Zum Protokoll - Arbeitskreis Wissenschaftliche Sammlungen Schweiz

Symposium Polytechnische Lehre & Wissenschaftliches Sammeln
4. Treffen des Arbeitskreises Wissenschaftliche Sammlungen Schweiz
Ort: TH Zürich, Hönggerberg, Gebäude HIT
Werner Siemens-Auditorium
Wolfgang-Pauli-Strasse 27, 8093 Zürich
Um 14h eröffnete Prof. Dr. Uta Hassler das Symposium und begrüsste die
Teilnehmenden. Sie wies darauf hin, dass Sammeln und Sammlungen stets integrale
Bestandteile der polytechnischen Wissenschaftstradition waren. Dies zeige sich
besonders deutlich in der Geschichte der ETH und den zahlreichen aus ihr
hervorgegangen und zum Teil noch heute vorhandenen Sammlungen und Archiven.
Sie verwies auch auf die im letzten Jahr erschienene Publikation, in der das IDB das
wissenschaftliche Sammeln aus einer wissenschaftshistorischen Perspektive
ausführlich behandelt hatte, vgl. Uta Hassler, Torsten Meyer (Hrsg.): Kategorien des
Wissens. Die Sammlung als epistemisches Objekt.
Den ersten Vortrag hielt Dr. Stefan Wiederkehr. Er stellte die Sammlungen und
Archive der ETH-Zürich vor und präsentierte bereits getroffene wie geplante
Massnahmen zu deren Erschliessung und Sicherung. Im Zentrum standen die
zwischen 2011 und 2015 durchgeführte Statusbestimmung und die daraus
entstandene Strategie 2015 bis 2020.
Die Statusbestimmung ist online abrufbar unter:
https://www.ethz.ch/de/campus/bibliotheken-sammlungen-archive/sammlungen-undarchive.html.
Dort findet sich auch die Strategie Sammlungen und Archive 2015 bis 2020 unter:
https://www.ethz.ch/content/dam/ethz/main/campus/bibliotheken/SammlungenArchive_Strategie_2015-2020.pdf
Eine wichtige Bemerkung betraf die zunehmend feststellbare Konvergenz von
Bibliothek, Archiv und Museum, durch welche die Institutionen, die sich im Laufe des
19. und 20. Jahrhunderts ausdifferenziert haben, sich besonders durch die
Einführung der neuen digitalen Erschliessungs- und Präsentationsformen wieder
annähern. Bei der anschliessenden Diskussion stand die Frage nach dem Verhältnis
zwischen der Kopie (Digitalisat) und Original im Zentrum.
Als nächstes präsentierte Dipl.-Ing. Christine Wilkening-Aumann die Geschichte
der Gipsabgüsse der Bauschule des Eidgenössischen Polytechnikums. Sie machte
am konkreten Beispiel dieser Sammlung auf das „Prekariat“ von wissenschaftlichen
Sammlungen aufmerksam, welches durch die Verschiebung von
Forschungsinteressen entsteht. Gleichzeitig konnte sie die essentielle Bedeutung
hervorheben, die Sammlungen materieller Objekte in der polytechnischen und
wissenschaftlichen Lehre und Forschung besitzen oder zumindest besessen haben.
Den letzten Vortrag hielt Prof. Dr. Gerd Folkers zur fiktiven Akademie von Lagado,
die Jonathan Swift in Gullivers Reisen beschrieb. Die eifrigen aber realitätsfernen
Wissenschaftler in Lagado reagieren auf die Erwartungshaltung ihrer Regierung auf
permanente wissenschaftliche Innovation mit der Erfindung einer Maschine, bei der
aus kleinen Holzwürfeln jedes potentiell mögliche literarische Werk geschrieben
werden könnte. Die satirische Darstellung enthielt dabei einige Referenzpunkte für
die aktuelle wissenschaftliche Forschung, was Folkers am Beispiel der
kombinatorischen Chemie und Molekülsynthese ausführte. In dieser ist es aufgrund
fehlender Ressourcen nicht möglich, jedes potentiell herstellbare Molekül auch zu
testen, sowie es mit der Maschine in Lagado nicht möglich sein kann, jede Form von
Text herzustellen. Was Sammlungen oder das Sammeln betrifft, so sei es ebenfalls
nicht möglich „alles“ potentiell mögliche zu sammeln, weshalb Folkers auf ostasiatische Sammlungspraktiken verwies, in denen eine Sammlung bereits vor ihrer
Anlage auf eine bestimmte Zahl von Gegenständen begrenzt wird. Jede
Veränderung von Objekten in der Sammlung bedarf hierbei einer strengen Auswahl
und Begründung, weshalb dieses und kein anderes in die Sammlung integriert wurde,
um nicht die immanente Logik der Sammlung zu zerstören.
