Quelle: BMWi/Holger Vonderlind KURZ & KNAPP: FREILEITUNG UND ERDKABEL STROMÜBERTRAGUNG: UNTERIRDISCH ODER MIT FREILEITUNGEN? Strom fließt im Übertragungsnetz fast ausschließlich oberirdisch über Freileitungen. Im Verteilernetz der Städte dagegen werden fast alle Stromleitungen unsichtbar unter der Erde verlegt. In den Diskussionen um den Stromnetzausbau werden Erdkabel von vielen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auch für neue Übertragungsleitungen über Land gefordert. Doch funktionieren solche Erdkabel eigentlich? Was sind die Vorteile gegenüber Freileitungen und welche Nachteile gibt es? Wir stellen Freileitungen und Erdkabel im Detail vor. SPANNUNGSEBENEN UND LEITUNGSTECHNIKEN Freileitungen oder Erdkabel? Bei der Entscheidung, welche Technologie besser geeignet ist, müssen die verschiedenen Spannungsebenen des Stromtransports beachtet werden. Damit der Strom, der bei großen Kraftwerken mit einer Spannung von 380 Kilovolt in das Übertragungsnetz eingespeist wird, beim Verbraucher mit 230 Volt aus der Steckdose kommt, müssen einige technische Vorgaben eingehalten werden. Freileitung über Land Quelle: BMWi/Holger Vonderlind Erdkabel in der Stadt Quelle: Deutsche Umwelthilfe/R. Hänlein Unser Stromnetz besteht aus einem Übertragungsnetz (Höchstspannung), das große Strommengen über weite Strecken transportieren kann, und dem Verteilernetz (Hoch-, Mittel- und Niederspannung), das den Strom in die Regionen und Gemeinden weiterleitet, bis er schließlich zu den Verbrauchern gelangt. festgeschrieben, Solarenergie dass die Stromleitung unter die Erde gelegt werden kann. Dies geschieht vor allem aus Wasserkraft Gründen der höheren Akzeptanz in der Bevölkerung. Aufbau Stromnetz nach Spannungsebenen © DUH speist ein Übertragungsnetz 220 / 380 kV nimmt ab Bioenergie Höchstspannung Windenergie Auf der Höchstspannungsebene (220 oder 380 Kilovolt) wird Strom fast ausschließlich über Freileitungen überFossiles Kraftwerk tragen. Der Einsatz von Erdkabeln ist noch nicht Stand Industrie der Technik und soll hier zunächst in Pilotvorhaben geHaushaltetestet werden. Durch die hohen Spannungen und Ströme Umspannwerk müssen Erdkabel stärkeren Belastungen standhalten als in den darunter liegenden Spannungsebenen. Auch die Verbindungen der maximal einen Kilometer langen Kabelabschnitte sind noch nicht Stand der Technik. – offshore Überregionale Verteilungs netze 60 / 110 kV Regionale Verteilungsnetze 1 – 60 kV Hochspannung Mittelspannung Aufbau Stromnetz nach Spannungsebenen © DUH speist ein Übertragungsnetz 220 / 380 kV Solarenergie Wasserkraft nimmt ab Bioenergie Höchstspannung Windenergie – offshore Fossiles Kraftwerk Industrie Lokale Verteilungsnetze Überregionale Verteilungs < 1 kV netze 60 / 110 kV Niederspannung Hochspannung Haushalte Umspannwerk Gleichstrom und Wechselstrom Der Stromtransport erfolgt in Deutschland fast ausschließlich mit Wechselstrom. Dieser setzte sich in der Vergangenheit durch, da hier ein Wechsel der Spannungsebenen, z. B. von 380 auf 110 Kilovolt, leicht möglich ist. Allerdings sind hier bei sehr langen Verbindungen die Stromverluste höher als beim Gleichstrom. Durch die großen Nord-Süd-Leitungen, die derzeit geplant werden, soll darum Gleichstrom fließen; dafür sind allerdings aufwendige technische Umrichter (Konverter) zusätzlich notwendig. ÜBERTRAGUNGSTECHNIKEN IM VERGLEICH Quelle: Deutsche Umwelthilfe Stand der Technik Regionale Verteilungsnetze Die Freileitungstechnik ist auf hohen SpannungsebeDie Spannung im regionalenMittelspannung Verteilernetz ist mit bis zu 1 – 60 kV nen technisch ausgereifter und kostengünstiger. Große 60 Kilovolt deutlich geringer als im Übertragungsnetz. Strommengen können so leicht über weite Strecken Auf dieser Nieder- und Mittelspannungsebene sind transportiert werden. Luft kühlt und isoliert die LeitunErdkabel Stand der Technik und werden in Deutschland gen. Erdkabel müssen auf sehr kurzem Raum aufwenmeist auch als solche verlegt. Die Kosten für Erdkabel dig isoliert werden. Reparaturen sind bei Freileitungen und Freileitungen sind hier vergleichbar. Auf der HochLokale Verteilungsnetze (bis 110 Kilovolt) Niederspannung schnell und einfach durchzuführen. Nach einem Fehler spannungsebene sind Erdkabel ebenfalls < 1 kV kann die Freileitung durch kurzes Abschalten wieder in