BZ Thomas Ritz

KULTUR 31
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
DIENSTAG, 21. APRIL 2015
Bald 90-jährig, und noch kein bisschen müde: Sängerin Othella Dallas sprühte vor Vitalität. Rechts Saxofonist Sam Burckhardt.
URS SCHMID
Ein Festival im Zeichen der Nostalgie
Bluesfestival An der 16. Auflage folgte eine Legende nach der anderen – und sie alle überzeugten
VON TUMASCH CLALÜNA
Das Volkshaus Basel stand letzte Woche
wieder einmal im Zeichen des Blues.
Beginnend mit der Promo-Night am
Dienstag und der Verleihung des Swiss
Blues Award tags darauf an Martin
Bründler, Leiter des Schwester-Festivals in Luzern.
Der Donnerstagabend dann glänzte
unter der Sonne Louisianas. Cajun und
Zydeco, zwei Schattierungen einer ursprünglich von französischen Flüchtlingen gepflegten Musik, die sich schnell
mit Blues-Einflüssen vermischte.
Halsbrecherische Manöver
Dank der Unterstützung einer typischen scharfen Sauce jener Gefilde
konnte ein Grossmeister das Cajun, Joe
Douglas, sieben Konzerte in der
Schweiz und Frankreich bestreiten, das
letzte im Volkshaus. Die Band dazu hatte Bassist und Ex-Telebasel-Chefredaktor Willy Surbeck zusammengestellt.
Natürlich konnte man nicht erwarten,
eine perfekt eingespielte Band zu erleben, dazu war die Zeit zu kurz. Aber
die halsbrecherischen Manöver, welche
die Band vollführte, um Douglas’ Tempoverschärfungen mitzugehen, waren
dann geradezu elektrisierend. Von einer «Metzgete» sprach Gitarrist Felix
Hohl. Die mundete allerdings vorzüglich, und es war erstaunlich zu merken,
wie Erinnerungen an französische
Chansons und Vorbilder für bekannte
Rocksongs in dieser rauen Musik aufschienen.
Die Unwägbarkeit des Unterfangens
war für die Veranstalter der Grund gewesen, die Reihenfolge der Bands zu
tauschen und Zydeco Annie and the
Swamp Cats als Zweite spielen zu las-
sen. Das Problem ist nur: Wenn man
nach einer Legende auftritt, hat man eigentlich schon verloren.
Die Deutschen spielten viel sauberer
und bemühten sich redlich, das Publikum anzuheizen, gegenüber der Lässigkeit des Amerikaners hatten sie aber
keine Chance, ja ihre Attitüde ging geradezu auf die Nerven.
zu spüren, als der Saal wiederholt in tosenden Applaus ausbrach; aus Bewunderung, nicht bloss aus Sympathie.
Dauergast Sam Burckhardt
Danach folgte der Sänger und Mundharmonika-Spieler Jim Liban, mit Sam
Burckhardt und dem Joel Paterson
Trio. Eigentlich müsste Burckhardt hier
zuerst genannt werden, denn der in
Chicago lebende Basler Saxofonist ist
Dauergast am Festival und bringt immer wieder hervorragende Musiker
nach Basel. War Dallas davor ganz auf
den grossen Saal ausgerichtet, begannen Burckhardt und das Trio erst verhalten, als wären sie in einem kleinen
barocken Szenerie. Und wie die Interpunktion einer musikalischen Komposition weben sich dazwischen die unterschiedlichen Linien, Klammern,
Schlüssel und Punkte der Fangnetze.
Es sind wunderbar poetische Bilder einer bedrohten Idylle, eine betörende
Reminiszenz an eine Träumerei des alten Europas.
Unterschiede sind überraschend. Spielerisch auf Tuch, streng auf Holz. Konzentriert ist es immer, doch je härter
das Material, desto unfreier die Linien.
Die aufgetragenen Farben vermischen
sich und gleichzeitig werden Untergründe freigelegt, so als sähe man ins
Innere von Achaten. Kreisrunde und
vertikale Linien dominieren, Untergründe sind oft einfarbig. Viel ist es,
doch noch ein weiter Weg zur Absolutheit der Malerei. Sich langsam an die
Evidenz heranzutasten, war schon immer eine Stärke der Künstlerin.
Eine ähnliche Gefahr bestand am
Samstag, als die die fast 90-jährige, inzwischen in Binningen wohnhafte
Othella Dallas den Abend eröffnete.
Auch sie sprühte nur so vor Vitalität
und wusste ganz genau, was ihre Stimme noch zu leisten vermag und was
nicht. Einst hatte sie mit Edith Piaf auf
der Bühne gestanden, mit Nat King Cole gespielt, und Duke Ellington hatte
Songs für sie geschrieben. All das war
Wie lange findet das Festival noch seine Gäste? Denn
nicht nur die Legenden sind
alt geworden.
Club. Intim und verspielt stellten sie die
Musik ganz in den Vordergrund und
sorgten so für einen wohltuenden Kontrast zum Davor.
