Schreiben an die Bürgerschaftsfraktionen

Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder der Bürgerschaftsfraktionen der Hansestadt Rostock,
als (inzwischen sehr besorgte und nach gestern Abend fassungslose) Bürgerin dieser Stadt,
leidenschaftliche Theatergängerin, Arbeitsrechtlerin und Mitglied des Theaterfördervereins wende ich
mich nach dem desaströsen 31. März 2015 an Sie alle! Das kann und darf es nicht gewesen sein!!! Sie
haben sicher schon den Kommentar von Michael Meyer auf Seite 2 der heutigen OZ (jedes Wort ist
leider zutreffend) und die Artikel auf Seite 1 (mit einem rechtlichen Statement der Unterzeichnerin) und
Seite 10 zur Kenntnis genommen … Der gestrige Beschluss des Hauptausschusses, der nach mir
vorliegenden Informationen nicht von der Mehrheit der Bürgerschaftsmitglieder,nicht von der Mehrheit
der Fraktionsmitgliedern der CDU und ebenfalls nicht von der FDP mitgetragen wurde, darf nicht
bestehen bleiben!!!
Rostock ist das Oberzentrum Mecklenburg-Vorpommerns und hat mehr zu bieten als Hansesail,
Weihnachts- und Ostermarkt, HMT und Universität – und zwar seit dem Dienstantritt von Herrn
Latchinian ein wieder erstarktes Theater, das im wahrsten Sinne des Wortes um sein „Leben“, seine
Existenz spielt, singt und tanzt, dass es eine wahre Freude ist. In der kurzen Zeitspanne seit September
letzten Jahres hat Herr Latchinian mehrere auch überregional beachtete Inszenierungen auf die Bühne
des VTR gebracht (es sei nur auf „Ingrid Babendererde“ und noch am vergangenen Freitag „Der
zerbrochne Krug“ hingewiesen) – teilweise unter widrigsten Umständen – und dank seines
überragenden Engagements die Begeisterung in das Theater zurückgeholt. Die Zuschauerzahlen steigen
kontinuierlich, der Jahresabschluss 2014 des Theaters ist sehr gut ausgefallen, die beiden
Geschäftsführer arbeiten mit- und nicht gegeneinander, das Theater kommt mit den ihm zur Verfügung
gestellten Mitteln aus und, und, und …
Angesichts dieses hoffnungsvollen Neustarts sollten Bürgerschaft und Hauptausschuss nicht
„Totengräber“ für das Theater (gewesen) sein – auch wenn ich durchaus konzediere, dass der Intendant
mit den beanstandeten Äußerungen - wenn sie denn so, wie behauptet, überhaupt gefallen sind –
unklug agiert hat und (im Eifer des Gefechtes und angesichts nicht eingehaltener Zusagen) über das Ziel
hinausgeschossen ist. Aber das soll ja gestern Abend auch schon gar keine Rolle mehr gespielt haben,
sondern die durch keine Tatsachen untersetzte angebliche Aussage, Bürgerschaftsbeschlüsse zur
Spartenreduzierung (die tatsächlich in der gefassten Form nicht realisierbar sein dürften) nicht umsetzen
zu wollen …
Bitte beachten Sie Folgendes:
- Herr Latchinian war/ist der einzige künstlerische Leiter des VTR (es gibt gegenwärtig weder einen
Schauspieldirektor noch einen Generalmusikdirektor) und sollte im Interesse der Hansestadt Rostock
und ihrer Bürger die Chance erhalten, seine so gute und erfolgreiche Arbeit fortzuführen. Anderenfalls
dürfte eine „feindliche Übernahme“ durch das Staatstheater Schwerin nur noch eine Frage der Zeit sein.
Wir Rostocker wollen aber auch in Zukunft und gerade angesichts der gegenwärtig künstlerisch so
wertvollen Arbeit in „unser“ Theater in Rostock gehen können und auf dessen Arbeit stolz sein dürfen!
Wir brauchen Herrn Latchinian!
- Dienst- und arbeitsrechtlich ist die fristlose Kündigung nicht begründbar und damit nicht haltbar. Ein
wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB (unabdingbare Voraussetzung für eine fristlose Kündigung) liegt
nicht vor. Der Intendantenvertrag läuft bis 31.07.2019 und ist ordentlich nicht kündbar. Herr Latchinian
wird sich sicherlich und mit Recht gegen die Kündigung gerichtlich zur Wehr setzen und obsiegen. Die
Folge sind Schadensersatzzahlungen von über 500.000,00 Euro zuzüglich Prozess- und Anwaltskosten in
fünfstelliger Höhe. Zu allem Überfluss würden diese Beträge auch noch vom Theateretat abgezogen
werden. Wollen Sie sehenden Auges dafür verantwortlich sein??? Können Sie das mit Ihrem (gestern
Abend so stark strapazierten) Gewissen vereinbaren??? Angemessen, verhältnismäßig und
gesichtswahrend für alle Seiten wäre höchstens der Ausspruch einer Ermahnung oder allenfalls einer
Abmahnung gewesen – wie dies auch klug, aber vergeblich, vorgeschlagen worden war …
- Rostock als weltoffene Hafen- und Hansestadt kann und muss sich ein Theater und einen streitbaren
Intendanten leisten! Wir Bürger brauchen das Theater! Die HMT braucht das Theater! Die Schulen
brauchen das Theater! Nach gestern Abend und wenn der gefasste Beschluss bestehen bleibt, wird es
aber bald – entgegen den anderslautenden Bekundungen des OB – in dieser Stadt gar kein
wahrnehmbares Theater mehr geben (können) – kein ernstzunehmender und an ernsthafter
künstlerischer Arbeit interessierter Intendant und/oder darstellender Künstler wird sich angesichts des
„Theaters um das Theater“ noch um ein Engagement in Rostock bemühen geschweige denn in unsere
Stadt zu locken sein …
Ich bitte Sie deshalb darum, in Ihrer Eigenschaft als Bürgerschaftsmitglieder alles erdenklich Mögliche zu
tun, um Herrn Latchinian in Rostock am Volkstheater zu halten. Die Bürgerschaft und der
Hauptausschuss unserer schönen Stadt sollten nicht bei einer – anderweitig inszenierten – Intrige
„mitspielen“ und unsere schöne Stadt der Provinzialität anheim geben. Das haben wir alle nicht
verdient.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und mit freundlichen Grüßen
Dr. Geiersberger
Rechtsanwältin
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