Reformierte Presse Postfach, 8026 Zürich Tel. 044 299 33 21 Fax 044 299 33 93 E-Mail: [email protected], www.reformierte-presse.ch Abonnemente: Tel. 033 828 81 12 Inserate: Tel. 044 299 33 11 E-Mail: [email protected] 28. Jahrgang Preis: Fr. 3.60 (inkl. 2,5% MwSt.) Auflage: 3487 (WEMF) Wochenzeitung der reformierten Kirchen AKTUALITÄT Evangelisches Stadtkloster in Zürich wird Realität 5 Nr. 42 I 17. Oktober 2014 THEMA Reformierte Frömmigkeit hält den Laienkelch hoch. Und was noch? Ein Klärungsversuch 6 FEUILLETON Neuer Bibelatlas verführt zum Schauen, zu Bildung und Genuss 13 Zu fromm für Subventionen? Bestimmte evangelische Jugendorganisationen erhalten 2014 vom Bund keine Förderung mehr Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat die Förderungsanträge von siebzehn evangelikal oder freikirchlich geprägten Jugendverbänden abgelehnt. Einige von ihnen legen jetzt Beschwerde ein. Marianne Weymann – Rund 670 000 Franken werden 2014 in den Kassen fehlen. Betroffene sind zum Beispiel die Vereinigten Bibelgruppen, aber auch Jugendorganisationen der Heilsarmee, der Mennoniten oder der Evangelisch-methodistischen Kirche. Anders als in den vergangenen Jahren haben sie vom BSV auf ihren Förderungsantrag einen negativen Bescheid erhalten. Dar- in heisst es: «Zweck Ihrer Organisation ist nicht die auf den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen basierende Förderung gemäss des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes (KJFG). Sie stellen Ihre Glaubenspraxis, die religiöse Unterweisung und die Verbreitung Ihrer Glaubensgrundlagen ins Zentrum. Ihre Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist Mittel zu diesem übergeordneten Organisationszweck.» «Alle betroffenen Verbände sind irritiert», sagt Andi Bachmann, Jugendbeauftragter der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA). Ihm erscheint die Auswahl «willkürlich». Auch die- se Organisationen hätten das Ziel, «junge Menschen ganzheitlich zu fördern, und nicht als Mittel zum Zweck». «Keine Gesinnungsprüfung» Eveline Zurbriggen, Bereichsleiterin für Kinder- und Jugendfragen am BSV, weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Von Willkür könne keine Rede sein. 2013 hätten sich die Kriterien geändert, die betroffenen Organisationen seien informiert worden. 2014 seien dann alle glaubensbasierten Organisationen einer Stichprobenprüfung unterzogen worden. Dabei sei nicht die Gesinnung geprüft worden, sondern die «Zweckerfüllung nach KFJG». Etliche andere glaubensbasierte Organisationen erhielten auch 2014 Fördergelder. Tatsächlich finden sich auf der Liste der rund 70 geförderten Organisationen auch der Cevi oder die katholische Jungwacht Blauring. Für die betroffenen Organisationen sind die Begründungen des BSV nicht stichhaltig. Sieben von ihnen haben jetzt Bachmann beauftragt, eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu koordinieren. «Wir hoffen sehr, dass der Entscheid korrigiert wird», sagt Bachmann. «In diesen Verbänden wird ganz wertvolle Arbeit geleistet.» Wunderbarer Wein für alle 600 Jahre Abendmahl in beiderlei Gestalt Foto: zvg In Prag wurde des 600-Jahre-Jubiläums der ersten reformatorischen Abendmahlsfeier mit Brot und Wein gedacht, die 1414 in der «Goldenen Stadt» stattfand. Zahlreiche Festgäste aus dem In- und Ausland kamen in die Prager Bethlehemskapelle, wo einst der Reformator Jan Hus wirkte. Hans Jürgen Luibl – Sonntag, 12. Oktober, Bethlehemskapelle Prag. Die Kirche, mittlerweile ein Universitätsgebäude, das nur noch selten als Gotteshaus genutzt wird, ist überfüllt. Gottesdienstbesucher, meist Tschechen, aber auch aus anderen Nationen, Chöre und der öffentlich-rechtliche Fernsehsender – ein Abendmahlsgottesdienst in Feststimmung. Zu feiern ist ein Ereignis, das 600 Jahre zurückliegt. Damals, im Herbst 1414, feierten Christen das Abendmahl unter beiderlei Gestalt, mit Brot und Wein. Das war zu dieser Zeit ein Bruch von Kirchenrecht und frommer Konvention. Denn die Eucharistie hatte sich im Hochmittelalter zu einem geteilten Sakrament entwickelt: Brot und Wein den Priestern, nur Brot dem Volk. Mit dieser Zweiteilung in der Eucharistie war auch eine Spaltung des Christenvolkes generell verbunden. Die Geweihten, dem Himmel so nah, verteidigten ihre Privilegien, das Volk musste sich den Himmel täglich erarbeiten. Fortsetzung auf Seite 3 Aktualität Nr. 42 I 17. Oktober 2014 reformierte presse Wunderbarer Wein für alle Fortsetzung von Seite 1 Foto: public domain de als Ketzer verurteilt und verbrannt. Zudem wurde der sogenannte Laienkelch verboten. Allegorische Darstellung der evangelischen Lehre: Martin Luther und Jan Hus (r.) beim Abendmahl in beiderlei Gestalt. Es betete und spendete zusätzlich, suchte Ablass und Absolution, ohne sich jedoch des Himmels gewiss sein zu können. Diese Ungewissheit verknüpfte sich mit einer anderen: Ob man denn noch der wahren Kirche angehöre und so zu Gott kommen könne? Denn die Papstkirche war gespalten, ein Papst residierte in Rom, der andere in Avignon. Und überhaupt: Konnte die Kirche, so geistig heruntergewirtschaftet sie nun einmal war, überhaupt den Weg zum ewigen Leben eröffnen? Die Zweifel wuchsen. Verbot des Laienkelchs Hier setzte dann Ende des 14. Jahrhunderts die böhmische Reformation ein, etwa mit dem Bussprediger Johannes Milicius. Er sammelte Menschen um sich, auch Prostituierte ohne Schutzraum, organisierte eine neue Gemeinschaft, ein «neues Jerusa- Hans Jürgen Luibl ist Theologe und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für evangelische Erwachsenenbildung in Bayern. lem». Und in dieser Gemeinschaft wurde auch Abendmahl gefeiert, häufig, täglich, weil Menschen Nahrung für ihre Seele, Medizin zum ewigen Leben brauchten. Aus dieser Vorstellung keimten neue Hoffnungen: Ist denn der Kelch den Priestern vorbehalten, oder ist er nicht für alle da, auch für die getauften Kinder? Und stand dies nicht auch so in der Bibel, die man neu zu lesen begann? Zur Symbolfigur einer neuen Gemeinschaft der Gläubigen, die im Abendmahl ihre Gewissheit und in Kirche und Welt ihre sozialen Aufgaben entdeckte, wurde der Priester Jan Hus, Prediger in der Bethlehemskapelle. Er predigte in der Landessprache, forderte Reformen in Kirche und Gesellschaft, was nicht immer auf Zustimmung stiess. Und dabei wurde er auch ein Symbol des politischen und nationalen Widerstands. Die böhmischen Vorgänge sollten auf der Synode von Konstanz geklärt werden. Hus reiste, nachdem ihm Geleitschutz zugesichert worden war, dorthin – und wur- Symbol des Lebens Dies führte zu weiteren Streitigkeiten in einzelnen Gemeinden, ob der Laienkelch gereicht werden solle oder nicht. Und es kam zu fünf Kreuzzügen gegen die reformatorisch gesinnten Böhmen, die man Hussiten nannte. Dennoch entwickelte sich eine Vielfalt von Kirchenformen. 