MARKT Wie kommt der Kleber aufs Etikett? Was unterscheidet dabei ein Markenprodukt von No-Name-Ware? Der Selbstklebespezialist Herma erlaubte interessierten Einkäufern von Büromaterialien und „C.ebra” einen Blick hinter die Kulissen. E s war genauer gesagt ein Blick hinter den Vorhang: Denn die Vorhang-Beschichtung oder das „Curtain-Coating“, wie der Fachmann es nennt, hat Herma als Branchenpionier eingesetzt. Auf Besucher übt das Verfahren immer wieder eine Faszination aus. Dabei fällt der Kleber wie ein hauchdünner Vorhang auf eine Papierbahn, die mit hoher Geschwindigkeit darunter hinweg läuft. So lässt sich der Kleber nicht nur extrem schnell auftragen. Er verteilt sich auch besonders gleichmäßig auf dem Papier. „Das ist wichtig für Etiketten, die in PC-Druckern bedruckt werden“, erläuterte Geschäftsführer Sven Schneller. „Denn dort kommt es darauf an, dass der Bogen zunächst plan und gerade in den Drucker eingezogen wird. Zahlreiche enge Walzen lenken den Bogen dann durch den Drucker – die kleinste Unebenheit kann dort zu Papierstau führen.“ Haftmaterial bis zum Mond Erst im Januar hatte das Unternehmen eine neue Beschichtungsanlage für 35 Millionen Euro in Betrieb genommen, die modernste ihrer Art weltweit, heißt es aus Filderstadt. Die Anlage sei nicht nur bis zu 70 Stundenkilometer schnell, sondern auch erstmals in der Lage, mehrere Kleberschichten gleichzeitig aufzutragen. „Das ermöglicht uns, noch besser Etikettenmaterial für spezielle Anwendungen zu entwickeln und völlig neue Einsatzgebiete für Etiketten zu erschließen“, so der Herma- Geschäftsführer. Maßstäbe setzt die neue Anlage aber auch in Sachen Energieeffizienz: „Um den Kleber zu trocknen, setzen wir unter anderem Wärmerückgewinnung ein. Das ist bislang einzigartig in unserer Branche. Wir senken damit den Verbrauch gemessen an der Produktionsmenge deutlich.“ Herma-Geschäftsführer Sven Schneller erläutert, wie aus konfektionierten Rollen Labels gestanzt werden. 34 C.ebra 03_08 In der Beschichtungsanlage entstehen jedoch (noch) keine Etiketten. „Hier werden das Etikettenmaterial, der Kleber, eine Silikonschicht und das Unterlagenpapier zusammengebracht – zu Haftmaterial, wie es in der Fachsprache heißt, aufgewickelt auf bis zu zwei Meter breiten und bis fünf Tonnen schweren Rollen. Jährlich kann Herma bis zu 750 Millionen Quadratmeter Papier und Folie beschichten. „Als eine zwei Meter breite Bahn würde diese Menge bis zum Mond reichen“, erläuterte Schneller den nicht wenig staunenden Besuchern. Kürzeste Wege sind dagegen ein wichtiger Trumpf für die Fertigung der Etiketten bei Herma in Filderstadt. „Es gibt kaum einen anderen Standort, bei dem die Produktion von Haftmaterial und das Herstellen der Etiketten so eng verzahnt sind. Dank einer ausgeklügelten internen Logistik wandern die einzelnen Rollen mit Haftmaterial auf schnellen Fördereinrichtungen direkt in die Etikettenproduktion. Riesengroße Schneideanlagen haben vorher schon viele der großen Rollen in handlichere kleinere Exemplare verwandelt. Sie haben jetzt zum Beispiel schon die richtige Breite für DIN A4-Bogen. Spezielle Maschinen wickeln diese Rollen nun wieder ab und schneiden einzelne A4-Bogen aus der Rolle. Dabei wandern die Bogen unter einer sich drehenden Zwei Meter breit und bis zu fünf Tonnen schwer sind die Rollen mit Haftmaterial, die die neue Beschichtungsanlage produziert. MARKT Auch von außen sehenswert und eindrucksvoll: das Beschichtungswerk in Filderstadt bei Nacht Stanze durch. Auf ihr sind zahlreiche Messer angeordnet, die praktisch wie kleine Ausstechförmchen funktionieren und dafür sorgen, dass auf einem A4-Bogen viele kleine Adressetiketten sitzen. Bereits in der Beschichtung war höchste Präzision notwendig, um den hauchdünnen Kleber gleichmäßig aufzutragen. Jetzt ist sie unabdingbar, um Etiketten sauber herauszustanzen. „Das ist eine Kunst für sich“, erklärt Schneller: „Ist die Stanzung nicht tief genug, zieht der Anwender später ungewollt mehrere Etiketten auf einmal ab. Verletzt die Stanzung jedoch die Silikonschicht, besteht die Gefahr, dass das Etikett später am Unterlagenpapier haften bleibt und zerreißt.