4. Treffen des Arbeitskreises Wissenschaftliche Sammlungen Schweiz
Nach einer kurzen Pause versammelten sich um 16:10h rund 30 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer zum Treffen des Arbeitskreises WSS. Zuerst wurden die Aktivitäten
im Zusammenhang mit Sammlungen an den Universitäten Basel, Bern, Genf und
Zürich von den jeweiligen Vertretern kurz zusammengefasst.
An der Universität Basel wird noch auf die Eingabe des Berichts zuhanden des
Rektorats gewartet, dies soll in der folgenden Woche geschehen. Mit einer
Entscheidung und Reaktion darf allerdings aufgrund des Wechsels des Rektors erst
in der zweiten Hälfte des Jahres gerechnet werden. Die Situationen in Bern und Genf
sind ähnlich. Abgesehen von der Universität Zürich und der ETH sind die
Verantwortungen über die Sammlungen damit nach wie vor informell geregelt.
Es folgte die Diskussion über eine zu verfolgende Strategie, um wissenschaftlichen
Sammlungen vermehrt zu einer öffentliche Wahrnehmung und Relevanz zu verhelfen.
Dabei zeichneten sich zwei potentielle Strategien ab, die parallel zu verfolgen sind.
Gegenüber den Hochschulen und Universitäten, wie auch gegenüber der
wissenschaftlichen Forschung im Allgemeinen, muss auf die Bedeutung von
Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen hingewiesen werden. Gegenüber der
Öffentlichkeit, wobei hier direkt politische Entscheidungsträger gemeint sind, könnte
es sich als sinnvoll erweisen, verstärkt die Bedeutung von Sammlungen an
Hochschulen als Kulturgüter zu betonen.
Zahlreiche Sammlungen sind bereits auf der Inventar schützenswerter Kulturgüter
von nationaler Bedeutung in der Schweiz eingetragen (vgl URL:
http://www.bevoelkerungsschutz.admin.ch/internet/bs/de/home/themen/kgs/kgs_inve
ntar.html), doch existierten keinerlei Mittel oder Ressourcen, durch welche deren
aktiver Schutz ermöglicht werden könnte. In diesem Zusammenhang wurde auch
vorgeschlagen, die Thematik der wissenschaftlichen Sammlungen unter dem
Arbeitstitel Kulturgüterschutz in Forschung und Lehre weiter zu behandeln, da hier
die juristischen Rahmenbedingungen mit dem neuen KGS-Gesetz vorhanden sind.
Es wurde darauf hingewiesen, dass man immer wieder von geplanten Programmen
zur Förderung von wissenschaftlichen Sammlungen hört, so zum Beispiel bei der
SAGW oder der CRUS. Es wird beschlossen, dass hier alle Mitglieder des
Arbeitskreises aufmerksam sind und ggf. über entsprechende Programme oder
Massnahmen informieren.
Ein zentraler Beschluss des Treffens war einen direkten politischen Vorstoss zu
wagen. Dies soll durch eine Kommission der offiziellen oder inoffiziellen
Sammlungsverantwortlichen der Universitäten eingeleitet werden. Zur Kommission
gehören:
Felix Althaus, Universität Zürich
Stefan Wiederkehr, ETH-Zürich
Hubert Steinke, Universität Bern
Patrizia Bircher, Universität Genf
Flavio Häner, Universität Basel
Vincent Barras, Universität Lausanne wird eingeladen
Die Kommission wird sich am 15. Juni in Bern treffen. Bis dahin erarbeiten die
einzelnen Mitglieder Vorschläge für eine Liste von Parlamentariern, die für die
Anliegen der wissenschaftlichen Sammlungen an Schweizer Hochschulen gewonnen
werden könnten. Ziel des Treffens ist die Ausformulierung eines konkreten Plans und
einer möglichen Fragestellung für eine parlamentarische Interpellation.
Um 17:00h schliesst das Treffen.
Für das Protokoll (11.05.2015)
Flavio Häner