TESTFALL UKRAINE-KRISE: DAS KONFLIKTMANAGEMENT DER

TESTFALL UKRAINE-KRISE: DAS KONFLIKTMANAGEMENT
DER OSZE UNTER SCHWEIZER VORSITZ
von Christian Nünlist
Die Ukraine-Krise dominierte 2014 die Schweizer OSZE-Präsidentschaft.
Der schnell eskalierende Konflikt wurde zum ersten grossen Testfall für das
Ende 2011 reformierte Krisenmanagement der OSZE. Der Schweizer Vorsitz setzte die Mechanismen und Instrumente der Organisation in der Krise
erfolgreich ein. Dennoch litt die dadurch aufgewertete OSZE letztlich auch
stark unter der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen.
EINLEITUNG
Im Jahr 2014 hatte die Schweiz zum zweiten Mal nach 1996 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) inne. Bern hatte sich mit einer OSZE-Task-Force gut auf die
Präsidentschaft vorbereitet und im Sommer 2013 zehn thematische
Schwerpunkte definiert.1 Doch traten viele der angestellten Überlegungen schon bald in den Hintergrund und wurden von der Anfang 2014
eskalierenden Krise rund um die Ukraine überlagert. In seiner Funktion
als Amtierender Vorsitzender der OSZE (Chairman-in-Office, CiO) erklärte sich Bundespräsident Didier Burkhalter sofort dazu bereit, politisch zwischen den Fronten zu vermitteln. Die Schweiz engagierte sich
im OSZE-Rahmen auf allen Ebenen aktiv für gangbare Lösungen und
setzte sich für Dialog und Vertrauensbildung ein.
Als es in Kiew ab Februar 2014 zu bürgerkriegsähnlicher Gewalt
kam, aktivierte die Schweiz rasch das Krisenmanagement der OSZE.
Die von CiO Burkhalter innert Wochenfrist öffentlich angekündigten
Vorschläge einer internationalen Kontaktgruppe, einer OSZE-Beobachtungsmission und Wahlbeobachtern bei vorgezogenen Präsidentschafts1
Vgl. zu den Hintergründen und Vorbereitungen: Christian Nünlist, «Die Schweiz ist eine
Mini-OSZE: Perspektiven auf das Schweizer OSZE-Vorsitzjahr 2014», in: Bulletin zur
schweizerischen Sicherheitspolitik (2013), 11 – 41.
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wahlen konnten in der Folge erfolgreich umgesetzt werden – und trugen zwischenzeitlich zur Stabilität der bis heute volatilen Situation in
der Ukraine bei.
Dieser Artikel untersucht, wie die OSZE unter Schweizer Präsidentschaft in der Ukraine-Krise agiert hat. Die Krise wird dabei als
erster Testfall für die Umsetzung der OSZE-Ministerratsentscheidung
«3/11» vom Dezember 2011 betrachtet. Damals entschieden die Mitgliedstaaten, dass der OSZE-Vorsitz in einer künftigen Krisensituation
alle verfügbaren Instrumente im gesamten Konfliktzyklus, von Frühwarnung und Prävention über das akute Konfliktmanagement bis hin
zur Nachkonflikt-Phase, einsetzen sollte.
Insgesamt, so wird im Folgenden argumentiert, handelte die Schweizer Diplomatie in der ungewohnt zentralen Rolle als Vermittlerin eines
unvorhergesehenen, geostrategisch bedeutsamen Konflikts in Europa
äusserst geschickt. Es gelang ihr, die OSZE in der Ukraine-Krise und
im Konflikt zwischen dem Westen und Russland als nützliches Instrument der Deeskalation und Vertrauensbildung zu positionieren.
1.
STÄRKUNG DES KONFLIKTMANAGEMENTS IN DER OSZE
Die in den 1990er-Jahren aufgebauten Fähigkeiten der OSZE zum Konfliktmanagement in Europa waren im 21. Jahrhundert teilweise vorsätzlich geschwächt worden, teilweise gerieten sie auch einfach in Vergessenheit. Das Potenzial der OSZE in diesem Bereich wurde von den
Mitgliedstaaten nicht mehr optimal genützt. Weder im Georgien-Krieg
2008 noch während der blutigen Unruhen im südlichen Kirgistan 2010
spielte die OSZE eine zentrale Rolle.2
Dennoch ist die OSZE bis heute stolz auf ihre Aktivitäten im ganzen Konfliktzyklus, von Frühwarnung über Prävention und Krisenmanagement bis zur Rehabilitation nach Konfliktende. Speziell ist dabei
der Umstand, dass eine Konfliktpartei bei wichtigen OSZE-Entscheiden, deren Folgen sie tangieren, immer auch über ein Vetorecht verfügt, was auf die Konsensregelung zurückzuführen ist. Zudem bietet
2 Vgl. dazu William H. Hill, The OSCE and Conflict Management: From Old Themes to
New Directions, Keynote Presentation for the 2010 Annual Security Review Conference, PCDEL/477/10, 02.06.2010.
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die OSZE im Geiste der Helsinki-Schlussakte von 1975 ausschliesslich
friedliche, unbewaffnete Massnahmen an, welche von Verhandlung, Untersuchung, Mediation, Versöhnung, Schiedsgericht bis hin zu Unterstützung für Peacekeeping-Missionen reichen.3
Die Instrumente und Mechanismen der OSZE in diesem Bereich
wurden in den letzten Jahren wiederholt aktualisiert. 2005 empfahl
ein Expertenpanel, die Rollen von CiO und OSZE-Generalsekretär
besser zu definieren.4 Am Gipfel von Astana beschlossen die OSZEMitgliedstaaten Ende 2010, die Kapazitäten der Organisation in allen
Konfliktphasen zu stärken; entsprechende Ideen wurden 2011 ausgearbeitet.5 Im Dezember 2011 verabschiedeten die OSZE-Aussenminister
schliesslich das bereits einleitend erwähnte wichtige Dokument 3/11.
Mit dieser Grundsatzentscheidung verpflichteten sich die OSZE-Staaten, die Krisenmanagement-Fähigkeiten der Organisation zu verstärken. Dazu wurden konkrete Vorschläge gemacht, darunter die Verwendung des Konfliktverhütungszentrums (KVZ) des OSZE-Sekretariats
als zentrale Anlaufstelle für die systematische Sammlung und Analyse
von Frühwarnmeldungen, das proaktive Ansprechen von entstehenden Spannungen im OSZE-Raum
durch CiO oder Generalsekretär im
Die OSZE bietet im Geiste
Ständigen Rat der OSZE in Wien
der Helsinki-Schlussakte
sowie den Ausbau von Factfindingvon 1975 ausschliesslich
Missionen während akuter Krisen
friedliche, unbewaffnete
und Konflikte. Das Dokument hielt
Massnahmen an.
fest: «Der Ministerrat erwartet, dass
der OSZE-Vorsitz und die Führungsstrukturen der Organisation ihre
jeweiligen Mandate voll ausschöpfen, um alle Phasen des Konfliktzyk3 Frank Evers, «OSCE Conflict Management and the Kyrgyz Experience in 2010», in:
CORE Working Paper 24 (2012), 8 – 11. Vgl. auch OSCE, Conflict Prevention Centre,
OSCE Mechanisms & Procedures, SEC.GAL/132/11 (Wien: OSZE, 2011).
4
OSCE Panel of Eminent Persons on Strengthening the Effectiveness of the OSCE,
Common Purpose: Towards a More Effective OSCE: Final Report and Recommendations,
27.06.2005. Alle OSZE-Dokumente finden sich unter www.osce.org.
5OSCE, V to V Dialogue: First Informal Meeting at Ambassadors‘ Level: The Conflict Cycle, 15
March 2011, CIO.GAL/45/11/Corr.1, 20.07.2011. Im «V-to-V»-Dialog (Vancouver to Vladivostok via Vienna and Vilnius) diskutierten die OSZE-Botschafter 2011 mögliche Reformen der OSZE. Die Schweiz engagierte sich dabei unter Thomas Greminger erfolgreich
für den Ausbau der Mediationskapazitäten innerhalb der OSZE.
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lus anzugehen. Der Vorsitz und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, in einer Krise oder Konfliktsituation möglichst alle verfügbaren
Instrumente und Verfahren so schnell und umfangreich wie möglich
zu verwenden.»6
Die Ukraine-Krise ist die erste grosse Krise im OSZE-Raum
seit «3/11». Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, inwiefern
der Schweizer OSZE-Vorsitz dem politischen Willen von Ende 2011
entsprechen konnte, alle Möglichkeiten des Konfliktmanagements
auszuschöpfen.
