I. Was ist Sozialpsychologie und wie geht sie vor? • • • • • Definitionen, Betrachtungsebenen und Gegenstandsbereiche Historische Trends Grundprinzipien Methoden Schlüsseluntersuchungen © Gerd Bohner 2001 1 1. Definitionen, Betrachtungsebenen und Gegenstandsbereiche • Definitorisches: "Es gibt keinen Gegenstand und kein Feld, die einer Wissenschaft allein gehören. ... Was in der Sozialpsychologie betrieben wird, ist durch Theorien definierbar, die derzeit als sozialpsychologische Theorien bezeichnet werden." (Irle, 1975, S. 13, 16) "Social psychologists regard their discipline as an attempt to understand and explain how the thought, feeling and behaviour of individuals is influenced by the actual, imagined or implied presence of others." (Allport, 1954, p. 3) © Gerd Bohner 2001 2 "Social psychology is the scientific study of the effects of social and cognitive processes on the way individuals perceive, influence, and relate to others." (Smith & Mackie, 2000, p. 3) • Sozialpsychologie als Teildisziplin der Psychologie "Soziologische" und "psychologische" Traditionen in der Sozialpsychologie. Unterscheiden sich in bevorzugter Betrachtungsebene (Individuum vs. Gesellschaft), obwohl Gegenstandsbereiche einander ähnlich sind. Wir betonen in dieser Vorlesung die psychologische Perspektive. © Gerd Bohner 2001 3 • Gegenstandsbereiche: – Soziale Wahrnehmung • Eindrucksbildung und Personengedächtnis • Entscheidungen im sozialen Kontext • Entstehung und Aufrechterhaltung von Vorurteilen – Sozialer Einfluss • Einstellungsänderung • Soziale Normen und Konformität – Soziale Beziehungen • • • • Partnerwahl und enge Beziehungen Aggression und Hilfeleistung Gruppenprozesse Beziehungen zwischen Gruppen © Gerd Bohner 2001 4 2. Historische Trends • Spätes 19. Jh.: Entstehung der SP als empirische Wissenschaft • Frühes 20. Jh.: SP behauptet kognitive Orientierung gegen Behaviorismus • Mitte 20. Jh.: Nationalsozialismus, Emigration, 2. Weltkrieg prägen SP • Spätes 20. Jh.: "Europäische SP" entsteht neu; Integration und Konsolidierung © Gerd Bohner 2001 5 3. Acht Grundprinzipien Axiome: Motive: - Subjektive Konstruktion der Realität - Universalität sozialer Einflüsse - Kontrolle ("mastery") - Verbindung mit anderen - Selbstwert Prinzipien der Informationsverarbeitung: - Konservatismus - Zugänglichkeit ("accessibility") - Kontinuum der Verarbeitungstiefe © Gerd Bohner 2001 6 4. Methoden der Sozialpsychologie • Methoden der Sozialpsychologie dienen der systematischen Gewinnung empirischer Daten (zur Überprüfung einer Theorie oder zur Untersuchung eines Problems) • Drei Untersuchungstypen: – deskriptive – korrelative – experimentelle ºBeispiele! © Gerd Bohner 2001 7 • Theorie – Hypothese • Beispiel: Schachters Affiliationstheorie; Hypothese: Furcht erzeugt den Wunsch, die Gesellschaft von "Leidensgenossen" aufzusuchen. • Operationalisierung: Vom Konstrukt zur Variable (z.B.: wie lässt sich "Furcht" operationalisieren, wie "Kontaktsuche"?) • Experiment, Feldexperiment, Quasiexperiment, Beobachtungsstudie: – Gemeinsamkeiten und Unterschiede – uV, aV und Manipulationskontrolle © Gerd Bohner 2001 8 • Hauptvorteil des Experiments: Ermöglicht Kausalanalyse. Warum ist Zufallszuweisung der Schlüssel hierzu? – Kausalität hat 3 notwendige Bedingungen: • dass die aV mit der uV kovariiert, • dass die uV der aV zeitlich vorausgeht, und • dass eine Verursachung der aV durch alternative Mechanismen ausgeschlossen werden kann. – Auch nichtexperimentelle Methoden erlauben die Beobachtung von Kovariation und zeitlicher Abfolge sowie die Kontrolle von bekannten Störvariablen. – Allein Zufallszuweisung ermöglicht die Kontrolle bisher unbekannter Störvariablen. © Gerd Bohner 2001 9 • Faktorielle Versuchspläne: Mehrere uV gekreuzt • Vorteile: Erhöht die experimentelle Kontrolle, ermöglicht das Testen komplexer Hypothesen • Beispiel: – uV1: Qualität der Argumente einer Botschaft – uV2: Grad der Ablenkung – aV: Einstellung Hypothese: Ablenkung erhöht die Überzeugungswirkung schlechter Argumente und reduziert die Überzeugungswirkung guter Argumente. Dies impliziert einen Interaktionseffekt. © Gerd Bohner 2001 10 Interaktionseffekt: Beispiel 1 25 gute Argumente 20 15 A1 10 A2 5 schlechte Argumente 0 B1 B2 geringe starke 2001 Ablenkung © Gerd Bohner Ablenkung © Gerd Bohner 2001 11 Interaktionseffekt: Beispiel 2 25 20 15 A1 10 A2 5 0 B1 B2 © Gerd Bohner 2001 12 Kein Interaktionseffekt 25 20 15 A1 10 A2 5 0 B1 B2 © Gerd Bohner 2001 13 • Kritik am Experiment / Probleme – Künstliche Situation? º Alltagsrealismus vs. experimenteller Realismus – Ahistorisch? º Abstraktion von historisch-kulturellen Besonderheiten – Ethisch bedenklich? (Stichwort Täuschung) º Zweck der Täuschung; informierte Einwilligung, Aufklärung – Nicht alle Fragestellungen experimentell untersuchbar º Beispiele! © Gerd Bohner 2001 14 Semantisches Differential zur Erfassung der Einstellung gegenüber Deutschen Deutsche unsauber :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: (-3) (-2) (-1) ( 0) (+1) (+2) (+3) sauber freundlich :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: unfreundlich schlecht :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: gut schön :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: hässlich © Gerd Bohner 2001 15 Items einer Likert-Skala zur Erfassung sexistischer Einstellungen (Neosexism Scale; Tougas, Brown, Beaton, & Joly, 1995) Discrimination against women in the labor force is no longer a problem in Canada. totally disagree 1 2 3 4 5 6 7 totally agree I consider the present employment system to be unfair to women.* It is difficult to work for a female boss. In order not to appear sexist, many men are inclined to overcompensate women. In a fair employment system, men and women would be considered equal.* © Gerd Bohner 2001 16 • Erhebungsverfahren – Beobachtung – Selbstbeurteilungsmaße ("self-report measures") – nonreaktive / implizite Maße • Gütekriterien – Reliabilität: Konsistenz der Messung; Vermeidung von Zufallsvariation – Validität: Messung erfasst das, was sie zu messen vorgibt; Vermeidung systematischer Zufallsvariation – Im Experiment: Interne und externe Validität – Repräsentativität vs. konzeptuelle Replikation © Gerd Bohner 2001 17 5. Schlüsseluntersuchungen • Zu den Kapiteln 1 und 4 keine "Untersuchungen" im eigentlichen Sinne: • Cartwright (1979): Essay zur Geschichte der Sozialpsychologie • Gergen (1978): Fundamentale Kritik am Experiment als zentraler Methode © Gerd Bohner 2001 18
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