Das Haupt des hl. Fidelis/Fidelisfest 2015 Sie haben wahrscheinlich alle Ihre persönlichen Gründe, warum Sie in unsere Kirche kommen. Zum Gottesdienst oder auch untertags zu einem stillen Innehalten. Einer davon, und wahrscheinlich nicht der unwichtigste, ist die Reliquie des hl. Fidelis. In der Fideliskapelle, deren Mitte sein in Tüll geschlagenes Haupt bildet, herrscht eine andere Atmosphäre als im übrigen Kirchenraum. Es ist, als blickte uns Fidelis gleichsam an. Als wäre die Reliquie kein toter Gegenstand, sondern eine Türe, durch die uns ein ganz anderes Leben entgegenkommt. Die besondere Atmosphäre der Fideliskapelle rührt womöglich auch von den vielen tagaus tagein an ihn gerichteten Bitten her. Sie haben gleichsam in die Wände eingegraben. Dabei ist die Haupt-Reliquie eigenartig und gewöhnungsbedürftig - ein Totenschädel mit einigen sichtbaren Schneidezähnen und einem vergoldeten Lorbeerkranz. Als vor einigen Monaten eine Mutter mit ihrer etwa 3 Jahre alten Tochter an der Hand zum Auflegen des Fidelis-Hauptes nach der 9 Uhr Messe nach vorne kam, war das kleine Mädchen nicht zu bewegen, näherzutreten. Mit einer ängstlichen Miene wandte sie sich zur Seite, sie wollte diese seltsame Reliquie nicht anschauen. Eigentlich hat das kleine Mädchen Recht, dachte ich. Es geht im ersten Augenblick nichts Erhabenes von dieser Reliquie aus. Sie erinnert uns an den Tod, nicht nur an den Tod des hl Fidelis, sondern auch an unseren Tod. So werden wir einmal sein. Ist es nicht seltsam, ausgerechnet mit einem Totenschädel zu segnen? „Heilige Knochen“ – hat jemand die Reliquien genannt. Was ist an diesen Knochen, an den Reliquien überhaupt Besonderes? Liegt ihre Verehrung nicht näher an der Magie als am Evangelium? Ist sie nicht Magie? Im Mai 1622 – also kurz nach dem Tod des hl. Fidelis, - kam Frau Katharina Bertsch aus Fellengatter an die Klosterpforte. Sie konnte seit Monaten nicht mehr schlafen und wurde von Erregungszuständen heimgesucht, in denen sie außer sich in den Kapuzinerkloster Feldkirch, Bahnhofstraße 4, A–6800 Feldkirch • Tel. +43 (0)5522 72246-0 Fax +43 (0)5522 72246-7 • [email protected] • www.kapuziner.org IBAN AT081631000133210016 / BIC BTVAAT22 1 Wald lief und sich ein Leid antun wollte. Etliche Ärzte hatten ihr nicht helfen können. Als P. Johannes von Krüwangen an der Pforte mit dieser Leidensgeschichte konfrontiert wurde, holte er Reisegürtel des P. Fidelis und legte ihn der Frau auf den Kopf. „Wie fühlt Ihr euch“- fragte er sie. „ Wie jemand, dem eine zentnerschwere Last vom Haupt genommen worden ist“ – antwortete Fr. Bertsch. In der darauf folgenden Nacht schlief sie so fest, dass sie ihren Mann, der Nachtwächter war, nicht ins Zimmer kommen hörte. Dies zu berichten, kam sie extra nach ein paar Tagen wieder zur Klosterpforte. Der Bauer Caspar Stiger aus Gisingen litt seit mehreren Jahren heftige Rückenschmerzen. Er konnte sich kaum mehr aufrichten und hütete die meiste Zeit das Bett, an Arbeit war nicht zu denken. Nachdem alle natürlichen Mittel wirkungslos geblieben waren, beschloss er, zu Fidelis Zuflucht zu nehmen und sein Haupt in Feldkirch zu besuchen. Für den dreiviertel-stündigen Weg brauchte er 3 Stunden. Im Kloster angekommen bat er, ein Pater möchte seinen Rücken mit dem Schwert berühren, mit welchen Fidelis durchbohrt worden war. Sein Wunsch wurde erfüllt und augenblicklich verschwand jeder Schmerz. Der Heimweg dauerte nur eine halbe Stunde und noch am gleichen Tag fing er wieder an zu arbeiten. Die Witwe Katharina Schmid aus Rankweil wurde von einer eigenartigen Krankheit heimgesucht. Sie begann mit Drücken und Stechen in der Brust und endete in einer Lichtallergie; ihr Sehen untertags war mit großen