2. STRATEGISCHE ÜBERRASCHUNG OHNE FRÜHWARNUNG
Die Ukraine-Krise begann für die OSZE zunächst mit einer Enttäuschung. Denn trotz der im Jahr 2012/13 grundsätzlich verbesserten
Frühwarnkapazitäten traf die Eskalation in Kiew die Organisation im
Februar 2014 unerwartet. Mit einer Intervention Russlands in der Ukraine war nicht gerechnet worden, weder mit einer russischen Annexion
der Krim-Halbinsel noch mit einem Bürgerkrieg in der Ostukraine.7
Der Kiewer Ministerrat zum Abschluss der ukrainischen OSZEPräsidentschaft fand Anfang Dezember 2013 bereits parallel zu den
proeuropäischen Massendemonstrationen auf dem Maidan, dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew, statt. Zahlreiche westliche Vertreter, darunter aus Deutschland, Grossbritannien und den USA, bezogen damals im Konflikt zwischen der prorussischen Regierung von
Viktor Janukowitsch und den proeuropäischen Demonstranten auf der
Strasse klar Stellung. US-Aussenminister John Kerry boykottierte das
OSZE-Treffen demonstrativ und auch Grossbritannien sowie Frank6OSCE, Decision No. 3/11, Elements of the Conflict Cycle, MC.DEC/3/11, Vilnius,
07.12.2011.
7
Die strategische Überraschung gelang Russland dank «hybrider» Kriegsführung, das
heisst der Mischung aus offenen und verdeckten Operationen: Die russischen Spezialkräfte intervenierten auf der Krim ohne Hoheitsabzeichen und Präsident Putin leugnete
die Präsenz russischer Soldaten auf ukrainischem Territorium zunächst. Vgl. «Putins
Schlachtplan», in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) (07.09.2014). Auch in der Ost­
ukraine beteiligte sich Russland offiziell nicht direkt als Konfliktpartei. Moskau tolerierte
aber die Beteiligung russischer Kämpfer als sogenannte Freiwillige auf Seiten der prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Russische Soldatenmütter sprachen von bis zu
15 000 Russen, die in der Ukraine kämpften, vgl. «Thousands of Russian soliders sent to
Ukraine, say rights group», in: The Guardian (01.09.2014).
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reich schickten statt ihrer Aussenminister Vertretungen.8 Der Ständige
Rat der OSZE verfolgte ab Ende November 2013 die politische Krise in
Kiew mit Sorge, aber weder Russland noch die Janukowitsch-Regierung
wollten das Thema in der OSZE ansprechen.
Im OSZE-Raum erwartete zum Jahreswechsel niemand einen russischen Einmarsch in der Ukraine. Eine damals durchgeführte vergleichende Bedrohungsanalyse im
gesamten OSZE-Raum liest
Vordergründig scheint das
sich heute wie ein Dokument
verbesserte Frühwarnsystem
aus einer anderen Zeit. Nur geder OSZE in der Ukrainerade zwei der 57 MitgliedstaaKrise offensichtlich versagt
ten fürchteten sich vor einer
zu haben.
«starken und direkten militärischen Bedrohung» – Georgien vor Russland und Griechenland vor der
Türkei. Ukrainische Experten hielten hingegen fest: «Eine bewaffnete
Aggression, die zu einem lokalen oder regionalen Krieg gegen die Ukraine führen könnte, ist mittelfristig unwahrscheinlich». Die USA konstatierten, Russland sei keine Bedrohung für die USA und kein Teil Europas werde «als Instabilitätsherd oder direkte Bedrohung für die USA»
angesehen.9
Vordergründig scheint das verbesserte Frühwarnsystem der OSZE
in der Ukraine-Krise offensichtlich versagt zu haben. Denn weder wiesen zur Jahreswende 2013/14 CiO, Generalsekretär oder Analysen des
KVZ auf eine mögliche Eskalation der Strassenproteste in Kiew und
eine harsche russische Reaktion auf der Krim sowie in der Ostukraine
hin. Noch warnte der seit 1999 in Kiew tätige lokale OSZE-Projektkoordinator in der Ukraine vor entsprechenden Szenarien.10
Die politische Krise in Kiew schwoll von Dezember 2013 bis Februar 2014 zu einer bürgerkriegsähnlichen Lage an, ohne dass die OSZEFrühwarnsysteme den Ernst der Lage erkannt hätten und mit Gegenmassnahmen (Early Action) den Ausbruch der Krise verhindern könnte.
8 Christian Nünlist, «The OSCE after the Kyiv Ministerial», in: ISN-Blog (13.12.2013).
9
OSCE Network of Think Tanks and Academic Institutions (Hrsg.), Threat Perceptions in
the OSCE Area, 02.04.2014 (Übersetzung des Autors).
10 Diesen Vorwurf erhob unter anderem der Präsident der Parlamentarischen Versammlung
der OSZE. Ranko Krivokapic, The Ukraine Conflict: Starting Point for a Strengthened OSCE
Role in Conflict Resolution? Speech at Friedrich Ebert Foundation, Berlin, 04.06.2014.
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Damit verpasste es die OSZE, den Konflikt – wie von Entscheid 3/11
gefordert – rechtzeitig im politischen Radar zu erfassen und unter den
Botschaftern in Wien zu diskutieren. Doch gleichzeitig müssen drei
Faktoren betont werden: Erstens überraschte das militärische Vorgehen
Russlands im Nachbarland Ukraine als strategischer Schock auch die
USA, die EU und die Nato, nicht nur die Analytiker der OSZE. Zweitens war das OSZE-Koordinationsbüro in Kiew nicht als politische Mission mandatiert worden und besass daher gar nicht die analytischen
Kapazitäten, um eine drohende Eskalation zu erkennen.11 Drittens verfügten CiO und Generalsekretär vorerst über begrenzten Handlungsspielraum, weil Russland und die Ukraine keine OSZE-Vermittlung im
politischen Konflikt in Kiew zuliessen.
3. DIDIER BURKHALTER – EIN AKTIVER OSZE-PRÄSIDENT
Der jährlich rotierende Chairman-in-Office (CiO) ist der Akteur mit der
grössten Gestaltungskraft und der Gesamtverantwortung für alle Aktivitäten der OSZE. Er vermittelt in akuten Krisen und vertritt die Organisation nach aussen.12 Der CiO soll sich ausdrücklich in Krisen oder
Konfliktsituationen im OSZE-Raum einbringen. Er darf persönliche
Vertreter ernennen und sie mit Mandaten ausstatten. Mit Entwürfen,
Berichten und Empfehlungen kann er sich an die Mitgliedstaaten sowie an die Institutionen und Feldmissionen der Organisation wenden.13
Zwar darf auch der OSZE-Generalsekretär explizit eine prominentere
politische Rolle spielen, doch ist er während Krisen primär für die operative Koordination der OSZE-Aktivitäten zuständig, während der CiO
klar die politische Führung übernimmt.14
2014 lancierte Didier Burkhalter als CiO der OSZE in der UkraineKrise zahlreiche Initiativen und brachte sich auf höchster Ebene in den
internationalen diplomatischen Dialog ein. Er spielte, wie im Folgenden
11 Vgl. dazu Krivokapic, Ukraine Conflict. Zum Mandat des OSZE-Projektkoordinators in
der Ukraine vgl. OSCE, Factsheet of the OSCE Project Co-ordinator in Ukraine, 03.08.2012.
12 Nünlist, Schweiz ist eine Mini-OSZE, 11. Vgl. auch Walter Kemp, «The OSCE Chairmanship: Captain or Figurehead?», in: Security and Human Rights 20, Nr. 1 (2009), 9 – 12.
13OSCE, Role of the OSCE Chairmanship in Office, Decision No. 8, MC(10).DEC/8,
02.12.2002.
14OSCE, Role of the OSCE Secretary General, Decision No. 15, MC.DEC/15/04, 07.12.2004.
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im Detail analysiert wird, die verfügbaren OSZE-Instrumente in ganzer Bandbreite aus und rief damit das volle Potenzial der Organisation
ab. Burkhalter war bei all diesen Initiativen das öffentliche Gesicht des
Schweizer Vorsitzes. Er profitierte dabei von der immensen Arbeit, welche sowohl die OSZE-Task-Force im EDA in Bern und die verstärkte
Schweizer OSZE-Delegation in Wien als auch seine Mitarbeitenden im
Aussendepartement während Monaten leisteten.
3.1 VERMITTLUNG IN KIEW
Der Schweizer Diplomatie gelang am 16. Februar 2014 ein erster Coup
im OSZE-Vorsitzjahr: Nach elfwöchiger Besetzung räumten die oppositionellen Demonstranten nach Vermittlung des Schweizer Botschafters Christian Schönenberger
das Kiewer Rathaus.15 BurkhalNach elfwöchiger Besetzung
ter lobte diese Geste als ersten
räumten die Demonstranten
Schritt zu einem Ende der Genach Vermittlung des
walt und einer Lösung des KonSchweizer Botschafters das
flikts, doch zwei Tage später
Kiewer Rathaus.
überschatteten die über 70 von
Scharfschützen getöteten Zivilisten auf dem Maidan Schönenbergers
Erfolg. Burkhalter drückte «Schock und Traurigkeit» über die Ereignisse
in Kiew aus und nahm telefonisch Kontakt auf mit dem ukrainischen
Aussenminister Leonid Koschara, zu dem aufgrund der OSZE-Troika
seit 2013 Arbeitsbeziehungen bestanden.16
Zunächst lehnten aber sowohl Kiew als auch Moskau eine vermittelnde Rolle der OSZE in der politischen Krise ab,17 auch wenn die Organisation dank ihrem seit 1999 in Kiew stationierten Projektkoordinator sowie ihrer von 1994 – 1999 dauernden Mission auf der Krim über
15 «Wie ein Schweizer in der Ukraine für den Frieden kämpft», in: Tages-Anzeiger
(16.02.2014); «Schlimmstenfalls droht ein Bürgerkrieg», in: Neue Luzerner Zeitung
(20.02.2014).