“ Beides sei oft bei Billig-Etiketten zu beobachten, wo aus Kostengründen auf die notwendige Präzision in der Fertigung verzichtet werde. Lösungen für Kochendheißes Gerade bei Herma sei Genauigkeit im Mikrometerbereich jedoch eines der wichtigsten Qualitätskriterien: „Wir produzieren auch Etiketten für zum Teil sehr knifflige industrielle Anwendungen.“ Diese Etiketten werden oftmals von Maschinen in sehr hohem Tempo aufgebracht. Der kleinste Fehler könnte zum Stillstand führen und dann eine ganze Abfüllanlage zum Beispiel von Shampooflaschen lahm legen. „Von dem Spezial-Know-how, das in unseren Industrieetiketten steckt, profitiert häufig auch der Anwender im Büro“, betonte Geschäftsführer Schneller. Er verwies auf das Beispiel eines großen Chemiekonzerns. Dieser benötigte Etiketten, um damit Fässer wetterfest zu beschriften, die mit kochendheißen Flüssigkeiten befüllt werden. Obendrein sollten sich ausgerechnet diese Etiketten mit ganz normalen PC-Druckern beschriften lassen. „Wir haben diese Herausforderung mit einer ganz neuen Art von Kleber gelöst. Heute kann man diese speziellen Etiketten für Outdoor-Anwendungen ganz einfach im Fachhandel kaufen.“ Dass der Fachhandel dann auch solche Anwenderwünsche schnell bedienen kann, dafür hat Herma vor drei Jahren beste Voraussetzungen geschaffen. Das hochmoderne Logistikzentrum sorgt dafür, dass Fachhändler die bestellte Ware über Nacht erhalten. „Neben dem branchenweit einzigartig breiten Sortiment war das ein wichtiger Baustein, um unsere Rolle als Problemlöser in der Selbstklebetechnik zu festigen.“ Inzwischen können Anwender ihre Produkte direkt auf der Herma-Website bestellen. Nach der Recherche im Produktkatalog reicht ein Klick auf den Button „Jetzt kaufen“ – automatisch wird der Anwen- der weitergeleitet in die Online-Shops von Fachhändlern, die das gewünschte Produkt auch schnell liefern können. „Der Anwender kann dabei in der Regel unter vielen verschiedenen Händlern auswählen.“ „Wir setzen sehr viele Adressetiketten ein, um Gebührenbescheide zu versenden, die Überformat haben“, sagt Maria Regner, die im Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz zuständig ist für EDV-Angelegenheiten. „Es war sehr faszinierend zu erleben, welche Rolle Präzision bei der Herstellung von Etiketten spielt, insbesondere wenn es darum geht, sie auszustanzen.“ Den Blick ins „chaotisch“ angelegte Hochregallager des Logistikzentrums fand sie „atemberaubend“. In dieser Größenordnung habe sie so etwas noch nie erlebt. „Es war unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit die Roboter Kartons aus den Regalen gezogen haben, aus denen dann die bestellte Ware kommissioniert wurde.” Auch für Susann Jaksic, Assistentin der Werksleitung beim Autositzspezialisten Recaro und langjährige Verwenderin von Herma-Büro-Etiketten aller Art, hat sich der Blick hinter die Kulissen gelohnt: Bei Zeitungen und Magazinen wisse jeder, dass sie auf riesengroßen Maschinen hergestellt werden, sagt sie. „Dass das Gleiche auch auf Etiketten zutrifft, habe ich nicht geahnt. Über ein simples Adressetikett macht man sich ja sonst wenig Gedanken – es klebt halt. Wie aufwändig die Herstellung ist und wie viele Arbeitsschritte notwendig sind, das hat mich beeindruckt.“ Herma-Geschäftsführer Sven Schneller freute sich über die positiven Reaktionen der Gäste: „Uns war es wichtig zu zeigen, welche Qualitätsmaßstäbe wir in jedem Schritt der Fertigung anlegen – und welchen Sinn es deshalb für die Anwender macht, zu Markenprodukten zu greifen. Denn diese halten ihr Qualitätsversprechen zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei jeder Anwendung.“ www.herma.de Viele aufwändige Fertigungsschritte sind notwendig, damit das Etikett einwandfrei seine Aufgabe erfüllt – und sich bei Bedarf auch rückstandsfrei wieder ablösen lässt. C.ebra 03_08 35
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