Wundversorgung für viele Fälle, denn es gibt immer was zu kleben

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Die ZahnarztWoche
Ausgabe 37/08
Wundversorgung für viele Fälle,
denn es gibt immer was zu kleben
Dr. Hans H. Sellmann über einen in vielerlei Hinsicht praktischen Wundkleber für die Praxis
In der Medizin erinnert man sich oftmals nach Jahren wieder an alte, gewohnte (und bewährte) Behandlungsmethoden. Warum nur waren sie in Vergessenheit geraten? So ist „Kleben statt Nähen oder Klammern“ wieder in Mode
gekommen, obwohl diese Methode eigentlich schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Einem Gerücht zufolge sollen in der
amerikanischen Armee bereits in den 1940ern Wunden mit Acrylatklebern versorgt worden sein.
Allerdings machte man anfangs
keinen Unterschied zwischen
Ethylen und Methylen. Aufgrund
der toxischen Eigenschaften der
Methyle kamen die Wundkleber
in Verruf. Die negativen Eigenschaften der Methyle werden leider auf die heute gebräuchlichen
Cyanoacrylatkleber immer noch
übertragen, obwohl die heute
verwendeten Wundkleber weder
toxisch noch wasserlöslich sind.
Fädenziehen
bleibt erspart
Warum Patienten vor dem „Fädenziehen“ so viel Angst haben,
ist uns ein Rätsel, da das eigentlich gar nicht wehtut, wenn der
Patient nicht während der Prozedur herumzappelt. Es ist ein Leich-
tes, einen Patienten vom Kleben
zu überzeugen, wenn man ihm
schildert, dass ihm so das verhasste Fädenziehen erspart bleibt.
Selbstverständlich müssen Nähte heutzutage keine heftigen Narben mehr hinterlassen. Gerade
in der Mukogingivalchirurgie gibt
es so feine Nähte, dass man sie
fast gar nicht sehen kann. Aber
nicht immer haben wir die Zeit,
das „Händchen“ oder aber auch
die Bereitschaft, viel Geld für die
Nadel-Faden-Kombination 7-0 auszugeben. Und dann gibt es ja auch
noch andere Indikationen für das
Kleben.
Wenn man der Aussage von
Christine Meyer-Haake (ja, sie
ist noch aktiv) glaubt, dann ist der
Gewebekleber Epiglu die tollste
Abb. 1: Mit Epiglu versorgte Verletzung am Daumen, über die
problemlos der Handschuh gezogen werden kann
Erfindung, seit es Pflaster gibt.
Natürlich kann man bei tiefen
Wunden, wenn eine subkutane
Naht erforderlich ist, auf sie nicht
verzichten. Die oberflächliche
Wundversorgung kann dann trotzdem mit Epiglu erfolgen, und ein
weiterer Termin zum Fädenziehen entfällt. Unabhängig von ihrer Länge können ansonsten alle
Schnitt-, Platz- und Operationswunden, die nicht mehr bluten,
nicht entzündet und nicht älter
als sechs Stunden sind, geklebt
werden.
Epiglu ist ein Medizinprodukt
Klasse IIb und verfügt über optimale Eigenschaften, was die Verträglichkeit des Klebers mit
menschlichem Gewebe anbelangt. Der bereits seit 1995 zuge-
lassene Wundkleber wird nach
Angaben des Herstellers MeyerHaake GmbH Medical Innovations in Wehrheim in Deutschland
und vielen anderen Ländern bis
hin nach Australien, Mittel- und
Südamerika, Südafrika, Indien,
Pakistan etc. eingesetzt. Allergien sind nicht bekannt geworden.
Da nach kleinen Unfällen mit
Schnitt- und Platzwunden nicht
anästhesiert werden muss, hat
sich der Kleber natürlich am
schnellsten in Kinder(zahn)arztpraxen durchgesetzt. Der Kleber
brennt nicht und ist schnell ausgehärtet, damit kann man bei
Kindern punkten (und bei den
Müttern auch), da die Wundversorgung ohne neuerliche Tränen
erfolgt. In vielen Hautarztpraxen,
Abb. 2: Akute, therapieresistente Aphthe
Quelle: DZW Die ZahnarztWoche · Ausgabe 37/08 vom 10. September 2008
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Die ZahnarztWoche
Ausgabe 37/08
Abb. 3: Epiglu wird aufgetropft und verhilft zu sofortiger Schmerzfreiheit.
bei Oral- beziehungsweise Mund-,
Kiefer-, Gesichtschirurgen, in der
plastischen Chirurgie und natürlich in der Ambulanz, gehört es
zur Standardausrüstung, zu kleben
anstatt zu nähen oder zu klammern. Besonders beeindruckt hat
mich, dass das Klebeverfahren zum
Beispiel in einer Klinik für Brandverletzte in Teheran zur schmerzlosen und reizfreien Befestigung
von Hautmeshes angewandt wurde. Die OP-Zeit konnte damit um
50 Prozent gesenkt werden.
Schnell hat man sich in der
Praxis zum Beispiel an einem
Instrument verletzt. Wie soll man
da über ein Pflaster einen Handschuh anziehen – praktisch unmöglich! Über eine geklebte Wunde geht das problemlos. Die Verletzung am Daumen des Verfassers (Abb. 1) wurde nach dem
Kleben mit Wasser benetzt, wodurch der Kleber blitzartig aushärtet. Die damit einhergehende
weiße Färbung des sonst glasklaren Klebers wird zugunsten der
Schnelligkeit in Kauf genommen.
