Wie die Altstadt zur Stadt der Zukunft wird - ÖGUT

Presseaussendung von Hausverstand.Com/OpenLab, 12.9.2013
Wie die Altstadt zur Stadt der Zukunft wird
Hausverstand.Com will mit seiner Plattform OpenLab einen Diskurs über die Stadt
anregen. Den Auftakt bildete eine dreiteilige Diskussionsrunde am 6. September 2013 auf
dem Siebensternplatz im siebten Wiener Bezirk. Im ersten Panel ging es um die Sorgen
von Bauträgern, die bei der Sanierung von Gründerzeithäusern vom Mietrecht
eingeschränkt werden, im zweiten Panel um die Partizipation beim Bauen, im dritten
Panel um ökologische Dämmstoffe.
Rund 20.000 Gründerzeitgebäude gibt es in Wien, ihre stuckverzierten Fassaden prägen den
Charakter der Stadt. Um über hundert Jahre alte Gebäude für die Zukunft zu rüsten, müssen sie
in den kommenden Jahren thermisch-energetisch saniert und modernisiert werden. Der
Heizwärmebedarf von Gründerzeithäusern liegt bei 120 bis 200 kWh pro Quadratmeter und Jahr
–fünf bis zehnmal so hoch wie bei Passiv- und Niedrigenergiehäusern. Eine Reduzierung des
Energieverbrauchs ist notwendig – erstens, weil sich Mieter und Wohnungseigentümer
Heizkosten ersparen und die Behaglichkeit steigt, und zweitens, weil sich Österreich im Rahmen
der EU-Klimaschutzinitiative zu einer 16prozentigen Reduktion der CO2-Emissionen bis 2020
gegenüber dem Vergleichswert von 2005 verpflichtet hat.
Auftakt am 6. September 2013
Architekt Winfried Schuh von Hausverstand.Com will mit der Plattform OpenLab einen Diskurs
über brennende Fragen zur Stadtentwicklung führen. In den kommenden Monaten werden
Round Tables und Diskussionen zu diversen Themen stattfinden – von der bestmöglichen
Sanierung von Gründerzeithäusern bis zur Entwicklung zu einer Smart City. Den Auftakt bildete
eine dreiteilige Diskussionsrunde am 6. September 2013 auf dem Siebensternplatz im siebten
Bezirk in Wien. Die Veranstaltung wurde vom ZIT, der Technologieagentur der Stadt Wien, im
Rahmen der Programmschiene Awareness & Information gefördert.
Im ersten Panel schilderten Hans Jörg Ulreich und Anwalt Siegfried Kaiblinger die Unlogik des
geltenden Mietrechts, das eine ernsthafte thermisch-energetische Sanierung von
Gründerzeithäusern verhindere. Im zweiten Panel brachten Anne Lang, Robert Temel und
Constance Weiser ein Plädoyer für gemeinschaftliches Bauen vor. Im dritten Panel priesen die
Vertreter und Nutzer ökologischer Dämmstoffe die Qualitäten von Dämmung aus Schafwolle,
Hanf und Zellulose, während Bernhard Lipp, Geschäftsführer des Österreichischen Institut für
Baubiologie und Bauökologie (IBO) und Inge Schrattenecker von der ÖGUT vor allem auf eine
energieeffiziente Gebäudehülle pochten.
Restriktives Mietrecht hemmt die Sanierung
Die thermisch-energetische Sanierung von Gründerzeitgebäuden ist schwieriger als jene von
Gebäuden der 1960er Jahre, da die verschnörkelten Fassaden von außen nicht gedämmt
werden können. Darüber hinaus baut das geltende Mietrecht Hürden für die Sanierung auf. „Als
Investor hat man zwei Möglichkeiten“, sagte Hans Jörg Ulreich, Geschäftsführer des Bauträgers
Ulreich GmbH und Sprecher der Bauträger in der Wiener Wirtschaftskammer. „Variante eins ist,
jahrelang auf Wohnbauförderung zu warten und sich dann unsinnige Dinge aufs Auge drücken
zu lassen. Variante zwei ist, nicht zu sanieren und die Bauarbeiter aufs Arbeitsamt zu schicken.“
Für Gebäude, die vor 1945 gebaut wurden, gilt in Wien der österreichweit zweitniedrigste
Richtwertmietzins von nur 5,16 pro Quadratmeter und Jahr, obwohl Wien die höchsten
Einkommen und die höchsten Bau- und Grundpreise hat. Auch bei einer Neuvermietung nach
einer gründlichen thermischen Sanierung gibt es keine nennenswerten Zuschläge, die einen
Sanierungsanreiz bieten. Wenn ein Hauseigentümer sein Gebäude auf den bestmöglichen
Standard bringt, trägt er allein die Sanierungskosten, während die MieterInnen erhöhten Komfort
und eine Reduzierung ihrer Heizkosten genießen. „Bei der Wiener Schlichtungsstelle schaut
selbst für Passivhausstandard in einer Gegend ohne Lagezuschlag nicht mehr als 6 Euro raus“,
sagte Ulreich. Nimmt jedoch ein Bauträger eine Wohnbauförderung in Anspruch, die circa 40
Prozent der Sanierungskosten beträgt, kann er für die neu zu vermietenden Wohnungen neun
Euro pro Quadratmeter kostendeckende Miete verlangen. „Das ist so pervers, das glaubt mir
kein Journalist“, meinte Ulreich.
Partizipation schafft Smart Citizens
Im zweiten Panel ging es um Baugruppen und Partizipation. Smart wird die City durch
intelligente Verkehrslösungen, gescheite Infrastruktur und kluge Gebäudetechnik. „Das ist alles
richtig“, sagte die Stadt- und Raumplanerin Anne Lang von Raum & Kommunikation.