Stand der Technik. Leitungen werden bisher allerdings Betrieb gehen. Langzeiterfahrungen bei Höchstspanmeist als Freileitungen errichtet, auch aus finanziellen Abb. 2 Elektromagnetisches Spektrum Verfahren © DUH Gründen. Abhängig von der Situation vor nungserdkabeln müssen noch gesammelt werden, FreiOrt, wie beileitungen sind bis zu 80 Jahre in Betrieb. spielsweise dem Untergrund, können die Kosten für nicht ionisierende Strahlung ionisierende Strahlung zeitiges Verfahren Erdkabel auf dieser Spannungsebene (bis 110 Kilovolt) Raumordnungsverfahren (ROV) Der Stromtransport über weite Strecken mit Erdkabeln höher ausfallen. Solange aber Bau und Betrieb Immissions der deutlich Länder quellen z. B. ist technisch aufwendiger. Anders als Freileitungen braunicht mehr als das 2,75-fache einer Freileitung kosten, hat chen Erdkabel eine robuste Isolierung, die den betrieblider Gesetzgeber im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Planfeststellungsverfahren (PFV) 3 kHz Frequenzbereich um Niederfrequenz (z. B. 50 Hertz) Planfeststellungsbeschluss Blindleistung weistufiges Verfahren © DUH 3 GHz Hochfrequenz (Funkwellen) 3 THz Optische Strahlung Röntgenstrahlung Radioaktivität Bei Stromleitungen geht es nur um niederfrequente Felder; Quelle: DUH (nach Informationszentrum Mobilfunk IZMF) Abb. 2 Elektromagnetisches Spektrum Bei der Übertragung von Wechselstrom ist ein Teil die nicht Blindleistung aus. Bei Erdkabeln istionisierende aus physikaliionisierende Strahlung Strahlung Derzeitiges Verfahren keine festen Fristen 3 MHz der Leistung nicht nutzbar, aber notwendig für die schen Gründen der Bedarf an Blindleistung wesentlich Stromübertragung. Dieser Teil wird alsImmissions Blindleistung quellen z. B. höher als bei Freileitungen. Deshalb sind bei Wech- bezeichnet. Er wird zum Aufbau des magnetischen selstrom-Erdkabeln spätestens ab 25 bis 30 Kilometer Raumordnungsverfahren (ROV) der Länder bereich um gesam-3 kHz Feldes benötigt. Das heißt, es kommt Frequenz nicht die Planfeststellungsverfahren (PFV) Niederfrequenz 3 GHz Kompensationsanlagen 3 THz Länge3 MHz so genannte notwendig, Röntgenstrahlung Hochfrequenz (Funkwellen) Optische Strahlung te eingespeiste Energie am Ende auch beim VerbrauBei Radioaktivität (z. B. 50 Hertz) die die notwendige Blindleistung bereitstellen. Stromleitungen gehtfällt es nur um niederfrequenteGleichstromkabeln Felder; Quelle: DUH (nach Informationszentrum Mobilfunk IZMF) notwendig. cher an. Je länger die Leitung ist, umBeiso größer ist das nicht Planfeststellungsbeschluss chen Belastungen, wie zum Beispiel starker Erwärmung, standhält. Die Wärmeableitung über die Isolierung und den Boden ist beschränkender Faktor für die Auslegung. Freileitung 380 kV – Höchstspannung (Wechselstrom) 30 m Der Bau von Freileitungen auf der Höchstspannungs ebene ist kostengünstiger als das Verlegen eines Erd- Pilotstrecke zur Erdverkabelung in Raesfeld Erdkabel 380 kV – Höchstspannung (Wechselstrom) maßstabgetreu im Vergleich zur Freileitung Vergrößerung 1:5 im Vergleich zur Freileitung 14 m 1 Kosten und Lebensdauer Es besteht kein Zweifel daran, dass der Bau von Erdkabeln teurer und auch die Lebensdauer von Erdkabeln geringer als bei Freileitungen ist. Da bisher weder in Deutschland noch international genügend Erfahrungen mit Erdkabeln vorliegen, sind die Mehrkosten von unterirdisch verlegten Leitungen schwer abzuschätzen. Wie viel genau Erdkabel teurer sind als Freileitungen, kann nicht pauschal gesagt werden. Die Angaben schwanken von vier- bis achtfachen Kosten für Erdkabel. Dies ist stark von den örtlichen Gegebenheiten abhängig: In einem felsigen Gelände und bei größerem Gefälle ist der Aufwand erheblich höher als in einer ebenen Marschlandschaft oder im sandigen Gebiet. Selbst wenn die Betriebskosten von Erdkabeln eher gün stiger sind als bei Freileitungen, gleicht das die Mehrkosten für den Bau bei Weitem nicht aus. Schutzstreifen 60 – 75 m 1,75 Insbesondere die Kombination von Erdkabeln und Freileitungen im Stromnetz führt zu einer höheren Komplexität. Denn zwischen Kabeln und Freileitungen müssen Kabelübergangsanlagen errichtet werden. Insgesamt erhöht das die Anfälligkeit für Fehler und schränkt die Sicherheit des Systems ein. 50 m Verhalten im Netz Das Höchstspannungsnetz in Deutschland ist ein an vielen Punkten untereinander verbundenes System. Das nennt man vermaschtes Netz. Da es bisher im vermaschten Höchstspannungsnetz keine längeren unterirdischen Leitungen gibt, kann über ihr langfristiges Verhalten im Stromnetz, zum Beispiel bezüglich des elektrotechnischen Verhaltens, der Ausfallhäufigkeit und der Reparatur dauer, noch nichts gesagt werden. Hier müssen die Ergebnisse der Pilotvorhaben abgewartet werden. 