Mit Jim Liban allerdings änderte sich
das Bild. Was er aus seiner Bluesharp
zauberte, war schlicht fantastisch. Am
meisten beeindruckte aber Gitarrist Joel Patterson. Elegant, zurückhaltend,
geschickt in der Dynamik und immer
wieder überraschend in den Soli, sorgte der Bandleader für eine Leichtigkeit
im Sound, die so selten zu hören ist.
Insgesamt besuchten 3200 Gäste das
Festival, ein Rückgang von zehn Prozent, wie Louis van der Haegen, Präsident von Blues Basel, erklärte. Nimmt
man dies als eine Kennzahl für das
Blues-Publikum in der Region, so stellt
sich die Frage, wie lange das Festival
noch seine Gäste findet. Denn nicht
nur die Legenden sind alt geworden.
Galerien in Basel
VON SIMON BAUR
Entdeckung des Unsichtbaren
«Mir ist einfach nicht klar, wie Bilder
aussehen können, darum male ich. Bilder wandern auf verschlungenen Pfaden bis sie zu Gemälden werden.» Solche Überlegungen charakterisieren die
Malerei von Thomas Ritz treffend. Er
ist ein Forscher, ein ewig Suchender,
der in Bild- und Gedankenarchiven, in
der eigenen Umgebung und im Leben
nach Elementen sucht, die er zu seinen
Bildern zusammenfügt. Im übertragenen Sinn ist Ritz ein Stalker und es erstaunt nicht, dass er die komplexe Poesie der Filme Tarkovskijs mag. Seine
Malerei findet unter der Oberfläche
statt, man muss sie suchen. Man
glaubt, etwas zu sehen, was sich umgehend als zusammenhangslos erweist.
Doch zu jeder Ebene gehört ein Inhalt
und diese Ebenen verschränken sich
dauernd zu einem komplexen Dialog.
Solche Malerei verläuft nicht linear, sie
breitet sich nach allen Richtungen aus.
Malerischer Freejazz, vielleicht.
Thomas Ritz. John Schmid Galerie. St.
Alban-Anlage 67, 4052 Basel. Do u. Fr
9.30-12 und 14-17 Uhr, Sa 12-16 Uhr.
Bis 30. Mai. www.johnschmidgalerie.ch
Ungewohntes der Lagune
Wasser und Himmel, hin und wieder
Pfähle, Stangen, Netze oder Reusen.
Viel ist es nicht, was Paolo Pola im
Herbst 2008 in Venedig skizziert hat
und in seiner Malerei wird es noch viel
reduzierter. Hinzu gesellt sich aber die
grosse Inspirationsquelle Erinnerung,
auf die bekanntlich nicht immer Verlass
ist und schon verfärben sich Himmel
und Wasser in unwiederbringliche Momente. In das Schwarz schiebt sich ein
roter Balken, den Rottönen werden
mutige blaue Klänge beigefügt, auf dem
Wasser spiegeln sich tausend Sachen
und Gedanken, der Himmel wird zur
Paolo Pola. Partiture. Galerie Carzaniga.
Gemsberg 8, 4052 Basel. Mo-Fr 9-18, Sa
10-16 Uhr. Bis 2. Mai. www.carzaniga.ch
Schwebende Farbstreifen
Nach Fotografie, Aquarell und Installation, kehrt Maria Magdalena Z’Graggen zur Malerei zurück. Die Expedition
in anderen Medien war nötig, endlich
ist die Malerei entspannter, dynamischer, freier. Nun verfährt sie mit Ölfarbe wie mit Aquarell, experimentiert,
kombiniert und forscht. Ob sie auf Leinen, Baumwolle oder Holz malt, die
Maria Magdalena Z’Graggen. Anne
Mosseri-Marlio Galerie. Malzgasse 20,
4052 Basel. Mi-Fr 13-18, Sa 11-16 Uhr.
Bis 30. April
www.annemoma.comry-daeppen.com
Zeit zeichnen
Gefundene Seile und Schnüre hat Allison Somers in eine Flüssigkeit, die zur
Fotoentwicklung verwendet wird, getaucht und sie an das Licht gelegt. Je
nach Dauer der Lichteinwirkung hat
sich das Material verdunkelt. Jedes Seil
hat seine eigene Geschichte, Spuren
von Pferdehaar sind sichtbar, teils sind
sie auch zerfressen oder abgescheuert.
Sie versucht damit, Zeit abzubilden, im
Raum sind sie nach dem Prinzip des
Zufalls geordnet, ohne Systematik verstreut. Alice Gaskon zeigt im Kabinett
(die Galerie hat neuerdings ein kleines
Kabinett und einen temporären Filmraum) eine Wandmalerei, in der sich
menschliche Körper ornamental verflechten. Auch die kleinen Zeichnungen
widmen sich verrenkten Körperteilen.
Der Surrealist Hans Bellmer würde sich
freuen.
Allison Somers. Alice Gaskon. Balzer
Art Projects. Wallstrasse 10, 4051 Basel.
Di-Fr 14-18, Sa 11-16 Uhr. Bis 6. Juni.
www.balzer-art-projects.ch