16OSCE, All possible steps must be taken to stop violence in Ukraine, says OSCE Chair,
18.02.2014. Die Ukraine hatte 2013 den OSZE-Vorsitz geführt. Vgl. Matthew Rojansky,
«Summing up Ukraine’s 2013 OSCE Chairmanship», in: ISN-Blog (20.12.2013).
17 Burkhalter hatte ein entsprechendes Angebot erstmals Ende Januar 2014 öffentlich unterbreitet. OSCE, OSCE Chair calls for restraint by all sides in Ukraine, Vienna, 23.01.2014.
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wertvolle 20-jährige Expertise vor Ort verfügte.18 Bereits am Rande der
Olympischen Winterspiele in Sotschi hatte Janukowitsch ein entsprechendes Angebot des Schweizer Vorsitzes in einer kurzen Begegnung
mit Bundespräsident Didier Burkhalter abgelehnt.19 Die erste ShuttleDiplomatie startete deshalb nicht der OSZE-Vorsitzende Burkhalter,
sondern der neue deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier.
Unterstützt von seinen Amtskollegen aus Paris und Warschau handelte
er am 21. Februar 2014 ein Abkommen zwischen der Janukowitsch-Regierung und Oppositionsvertretern aus – eine Vereinbarung, die jedoch
zu Makulatur verkam, als Janukowitsch am Tag darauf nach Russland
floh, das ukrainische Parlament eine Übergangsregierung ernannte und
auf Ende Mai vorgezogene Präsidentschaftswahlen ankündigte.20 Steinmeier hatte sich bereits Anfang Februar eine aktive Rolle der OSZE
in der Ukraine gewünscht und sich entsprechend mit Burkhalter am
Rande der Münchner Sicherheitskonferenz abgesprochen.21 Die enge
Zusammenarbeit zwischen Bern und Berlin würde für das Krisenmanagement der OSZE unter Schweizer Vorsitz zum Zentrum der diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation der Ukraine-Krise werden.
Denn rasch zeigte sich, dass die EU – anders als während der RusslandGeorgien-Krise 2008 – nicht als Vermittlerin schlichten konnte, sondern selbst zu stark ins geopolitische Ringen zwischen dem Westen und
Russland verstrickt war.
3.2 BURKHALTERS REDE VOR DEM UNO-SICHERHEITSRAT
In den letzten Februartagen 2014 kam das Krisenmanagement der OSZE
innert weniger Tage auf Hochtouren. Die Ukraine-Krise war nun Toppriorität des Schweizer Vorsitzes und belastete die helvetische Diplomatie
in Bern und Wien enorm. Am 24. Februar 2014 ergriff Burkhalter vor
dem UNO-Sicherheitsrat in New York das Wort – ein historischer Mo18OSCE, The OSCE Mission to Ukraine (Closed), http://www.osce.org/node/43976.
19 Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Treffen zwischen
Bundespräsident Didier Burkhalter und Viktor Janukowitsch in Sotschi, 07.02.2014.
20 «Reden statt schiessen: Steinmeiers Sternstunde», in: N-TV News (22.02.2014).
21 «Russland-Reise des Aussenministers», in: Spiegel Online (14.02.2014). Vgl. auch Christian
Nünlist, «Mehr Verantwortung? Deutsche Aussenpolitik 2014», in: CSS-Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 149 (2014).
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ment, der erste Auftritt eines Schweizer Bundesrats vor diesem Gremium.
Burkhalter schlug eine Reihe von Massnahmen vor, um der Ukraine in
der Übergangsphase zu helfen und um den Dialog zwischen den Konfliktparteien zu fördern. Erstens sollte eine internationale Kontaktgruppe
geschaffen werden, um unter der Ägide der OSZE-Hilfsprojekte und
Versöhnungsaktivitäten zu koordinieren. Zweitens ernannte Burkhalter
den Schweizer Botschafter in Berlin, Tim Guldimann, zu seinem persönlichen Sondergesandten für die Ukraine. Guldimann hatte bereits
1996 während der ersten OSZE-Präsidentschaft der Schweiz als Sonderdiplomat im Tschetschenienkrieg vermittelt und verfügt über grosse
Erfahrung aus seinen Tätigkeiten als Schweizer Botschafter in Teheran
sowie als Leiter von OSZE-Missionen in Kroatien und in Kosovo. Drittens bot Burkhalter der Ukraine die Unterstützung der OSZE bei den
geplanten Präsidentschaftswahlen Ende Mai 2014 an. Viertens sollte eine
spezielle OSZE-Mission begangene Menschenrechtsverletzungen auf
dem Maidan untersuchen und darüber einen Bericht erstellen.22
Diese vier Initiativen wurden in den folgenden Wochen und Monaten alle umgesetzt, was keineswegs selbstverständlich war. Didier Burkhalter lancierte nach der Eskalation der Gewalt in Kiew und Janukowitschs Flucht nach Russland innert Wochenfrist innovative Initiativen
und bediente dabei das ganze Spektrum des Instrumentenkastens der
OSZE.23
3.3 DIPLOMATIE AUF HÖCHSTER EBENE
Burkhalter bemühte sich als aktiver CiO regelmässig auf höchster Ebene
um internationalen Dialog und eine diplomatische Lösung der UkraineKrise. Insbesondere im März/April 2014 kam es zu unzähligen Treffen
und Telefongesprächen Burkhalters mit Aussenministern und Staatsund Regierungschefs von unter anderem Russland, Deutschland, Frank22EDA, Rede von Didier Burkhalter vor dem UNO-Sicherheitsrat, «Creating a Security Community for the Benefit of Everyone», New York, 24.02.2014. Der 132-seitige OSZE-Bericht zu Menschenrechtsverletzungen wurde im Mai 2014 veröffentlicht: OSCE Human
Rights Assessment Mission in Ukraine, Human Rights and Minority Rights Situation,
12.05.2014.
23 Vgl. dazu Thomas Greminger, «Crisis in Ukraine: The Perspective of the Swiss Chairmanship», Vortrag gehalten am Europäischen Forum Alpbach, 25.08.2014.
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reich, Grossbritannien, USA sowie mit UNO-Generalsekretär Ban-Ki
Moon. Dabei war es von Vorteil, dass Burkhalter 2014 zufällig sowohl
Schweizer Aussenminister als auch Bundespräsident war, so dass er sich
problemlos mit Aussenamtskollegen wie Laurent Fabius (Frankreich)
oder Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), aber auch mit Staats- und
Regierungschefs wie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel
Burkhalter gelang damit
oder dem russischen Präsidenten
zwar kein Durchbruch, doch
Wladimir Putin treffen konnte.
überraschenderweise einige
Im Kern ging es bei Burkhalters
Fortschritte trotz weiterhin
Shuttle-Diplomatie zwischen
angespannter Lage.
New York, Berlin, Moskau und
Paris Anfang März darum, eine internationale Kontaktgruppe zu etablieren sowie Einstimmigkeit unter den 57 OSZE-Staaten für die Gründung einer OSZE-Beobachtungsmission in der Ukraine zu schaffen.24
Mitte Juli führte der Abschuss eines malaysischen Zivilflugzeugs erneut zu einer intensiven Phase der Schweizer OSZE-Diplomatie. Die
schwierige Lage in der Ostukraine konnte erst mit dem Abschluss einer brüchigen Waffenruhe durch die Minsker Vereinbarungen im September etwas normalisiert werden, mit deren Überwachung die OSZE
betraut wurde.25
Einen Höhepunkt von Burkhalters internationaler Krisendiplomatie
stellte rückblickend sein Treffen mit Putin am 7. Mai 2014 in Moskau
dar. Dem OSZE-Vorsitzenden gelang es, dem Kremlchef bei dessen erstem Treffen mit einem westlichen Staatsmann seit Ausbruch der Krise
erste Signale der Entspannung abzuringen: Putin forderte die prorussischen Separatisten in der Ostukraine auf, ihr Referendum über eine
Abspaltung zu verschieben, und er bezeichnete die geplante Präsidentenwahl in der Ukraine erstmals als Schritt in die richtige Richtung. Burk-
24 «Burkhalter weibelt für Ukraine-Kontaktgruppe», in: NZZ (04.03.2014); «Die Schweiz
hat in der Ukraine eine besondere Rolle», in: NZZ (18.03.2014).
25 «Kontaktgruppe einigt sich auf Pufferzone in Ostukraine», in: NZZ (20.09.2014); «Kiew
gehen die Waffen aus», in: NZZ (22.09.2014).
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halter gelang damit zwar kein Durchbruch, doch überraschenderweise
einige Fortschritte trotz weiterhin angespannter Lage.26
In zahlreichen Grundsatzreden thematisierte Burkhalter die Ukraine-Krise und die Konfliktmanagement-Instrumente der OSZE.