„Gleichzeitig ist es der Mensch, der in der Stadt lebt und die Stadt intelligent nutzt. Es nützt
nichts, wenn intelligente Infrastruktur wie Smart Metering eingeführt wird, doch die Nutzer etwas
dagegen haben.“
Baugemeinschaften treffen den Nerv der Zeit, beobachtet der Architekturforscher Robert Temel.
In der neuen Seestadt Aspern bauen sechs Baugruppen ihre künftigen Wohnungen gemeinsam.
In der Künstlergasse im 15. Bezirk saniert die Puba-Stiftung ein Gründerzeithaus, in das eine
Gemeinschaft von Menschen im Alter bis zu 39 Jahre, samt vielen Kindern, einziehen wird. Da
entsteht nicht nur Wohnraum, sondern ein neues Miteinander, beobachtet die Architektin
Constance Weiser. „Durch den engen Austausch in einer Baugruppe entstehen rege
Nachbarschaftsbeziehungen, wo Unterstützung und gegenseitige Hilfeleistungen gang und gäbe
sind.“ Davon profitiere letztlich die ganze Stadt. „Die Menschen gewinnen die Fähigkeit zu
argumentieren, sie werden engagierte Bürger – sie werden Smart Citizens.“
Hauptsache dämmen
Im dritten Panel ging es um ökologische Dämmstoffe und eine oft beobachtbare Ablehnung von
mineralölbasierten Dämmstoffen wie EPS. Doch für IBO-Geschäftsführer Bernhard Lipp ist die
Priorität klar: „Zuallererst müssen Sie schauen, dass Sie einen guten Dämmstandard erreichen.
Erst dann können Sie das Dämmmaterial ökologisch optimieren.“ Bei einem technisch
aufwändigen Dämmstoff wie EPS würde es zwar länger dauern, bis der Energieeinsatz wieder
amortisiert ist als bei einem natürlichen Dämmstoff. Doch das sei letztlich egal, wenn
stattdessen weniger geheizt werden müsse. „Wir müssen künftig Häuser bauen, die mehr
Energie erzeugen als sie verbrauchen.“
Capatect produziert den Dämmstoff EPS in einem eigenen Werk in Perg in Oberösterreich. Seit
2013 bietet Capatect auch Hanfdämmplatten an. Hanf ist derzeit dreimal so teuer wie eine
Dämmung mit EPS. „Solange Erdöl so günstig ist, wird es eine große Differenz beim Absatz von
EPS und natürlichen Dämmstoffen geben“, sagte Capatect-Verkaufsleiter Wolfgang Folie. Noch
sei Hanfdämmung „ein Hobby, das wir durch unsere Umsätze mit EPS finanzieren“.
Das werde sich ändern, gab Günter Dittrich vom Zellulosedämmstoff-Hersteller Isocell Mut. Vor
20 Jahren sei Zellulose ähnlich teuer wie Hanf gewesen. „Nun sind wir auf demselben Niveau
wie andere vergleichbare Dämmstoffe.“ Zellulose wird überwiegend zur Dämmung von
Dachstühlen verwendet.
Für eine Zertifizierung mit dem Gebäudestandard klima:aktiv spielt die Energieeffizienz die
entscheidende Rolle, sagte Inge Schrattenecker, Programmleiterin von klima:aktiv für den
Bereich Bauen und Sanieren in der ÖGUT. Von 1000 möglichen Punkten wird sie mit 650
Punkten gewichtet. Die Art der Baustoffe und Konstruktion wird nur mit 100 Punkten gewichtet,
wobei aber der Einsatz von klimaschädlichen Baustoffen, wie etwa teilhalogenisierten
fluorkohlenwasserstoffhältigen Dämmplatten und Montageschäumen nicht zulässig ist.
Fotos zur Veranstaltung auf: www.hausverstand.com Copyright: Miljan Stojkovic,
Hausverstand.Com
Fotos in höherer Auflösung senden wir Ihnen gerne per Mail zu.
Die Diskussion geht weiter …
In den kommenden Monaten wird Hausverstand.Com in seinem OpenLab eine Reihe von
Round Tables und Diskussionsrunden zu den verschiedensten Themen anbieten: vom Smart
Grün und den urbanen Gärten über Denkmalschutz bis zur Barrierefreiheit.
Hausverstand.Com/OpenLab
Winfried Schuh – Architekt, Projektentwickler, Energieberater und Bauphysiker – engagiert sich
seit 20 Jahren im innovativen nachhaltigen Modernisieren und Bauen. Schuh ist klima:aktivPartner und Mitbegründer der Gesellschaften für nachhaltiges Bauen und nachhaltige
Immobiliengesellschaft in Österreich (ÖGNB und ÖGNI). Seit seiner Gründung steht
Hausverstand.Com für innovative Konzepte mit höchstem ökologischen und sozialem Anspruch
und gleichzeitig langfristiger Wirtschaftlichkeit. Das Team unterstützt ProjektentwicklerInnen und
ArchitektInnen sowie öffentliche, gewerbliche und private Liegenschaftseigentümer und
Verwalter bei nachhaltigen Modernisierungen. Im Zentrum für nachhaltiges Bauen und
Modernisieren am Siebensternplatz präsentiert Hausverstand.Com/OpenLab ökologische
Bauprodukte sowie neueste Entwicklungen und Forschungsprojekte.
Kontakt
DI Winfried Schuh
A - 1070 Wien
Siebensterngasse 42
fon (+43) 01 27 67 487
[email protected]
www.hausverstand.com