Anna festet lieber, als dass sie jammert

BRUGG-WINDISCH 29
AARGAUER ZEITUNG
SAMSTAG, 18. APRIL 2015
Anna festet lieber, als dass sie jammert
Brugg Das Gehen fiel ihr immer schwerer, auf der Arbeit
musste sie ihr Pensum kontinuierlich reduzieren. Jetzt sitzt
sie im Rollstuhl und hat trotzdem Freude am Leben – das ist
die Geschichte von Anna*, die
heute im Heimgarten wohnt.
SERIE
40 JAHRE
HEIMGARTEN
Institution für Frauen
VON JANINE MÜLLER
Ihr Rollstuhl ist nicht zu übersehen:
Aufgemalte Buntstifte in Regenbogenfarben zieren die Scheiben zwischen
den Speichen. Es ist der Ausdruck von
Lebensfreude, die auch Anna eigen ist.
Die 37-Jährige hat trotz ihres Schicksals
nie die Freude am Leben verloren.
Jetzt sitzt sie am Tisch in einem Büro
des Heimgartens, mit Bluse und einem
feingestrickten Pullunder drüber. Sie
strahlt über das ganze Gesicht. Ihre
Augen leuchten förmlich, als sie der
Journalistin ihre Geschichte erzählt.
Sie mag es fröhlich in ihrem Leben.
Darum erzählt sie lieber von den vielen
Festen, die sie im Heimgarten bisher
erlebt hat. Vom Samichlaus-Abend zum
Beispiel. Dann, wenn alle Bewohnerinnen und Mitarbeiterinnen an einem
grossen langen Tisch sitzen, Fondue essen und sich an dem gemütlichen
Abend freuen. Und dann gibt es erst
noch für jede ein Chlaus-Säckli. Anna
schwärmt weiter. Von der Adventszeit.
«Da können wir jeden Abend eine Geschichte hören. Das ist schön», erzählt
sie. «Das schätze ich sehr. Hier geben
sich alle so fest Mühe.» Und während
sie so voller Freude erzählt, kullert ihr
eine einsame Träne über die linke Wange, die sie verstohlen wegwischt.
Ihre unbändige Lebensfreude täuscht
darüber hinweg, dass in Annas Leben
längst nicht alles so voller Freude ist,
wie man denken könnte.
Neurologe findet Gendefekt
Vor einigen Jahren merkt Anna, dass
sie Probleme beim Gehen hat. Kaum
merklich, aber das Gefühl ist immer da,
Der Heimgarten Brugg bietet
Frauen mit psychosozialen
Schwierigkeiten Lebensund/oder Beschäftigungsraum an. Der Heimgarten ist
vom Kanton Aargau anerkannt und hat Anspruch auf
dessen Mitfinanzierung. Die
Trägerschaft ist die Reformierte Landeskirche Aargau. Insgesamt bietet der Heimgarten
36 Wohn-, 20 Beschäftigungs- und 4 geschützte Arbeitsplätze an. Am 15. April
feierte er sein 40-jähriges Bestehen. Mit diesem Artikel beenden wir die Serie zum
Heimgarten. (JAM)
Es sind die Feste im Heimgarten, die Rollstuhlfahrerin Anna an die Zukunft glauben lassen.
dass etwas nicht stimmt. Sie lässt sich
vom Arzt untersuchen, muss eine Kernspintomografie machen. Ein Neurologe
findet dann heraus, dass Annas Nerven
im Rücken langsam aber sicher absterben. Ein Gendefekt. Sie muss für Abklärungen ins Spital. Operiert wird sie
nie. Es bringt nichts, sagen die Ärzte.
Trotz allem: Für Anna bricht keine
Welt zusammen. «Am Anfang machte
ich mir schon Gedanken», erinnert sie
sich. «Aber ich war froh, dass ich überhaupt eine Diagnose hatte, dass ich
wusste, woran ich leide.»
Zuerst arbeitet sie noch normal weiter, als Hilfskraft in einem Lebensmittelgeschäft. Dann muss sie ihr Pensum
immer weiter reduzieren, bis es gar
nicht mehr geht. Da stellt sich erstmals
die Frage: Was tun mit Anna?
Sie entscheidet sich gemeinsam mit
ihren Eltern dazu, mal im Heimgarten
reinzuschnuppern. Sie braucht nicht
lange, um sich zu entscheiden, was sie
will. Anna bleibt im Heimgarten.
Damit sie wie alle anderen an den
Ausflügen teilnehmen kann, ist sie jetzt
auf einen Rollstuhl angewiesen. Gehen
kann Anna zwar noch, aber nur langsam. Und manchmal auch nur unter
Schmerzen, wenn sich ihre Knie aneinander scheuern.
Kraft aus der Natur
Der Anfang ist schwierig für Anna.
