Reformierte Presse
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Wochenzeitung der reformierten Kirchen
AKTUALITÄT Evangelisches
Stadtkloster in Zürich wird
Realität 5
Nr. 42 I 17. Oktober 2014
THEMA Reformierte Frömmigkeit hält
den Laienkelch hoch. Und was noch?
Ein Klärungsversuch 6
FEUILLETON Neuer Bibelatlas
verführt zum Schauen,
zu Bildung und Genuss 13
Zu fromm für Subventionen?
Bestimmte evangelische Jugendorganisationen erhalten 2014 vom Bund keine Förderung mehr
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat die Förderungsanträge von siebzehn evangelikal oder
freikirchlich geprägten Jugendverbänden abgelehnt. Einige von ihnen
legen jetzt Beschwerde ein.
Marianne Weymann – Rund
670 000 Franken werden 2014 in
den Kassen fehlen. Betroffene
sind zum Beispiel die Vereinigten Bibelgruppen, aber auch Jugendorganisationen der Heilsarmee, der Mennoniten oder der
Evangelisch-methodistischen Kirche. Anders als in den vergangenen Jahren haben sie vom BSV
auf ihren Förderungsantrag einen
negativen Bescheid erhalten. Dar-
in heisst es: «Zweck Ihrer Organisation ist nicht die auf den
Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen basierende Förderung
gemäss des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes (KJFG). Sie
stellen Ihre Glaubenspraxis, die
religiöse Unterweisung und die
Verbreitung Ihrer Glaubensgrundlagen ins Zentrum. Ihre Arbeit mit
den Kindern und Jugendlichen ist
Mittel zu diesem übergeordneten
Organisationszweck.»
«Alle betroffenen Verbände
sind irritiert», sagt Andi Bachmann, Jugendbeauftragter der
Schweizerischen Evangelischen
Allianz (SEA). Ihm erscheint die
Auswahl «willkürlich». Auch die-
se Organisationen hätten das Ziel,
«junge Menschen ganzheitlich zu
fördern, und nicht als Mittel zum
Zweck».
«Keine Gesinnungsprüfung»
Eveline Zurbriggen, Bereichsleiterin für Kinder- und Jugendfragen am BSV, weist diese Vorwürfe
entschieden zurück. Von Willkür
könne keine Rede sein. 2013 hätten sich die Kriterien geändert,
die betroffenen Organisationen
seien informiert worden. 2014
seien dann alle glaubensbasierten
Organisationen einer Stichprobenprüfung unterzogen worden.
Dabei sei nicht die Gesinnung
geprüft worden, sondern die
«Zweckerfüllung nach KFJG».
Etliche andere glaubensbasierte
Organisationen erhielten auch
2014 Fördergelder. Tatsächlich
finden sich auf der Liste der rund
70 geförderten Organisationen
auch der Cevi oder die katholische Jungwacht Blauring.
Für die betroffenen Organisationen sind die Begründungen des
BSV nicht stichhaltig. Sieben von
ihnen haben jetzt Bachmann beauftragt, eine Beschwerde beim
Verwaltungsgericht zu koordinieren. «Wir hoffen sehr, dass der
Entscheid korrigiert wird», sagt
Bachmann. «In diesen Verbänden
wird ganz wertvolle Arbeit geleistet.»
Wunderbarer Wein für alle
600 Jahre Abendmahl in beiderlei Gestalt
Foto: zvg
In Prag wurde des 600-Jahre-Jubiläums der ersten reformatorischen
Abendmahlsfeier mit Brot und Wein
gedacht, die 1414 in der «Goldenen
Stadt» stattfand.
Zahlreiche Festgäste aus dem In- und Ausland kamen in die Prager Bethlehemskapelle,
wo einst der Reformator Jan Hus wirkte.