1620 aber, in der Schlacht am Weissen Berg, wurden die Evangelischen vernichtend geschlagen, verschwanden ganz oder im Untergrund. Ihr Erkennungszeichen blieb der Kelch und wurde zu einem Kristallisationspunkt der europäischen Reformation über die Grenzen der Konfessionen und Nationen hinweg. Aus dem Kelch für alle kommt das Leben als Gabe Gottes für alle, aus der Kraft des Glaubens kommt die Zuversicht, Leben für alle zu erschliessen. Denn allen Menschen sollen die Gabe des ewigen Lebens und die Güter dieses Lebens zugute kommen. Bald aus einem Kelch? «Es fehlt uns nicht an Wein, sondern an der Fähigkeit, ihn gerecht zu verteilen», so Martina Lukesová, Pfarrerin der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder. Für ihre Gemeinschaft ist die Verheissung ethische Verpflichtung in einer Gesellschaft, die nur noch wenige christliche Traditionen kennt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Kollekte an diesem Sonntag der Erinnerung bestimmt war für die Arbeit mit Romafrauen unter dem Stichwort «Raus aus dem Ghetto». «Mir ging das Herz auf», sagte eine Gottesdienstbesucherin am Ende. Das Grusswort der katholischen Kirche sprach von der Hoffnung, dass die Kirchen bald aus einem Kelch trinken werden. Und auf der Strasse blieben Spaziergänger stehen und swingten mit den Klängen aus der Kapelle. 3 Namen Prof. Dr. theol. Hans Heinrich Schmid, Rektor der Universität Zürich von 1988 – 2000, ist tot. Der emeritierte Professor für alttestamentliche Wissenschaft und allgemeine Religionsgeschichte starb am 5. Oktober im Alter von 77 Jahren. Die Reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn melden folgende Mutationen von Pfarrpersonen per 1. Oktober: Die frühere Berner Münsterpfarrerin Maja Zimmermann-Güpfert wurde am 21. September in Gerzensee eingesetzt. Am 12. Oktober fand die Amtseinsetzung von Esther Schläpfer im Berner Münster statt sowie von Elias Henny in Dürrenroth und von Hélène Ochsenbein Flück (vorher in Guttannen) in Herzogenbuchsee. Ueli Wagner (vorher in Bätterkinden) wird am 19. Oktober in Aarwangen installiert und Claude Belz (vorher in Münsingen) am 26. Oktober in der Kirchgemeinde Thun-Strättligen. Die christkatholische Theologin Miriam Schneider ist seit dem 1. Oktober als erste Geschäftsleiterin der IG Feministische Theologinnen tätig. Evangelikale Pflegeeltern ref.ch – Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) platzieren überdurchschnittlich viele Kinder in Pflegefamilien mit freikirchlichem Hintergrund. Ruedi Winet von der Vereinigung der KESB des Kantons Zürich sagte am 14. Oktober gegenüber dem «Blick»: «Die Situation macht uns nicht glücklich, doch wir haben keine Wahl.» Als problematisch betrachtet Winet beispielsweise, wenn ein Pflegekind zum Mittagsgebet gezwungen wird oder wenn das Kind nach den Vorstellungen und dem Glauben der Pflegeeltern leben muss. Massentaufe von Soldaten ref.ch – Mit einer ungewöhnlichen Massentaufe haben sich Mitglieder von Russlands Armee zum orthodoxen Christentum bekannt. Mehr als 300 Soldaten liessen sich im Beisein des Vizekommandeurs der Garnison Wolgograd im Fluss Karpowka taufen. Russlands Armee hat in den vergangenen Jahren immer mehr Militärgeistliche eingestellt. In zahlreichen Kasernen wurden Gebetsräume eingerichtet. Informiert bleiben? Täglich News gibt’s im ref.ch-Newsletter. Hier abonnieren: ref.ch/newsletter
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