Anfang Mai stellte der CiO dem Europarat die nächsten Schritte des
Schweizer Vorsitzes vor, um die Eskalationsspirale mithilfe des Genfer Abkommens in der Ukraine zu entschärfen.27 Nach dem Treffen mit
Putin präsentierte Burkhalter am 12. Mai 2014 die Schweizer Roadmap,
einen konkreten Fahrplan der in vier sequenzielle Phasen unterteilten
Deeskalationsmassnahmen von Gewaltverzicht, Entwaffnung, nationalem Dialog bis zur Präsidentenwahl vom 25. Mai 2014.28 Die Roadmap
konnte zwar vorerst nicht komplett umgesetzt werden, doch das diplomatische Instrument erfüllte seinen Zweck, die explosive Lage in der
Ukraine vor dem Wahltag etwas zu beruhigen.
4. WIENER DOKUMENT UND OPEN SKIES
Parallel zu den Bemühungen Burkhalters wurden zahlreiche OSZEStaaten im Bereich von Vertrauens- und Sicherheitsbildenden Massnahmen (VSBM) aktiv. Das Wiener Dokument (WD) von 1990 regelt
politisch verbindlich militärische Aspekte von Vertrauen und Sicherheit
und wurde letztmals Ende 2011 vom OSZE-Ministerrat aktualisiert.
Es sieht den Austausch von Informationen über Hauptwaffensysteme
vor, enthält Massnahmen zur Verminderung von Risiken durch Konsultations- und andere Mechanismen und schafft Transparenz durch
vorherige Ankündigung und Beobachtung von militärischen Aktivitä-
26 Christian Nünlist, «Den Irrsinn stoppen», in: Die Nordwestschweiz (10.05.2014). Siehe
auch: «Ein nationaler Dialog für die Ukraine», in: NZZ (07.05.2014); «Burkhalters
Handshake, Putin spricht von Truppenabzug», in: Tages-Anzeiger (07.05.2014).
27EDA, Speech by OSCE CiO Didier Burkhalter, «Reversing the Logic of Escalation in
Ukraine: Next Steps by the Swiss OSCE Chairmanship», Wien, 06.05.2014.
28OSCE, Speech by OSCE CiO Didier Burkhalter, «A Roadmap for concrete Steps forward:
The OSCE as an inclusive platform and impartial actor for stability in Ukraine», Brüssel, 12.05.2014. Weitere wichtige Reden Burkhalters zur Rolle der OSZE in der UkraineKrise folgten am 26.06.2014 in Wien, am 25.08.2014 in Tallinn, am 05.09.2014 auf dem
NATO-Gipfel in Wales, am 25.09.2014 in New York sowie am 03.10.2014 in Genf.
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ten.29 Auf Einladung der ukrainischen Übergangsregierung begannen
ab dem 5. März 2014 Inspektionsmissionen gemäss Kapitel III des WD
2011, um das Risiko eines militärischen Konflikts mit Russland zu vermindern. 30 OSZE-Mitgliedstaaten stellten 56 unbewaffnete militärische und zivile Beobachter zur Verfügung, welche nach der russischen
Annexion der Krim «unübliche militärische Aktivitäten» Russlands in
der Ukraine untersuchten. Die Teams konnten im Süden und Osten des
Landes Inspektionen durchführen, der Zugang auf die Krim-Halbinsel
wurde ihnen jedoch verweigert. Später kamen auch Inspektionen gemäss
Kapitel IX, Verifikation und Kapitel X, regionale Massnahmen, dazu.
2014 wurden in der Ukraine insgesamt 19 und in Russland 5 Verifikationsmissionen vollzogen.30
Allerdings war die im WD vorgesehene jährliche Quote für diese
Vertrauensbildenden Massnahmen rasch aufgebraucht – und zusätzliche Militärinspektionen erlaubte Russland den OSZE-Staaten nicht.
Unglücklicherweise hatten Lettland und die Schweiz bereits im März
2014 je eine Inspektion in Russland durchgeführt, so dass bei Ausbruch
der Ukraine-Krise nur noch eine WD-Inspektion zur Verfügung stand.
Diese Inspektion fand am 19./20. März in den Regionen Belgorod und
Kursk nahe der ukrainischen Grenze durch ukrainische Inspektoren
statt. Auch die zwei jährlich vorgesehenen Evaluationsbesuche von Militärbasen waren bereits vor Ausbruch der Krise aufgebraucht worden.31
Das WD schreibt den Vertragsstaaten ferner vor, einander 42 Tage
vor ungewöhnlichen Militäraktivitäten mit über 9000 Soldaten zu notifizieren. Bei Aktivitäten mit über 13 000 Soldaten müssen die übrigen OSZE-Staaten zu einer Beobachtung vor Ort eingeladen werden.
Zudem haben sich die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, nur alle drei
Jahre eine Militäraktivität mit über 40 000 Truppen durchzuführen.32
Weil Russland die anderen OSZE-Staaten nicht vertragsgemäss vorab
29 Wiener Dokument 2011 über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen (WD 11),
22.12.2011. Vgl. auch Matthias Bieri / Christian Nünlist, «Konventionelle Rüstungs­
kontrolle in Europa», in: CSS-Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 146 (2013).
30OSCE, Factsheet: OSCE Response to the Crisis in Ukraine, 18.09.2014.
31 Ariana Rowberry, «The Vienna Document, the Open Skies Treaty and the Ukraine
Crisis», in: Brookings Upfront (10.04.2014); Wolfgang Richter, «Rüstungskontrolle und
militärische Transparenz im Ukraine-Konflikt», in: SWP Aktuell (September 2014).
32 WD 11.
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über seine Truppenmassierungen an der Grenze informierte – die Nato
sprach von 20 000 bis 40 000 russischen Truppen –, aktivierten die Ukraine, Kanada, Estland und die USA wiederholt den Konsultations- und
Kooperationsmechanismus des WD. Das Forum for Security Co-operation (FSC) und der Ständige Rat diskutierten deshalb ab April 2014 an
mehreren Sitzungen die für Friedenszeiten unüblichen und unangekündigten militärisch signifikanten Aktivitäten der russischen Streitkräfte.33
Ab Mitte März 2014 führten zudem zahlreiche westliche Staaten,
darunter die USA, Deutschland, Kanada, Italien und Norwegen basierend auf dem Open-Skies-Vertrag von 1992 (in Kraft seit 2002) im Wochentakt Aufklärungsflüge über Russland durch, um Truppenbewegungen entlang der ukrainischen Grenze zu überwachen. Bis Mitte August
wurden 22 Missionen über dem Südwesten Russlands geflogen; Russland muss gemäss Vertrag pro Jahr 42 Inspektionsflüge über seinem Territorium dulden. Die Krim wurde
hingegen seit März nicht mehr
Es ist bemerkenswert, dass
überflogen, trotz entsprechender
Russland sich nicht gegen
Einladung durch Moskau. Die
die Intensivierung von
westlichen Vertragsstaaten woll- Open-Skies-Flügen wehrte.
ten es vermeiden, damit eine Anerkennung der russischen Annexion zu implizieren. Nach dem Abschuss
des Malaysian-Airlines-Flugs MH-17, bei dem alle 298 Insassen ums
Leben kamen, fanden ab Mitte Juli 2014 aus Sicherheitsgründen keine
Open-Skies-Flüge mehr über der Ukraine statt.34
Die Ukraine-Krise machte einerseits klar, dass die Verträge reformiert werden müssen. Die Jahresquoten für Inspektionen und Überprüfungsbesuche stiessen im Konflikt rasch an eine Grenze. Zudem konnten die Faktenfeststellung und die Vertrauensbildenden Massnahmen
der OSZE nach der überraschenden russischen Annexion der Krim
ein Ausbreiten des militärischen Konflikts in den Osten der Ukraine
nicht verhindern. Die Inspektionen und Überflüge konnten ferner keinen Beitrag an die öffentlichen Debatten über die russische Massierung
33OSCE, 2014 Plenary Meetings of the Forum for Security Co-Operation, http://www.osce.org/
fsc/110781.
34 Michael Krepon, «Open Skies», in: Arms Control Wonk (02.05.2014); Hartwig Spitzer,
«Open Skies: Transparency in Stormy Times», in: Trust & Verify Nr. 146 (2014), 1 – 5.
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48
AKTUELLE DISKUSSION
von Streitkräften nahe der Grenze zur Ukraine oder in der Ukraine
selbst leisten, da die gesammelten Daten nur den nationalen Regierungen der Abkommen zugänglich sind und nicht öffentlich gemacht
werden dürfen. Deutlich wurde auch, dass die hybriden Operationen
Russlands in Zusammenarbeit mit irregulären Milizen sowie verdeckt
vorgehenden russischen Spezialkräften und «Freiwilligen» von den konventionellen Rüstungskontrollmechanismen der OSZE zu wenig erfasst
werden konnten. Der Abschuss einer ukrainischen Maschine, bei der
fünf Crew-Mitglieder ums Leben kamen, demonstrierte eindrücklich,
dass Open Skies und das WD nicht für Konflikte mit irregulären Konfliktparteien geeignet sind und dass kooperative Transparenzmassnahmen in modernen hybriden Kriegen nur von beschränktem Wert sind.35
Andererseits erlaubten es die Rüstungskontroll-Instrumente der
OSZE aus den frühen 1990er-Jahren, die militärische Transparenz russischer Militärbewegungen in Russland und in der Ukraine zu erhöhen.