Hans Jürgen Luibl – Sonntag,
12. Oktober, Bethlehemskapelle
Prag. Die Kirche, mittlerweile
ein Universitätsgebäude, das nur
noch selten als Gotteshaus genutzt wird, ist überfüllt. Gottesdienstbesucher, meist Tschechen,
aber auch aus anderen Nationen,
Chöre und der öffentlich-rechtliche Fernsehsender – ein Abendmahlsgottesdienst in Feststimmung. Zu feiern ist ein Ereignis,
das 600 Jahre zurückliegt.
Damals, im Herbst 1414, feierten Christen das Abendmahl unter
beiderlei Gestalt, mit Brot und
Wein. Das war zu dieser Zeit ein
Bruch von Kirchenrecht und frommer Konvention. Denn die Eucharistie hatte sich im Hochmittelalter zu einem geteilten Sakrament
entwickelt: Brot und Wein den
Priestern, nur Brot dem Volk. Mit
dieser Zweiteilung in der Eucharistie war auch eine Spaltung des
Christenvolkes generell verbunden. Die Geweihten, dem Himmel
so nah, verteidigten ihre Privilegien, das Volk musste sich den
Himmel täglich erarbeiten.
Fortsetzung auf Seite 3
Aktualität
Nr. 42 I 17. Oktober 2014 reformierte presse
Wunderbarer Wein für alle
Fortsetzung von Seite 1
Foto: public domain
de als Ketzer verurteilt und verbrannt. Zudem wurde der sogenannte Laienkelch verboten.
Allegorische Darstellung der evangelischen Lehre: Martin Luther und Jan Hus (r.)
beim Abendmahl in beiderlei Gestalt.
Es betete und spendete zusätzlich, suchte Ablass und Absolution, ohne sich jedoch des Himmels gewiss sein zu können. Diese Ungewissheit verknüpfte sich
mit einer anderen: Ob man denn
noch der wahren Kirche angehöre
und so zu Gott kommen könne?
Denn die Papstkirche war gespalten, ein Papst residierte in Rom,
der andere in Avignon. Und überhaupt: Konnte die Kirche, so geistig heruntergewirtschaftet sie nun
einmal war, überhaupt den Weg
zum ewigen Leben eröffnen? Die
Zweifel wuchsen.
Verbot des Laienkelchs
Hier setzte dann Ende des
14. Jahrhunderts die böhmische
Reformation ein, etwa mit dem
Bussprediger Johannes Milicius.
Er sammelte Menschen um sich,
auch Prostituierte ohne Schutzraum, organisierte eine neue Gemeinschaft, ein «neues Jerusa-
Hans Jürgen Luibl ist Theologe und
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
für evangelische Erwachsenenbildung
in Bayern.
lem». Und in dieser Gemeinschaft
wurde auch Abendmahl gefeiert,
häufig, täglich, weil Menschen
Nahrung für ihre Seele, Medizin
zum ewigen Leben brauchten.
Aus dieser Vorstellung keimten
neue Hoffnungen: Ist denn der
Kelch den Priestern vorbehalten,
oder ist er nicht für alle da, auch
für die getauften Kinder? Und
stand dies nicht auch so in der Bibel, die man neu zu lesen begann?
Zur Symbolfigur einer neuen
Gemeinschaft der Gläubigen, die
im Abendmahl ihre Gewissheit
und in Kirche und Welt ihre sozialen Aufgaben entdeckte, wurde
der Priester Jan Hus, Prediger in
der Bethlehemskapelle. Er predigte in der Landessprache, forderte Reformen in Kirche und
Gesellschaft, was nicht immer auf
Zustimmung stiess. Und dabei
wurde er auch ein Symbol des politischen und nationalen Widerstands.
Die böhmischen Vorgänge sollten auf der Synode von Konstanz
geklärt werden. Hus reiste, nachdem ihm Geleitschutz zugesichert
worden war, dorthin – und wur-
Symbol des Lebens
Dies führte zu weiteren Streitigkeiten in einzelnen Gemeinden,
ob der Laienkelch gereicht werden solle oder nicht. Und es kam
zu fünf Kreuzzügen gegen die reformatorisch gesinnten Böhmen,
die man Hussiten nannte. Dennoch entwickelte sich eine Vielfalt
von Kirchenformen. 1620 aber, in
der Schlacht am Weissen Berg,
wurden die Evangelischen vernichtend geschlagen, verschwanden ganz oder im Untergrund.