Schmerzen verbunden und ihre Sehkraft wurde schwächer und schwächer. Als sie sich ein Fidelistüchlein umband, waren nach 24 Stunden alle Krankheit und Schwäche dahin. „Ihr Vertrauen wurde nicht getäuscht“ stellt der Heilungsbericht fest. Diese Geschichten aus den Prozessakten zur Seligsprechung muten uns wie Märchen an. Sie werden jedoch jedes Mal von mehreren Zeugen eidlich beglaubigt. Hat sich solches wirklich zugetragen haben? Ist da nicht Scharlatanerie im Spiel? Sind das nicht eher Märchen als Wirklichkeit? Kapuzinerkloster Feldkirch, Bahnhofstraße 4, A–6800 Feldkirch • Tel. +43 (0)5522 72246-0 Fax +43 (0)5522 72246-7 • [email protected] • www.kapuziner.org IBAN AT081631000133210016 / BIC BTVAAT22 2 Die Zeit ist vorbei, in der über solche Berichte die Nase zu gerümpft und sie als Betrug abgetan wurden, wie es lange Zeit Mode war. Wir haben inzwischen gelernt, die vergangenen Zeiten nicht mit unserer Brille zu sehen oder mit unseren Maßstäben zu messen. Die Menschen zur Zeit des hl Fidelis hatten einen anderen Weltbezug. Sie erfuhren sich und die Welt anders, als wir sie heute erleben. Ihre Welt, das Wachstum in der Natur, Gesundheit und Krankheit, standen unter dem Einfluss von überirdischen Mächten. Sie, nicht die Naturgesetze bestimmten das Leben. Gott, die Macht der Heiligen, aber auch der Einfluss von Dämonen waren für die damaligen Menschen selbstverständliche Wirklichkeiten. Daran zu zweifeln, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Die Heiligen führten in ihren Augen eine Doppelexistenz. Einerseits waren sie im Himmel bei Gott, aber sie standen mit ihrem Leib auf Erden, - den Reliquien -, in einer geheimnisvollen Verbindung. Durch ihr heiliges Leben war ihnen eine himmlische Kraft verliehen worden, die sie nun über die Reliquie auf den kranken, hilfesuchenden Menschen übertrugen. Und diese Kraft heilte. Von Menschen, die uns besonders nahegestanden sind, die wir geliebt haben, und die uns im Tod vorausgegangen sind, besitzen wir oft bestimmte Dinge, die uns kostbar sind. Vielleicht ist es ein Rosenkranz, ein Buch, ein bestimmtes Foto, ein Schmuckstück, ein Ring oder eine Kette. Sie erinnern uns nicht nur an den geliebten Menschen, sondern lassen jedes Mal, wenn wir sie tragen, benützen oder anschauen eine wenig seine Gegenwart spüren. Es ist dann einen Augenblick lang, als ob der geliebte Mensch noch nicht tot wäre oder der Tod ihm nichts anhaben konnte. Es sind solche Ur-Erfahrungen, die uns die Reliquienverehrung erschließen und vertraut sein lassen. Dass die Reliquien von Heiligen uns ihre Nähe spürbarer machen, können Sie selber ausprobieren. Setzen Sie sich in die Fideliskapelle. Sie brauchen nichts zu tun, lassen sich von der Stille des Ortes einfach an die Hand nehmen. Diese größere Nähe lässt uns auch zutraulicher und ungenierter bitten. Das Fürbitten-Buch, das auf dem Tisch vor dem Fidelis-Altar aufliegt, spricht eine beredte Sprache davon. Da hat z.B. jemand geschrieben: Kapuzinerkloster Feldkirch, Bahnhofstraße 4, A–6800 Feldkirch • Tel. +43 (0)5522 72246-0 Fax +43 (0)5522 72246-7 • [email protected] • www.kapuziner.org IBAN AT081631000133210016 / BIC BTVAAT22 3 - „Bitte hilf mir beim Neustart, beim Wohnungs- und Ortswechsel und hilf unseren Familien“ oder - „Hilf meiner Enkelin, dass sie im Leben glücklich wird“ oder - „Ich bitte Dich: steh mir morgen bei. Lass die Scheidung gut über die Bühne gehen“. - „Bitte hilf meinem Sohn, dass er trotz seiner Krankheit Arbeit bekommt“ - „Hl. Fidelis hilf meinem Freund, dass er nicht mehr so ängstlich ist, mehr Selbstvertrauen hat und die anstehende OP gut übersteht“. Es sind ganz menschliche Wünsche, alltägliche und größere Sorgen, die die Bittsteller in dem