Vorurteile im Check: Die Eigenheiten der Iren

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Vorurteile im Check
Die Eigenheiten der Iren
Irland und seinen Einwohnern wird die ein oder andere kleine Eigenheit nachgesagt
– doch was ist dran am Klischee?
Irland hat gerade einmal 65 Einwohner pro Quadratkilometer. Wenn man zusätzlich
bedenkt, wie wenig Fläche die Insel hat, sind die Iren ein vergleichsweise kleines Volk.
Spätestens aber am 17. März, dem St. Patricks Day gibt es auf der ganzen Welt Feste zu
Ehren des irischen Nationalpatron. Und auch die USA sind stolz, dass bislang jeder ihrer
Präsidenten irische Wurzeln hatte – so weit entfernt sie auch liegen mögen. Auch wenn
sich der ein oder andere Ire über diese „falschen Iren“, deren Hausmeister vielleicht mal
einen Schwager aus Irland hatte, ärgern, fühlt es sich doch bestimmt auch gut an,
mindestens einmal im Jahr von aller Welt geliebt und gefeiert zu werden.
Ein kleiner Einblick, was die Insel und ihre Einwohner so besonders macht.
Wer an Irland denkt – denkt an die idyllische Pseudowelt aus der Butterwerbung: Eine
grüne Insel in mitten von aufgewühlter See, nur bevölkert von gefühlt 10.000 Schafen
und einem schrulligen Bauern, der seinem breit grinsenden rothaarigen Enkel eine dicke
Stulle schmiert. Soweit das Klischee. Doch wie nah ist dieses Bild an der Realität?
Willkommen auf der grünen Insel
Beim Blick nach Norden: Grün. Beim Blick nach Osten: mehr Grün. Beim Blick nach
Süden: immer noch Grün. Und auch im Westen nichts Neues... Willkommen in Irland –
der grünen Insel. Doch ist die Farbe hier wirklich satter als anderswo? Mal abgesehen
davon, dass es auf der Insel sehr viele Wiesen gibt, auf denen kein Ackerbau betrieben
wird, sondern nur Vieh weidet, gibt es einen anderen Grund für die Leuchtkraft des
Grases. Das milde irische Klima ist stark vom Golfstrom beeinflusst und kommt ohne
richtigen Jahreszeitenwechsel aus: Die Wiesen blühen zwölf Monate im Jahr. Grün eben.
Why does it always rain on me?
Ein irisches Sprichwort besagt: „Déanfaidh sé báisteach throm má thagann leipreachán
an chlaíisteach sa chistin.“ Das bedeutet so viel wie „Wenn der Kobold des Grabens in die
Küche kommt, durchweicht Regen das Land.“ Der „Kobold des Grabens“ ist dabei eine
wunderbare Umschreibung für: Frosch. Wie viele Frösche so durchschnittlich in einer
irischen Küche sitzen, ist allerdings nicht überliefert. Gefühlt müssen es schon einige
sein – denn selbst der Sommermonat August kommt auf 24 Regentage. Allerdings
schüttet es nicht ununterbrochen: Zwischen den Schauern scheint oft stundenlang die
Sonne von einem schon fast ironisch strahlend blauem Himmel. Manchmal kann sich das
Wetter auch gar nicht für ein Extrem entscheiden und es entstehen die berühmten
irischen Regenbögen. Und an deren Ende verstecken die Kobolde ja wiederum
bekanntlich ihren Goldtopf.
God save Ireland!
Im südenglischen Küstenort Bournemouth ist zwischen dem Altar und der Orgel einer
alten Kirche ein ganzer Nachtclub einquartiert. In Irland wäre so ein Frevel undenkbar!
Immerhin gilt die Insel, im Gegensatz zu ihren Nachbarn, als letzte westeuropäische
Instanz des katholischen Glaubens – mal abgesehen vom Vatikan selbst vielleicht. Oder
etwa nicht? Die beiden Autoren von „Stuff Irish people love“ Colin Murphy und Donald
O´Dea müssen dieses Bild korrigieren: Zwar finde man, vor allem in Haushalten von
älteren Menschen, Abbildungen des „gesegneten Herzens“ oder Marienstatuen, die in
ihrer Größe zwischen 15 Zentimetern und 1,8 Meter variieren. Allerdings ist Irland in
den letzten Jahren „zu einem weniger katholischen Land, als einem nichtpraktizierenden katholischen Land, einem agnostischen Land, einem atheistischen Land
oder einem Ich-weiß-nicht-und-gebe-auch-einen-Sch***-darauf-Land, geworden.“ Eine
nicht ganz so neue Entwicklung, die sich spätestens bei dem positiven Votum gegenüber
der Homo-Ehe im Mai 2015 gezeigt hat.