Ihr Erkennungszeichen blieb
der Kelch und wurde zu einem
Kristallisationspunkt der europäischen Reformation über die Grenzen der Konfessionen und Nationen hinweg. Aus dem Kelch für
alle kommt das Leben als Gabe
Gottes für alle, aus der Kraft des
Glaubens kommt die Zuversicht,
Leben für alle zu erschliessen.
Denn allen Menschen sollen die
Gabe des ewigen Lebens und die
Güter dieses Lebens zugute kommen.
Bald aus einem Kelch?
«Es fehlt uns nicht an Wein, sondern an der Fähigkeit, ihn gerecht
zu verteilen», so Martina Lukesová, Pfarrerin der Evangelischen
Kirche der Böhmischen Brüder.
Für ihre Gemeinschaft ist die Verheissung ethische Verpflichtung in
einer Gesellschaft, die nur noch
wenige christliche Traditionen
kennt.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Kollekte an diesem
Sonntag der Erinnerung bestimmt
war für die Arbeit mit Romafrauen unter dem Stichwort
«Raus aus dem Ghetto». «Mir
ging das Herz auf», sagte eine
Gottesdienstbesucherin am Ende.
Das Grusswort der katholischen
Kirche sprach von der Hoffnung,
dass die Kirchen bald aus einem
Kelch trinken werden. Und auf
der Strasse blieben Spaziergänger
stehen und swingten mit den
Klängen aus der Kapelle.
3
Namen
Prof. Dr. theol. Hans Heinrich Schmid,
Rektor der Universität Zürich von
1988 – 2000, ist tot. Der emeritierte
Professor für alttestamentliche Wissenschaft und allgemeine Religionsgeschichte starb am 5. Oktober im
Alter von 77 Jahren.
Die Reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn melden folgende Mutationen von Pfarrpersonen per 1. Oktober:
Die frühere Berner Münsterpfarrerin
Maja Zimmermann-Güpfert wurde am 21. September in Gerzensee
eingesetzt. Am 12. Oktober fand die
Amtseinsetzung von Esther Schläpfer
im Berner Münster statt sowie von
Elias Henny in Dürrenroth und von
Hélène Ochsenbein Flück (vorher
in Guttannen) in Herzogenbuchsee.
Ueli Wagner (vorher in Bätterkinden)
wird am 19. Oktober in Aarwangen
installiert und Claude Belz (vorher in
Münsingen) am 26. Oktober in der
Kirchgemeinde Thun-Strättligen.
Die christkatholische Theologin
Miriam Schneider ist seit dem 1. Oktober als erste Geschäftsleiterin der
IG Feministische Theologinnen tätig.
Evangelikale Pflegeeltern
ref.ch – Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) platzieren überdurchschnittlich viele Kinder
in Pflegefamilien mit freikirchlichem
Hintergrund. Ruedi Winet von der Vereinigung der KESB des Kantons Zürich sagte am 14. Oktober gegenüber
dem «Blick»: «Die Situation macht uns
nicht glücklich, doch wir haben keine
Wahl.» Als problematisch betrachtet
Winet beispielsweise, wenn ein Pflegekind zum Mittagsgebet gezwungen
wird oder wenn das Kind nach den
Vorstellungen und dem Glauben der
Pflegeeltern leben muss.
Massentaufe von Soldaten
ref.ch – Mit einer ungewöhnlichen
Massentaufe haben sich Mitglieder
von Russlands Armee zum orthodoxen Christentum bekannt. Mehr als
300 Soldaten liessen sich im Beisein
des Vizekommandeurs der Garnison
Wolgograd im Fluss Karpowka taufen. Russlands Armee hat in den vergangenen Jahren immer mehr Militärgeistliche eingestellt. In zahlreichen Kasernen wurden Gebetsräume
eingerichtet.
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