 geworden, fragte sie, warum um die zwei wichtigsten Fragen des Referendums so viel Angst verbreitet werde: „Wat kann da Schlëmmes geschéien?“ Festhalten kann man aus den Wortmeldungen, dass v.a. Sprache ein Thema zu sein scheint, das viel bewegt. Vom Abgeordneten-Tisch war derweil gleich zweimal die Feststellung zu vernehmen, dass schon zehn Jahre und mehr an einer Verfassungsreform „herumgedoktert“ würde, ohne dass eine Einigung gefunden worden wäre (von der Politik, das wurde nicht explizit gesagt) – und es deshalb höchste Zeit wäre, das Volk zu befragen. Trakte verteilen: Trakte oder Flugblätter zu verteilen, scheint nicht mehr unbedingt in zu sein bei politischen Veranstaltungen. Nach der Versammlung in Diekirch brachte nee2015.lu Flugblätter unter die Leute (der Text beginnt übrigens mit „Opgepasst!“ ...), vor der Versammlung war es die KPL gewesen. Die kommunistische Partei rief auf gelbem Papier zum „Weiß wählen!“ auf, da die eigentlich interessanteste Referendum-Frage eh gestrichen worden sei und weitere, laut KPL viel wichtigere Fragen gar nicht erst gestellt würden. Mehr Info: Folgende InfoVersammlungen des Parlaments finden noch statt: in Mersch (Donnerstag, 19.30, „Mierscher Kulturhaus“) und in Esch (Freitag, 19.30, Auditorium der „Maison du savoir“). Konkurrenz: Neben der „Chamber“-Versammlung fanden am Montag ebenfalls Info-Abende in Schüttringen und Kayl statt sowie eine DP-InfoVersammlung in Luxemburg. clc Persönlich erstellt für: ASTI ASTI LUXEMBOURG SA 10 POLITIK Tageblatt
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