Eine Insel voll rothaariger Kinder
Leidet unter der langsam schwindenden Gottesfurcht auch der berühmte
Kinderreichtum der Iren? Während eine deutsche Frau im Durchschnitt etwa 1,38
Kinder bekommt, gebärt eine Irin 2,01 Kinder. Was die Geburtenrate anbelangt, ist das
Platz zwei in Europa. Allerdings kommt diese Zahl längst nicht mehr an den
Durchschnitt von bis zu 12 Kindern aus der Vergangenheit Irlands hin.
Von diesen 2,01 Kindern haben obendrein die wenigsten
rotes Haar. Bei einem Blick auf die Verteilungstabelle der
Haarfarben fällt eines sofort auf: Nicht die Iren, sondern
ihre Nachbarn aus Schottland haben mit etwa 14 Prozent
der Bevölkerung die meisten „Gingers“. In Irland dagegen
trägt gerade einmal jeder Zehnte eine natürlich rote
Pracht auf dem Kopf. Das ist zwar deutlich mehr als die
zwei Prozent der Deutschen mit dieser Haarfarbe, das Bild
einer ganzen Insel voller Rotschöpfe entspringt aber eher
der Werbung als der Realität.
Kulinarik
In einem Glas Cola versenkte Vanilleeiscreme, hartgekochte Eier in Butter, oder
Toastbrot, dass nur mit purem Zucker oder zerbröselten Chips belegt wird – so manche
irische Kreation ist etwas ungewöhnlich für den Gaumen eines Festlandeuropäers.
Das typische „Sodabread“ unterscheidet sich stark von deutschem Vollkornbrot. Es ist
trocken und bröselig in der Konsistenz. Das ist vielleicht ein Grund für die Berühmtheit
der irischen Butter: Bei diesem Brot braucht man sie. Auf der anderen Seite hat die Insel
klassische Gerichte wie Irish Stew, Fish and Chips und Chowder (eine dicke FischGemüsesuppe) zu bieten. Irische Gerichte sind eben nur ein bisschen anders.
Besonders stolz ist man in Irland auf den traditionellen Alkohol – ob es der legale
Whiskey, der illegal gebrannte Pushin oder das Stout ist. Gerade wenn es um das
Guinness geht, hört man immer wieder von Iren, dass es im Ausland einfach nicht so gut
schmecke wie in der Heimat. Immerhin sei es ja nicht aus dem guten irischen Wasser
gebraut. Allerdings folgt die Brauerei Guinness, laut eigener Angabe, international
denselben Qualitätsstandards. Wahrscheinlich liegt der signifikante Unterschied viel
eher darin, dass es nicht nach zu Hause schmeckt, da man gerade nicht zu Hause ist –
oder weil der Wirt einfach nicht weiß, wie man ein Stout richtig ausschenkt.
Der irische Humor
Irische Witze lassen sich durchaus als etwas anzüglich
beschreiben. Das kombiniert mit eher unfeinen Ausdrücken
ergibt eine sehr irische Marotte: das Umbenennen von
Sehenswürdigkeiten. Besonders in der Hauptstadt Dublin
seien viele öffentliche Statuen von diesem Brauch betroffen,
schreiben die Autoren von „Stuff Irish people love“. So werde
die berühmte Statue der Molly Malone auch wahlweise als
„the dolly with the trolley“ (das Püppchen mit dem
Wägelchen) „the tart with the cart“ “(die Schl**** mit dem
Karren) bezeichnet. Auch modernere Figuren werden nicht
von diesen beleidigenden Bezeichnungen ausgelassen: Zwei
ältere metallene Damen, die für die Ewigkeit auf einer Bank
platzgenommen haben, um sich von einem Shoppingtrip zu
erholen, sind auch bekannt als „The hags with the bags“ (die
alten Hexen mit den Tüten).