Predigt am 07.02.2016 im DGH Volkmarshausen: Fünf Weintrauben des Abendmahls Vor der Predigt haben wir fünf Weintrauben = fünf Bedeutungen des Abendmahls herausgearbeitet und diskutiert: Traube Nr. 1: Freiheit Lesung: 2. Mo 12,21-42 – Passahfest und Befreiung (Matthias) Lied: Als Israel in Ägypten war (Strophen 1-4.11-12) Austausch: Spüre ich Freiheit beim Abendmahl? Traube Nr. 2: Außenseiter willkommen Lesung: Lk 19,1-10 – Jesus isst mit Außenseitern (Petra) Lied: LW 36,1-4 Bist zu uns wie ein Vater Austausch: Abendmahl für Außenseiter? Traube Nr. 3: Freie Wahl Lesung: Lk 14,15-24 – Tut mir Leid, keine Zeit (Matthias) Lied: LW 17,1-4 O komm, du Geist der Wahrheit / Freie Wahl Austausch: Was hält Menschen vom Abendmahl ab? Traube Nr. 5: Sündenvergebung Lesung: Mt 26,17-30 – Das letzte Abendmahl (Petra) Lied: EG 190.2 Christe, du Lamm Gottes Austausch: Wie wichtig ist uns heute die Sündenvergebung? Traube Nr. 5: Gemeinschaft Lesung 5: Apg 2,42-46 – Abendmahl der ersten Christen (Matthias) Lied: LW 75 Du bist heilig, du bringst Heil Austausch: Stärkt das Abendmahl unsere Gemeinschaft? Abschließende Predigt: Noch vor 40 Jahren wurde das Abendmahl in der evangelischen Kirche völlig anders gefeiert als heute. Die fünf Bedeutungen des Abendmahls standen nicht gleichberechtigt nebeneinander, sondern die Sündenvergebung war die eine große Traube. Noch vor 40 Jahren wurde in vielen Gemeinden vor dem Abendmahl das folgende Sündenbekenntnis gesprochen (EG 799): „Allmächtiger Gott, barmherziger Vater! Ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne dir alle meine Sünde und Missetat, die ich begangen mit Gedanken, Worten und Werken, womit ich dich erzürnt und deine Strafe zeitlich und ewiglich verdient habe. Sie sind mir aber alle herzlich leid und reuen mich sehr, und ich bitte dich um deiner grundlosen Barmherzigkeit und um des unschuldigen, bitteren Leidens und Sterbens deines lieben Sohnes Jesus Christus willen, du wollest mir armem, sündhaftem Menschen gnädig und barmherzig sein, mir alle meine Sünden vergeben und zu meiner Besserung deines Geistes Kraft verleihen.“ Bei diesen Worten ist es kein Wunder, dass das Abendmahl eine tod-ernste Angelegenheit war. Und dementsprechend selten wurde es gefeiert: Am Karfreitag und am Buß- und Bettag. Und natürlich bei den Konfirmationen, aber auch hier wieder im tod-ernsten Sinne: „Du bist ein Sünder durch und durch, dass du einmal sterben wirst, ist nur gerecht, allein das Blut unseres Herrn Jesus Christus kann dich retten!“ Heute versuchen wir alle fünf Bedeutungen gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Insgesamt wird das Abendmahl dadurch fröhlicher. Schauen Sie einmal auf den Liturgiezettel: Unser erstes Lied „Kommt mit Gaben und Lobgesang“ ist durchweg fröhlich. Es nimmt den Aspekt der Freiheit auf („jubelt laut und sagt fröhlich Dank“), Außenseiter werden integriert („Christus eint uns und gibt am Heil seines Mahles uns allen teil“), das Abendmahl bleibt jedoch ein Angebot und ist kein Zwang („fühlbar will er uns nahe sein“), schließlich wird die solidarische Gemeinschaft der Teilnehmenden betont („wahre Liebe schenkt Wort und Tat“, „gibt uns Wort und Brot für die Welt“). Dieses fröhliche Lied könnten wir wohl kaum nach dem tod-ernsten Sündenbekenntnis singen, das ich zuvor vorgelesen habe. Dennoch ist der Aspekt der Sündenvergebung auch in unserer Liturgie nicht gestrichen, sondern er behält eine wichtige Rolle. Im Vater unser begegnet uns das Thema Schuld und Sünde ganz deutlich („Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“). Dann folgen die Einsetzungsworte. Hier spricht Jesus von seinem Blut, das für uns „vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Und nach den Einsetzungsworten singen wir den Gesang „Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser“. Mit unserer Abendmahlsliturgie schaffen wir es also, alle fünf Bedeutungen des Abendmahls aufzunehmen. Über den Ablauf habe ich noch keine Klagen gehört, denn jeder kann seine aktuell wichtigste Bedeutung darin wiederfinden. Was wir aber noch nicht zufriedenstellend geklärt haben, das ist die Form, wie wir Abendmahl feiern wollen: mit einem Gemeinschaftskelch oder mit Einzelkelchen? Der Gemeinschaftskelch macht sehr schön die Gemeinschaft der Gläubigen deutlich. Jesus und seine Jünger haben auch aus einem gemeinsamen Kelch getrunken. Jesus und seine Jünger waren aber auch nur 13 Personen. Und von Hygiene wussten sie noch nichts. Heute sind wir z.B. bei Konfirmationen wesentlich mehr Teilnehmer. Und von Hygiene haben wir schon mal etwas gehört. Natürlich stecken sich gesunde Menschen beim Abendmahl mit keiner Krankheit an. Aber was ist mit kranken Menschen? Ja natürlich, wer krank ist, trinkt nicht aus dem Gemeinschaftskelch… Aber woraus trinkt er dann? In unserer Gemeinde hat sich seit 2 Jahren das Eintunken eingebürgert. Viele heben die Oblate auf und tunken sie in den Kelch. Das ist aber nur auf den ersten Blick eine hygienische Lösung. Denn ehe die Oblate in den Kelch wandert, wurde sie schon 20 Mal in der Hand herumgedreht. Überlegen Sie kurz, was Ihre Hände auf dem Weg zum Gottesdienst alles angefasst haben: die Schnürsenkel, die Türklinke, das Taschentuch usw. Langfristig führt an Einzelkelchen wohl kein Weg vorbei. In Skandinavien sind die Einzelkelche schon seit über 100 Jahren eingeführt, aus hygienischen Gründen. In Deutschland experimentieren wir in vielen Gemeinden noch mit getöpferten Einzelkelchen, die manchmal eher an Eierbecher erinnern. In Dänemark habe ich bei einem Urlaub das skandinavische Modell kennengelernt: Zunächst einmal sehen dort die Einzelkelche nicht nach Eierbechern aus. Sie sind aus Edelstahl und haben die Form des großen Kelchs, nur eben in Klein. Wenn man zum Abendmahl geht, nimmt man sich von einem Seitentisch einen leeren Einzelkelch. Beim Abendmahl geht ein Kirchenvorsteher mit dem großen Kelch im Kreis herum und füllt aus dem großen Kelch die kleinen Kelche. Der große Kelch ist so gefertigt, dass man bequem daraus gießen kann. (Bei der Gimter Kanne geht das nicht, weil ich die Füllhöhe nicht sehe.) Auf den Kirchenvorsteher folgt der Pastor, der spricht „Nimm hin und trink vom Kelch des Heils“ – und dann trinkt jeder den Wein, der aus dem einen großen Kelch stammt. Die perfekte Verbindung von Gemeinschaft und Hygiene! Leider lassen sich 100 Einzelkelche nicht aus der Portokasse finanzieren. Und im Moment hat unsere Kirchenheizung Vorrang. Sie werden also noch einige Zeit warten müssen, bis wir ernsthaft überlegen können, ob wir vom Gemeinschaftskelch auf Einzelkelche wechseln. Aber bis es soweit ist, können sie trotzdem schon mal etwas tun: Besuchen Sie in Ihrem Urlaub doch mal einen Abendmahlsgottesdienst in einer anderen Gemeinde und nehmen Sie wachsam teil: Was gefällt Ihnen? Wo sind Form und Botschaft stimmig zueinander? Unsere Gottesdienste versuchen wir immer so zu gestalten, dass jeder, der kommt, sie verstehen kann und sich angenommen fühlt. Das gleiche sollte auch für das Abendmahl gelten: Wir müssen es so gestalten, dass jeder, der möchte, gern zum Tisch des Herrn geht. Denn der Herr freut sich über jeden, der kommt! „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle [unsere] Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.“ (Phil 4,7) Amen.
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