KULTUR 31 BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE DIENSTAG, 21. APRIL 2015 Bald 90-jährig, und noch kein bisschen müde: Sängerin Othella Dallas sprühte vor Vitalität. Rechts Saxofonist Sam Burckhardt. URS SCHMID Ein Festival im Zeichen der Nostalgie Bluesfestival An der 16. Auflage folgte eine Legende nach der anderen – und sie alle überzeugten VON TUMASCH CLALÜNA Das Volkshaus Basel stand letzte Woche wieder einmal im Zeichen des Blues. Beginnend mit der Promo-Night am Dienstag und der Verleihung des Swiss Blues Award tags darauf an Martin Bründler, Leiter des Schwester-Festivals in Luzern. Der Donnerstagabend dann glänzte unter der Sonne Louisianas. Cajun und Zydeco, zwei Schattierungen einer ursprünglich von französischen Flüchtlingen gepflegten Musik, die sich schnell mit Blues-Einflüssen vermischte. Halsbrecherische Manöver Dank der Unterstützung einer typischen scharfen Sauce jener Gefilde konnte ein Grossmeister das Cajun, Joe Douglas, sieben Konzerte in der Schweiz und Frankreich bestreiten, das letzte im Volkshaus. Die Band dazu hatte Bassist und Ex-Telebasel-Chefredaktor Willy Surbeck zusammengestellt. Natürlich konnte man nicht erwarten, eine perfekt eingespielte Band zu erleben, dazu war die Zeit zu kurz. Aber die halsbrecherischen Manöver, welche die Band vollführte, um Douglas’ Tempoverschärfungen mitzugehen, waren dann geradezu elektrisierend. Von einer «Metzgete» sprach Gitarrist Felix Hohl. Die mundete allerdings vorzüglich, und es war erstaunlich zu merken, wie Erinnerungen an französische Chansons und Vorbilder für bekannte Rocksongs in dieser rauen Musik aufschienen. Die Unwägbarkeit des Unterfangens war für die Veranstalter der Grund gewesen, die Reihenfolge der Bands zu tauschen und Zydeco Annie and the Swamp Cats als Zweite spielen zu las- sen. Das Problem ist nur: Wenn man nach einer Legende auftritt, hat man eigentlich schon verloren. Die Deutschen spielten viel sauberer und bemühten sich redlich, das Publikum anzuheizen, gegenüber der Lässigkeit des Amerikaners hatten sie aber keine Chance, ja ihre Attitüde ging geradezu auf die Nerven. zu spüren, als der Saal wiederholt in tosenden Applaus ausbrach; aus Bewunderung, nicht bloss aus Sympathie. Dauergast Sam Burckhardt Danach folgte der Sänger und Mundharmonika-Spieler Jim Liban, mit Sam Burckhardt und dem Joel Paterson Trio. Eigentlich müsste Burckhardt hier zuerst genannt werden, denn der in Chicago lebende Basler Saxofonist ist Dauergast am Festival und bringt immer wieder hervorragende Musiker nach Basel. War Dallas davor ganz auf den grossen Saal ausgerichtet, begannen Burckhardt und das Trio erst verhalten, als wären sie in einem kleinen barocken Szenerie. Und wie die Interpunktion einer musikalischen Komposition weben sich dazwischen die unterschiedlichen Linien, Klammern, Schlüssel und Punkte der Fangnetze. Es sind wunderbar poetische Bilder einer bedrohten Idylle, eine betörende Reminiszenz an eine Träumerei des alten Europas. Unterschiede sind überraschend. Spielerisch auf Tuch, streng auf Holz. Konzentriert ist es immer, doch je härter das Material, desto unfreier die Linien. Die aufgetragenen Farben vermischen sich und gleichzeitig werden Untergründe freigelegt, so als sähe man ins Innere von Achaten. Kreisrunde und vertikale Linien dominieren, Untergründe sind oft einfarbig. Viel ist es, doch noch ein weiter Weg zur Absolutheit der Malerei. Sich langsam an die Evidenz heranzutasten, war schon immer eine Stärke der Künstlerin. Eine ähnliche Gefahr bestand am Samstag, als die die fast 90-jährige, inzwischen in Binningen wohnhafte Othella Dallas den Abend eröffnete. Auch sie sprühte nur so vor Vitalität und wusste ganz genau, was ihre Stimme noch zu leisten vermag und was nicht. Einst hatte sie mit Edith Piaf auf der Bühne gestanden, mit Nat King Cole gespielt, und Duke Ellington hatte Songs für sie geschrieben. All das war Wie lange findet das Festival noch seine Gäste? Denn nicht nur die Legenden sind alt geworden. Club. Intim und verspielt stellten sie die