Interessanterweise war die Implementation von Open Skies und dem
WD von der Krise zwischen dem Westen und Russland nicht betroffen.
Es ist bemerkenswert, dass Russland sich nicht gegen die Intensivierung
von Open-Skies-Flügen wehrte und WD-Inspektionen erlaubte.
5. AUGEN UND OHREN VOR ORT: DIE BEOBACHTERMISSION
Der erste wirkliche Durchbruch gelang der Schweizer OSZE-Präsidentschaft am 21. März 2014 mit dem einstimmigen Beschluss des Ständigen Rats in Wien, eine grosse zivile Sonderbeobachtungsmission (Special
Monitoring Mission, SMM) mit bis zu 500 Beobachtern in die Ukraine
zu entsenden.36 Drei Wochen lang hatten sich CiO Burkhalter und die
Schweizer Diplomatie zuvor hinter den Kulissen bemüht, unter den
57 OSZE-Staaten die dafür erforderliche Einstimmigkeit zu erreichen.
Während dieser Phase äusserten sowohl die USA als auch Russland
Kritik am Schweizer OSZE-Vorsitz – was Burkhalter und der Schweizer OSZE-Botschafter Thomas Greminger als ein Zeichen dafür in35 Am 06.06.2014 schossen prorussische Seperatisten ein ukrainisches Open-Skies-Flugzeug
während einer nationalen Mission ab.
36OSZE, Beschluss Nr. 1117: Entsendung einer Sonderbeobachtermission der OSZE in die Ukraine,
PC.DEC/1117, 21.03.2014.
BULLETIN 2014 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK
TESTFALL UKRAINE-KRISE
49
terpretierten, dass die Schweiz ihren Job als «ehrlicher Makler» nicht
schlecht mache, wenn beide Seiten sich über angebliche Parteilichkeit
beschwerten.37
Die russische Regierung hatte zwar Anfang März 2014 Vertrauen
in die Schweiz, nicht aber in die OSZE als eine in ihrer Wahrnehmung von den USA dominierte Menschenrechtsorganisation. Anfänglich stiess die Idee einer grossen OSZE-Beobachtermission deshalb in
Moskau auf Ablehnung. Über
eine Woche lang beteiligte
Der Schweizer Vorsitz scheint
sich die russische OSZE-Dedas grüne Licht Russlands zur
legation in Wien nicht an der
Ukrainemission massgeblich
Ausarbeitung eines Entscheidherbeigeführt zu haben.
entwurfs. Burkhalter gelang es
aber, den russischen Präsidenten Putin am Telefon davon zu überzeugen,
dass eine solche Mission auch dem Schutz der russischen Minderheiten in der Ukraine zuträglich sein werde.38 Der Schweizer Vorsitz 2014
scheint das grüne Licht Russlands zur OSZE-Ukrainemission massgeblich herbeigeführt zu haben.
Die Konsensfindung war übrigens, darüber sind sich OSZE-Insider
im Rückblick einig, keineswegs charakterisiert durch eine Front von 56
OSZE-Mitgliedern, welche die Ukraine-Mission autorisieren wollten,
gegen Russland, das erst davon überzeugt werden musste. Laut Burkhalters Emissär Guldimann musste die Zustimmung einiger Spezialfälle zur Beobachtermission ebenfalls hartnäckig ausgehandelt werden.39
Während der dreiwöchigen diplomatischen Vorbereitungsphase
des OSZE-Entscheids bereitete das KVZ, tatkräftig unterstützt vom
OSZE-Projektkoordinator in der Ukraine, bereits die operativen Details der SMM auf Hochtouren vor. Nach dem Entscheid des OSZERats wurden innert vier Tagen 32 OSZE-Beobachter aus neun anderen
37 «Burkhalters SMS-Diplomatie aus dem Ständeratssal», in: NZZ (18.03.2014); «Die Präsidentschaft ist Fluch und Segen zugleich», in: Tages-Anzeiger (14.04.2014).
38 Thomas Greminger, «Wie die OSZE-Beobachtungsmission in der Ukraine zustande kam»,
in: Swiss Peace Supporter 2 (2014), 24f.; Burkhalters SMS-Diplomatie. Auch die deutsche
Kanzlerin Angela Merkel pflegte in dieser Phase den Kontakt mit Putin und drängte auf
eine Beobachtermission und eine Internationale Kontaktgruppe.
39«Konfrontation liegt nicht im Interesse der Russen», in: Deutschlandradio Kultur
(29.03.2014).
BULLETIN 2014 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK
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AKTUELLE DISKUSSION
Feldoperationen abgezogen und vorübergehend als First Responders in
die Ukraine entsendet. Nach einer Woche markierten die in Kiew eingeschulten OSZE-Beobachter bereits in allen zehn ukrainischen Regionen, welche im Ratsbeschluss genannt worden waren, Präsenz. Nach
einem Monat verfügte die SMM über 100 OSZE-Beobachter und im
Mai über 250 «Augen und Ohren vor Ort».
Die rasche Entsendung dieser grossen Anzahl Beobachter war nur
möglich aufgrund der Vorbereitungsmassnahmen, welche das OSZESekretariat getroffen hatte, um den Beschluss 3/11 zu operationalisieren.
Das Sekretariat hatte aufgrund der Erfahrungen von Georgien (2008)
und Kirgistan (2010) einen «operativen Rahmen» über Planungsprozesse und Verfahren für ein schnelles Handeln in einer Krise erstellt.
Dieses interne Dokument erwies sich bei der ersten Anwendung in
der Ukraine-Krise als äusserst nützlich. Eine Anfang 2014 erstellte interne Datenbank von Freiwilligen beschleunigte den Prozess, geeignete
OSZE-Mitarbeitende aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und Erfahrungen aus Missionen temporär als Beobachter der ersten Stunde für die
SMM zu rekrutieren. Zudem konnten aufgrund des 2013 eingerichteten
«virtuellen Ausrüstungspools» auch rasch dringend benötigte gepanzerte
Fahrzeuge, Laptops, Satellitentelefone und Splitterschutzwesten für die
Mission in der Ukraine mobilisiert werden. Die im Zuge der Implementation von Ministerratsbeschluss 3/11 erhöhten Mediationskapazitäten
der OSZE kamen auch bei der Entsendung der Beobachter in die Ukraine zum Einsatz. Die OSZE-Beobachter wurden vor ihrem Einsatz
von Mediationsprofis im KVZ gezielt auf ihren Einsatz hin geschult.40
Die SMM berichtete ab Ende März 2014 unparteiisch und objektiv
über die Lage vor Ort und stellte damit eine glaubwürdige neutrale Informationsquelle über den Bürgerkrieg in der Ukraine dar, in dem Propaganda und Desinformation von allen Konfliktparteien massiv eingesetzt wurden. Interne Berichte über die Sicherheitslage vor Ort gingen
an die OSZE-Mitgliedstaaten und regelmässig publizierte die SMM
auch öffentliche Berichte, die vom Sommer an immer ausführlicher und
40 Claus Neukirch, «Entsendung von Beobachtern in die Ukraine im Eiltempo», in: Security
Community 2 (2014), 24f.; OSCE, Opening Remarks by Secretary General Lamberto Zannier,
2014 Annual Security Review Conference, SEC.GAL/99/14, 24.06.2014.
BULLETIN 2014 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK
TESTFALL UKRAINE-KRISE
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konkreter wurden.41 Im Herbst 2014 wurde die Rolle der SMM allerdings auch kontrovers diskutiert, als die SMM in ihren Berichten daran festhielt, dass die OSZE-Beobachter über keinerlei Beweise für russische Truppen oder Panzer auf ukrainischem Territorium verfügten.42
Die Bedeutung des Entscheids vom 21. März 2014 für die OSZE
kann trotzdem nicht deutlich genug betont werden. Die SSM ist eine der
grössten je mandatierten OSZE-Mission überhaupt und die erste von
der OSZE neu verabschiedete Mission seit über zehn Jahren. Ihr Mandat wurde am 22. Juli bis zum 20. März 2015 verlängert. Erneut konnte
der Schweizer Vorsitz dafür unter den 57 Mitgliedstaaten Konsens für
einen einstimmigen Entscheid schaffen, trotz der seit Ende März aufgrund des Bürgerkriegs in der Ostukraine und westlicher Sanktionen
deutlich erhöhten Spannungen zwischen dem Westen und Russland.43
Nach dem Abkommen von Minsk im September 2014 wurde die
SMM beauftragt, die Waffenstillstandsvereinbarung zu überwachen.