Auch Verletzungen zu Hause, der
Ratscher an einem Karton, der
schmerzhafte Schnitt an einem
Blatt Papier oder eine kleine Verbrennung, lassen sich so praxis-
Abb. 4: Schwerer Dekubitus eines indolenten Patienten, nach
Unterfütterung der Deckprothese.
tauglich verschließen. Ein Kollege aus dem Sauerland antwortete einmal auf die Frage, was er
auf eine einsame Insel mitnehmen würde: „Auf jeden Fall den
Kleber!“ Ich empfehle auch die
Mitnahme zu einem Badeurlaub
oder Segeltörn. Mit Epiglu versorgten Wunden kann Salzwasser
nichts anhaben.
Mit den Feindosierpipetten oder
den Tropfern kann der Kleber immer sparsam und punktgenau in
und außerhalb der Mundhöhle aufgebracht werden. In der Mundhöhle erfolgt die Polymerisation,
die durch Aufnahme von OH-Ionen in Gang gesetzt wird, naturgemäß besonders schnell. Um
ein zu schnelles Ablösen des Klebers zu verhindern, müssen die
Wundränder ganz dünn ausgestrichen werden. Der Spruch „viel
hilft viel“ kann hier nicht angewandt werden.
Epiglu ist nicht nur ein Ersatz
für eine Naht, sondern kann auch
als Abdeckung für eine Naht benutzt werden. Der Problempatient – und wer hat den nicht dann
und wann – ist dann nicht mehr
in der Lage, mit der Zunge an der
Naht zu „spielen“. Ein optimales
Ergebnis erreicht man bei klaffenden Wunden, wenn die Wund-
ränder sauber adaptiert sind und
der Kleber nur auf die Oberfläche in dünnen Schichten aufgebracht wird.
Bis jetzt wurde immer von größeren Wunden gesprochen, der
Kleber ist jedoch auch dafür einzusetzen, flächige Wunden abzudecken, die nach Entfernen von
Hautläsionen oder kleinerer (gutartiger) Tumoren (Fibrom etc.)
im Mund entstanden sind. Auf therapieresistente Aphthen (Abb. 2
und 3) oder Dekubitus (Abb. 4
und 5) als Folge von Druckstellen bei Prothesenänderungen aufgebracht, wirkt er Wunder, was
die Heilung und Schmerzbeseitigung anbetrifft.
Bei Klebern halten sich viele
Vorurteile standhaft. Zu teuer, zu
schwer aufzutragen, brauchen zu
lange zum Aushärten, haben nur
eine kurze Verwendbarkeit und
so weiter. Ich habe das alles überprüft und bin zu dem Schluss gekommen, dass das bei dem von
mir eingesetzten Produkt nicht
der Fall ist.
Praktisch ist, dass Epiglu in Tuben mit drei Gramm zum Mehrfachgebrauch und in Single-DoseVerpackungen mit 0,3 Millilitern
Inhalt für die Einmalanwendung
angeboten wird. Für den OP wird
Abb. 5: Auch hier bringt bereits das Auftragen von Epiglu Schutz
und Schmerzfreiheit
Quelle: DZW Die ZahnarztWoche · Ausgabe 37/08 vom 10. September 2008
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Die ZahnarztWoche
der Kleber aus den sterilen Applikationshilfen aufgetragen, so
werden Kreuzkontaminationen vermieden. Untersuchungen unabhängiger Institute haben ergeben,
dass dieser Kleber sowieso keinen
Nährboden für Keime darstellt,
im Gegenteil, er wirkt sogar hemmend auf eingebrachte Keime.
Bei Tiefkühllagerung, wobei keine Auftauzeit notwendig ist, ist
das Produkt drei Jahre lagerstabil. Da geht man kein Risiko ein.
Es gibt mehr
zu versorgen,
als man glaubt
Und es gibt viel mehr zu versorgende Wunden in einer Zahnarztpraxis, als man im Anfang glaubt.
Sie werden nach kurzer Zeit, wenn
Sie Ihre Behandlungsabläufe an
das Kleben angepasst haben, immer öfter „zur Tube greifen“.
Schärfen Sie Ihren Helferinnen
doch ein, Sie immer wieder an
Ausgabe 37/08
den Kleber zu erinnern. Es macht
wirklich Spaß zu sehen, wie schnell,
schön und unauffällig so versorgte Wunden heilen.
Das Unternehmen Meyer-Haake Medical Innovations ist bekannt
für ausführliche Informationen,
die sich unter www.meyer-haake.
com auch herunterladen lassen.
Auf Seite 2 der Information zu
Epiglu finden Sie alle Fragen zum
„Kleben statt Nähen“ ausführlich beantwortet. Auf einer CD,
Quelle: DZW Die ZahnarztWoche · Ausgabe 37/08 vom 10. September 2008
die das Unternehmen mit weiteren Informationen ebenfalls gerne zusendet, finden Sie neben
nützlichen Tipps viele medizinische Anwendungsbeispiele.
Dr. med. dent.
Hans H. Sellmann,
Marl
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