Sie muss lernen, mit dem Rollstuhl umzugehen. In der Physiotherapie hat sie
das nach und nach gelernt. Jammern
mag sie nicht. «Ich werde nie aufgeben
oder die Lebensfreude verlieren»,
FOTOLIA/SYMBOLBILD
erklärt Anna mit Nachdruck. Klar habe
sie auch mal schlechte Tage. Aber dann
schaut sie sich um und merkt, dass es
andere noch schwerer haben als sie.
Und in diesen Momenten «möchte ich
einen Zauberstab hervornehmen und
ein paar Mal schwingen, damit es allen
wieder gut geht», sagt sie in ihrer gutmütigen, etwas kindlichen Art. «Jammern nützt nichts, denn das braucht
viel Energie. Energie, die man für schöne Dinge brauchen soll.»
Die Kraft für ihr Leben zieht die zierliche Frau aus der Natur. «Die Natur ist
zäh», sagt Anna. «Es kann ein noch so
strenger Winter sein – im Frühling
spriessen die Blumen wieder. Das bewundere ich sehr.» Dann, wenn im
Sommer die letzten Sonnenstrahlen auf
der Aare glitzern und die Bäume in gol-
denes Licht tauchen – dann ist Anna
glücklich.
Die Feste, die im Heimgarten gefeiert
werden, hängen stark mit diesen Erlebnissen zusammen. Zum Beispiel die
1.-August-Feier. Dann sitzen die Frauen
im Garten, unter den vielen bunten
Lampions und geniessen das Fleisch
vom Grill. Darum sagt Anna: «Die Feste
hier, die vergisst man nicht.»
Und es sind die Feste, die Anna aufmuntern, ihr Freude geben und sie an
die Zukunft glauben lassen. An Zielen
fehlt es ihr jedenfalls nicht. Sie will
häufiger mit dem öffentlichen Verkehr
unterwegs sein. Und – das ist ja klar –
sie will ihr Leben weiterhin einfach
geniessen.
* Name der Redaktion bekannt
✒ Süssbachfisch
Die Arbeit ist und gibt es überall – auch dort, wo man es nicht denkt
✒ Die Arbeit holt einen ein
Da will man mal nur eine Woche Ruhe
haben von der Arbeit, und dann begegnet diese einem sogar im hintersten
Ecken im Kanton Solothurn. So geschehen kürzlich in einem J+S-Lager
in Gänsbrunnen SO. Die Schreibende
war als Lagerleiterin tätig und war
entsprechend auch zuständig für den
Empfang von Besuchern. Sie staunte
dann nicht schlecht, als plötzlich ein
bekannter SVP-Mann durch die Türe
trat. Tatsächlich kam Dominik Riner,
seines Zeichens Präsident der SVP
Brugg und Nationalratskandidat. Wie
kommts? Bald stellt sich heraus, dass
der Partner der Köchin des Lagers den
Politiker gut kennt. Wie klein die Welt
manchmal ist.
Stadtzürcher, nimmt sogar während des
Umzugs das Telefon ab, um Informationen zum Wirtewechsel weiterzugeben. Da dürfen die Scherzer aber stolz
sein und hoffen, dass Ruhstaller bald
einen neuen Pächter findet.
✒ «Leue» am Sechseläuten
✒ Demokratie ohne Ende
Normalerweise ist das Sechseläuten den
Stadtzürchern heilig. Doch wenn es
ums Restaurant Leue in Scherz geht,
sieht das etwas anders aus. Beny Ruhstaller, Besitzer vom «Leue» und stolzer
Das Zweikammersystem für Trägergemeinden und Vereinsmitglieder hatte an
der GV des Altersheimvereins Eigenamt einen richtigen Abstimmungsmarathon zur Folge. Bei 195 Anwesenden ka-
men die beiden Stimmenzähler ganz
schön ins Schwitzen. Ein Eigenämter
stellte den Antrag, nicht die Ja-Stimmen,
sondern die Nein-Stimmen und Enthaltungen auszuzählen und dann vom Total
abzuziehen. Nachdem die Spielregeln
geändert wurden, lehnten die Anwesenden aber Jahresbericht, zwei Rechnungen und zwei Budgets sowie einige Änderungsanträge ab. Von Effizienzsteigerung
keine Spur. Hauptsache die direkte Demokratie lebt und den Stimmenzählern
wird es nicht langweilig.
✒ Tankstellenshop für Grüne
Andreas Thommen, Gemeindeammann
von Effingen und Mitglied der Grünen
Partei, wünscht sich dringlich einen Treffpunkt für die Dorfbevölkerung. Das könne
auch ein Tankstellenshop sein, wo man
das Nötigste einkaufen und einen Kaffee
trinken kann, verrät er in einem Interview
in der «Neuen Fricktaler Zeitung». Als Geschäftsführer von Ecopop ist er dafür,
dass Arbeitsplätze dort geschaffen werden, wo sie benötigt werden, offenbar
auch an einer Tankstelle. (JAM/CM)
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