Die OSZE kündigte an, dafür auch Aufklärungsdrohnen einzusetzen
und die Anzahl der Beobachter zu erhöhen.44 Am 24. Oktober 2014 begann die OSZE mit eigenen, gemieteten Aufklärungsdrohnen operative
Routineflüge über dem Konfliktgebiet.45
6. (EINE) INTERNATIONALE KONTAKTGRUPPE(N)
Bezüglich der vor dem UNO-Sicherheitsrat von Burkhalter lancierten
Idee einer internationalen Kontaktgruppe war in Schweizer Medien stets
41 «Drei Missionen in einem Land», in: NZZ (03.05.2014). Die SMM konnte allerdings
nicht über die Situation auf der Krim berichten. Der OSZE gelang es aber im März 2014
immerhin, Vertreter auf die Krim zu entsenden, darunter auch Burkhalters Emissär Tim
Guldimann sowie die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, und die
OSZE-Hochkommisarin für Minderheiten, Astrid Thors.
42 «Keine Belege, dass russische Truppen eingriffen», in: Schweiz am Sonntag (07.09.2014).
Vgl. George Soros, «Wake Up Europe», in: The New York Review of Books 61, Nr. 18
(22.11.2014).
43OSZE, Beschluss Nr. 1129: Verlängerung des Mandats der Sonderbeobachtermission der OSZE
in der Ukraine, PC.DEC/1129, 22.07.2014.
44 «Erodierende ukrainische Waffenruhe», in: NZZ (14.09.2014); «OSZE plant Einsatz von
Drohnen in der Ukraine», in: FAZ (26.07.2014).
45 «In umstrittener Mission», in: NZZ (06.10.2014); «Österreichische Drohnen nahe Mariupol präsentiert», in: Der Standard (23.10.2014).
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AKTUELLE DISKUSSION
von einer Schweizer Initiative die Rede.46 In deutschen Medien hiess es
hingegen, die Kontaktgruppe sei eine Idee des Auswärtigen Amtes unter
Steinmeier gewesen.47 Tatsächlich gehört das geistige Urheberrecht der
Initiative jedoch weder der helvetischen noch der deutschen Aussenpolitik – sondern OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier. Mitte Februar 2014 testete der OSZE-Generalsekretär seine Idee zunächst mit der
Schweizer OSZE-Delegation in Wien, später auch mit anderen Delegationen. Die helvetische Diplomatie baute sie in der Folge als zentrales
Element in Burkhalters UNO-Rede ein.48
Ihre Umsetzung kam jedoch nur zögerlich voran. Die ursprüngliche
Idee einer internationalen Staatengruppe unter Ägide der OSZE kam
letztlich nie zustande. Anfang März versuchte Burkhalter mittels hektischer Shuttle-Diplomatie, eine Kontaktgruppe zu etablieren und so
den direkten Kontakt zwischen der ukrainischen Übergangsregierung
und Moskau herzustellen. Doch der Kreml weigerte sich, der aus seiner Sicht unrechtmässigen Regierung in Kiew damit den Anschein von
Legitimität zu verleihen.49
Am 17. April 2014 kam es in Genf dennoch zu einem lange erwarteten ersten Treffen zwischen dem russischen Aussenminister Sergei Lawrow und seinem ukrainischen Gegenüber Andrei Deschtschiza, moderiert von US-Aussenminister
Die ursprüngliche Idee einer
John Kerry und der EU-Auinternationalen Staatengruppe
ssenbeauftragten Catherine
unter Ägide der OSZE kam
Ashton. Es war eine interletztlich nie zustande.
nationale Kontaktgruppe,
wie von Zannier/Burkhalter
vorgeschlagen, allerdings ohne Beteiligung der OSZE – auch wenn die
Schweiz das internationale Genf als Bühne offerierte. Beide Seiten wurden in dem von den USA und der EU schlecht vorbereiten Treffen aufgefordert, Einschüchterungen, Provokationen und Gewaltanwendung zu
46 «Burkhalter will eine Ukraine-Kontaktgruppe ins Leben rufen», in: TagesWoche Online
(24.02.2014); «Burkhalter weibelt für Ukraine-Kontaktgruppe», in: NZZ (04.03.2014).
47 «Steinmeier setzt Hoffnung auf Kontaktgruppe», in: Berliner Zeitung (04.03.2014).
48 Gespräch des Autors mit OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier, Alpbach,
25.08.2014.
49 «Krim-Krise: Einrichtung einer Kontakgruppe ist gescheitert», in: Die Zeit (05.03.2014).
BULLETIN 2014 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK
TESTFALL UKRAINE-KRISE
53
unterlassen. Das Genfer Abkommen sah zudem die Entwaffnung aller
bewaffneten Gruppen und die Rückgabe der illegal besetzten Gebäude
vor.50 Die Vereinbarung konnte zwar vorerst nicht umgesetzt werden,
über die Implementation hatten sich Kerry und Ashton keine konkreten Gedanken gemacht und die Konfliktparteien setzten unterschiedliche Prioritäten. Die russische Teilnahme am Treffen in Genf bedeutete
aber wiederum einen Vertrauensbeweis Russlands in die Schweiz. Dem
Schweizer Vorsitz war es nach dem grünen Licht zur Beobachtermission
erneut gelungen, den Kreml vom Nutzen eines Dialogs zu überzeugen.
Bezüglich einer internationalen Kontaktgruppe blieb die OSZE weiterhin im Hintergrund. Im Sommer vermittelten statt den USA und
der EU wie in Genf nun Deutschland und Frankreich. Für dieses Format bürgerte sich aufgrund eines ersten Treffens zwischen Putin und
dem neuen ukrainischen Präsidenten Pedro Poroschenko an der französischen Nordküste der Begriff «Normandie-Format» ein.51 Immer
stärker übernahm Berlin die Führung der internationalen diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation der Ukraine-Krise, sowohl
Kanzlerin Merkel als auch Aussenminister Steinmeier engagierten sich
mit grossem persönlichen Einsatz – stets in enger Absprache mit dem
OSZE-Vorsitzenden Burkhalter.52
Anfang Juni 2014 etablierte sich aber auf Wunsch Kiews auch eine
Trilaterale Kontaktgruppe, wo Burkhalters neu ernannte Sondergesandte,
Botschafterin Heidi Tagliavini, zusammen mit Vertretern Russlands und
der Ukraine den Dialog pflegte. Diese OSZE-Kontaktgruppe leistete
im Konfliktmanagement zwei wichtige Beiträge: Sie bemühte sich erstens erfolgreich, nach dem Abschuss von MH-17 OSZE-Beobachter an
die Absturzstelle im Bürgerkriegsgebiet zu schicken.53 Zweitens begleitete Tagliavini auch die Gespräche zwischen Kiew und Moskau sowie
den prorussischen Kämpfern, die im September 2014 in die von Taglia-
50 «Diplomatischer Bruderkuss im Ukraine-Konflikt», in: SRF News (18.04.2014).
51 «D-Day und die Ukraine-Krise: Obama und Putin reden doch miteinander – kurz», in:
FAZ (06.06.2014); «Treffen zwischen Obama und Putin», in: NZZ (06.06.2014).
52 Christian Nünlist, «Fäden laufen in Berlin zusammen», in: Die Nordwestschweiz
(11.07.2014).
53OSCE, Press Statement by the Trilateral Contact Group, 18.07.2014.
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AKTUELLE DISKUSSION
vini mitunterzeichneten Minsker Vereinbarungen mündeten, und entwarf unter anderem den Entwurf für ein Waffenstillstandsabkommen.54
Das Minsker Protokoll vom 5. September 2014 beinhaltete einen sofortigen Waffenstillstand sowie politische Massnahmen zur Konfliktbeilegung, darunter auch einen befristeten Sonderstatus für Teile von
Donezk und Luhansk. Das erneut von der trilateralen Kontaktgruppe
beschlossene Minsker Memorandum vom 19. September 2014 konkretisierte den Waffenstillstand mit einem Neun Punkte-Plan inklusive
der Schaffung einer 30 Kilometer breiten Sicherheitszone beidseits der
«Kontaktlinie» der Konfliktparteien und des Abzugs aller ausländischen
Kämpfer und Söldner.55
7.
LEGITIMITÄT FÜR POROSCHENKO: OSZE-WAHLBEOBACHTER
Auf Einladung der ukrainischen Regierung stellte das OSZE-Büro für
demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) dem Land
vom 20. März bis 30. Juni 2014 insgesamt 18 Experten, 100 Langzeitsowie 900 Kurzzeit-Wahlbeobachter zur Verfügung, um die vorgezogene Präsidentschaftswahl vom 25. Mai zu überwachen.56 Auch die
Parlamentswahl vom 26. Oktober 2014 begleitete die OSZE mit 16 Experten, 80 Langzeit- und 600 Kurzzeit-Wahlbeobachtern.57
Zudem brachte die OSZE am 20. März 2014 auch ein Projekt des
Nationalen Dialogs auf den Weg und entsandte 15 internationale Experten in die Ukraine. Diese OSZE-Experten identifizierten konkrete
Möglichkeiten für weitere OSZE-Aktivitäten, um die soziale Kohäsion
im gespaltenen Land zu bewahren.58
54OSCE, Chairperson-in-Office welcomes Minsk agreement, assures President Poroshenko
of OSCE support, 05.09.2014; «Waffenruhe in der Ukraine hält offenbar», in: NZZ
(05.09.2014). Zu Heidi Tagliavini vgl. «Die Frau für Osteuropa», in: Berner Zeitung
(25.06.2014).