Musik ganz in den Vordergrund und sorgten so für einen wohltuenden Kontrast zum Davor. Mit Jim Liban allerdings änderte sich das Bild. Was er aus seiner Bluesharp zauberte, war schlicht fantastisch. Am meisten beeindruckte aber Gitarrist Joel Patterson. Elegant, zurückhaltend, geschickt in der Dynamik und immer wieder überraschend in den Soli, sorgte der Bandleader für eine Leichtigkeit im Sound, die so selten zu hören ist. Insgesamt besuchten 3200 Gäste das Festival, ein Rückgang von zehn Prozent, wie Louis van der Haegen, Präsident von Blues Basel, erklärte. Nimmt man dies als eine Kennzahl für das Blues-Publikum in der Region, so stellt sich die Frage, wie lange das Festival noch seine Gäste findet. Denn nicht nur die Legenden sind alt geworden. Galerien in Basel VON SIMON BAUR Entdeckung des Unsichtbaren «Mir ist einfach nicht klar, wie Bilder aussehen können, darum male ich. Bilder wandern auf verschlungenen Pfaden bis sie zu Gemälden werden.» Solche Überlegungen charakterisieren die Malerei von Thomas Ritz treffend. Er ist ein Forscher, ein ewig Suchender, der in Bild- und Gedankenarchiven, in der eigenen Umgebung und im Leben nach Elementen sucht, die er zu seinen Bildern zusammenfügt. Im übertragenen Sinn ist Ritz ein Stalker und es erstaunt nicht, dass er die komplexe Poesie der Filme Tarkovskijs mag. Seine Malerei findet unter der Oberfläche statt, man muss sie suchen. Man glaubt, etwas zu sehen, was sich umgehend als zusammenhangslos erweist. Doch zu jeder Ebene gehört ein Inhalt und diese Ebenen verschränken sich dauernd zu einem komplexen Dialog. Solche Malerei verläuft nicht linear, sie breitet sich nach allen Richtungen aus. Malerischer Freejazz, vielleicht. Thomas Ritz. John Schmid Galerie. St. Alban-Anlage 67, 4052 Basel. Do u. Fr 9.30-12 und 14-17 Uhr, Sa 12-16 Uhr. Bis 30. Mai. www.johnschmidgalerie.ch Ungewohntes der Lagune Wasser und Himmel, hin und wieder Pfähle, Stangen, Netze oder Reusen. Viel ist es nicht, was Paolo Pola im Herbst 2008 in Venedig skizziert hat und in seiner Malerei wird es noch viel reduzierter. Hinzu gesellt sich aber die grosse Inspirationsquelle Erinnerung, auf die bekanntlich nicht immer Verlass ist und schon verfärben sich Himmel und Wasser in unwiederbringliche Momente. In das Schwarz schiebt sich ein roter Balken, den Rottönen werden mutige blaue Klänge beigefügt, auf dem Wasser spiegeln sich tausend Sachen und Gedanken, der Himmel wird zur Paolo Pola. Partiture. Galerie Carzaniga. Gemsberg 8, 4052 Basel. Mo-Fr 9-18, Sa 10-16 Uhr. Bis 2. Mai. www.carzaniga.ch Schwebende Farbstreifen Nach Fotografie, Aquarell und Installation, kehrt Maria Magdalena Z’Graggen zur Malerei zurück. Die Expedition in anderen Medien war nötig, endlich ist die Malerei entspannter, dynamischer, freier. Nun verfährt sie mit Ölfarbe wie mit Aquarell, experimentiert, kombiniert und forscht. Ob sie auf Leinen, Baumwolle oder Holz malt, die Maria Magdalena Z’Graggen. Anne Mosseri-Marlio Galerie. Malzgasse 20, 4052 Basel. Mi-Fr 13-18, Sa 11-16 Uhr. Bis 30. April www.annemoma.comry-daeppen.com Zeit zeichnen Gefundene Seile und Schnüre hat Allison Somers in eine Flüssigkeit, die zur Fotoentwicklung verwendet wird, getaucht und sie an das Licht gelegt. Je nach Dauer der Lichteinwirkung hat sich das Material verdunkelt. Jedes Seil hat seine eigene Geschichte, Spuren von Pferdehaar sind sichtbar, teils sind sie auch zerfressen oder abgescheuert. Sie versucht damit, Zeit abzubilden, im Raum sind sie nach dem Prinzip des Zufalls geordnet, ohne Systematik verstreut. Alice Gaskon zeigt im Kabinett (die Galerie hat neuerdings ein kleines Kabinett und einen temporären Filmraum) eine Wandmalerei, in der sich menschliche Körper ornamental verflechten. Auch die kleinen Zeichnungen widmen sich verrenkten Körperteilen. Der Surrealist Hans Bellmer würde sich freuen. Allison Somers. Alice Gaskon. Balzer Art Projects. Wallstrasse 10, 4051 Basel. Di-Fr 14-18, Sa 11-16 Uhr. Bis 6. Juni. www.balzer-art-projects.ch
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