hl. Fidelis ans Herz legen. Wenn Sie dem hl Fidelis ein Bitte vortragen oder sie ins Buch schreiben - machen Sie im Grunde genau dasselbe, was der Gisinger Bauer Stiger vor über 300 Jahren machte: Sie nehmen Zuflucht zum hl. Fidelis. D.h. sie kommen mit Vertrauen, dass er ihre Bitte annimmt und sich dafür einsetzt. Er, der einmal der „Anwalt der Armen“ genannt wurde, soll jetzt auch Ihr Anwalt sein. Und das ist das Wunder das der hl. Fidelis auch heute noch wirkt: er stärkt unser Vertrauen, er läßt es wachsen, dass es in jeden Winkel unseres Herzens dringt. Er sät Samen des Vertrauens ins uns. Wie immer es um unser Selbstvertrauen bestellt sein mag, richtiges, Berge versetzendes Vertrauen braucht ein Du. Fr. Bertsch von Fellengatter würde heute vermutlich für ihre schweren Erregungszustände Psychopharmaka verschrieben bekommen. Der Bauer Stiger würde von einem Physiotherapeuten behandelt werden, vielleicht nach der Methode Dorn und die Witwe Schmid würde an einen Augenarzt überwiesen werden. Und dennoch: selbst die heutige Schulmedizin kommt ohne Vertrauen nicht aus. Sie musste sie es – wenn auch widerwillig - zur Kenntnis nehmen. Sie hat es lange Zeit als Placebo, als Scheinwirkung abgetan, nicht der Rede wert. Aber die Fakten ließen sich immer weniger verdrängen. In einer Untersuchung über die Wirksamkeit der Akupunktur bei chronischen Schmerzen wurden bei einer Gruppe die Nadeln in die klassischen Akupunkturpunkte gesetzt, bei der Kontrollgruppe jedoch nicht. Sie wurden einfach genadelt. Ergebnis: zum Erstaunen der Untersucher Kapuzinerkloster Feldkirch, Bahnhofstraße 4, A–6800 Feldkirch • Tel. +43 (0)5522 72246-0 Fax +43 (0)5522 72246-7 • [email protected] • www.kapuziner.org IBAN AT081631000133210016 / BIC BTVAAT22 4 hatten beide Gruppen das gleich gute Behandlungsergebnis. Auch die Menschen in der Kontrollgruppe, bei denen die Nadeln nicht vorschriftsmäßig gesetzt wurden, erfuhren eine deutliche Besserung. Nicht die Akupunkturpunkte waren das Entscheidende, sondern das Vertrauen in diese chinesische Heilmethode. Unsere Vertrauenswege sind – nebenbei gesagt – manches Mal ein bisschen seltsam: dem Fremden und Exotischen bringen wir häufig mehr Vertrauen entgegen als dem, was wir von Kindesbeinen an kennen. Heute ist der hl. Fidelis ein stiller Heiler und Helfer geworden. Das zeigen die vielen Danke, die sich auch im Fürbitten-Buch befinden. - „Hl. Fidelis, es ist lange her, dass ich in dieses Buch geschrieben habe. Große Hilfe wurde mir zuteil, von Herzen ein Dankeschön“! - „Heiliger Fidelis, Du hast uns geholfen. Danke!“ - „Danke, dass meine Tochter die Geburt gut überstanden hat und Mutter und Kind gesund sind“ Der hl. Fidelis schenkt uns das wichtigste Medikament, das es in keiner Apotheke zu kaufen gibt. Es ist das Medikament des Vertrauens. Wir brauchen es jeden Tag. Nicht nur wenn wir krank sind. Dann natürlich ganz besonders. Schon Jesus wusste um diese geheimnisvolle Kraft des Vertrauens: Dein Glaube hat Dir geholfen – sagt er der geheilten Frau, die ihr ganzes Vermögen umsonst bei den Ärzten gelassen hatte. Ein rätselhafter Satz, der mich immer wieder erstaunt. Es war doch Jesus, der diesen Glauben, dieses Vertrauen hervorrief. Jesus aber nimmt sich zurück und sagt der Frau: Du hast Dich auf das Vertrauen eingelassen, ich war nur eine Brücke. Du bist über sie gegangen Christus teilt mit den Heiligen, seinen Freunden, sein Brücke-sein. Er teilt es auch mit dem hl. Fidelis. Kapuzinerkloster Feldkirch, Bahnhofstraße 4, A–6800 Feldkirch • Tel. +43 (0)5522 72246-0 Fax +43 (0)5522 72246-7 • [email protected] • www.kapuziner.org IBAN AT081631000133210016 / BIC BTVAAT22 5
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