55 Andreas Wittkowsky und Anna Kadar, «Die OSZE und der Waffenstillstand in der Ukraine», in: ZIF Kompakt (24.10.2014).
56OSCE, Observation of Early Presidential Election in Ukraine, 25 May 2014.
57 Zahlen aus http://www.osce.org/ukrainemonitoring (Stand: 27.10.2014).
58OSCE, OSCE launches National Dialogue project in Ukraine, 20.03.2014. Ihre Empfehlungen wurden am 30. April am OSZE-Hauptsitz in Wien vorgestellt und unter den Mitgliedstaaten diskutiert. OSCE, Leader of OSCE National Dialogue Project in Ukraine presents
recommendations to Permanent Council, 30.04.2014.
BULLETIN 2014 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK
TESTFALL UKRAINE-KRISE
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Die nationale Einheit wurde im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im
Mai auch durch drei Runde Tische unter der Leitung der ukrainischen
Ex-Präsidenten Leonid Krawtschuk und Leonid Kutschma gestärkt, die
vom deutschen Ex-Diplomaten Wolfgang Ischinger als OSZE-Vertreter
moderiert wurden.59 Die Runden Tische profitierten dabei von den Vorschlägen der Experten des Projekts des Nationalen Dialogs sowie von
den Mediationskapazitäten im KVZ.
Die internationale Wahlbeobachtungsmission erklärte, dass die Präsidentschaftswahl von einer «hohen Wahlbeteiligung» und dem «klaren
Willen» der Behörden gekennzeichnet war, die Wahl trotz «feindseligem
Umfeld» in zwei östlichen Regionen «weitgehend mit internationalen
Verpflichtungen und Respekt für fundamentale Freiheiten» durchzuführen.60 Der Abschlussbericht präzisierte illegale und gewaltsame Vorfälle
in Donezk und Luhansk, welche in diesen Wahlbezirken zu Problemen
führten, erteilte dem Wahlprozess aber grundsätzlich gute Noten.61 Die
OSZE bezeichnete auch die Parlamentswahl als demokratisch und insgesamt positiv, bedauerte aber, dass die Krim sowie grosse Teile von
Doneszk und Luhansk erneut nicht an der Wahl teilnehmen konnten.62
Die OSZE gab damit im Mai und Oktober 2014 ihr Plazet für die
Legitimität des ukrainischen Präsidenten Pedro Poroschenko, seiner
prowestlichen Regierung sowie des Parlaments.
8. OSZE-BEOBACHTER ALS GRENZWÄCHTER
Am 24. Juli 2014 autorisierte der Ständige Rat in Wien eine spezifische
Observer Mission (OM) der russisch-ukrainischen Grenzübergängen
Gukowo und Donezk. Die Idee war bereits drei Wochen vorher während Aussenminister-Gesprächen im «Normandie-Format» in Berlin auf
russische Initiative hin als Vertrauensbildende Massnahme beschlossen
59 «Ischinger says Ukrainian national unity roundtables useful, important», in: Ukrinform,
20.05.2014.
60 OSCE International Election Observation Mission Ukraine, Statement of Preliminary Findings and Conclusions, 26.05.2014.
61 OSCE, ODIHR, Ukraine: Early Presidential Election, 25 May 2014, OSCE/ODIHR Election Observation Mission: Final Report, 30.06.2014.
62 OSCE International Election Observation Mission Ukraine, Statement of Preliminary Findings and Conclusions, 27.10.2014.
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AKTUELLE DISKUSSION
worden.63 Die Mission wurde für zunächst drei bis vier Monate eingerichtet, mit 16 zivilen Beobachtern, welche die Grenzposten auf russischem Territorium im 24-Stunden-Betrieb überwachten.64
Die Beobachter nahmen ihre Arbeit am 30. Juli auf und erstatteten
in der Folge den OSZE-Staaten wöchentlich Bericht. Der Entscheid
zeigte einmal mehr, dass die OSZE auch Ende Juli – nur gerade eine
Woche nach dem Abschuss von MH-17 – unter Schweizer Vorsitz nach
wie vor fähig war, einstimmige Beschlüsse zu fassen. Die OM sammelte
Informationen, berichtete über die Sicherheitslage an den zwei Grenzposten und hielt im Falle von Grenzzwischenfällen unparteiisch die
Fakten fest. Die OSZE trug durch die OM zu einer erhöhten Transparenz über militärische Bewegungen in der Grenzregion bei, wenn auch
nur an zwei spezifischen Orten an der über 200 Kilometer langen russisch-ukrainischen Grenze im Konfliktgebiet.
Die öffentlich zugänglichen Berichte belegen unter anderem Maschinengewehr- und Granatwerferfeuer zwischen ukrainischen Streitkräften und Militanten in der Nähe des Gukowo-Checkpoints sowie
Gruppen junger Männer in Militärkleidern und Rucksäcken, welche
die Grenze in beiden Richtungen überquerten.65 Anfang August baten
ukrainische Offiziere die OM telefonisch um Hilfe, nachdem rund 600
ukrainische Soldaten von Separatisten umzingelt worden waren und ihnen Munition, Nahrung und Treibstoff ausgegangen war. In der Folge
wurden 449 ukrainische Soldaten erfolgreich nach Russland begleitet,
dort zum Teil medizinisch versorgt und später wieder in Bussen in die
Ukraine zurückgebracht.66
Die OM diente im August 2014 als Testmodell für die Zeit nach
einer allfälligen dauerhaften Waffenruhe, bei der die Überwachung
der russisch-ukrainischen Grenze durch die OSZE ein wichtiges Element der Postkonfliktphase sein würde. Allerdings konnte die OM am
22. Oktober 2014 nur um einen weiteren Monat verlängert werden und
63 Auswärtiges Amt, Statement des Bundesministers Steinmeier nach Berliner Ukraine-Konferenz,
02.07.2014.
64OSCE, Decision No. 1130: Deployment of OSCE observers to two Russian checkpoints on the
Russian-Ukrainian border, PC.DEC/1130, 24.07.2014.
65 Die wöchentlichen Berichte finden sich unter: http://www.osce.org/om/122243.
66OSCE, Latest update by the OSCE Observer Mission, 04.08.2014.
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TESTFALL UKRAINE-KRISE
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Russland sperrte sich dagegen, die Mission im Sinne der Minsker Abkommen auf weitere Grenzübergänge auszuweiten.67
SCHLUSSFOLGERUNGEN: BEACHTLICHE (ZWISCHEN-)ERFOLGE
Der Ukraine-Konflikt stellte für den eher klein dotierten Schweizer OSZE-Vorsitz eine enorme Belastung dar. Dennoch nutzte die
Schweiz die Ukraine-Krise, um
die OSZE und ihre Instrumente
Burkhalter schaltete sich
im gesamten Konfliktzyklus einwiederholt auf höchster
zusetzen und visibel zu machen.
Ebene in das internationale
Die OSZE genoss 2014 die volle
Krisenmanagement ein.
Aufmerksamkeit der internationalen Politik. Die zuvor etwas in Vergessenheit geratene Organisation
war plötzlich wieder Gesprächsthema von Barack Obama, Angela Merkel oder Wladimir Putin und stand monatelang im Scheinwerferlicht
der Weltöffentlichkeit.
Anfang November 2014 durfte die mutige Schweizer Diplomatie
auf beachtliche (Zwischen-)Erfolge zurückblicken: Erstmals seit über
zehn Jahren hat die OSZE wieder eine grosse Feldmission auf den
Weg gebracht, nachdem Russland insbesondere auch von Bundespräsident Didier Burkhalter davon überzeugt worden war, grünes Licht dafür zu geben. Die Verifikationsmissionen gemäss Wiener Dokument
und Open-Skies-Vertrag demonstrierten zudem den Wert von militärischer Transparenz und Vertrauens- und Sicherheitsbildenden Massnahmen. Internationale Kontaktgruppen förderten in Genf, Berlin und
Minsk den Dialog zwischen Russland und Kiew. Der Amtierende Vorsitzende der OSZE, Didier Burkhalter, schaltete sich wiederholt auf
höchster Ebene in das internationale Krisenmanagement ein. Die OSZE
erwies sich auch nach dem tragischen Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs und den Minsker Friedensvereinbarungen als die einzige von allen Konfliktparteien als unparteiisch betrachtete und damit
handlungsfähige Organisation. Zuletzt war die OSZE via Burkhalters
Emissärin Heidi Tagliavini an den Verhandlungen zwischen Kiew und
67OSZE, Beschluss Nr. 1133: Verlängerung der Entsendung von OSZE-Beobachtern an zwei russische Kontrollposten an der russisch-ukrainischen Grenze, PC.DEC/1133, 22.10.2014.
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AKTUELLE DISKUSSION
Moskau beteiligt, welche im September 2014 zur Unterzeichnung der
Minsker Friedensabkommen führten.
In der OSZE ist prinzipiell immer Konsens nötig, um in einem Konflikt zwischen zwei Mitgliedstaaten wirkungsvoll zu vermitteln. 2014
war es der Verdienst des Schweizer Vorsitzes, diesen Konsens und politischen Willen unter den 57 OSZE-Staaten zu einem kooperativen
Vorgehen in der Ukraine zu schaffen.