12 m © DUH Quelle: Deutsche Umwelthilfe kabels. Dennoch sind auch die Stromverluste bei der Übertragung zu berücksichtigen. So haben Freileitungen in der Regel höhere Stromverluste als Erdkabel. Ausnahmen sind die neu entwickelten, besonders dicken Leiterseile, die beim Bau neuer Höchstspannungsfreileitungen eingesetzt werden können. Sie verursachen geringere Verluste als Erdkabel, sind allerdings anfällig für Witterungseinflüsse wie beispielsweise Blitzschlag. Quelle: Amprion Gesetzliche Neuregelungen zu Erdverkabelungen Im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) wurden 2009 vier Pilotstrecken festgelegt, auf denen auf Teilstrecken Erdkabel verlegt werden können. Im Rahmen der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2014 wurde die Erdkabeltechnologie für alle Höchstspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen vom Gesetzgeber zugelassen. Ein aktueller Gesetzentwurf sieht zudem weitere Erleichterungen für mögliche Erdverkabelungen vor. Pilotstrecken für Erdkabel Solange es in Deutschland keine Erfahrungen mit Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene gibt, ist ein verbreiteter Einsatz nicht ratsam. Erst gilt es zu klären, wie sich Erdkabel auf unser Stromnetz auswirken. Die vorgenannten Pilotprojekte dienen dazu, Erfahrungen mit der neuen Technologie zu sammeln. Eines der Pilotprojekte liegt bei Raesfeld in Nordrhein-Westfalen. Dort wurde auf 3,5 Kilometer erstmals eine erdverlegte Stromleitung errichtet. Bisher ist die Strecke nicht an das Stromnetz angeschlossen, aber schon jetzt ist klar, dass in der Bauphase eine sehr große Fläche in Anspruch genommen werden muss und die Übergabestationen vom Erdkabel zur anschließenden Freileitung stark ins Landschaftsbild eingreifen. Die tatsächlichen Errichtungskosten sind um das sechsfache höher als bei einer Freileitung. Natur und Umwelt Ob Freileitung oder unterirdisches Kabel – Auswirkungen von Stromleitungen auf Mensch und Natur bleiben nie aus. Freileitungen stören das Landschaftsbild und beinhalten ein Risiko vor allem für Vögel. Die Gefährdung kann durch Markierungen an den zuoberst laufenden Erdungsseilen deutlich reduziert werden. Von unterirdischen Leitungen ist die Tierwelt kaum betroffen. Bei der Verlegung von Erdkabeln werden dagegen große Flächen umgegraben und Böden und Wasserhaushalt beeinträchtigt. Ob und wie sich Erdkabel auf Pflanzen und Boden auswirken, ist jedoch noch kaum erforscht. Bekannt ist, dass Erdkabel Wärme an den Boden abgeben. Noch ist aber unklar, ob und wie stark sich dies auf die umgebende Natur auswirkt. Eventuell kann die Wärmentwicklung von Erdkabeln in feuchteren Gebieten zu erhöhter Verdunstung und Austrocknung führen. Je nach Region gilt es, die Folgen abzuwägen und die bestmögliche Variante des Stromnetzausbaus für Mensch und Natur umzusetzen. Denn dass wir ein klimafreundliches, sicheres Energiesystem brauchen, ist weitgehend unumstritten. Weiterführende Informationen im Netz Netzbetreiber Bundesnetzagentur www.netzausbau.de Agentur für Erneuerbare Energien www.unendlich-viel-energie.de Bundesamt für Naturschutz www.bfn.de Deutsche Koordinierungsstelle des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change): www.de-ipcc.de Forschungsprojekt Smart Grids – eTelligence: www.etelligence.de Aktuelle Versionen der Gesetze sind unter www.gesetze-im-internet.de verfügbar. Gesetzeskarte für das Energieversorgungssystem www.bmwi.de > Energie > Energiewende > Gesetzeskarte Bundesministerium für Wirtschaft und Energie www.bmwi.de TransnetBW GmbH www.transnetbw.de/de 50 Hertz Transmission GmbH www.50hertz.com TenneT TSO GmbH www.tennet.eu Amprion GmbH www.amprion.net Kontakt Bürgerdialog Stromnetz GbR Schlesische Straße 26 · 10997 Berlin E-Mail: [email protected] Telefon: 030 609 871 670 www.buergerdialog-stromnetz.de V.i.S.d.P.: Dr. Peter Ahmels
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