Dass die OSZE in der Ukraine-Krise
Dass die OSZE in der
2014 eine Schlüsselrolle bei der poliUkraine-Krise eine
tischen Vermittlung und im internaSchlüsselrolle bei der
tionalen Konfliktmanagement spielte,
politischen Vermittlung
war dabei alles andere als selbstverspielte, war alles andere
ständlich. Zum Vergleich darf auf die
als selbstverständlich.
Georgien-Krise 2008 verwiesen werden, als Finnland die OSZE-Präsidentschaft inne hatte. Damals riss die
EU unter französischer Präsidentschaft das internationale Krisenmanagement an sich und Präsident Nicolas Sarkozy handelte einen Waffenstillstand zwischen Russland und Georgien aus. Die OSZE-Mission in Georgien musste auf russischen Druck Ende 2008 aus dem Land abziehen.
Die Georgienkrise bedeutete für die OSZE eine schwere Identitätskrise.68
Demgegenüber reagierte die Schweizer Diplomatie Ende Februar
aus dem Stand sehr gut auf die überraschende russische Annexion der
Krim und das rasche Abgleiten der Ost-Ukraine in einen Bürgerkrieg
und machte sich risikofreudig daran, sich mitten in den geostrategischen Konflikt zwischen dem Westen und Russland zu stürzen und in
Absprache mit Schlüsselakteuren die Konfliktmanagement-Instrumente
der OSZE auszuspielen.
Dass während der Ukraine-Krise gerade die Schweiz den OSZEVorsitz bekleidete, erwies sich dabei als Glücksfall. Da sie weder EUoder Nato-Mitglied noch Mitglied der Eurasischen Union ist, verfügte
sie bei allen Konfliktparteien über einen Vertrauensbonus. Burkhalter
sprach deshalb von einer «doppelten Unparteilichkeit» der Schweiz als
OSZE-Vorsitzende in der Ukraine-Krise.69 Der helvetischen Diplomatie gelang es, anfängliches Misstrauen der russischen Regierung in die
68 «OSZE zieht Beobachter aus Georgien ab», in: Deutsche Welle (22.12.2008).
69 Burkhalters SMS-Diplomatie.
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TESTFALL UKRAINE-KRISE
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OSZE abzubauen und Russland ins Krisenmanagement einzubinden.
Die Schweizer Diplomatie leistete in enger Abstimmung mit Berlin,
Paris, Washington, New York, Brüssel, Kiew und Moskau auf höchster
Ebene nützliche Beiträge an die Deeskalation der Ukraine-Krise.
Trotzdem muss das OSZE-Krisenmanagement in der Ukraine unter
Schweizer Führung auch mit einem kritischen Auge betrachtet werden.
Denn die russische Annexion der Krim-Halbinsel und die Destabilisierung der Ostukraine bedeuten nicht nur einen eklatanten Verstoss gegen
die UNO-Charta und internationales Völkerrecht, sondern auch gegen
die «OSZE-Bibel», die 1975 in der KSZE-Schlussakte von Helsinki vereinbarten Prinzipien europäischer Sicherheit. Die OSZE verfügt jedoch
über keine Mechanismen, um derartige Verletzungen zu sanktionieren.
Zudem zeigte die dreiwöchige Verzögerung bis zur Mandatierung der
grossen Beobachtermission (SMM) auch die Problematik des mühseligen, konsensorientierten Entscheidungsprozesses der Organisation auf,
bei dem einzelne Mitgliedstaaten mit ihrem Veto wichtige Entscheide
verhindern oder zumindest verzögern können.
Während der Schweizer OSZE-Präsidentschaft erreichten die Beziehungen Russlands zum Westen einen neuen Tiefpunkt. Der verhärtete Konflikt und die Nullsummenspiel-Mentalität beeinflussten auch
einige der geplanten Schweizer OSZE-Ziele für 2014 negativ, darunter
den institutionellen Reformprozess «Helsinki+40» sowie Versuche, die
konventionelle Rüstungskontrolle zu modernisieren. Auch die chronischen, eingefrorenen Konflikte im OSZE-Raum, insbesondere im Südkaukasus, litten unter den Folgen der Ukraine-Krise.70
Es stellt sich ferner die Frage, welche Mitglieder sich überhaupt noch
für den OSZE-Vorsitz zur Verfügung stellen und wer sich mit derart
grossem Aufwand dem OSZE-Krisenmanagement verschreibt wie die
Schweiz 2014. Im Vorfeld des Basler Ministerrats kündigte sich erneut
eine Doppelkandidatur an, und zwar von Deutschland (2016) und Österreich (2017). Der deutsche Vorsitz 2016 bedeutet für die OSZE eine
hervorragende Wahl, nachdem sich Aussenminister Frank-Walter Steinmeier bereits 2014 sehr stark für das OSZE-Krisenmanagement in der
70 Siehe dazu den unmittelbar folgenden Artikel in diesem Bulletin: Cécile Druey / Anna
Hess, «Das Engagement der Schweiz im Südkaukasus: Friedensförderung während des
OSZE-Vorsitzes und darüber hinaus».
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AKTUELLE DISKUSSION
Ukraine engagiert hat. Und auch für den jungen Aussenminister Sebastian Kunz ist die OSZE-Präsidentschaft 2017 eine gute Chance, international an Kontur zu gewinnen. Die österreichische Aussenpolitik hat
generell Interesse daran, dass die OSZE mit ihrem Hauptsitz in Wien
eine grosse Bedeutung in europäischen Sicherheitsfragen zukommt. Das
deutsch-österreichische Tandem soll am 4./5. Dezember 2014 in Basel
von den OSZE-Mitgliedern abgesegnet werden.71
2015 wird die Schweiz als die serbische Präsidentschaft im Sinne der
gemeinsamen Kandidatur von 2011 wie versprochen weiterhin begleiten, wenn auch mit beträchtlich geringerem Aufwand und geringerer
Visibilität als 2014. Für das nächste Jahr ist damit eine Kontinuität der
OSZE-Aktivitäten im Management der Ukraine-Krise garantiert. Im
Vorfeld des OSZE-Ministerrats in Basel vom 4./5. Dezember 2014 betonte Didier Burkhalter in Reden wiederholt, dass die Lehren aus dem
Umgang der OSZE in der Ukraine-Krise in den internen Reformprozess «Helsinki+40» einfliessen sollten, um die Kapazitäten der Organisation im Konfliktmanagement zu stärken. Der Schweiz ist es dabei insbesondere ein Anliegen, die Mediationskapazitäten der OSZE zu stärken.
Zudem schlug Burkhalter vor, in Basel ein Komitee von wichtigen
Persönlichkeiten aus allen OSZE-Regionen einzusetzen und damit zu
beauftragen, innert sechs Monaten einen Bericht über die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Europäische Sicherheitsarchitektur zu
verfassen. Dieser reflexive Prozess müsse sich den Fragen widmen: Wie
können die OSZE-Mitglieder sich wieder zu den normativen Grundlagen der europäischen Sicherheit verpflichten, wie sie in der Schlussakte von Helsinki (1975) und in der Charta von Paris (1990) kodifiziert
wurden? Wie kann das Vertrauen zwischen dem Westen und Russland
wieder aufgebaut werden und gleichzeitig gegenseitige Bedrohungswahrnehmungen reduziert werden? Wie können Eckpfeiler der paneuropäischen Sicherheit wie die konventionelle Rüstungskontrolle wieder
aufgebaut werden? Was braucht es, damit die Sicherheit in Europa wie-
71 Auswärtiges Amt, Deutschland bewirbt sich um OSZE-Vorsitz, 01.10.2014; «Österreich
strebt für 2017 OSZE-Vorsitz an», in: Der Standard (17.10.2014); «Freie Bahn für OSZEVorsitz Österreichs 2017», in: Die Presse (04.11.2014).
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TESTFALL UKRAINE-KRISE
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der unteilbar wahrgenommen wird und das Risiko weiterer Spannungen
abgebaut werden kann?72
Die OSZE feiert am 1. August 2015 den 40. Jahrestag der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki. Es wäre der Schweizer Diplomatie und der OSZE gleichermassen zu wünschen, dass im Rahmen des
Berichts des Expertengremiums und des OSZE-Reformprozesses Helsinki+40 im Bereich des Konfliktmanagements Lektionen aus der Ukraine-Krise gezogen würden und der Beschluss 3/11 entsprechend aktualisiert würde. Die Konfrontation zwischen dem Westen und Russland
hat demonstriert, wie wichtig eine effiziente und effektive OSZE unter
einem aktiven und engagierten Vorsitz für die Sicherheit in Europa ist.
72EDA, Rede von Bundespräsident Didier Burkhalter anlässlich der hochrangigen Woche der 69.
UNO-Generalversammlung, «Addressing the Crisis of European Security: The Way Forward and the Role of the OSCE», New York, 25.09.2014; EDA, Ansprache von Bundespräsident Didier Burkhalter anlässlich der 24. Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der
OSZE, «Reconsolidating European Security with Vision, Determination, and a Stronger
OSCE», Genf, 03.10.2014.
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