Rechtsbegehren in internationalen Schiedsverfahren – wie

Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung: zivil- und schiedsverfahrensrechtliche Aspekte – Festschrift für Franz Kellerhals zum 65. Geburtstag
Rechtsbegehren in internationalen Schiedsverfahren –
wie bestimmt müssen sie sein?
Dr. Markus Wirth, LL.M.
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Sachverhalt
Fragestellung und These
Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Rechtsbegehren im
schweizerischen Zivilprozessrecht
3.1 Grundsatz
3.2 Sonderfall: Unbezifferte Rechtsbegehren auf Geldzahlung
3.3 Rechtsfolgen bei mangelnder Bestimmtheit der Rechtsbegehren
Die Regeln des internationalen Schiedsverfahrensrechtes über die
Ausgestaltung der Rechtsbegehren
4.1 IPRG
4.2 UNCITRAL Schiedsordnung
4.3 Institutionelle Schiedsordnungen
Thesen
5.1 Das Erfordernis der Bestimmtheit des Rechtsbegehrens gilt auch in
internationalen Schiedsverfahren
5.2 Grundsätzlich sind die Rechtsbegehren spätestens vor der
Beweisverhandlung bestimmt zu formulieren.
5.3 Das Schiedsgericht ist verpflichtet, die Parteien zur Verbesserung
ungenügend bestimmter Rechtsbegehren aufzufordern
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Der Autor verfasste diesen Beitrag zu einem Zeitpunkt vor den Ausführungen des Jubilars
an der ASA Versammlung vom 3. September 2004 zum Thema. Mit Erleichterung stellt er
fest, dass eine Ansichten mit denjenigen des Jubilars, soweit geäussert, weitestgehend
übereinstimmen - und mithin freundschaftliches Einvernehmen ungefährdet bleibt!
intern | WIM | promotion
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1.
Sachverhalt
Anlass der nachstehenden Ausführung sind ein kürzliches internationales Schiedsverfahren mit Schiedsgerichtsort Schweiz und die in diesem Verfahren gestellten
Rechtsbegehren. Zwischen den Parteien strittig waren Ansprüche aus einem Aktionärbindungsvertrag (ABV) betreffend eine Joint Venture Gesellschaft K. sowie aus
einem behaupteten einfachen Gesellschaftsvertrag, welcher aus dem besagten ABV
und einigen weiteren damit zusammenhängenden Vereinbarungen hergeleitet
wurde. Unter den letzteren Verträgen befand sich auch ein ABV betreffend eine
weitere Joint Venture Gesellschaft S.
Die Kläger stellten insgesamt 27 Rechtsbegehren, wovon die ersten 7 auszugsweise wie folgt lauteten:
"Claim I: A declaration that all Claimants and the Respondent have
entered into a Partnership for the purpose of cooperating in the
[product X] sector in [country Y] and accordingly,
1. that the Respondent must comply in good faith with its obligation as a
partner as they arise under Swiss law and under the Partnership Agreements ...;
2. that the Respondent's obligations as a partner include in particular the
following:
(a)
to promote K and S by advice and assistance in strategy and
management, with particular attention to financial management and sales
promotion;
(b)
to take all necessary and reasonable steps for promoting the
distribution of K's products by purchases for companies within the
[Respondent's] Group or by promoting their distribution outside the
Group, ...
(c)
to ensure that S complies with its contractual obligations concerning K, affording it opportunities in line with its capacities for the distribution of S products in [country Y], respecting its obligation of S concerning
non-competition and the lease of premises of K ;
(d)
to make all capital contributions necessary for the operation of the
Partnership, in particular in providing to K the financial means, pro rata of
their share, for compensating past losses, ensuring pending activities and
necessary future developments;
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(e)
to refrain from any action that may obstruct the financial restructuring of K, to give all consent necessary in this respect and provide all advice and assistance that may be required.“
Anzufügen ist, dass die Kläger die Rechtsbegehren so wie vorstehend zitiert stellten, nachdem das Schiedsgericht sie aufgefordert hatte, ihre zu Beginn des Verfahrens in ähnlicher Form gestellten Begehren zu präzisieren – dies unter der Androhung, dass sich das Schiedsgericht im Säumnisfall das Recht vorbehalte, auf die
betreffenden Rechtsbegehren nicht einzutreten.
Der vorstehend geschilderte Fall ist keine Ausnahme. In internationalen Schiedsverfahren trifft man häufig auch auf Rechtsbegehren folgenden Inhalts, gestellt insbesondere von Rechtsvertretern aus Common Law-Ländern:
“Claimant further requests an award against Respondent granting Claimant such other and further relief as the Tribunal deems appropriate under the circumstances”.
Solche Begehren werden allerdings in der Regel nicht als Hauptbegehren sondern
als subsidiäre Auffangbegehren aufgeführt.
2.
Fragestellung und These
Im Standardkommentar zur Bernischen Zivilprozessordnung, mitverfasst vom Jubilar, dem diese Festschrift gewidmet ist, heisst es: "Das Rechtsbegehren soll bestimmt lauten und so formuliert sein, dass es unverändert zum Urteil erhoben werden kann und damit der Gegenstand des Urteils objektiv unzweideutig festgestellt
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ist" . Die Aussage findet sich in der Kommentierung von Art. 157 der Bernischen
Zivilprozessordnung, welche sich mit dem erforderlichen Inhalt der Klageschrift befasst. Andere kantonale Prozessordnungen stellen ähnliche Anforderungen an den
Inhalt der Klageschrift bzw. bezüglich der Bestimmtheit der in der Klageschrift aufzuführenden Rechtsbegehren.
Es stellt sich die Frage, ob diese im schweizerischen Zivilprozessrecht aufgestellten
Anforderungen auch für in der Schweiz geführte internationale Schiedsverfahren
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Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Auflage, Bern 2000, Rz 3a zu
Art. 157 BE ZPO.
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gelten sollen. Hier wird die These vertreten, dass dem so sein sollte, d.h. dass auch
in solchen internationalen Schiedsverfahren die Rechtsbegehren bestimmt und unzweideutig zu formulieren sind.
Im folgenden soll zunächst kurz der Stand des schweizerischen Prozessrechtes bezüglich der Anforderungen an die Rechtsbegehren und die Begründung für diese
Anforderungen zusammengefasst werden. Danach interessiert, was das Regelwerk
der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, d.h. das IPRG und die Reglemente der
wichtigsten Schiedsinstitutionen zum Thema ausführen. Schliesslich ist darzulegen,
dass die Gründe, welche im staatlichen Zivilprozessrecht für das Erfordernis der
Bestimmtheit und Unzweideutigkeit der Rechtsbegehren angeführt werden mutatis
mutandis auch für internationale Schiedsverfahren relevant sind.
3.
Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Rechtsbegehren im
schweizerischen Zivilprozessrecht
3.1
Grundsatz
Im schweizerischen Zivilprozessrecht gilt, dass die Klage- oder Rechtsbegehren
grundsätzlich so zu formulieren sind, dass sie bei vollständiger Gutheissung der
Klage ohne Ergänzung und Verdeutlichung zum Dispositiv des Urteils erhoben wer2
den können . Das Rechtsbegehren einer Leistungsklage muss diejenigen, aber nicht
mehr, Angaben enthalten, die notwendig sind, um bei Gutheissung die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Klagen auf Geldzahlung sind grundsätzlich zu beziffern.
In einem Begehren auf Unterlassung sind die zu unterlassenden Handlungen genau
und unter Angabe ihrer tatsächlichen Merkmale (nicht bloss ihrer rechtlichen Charakterisierung) zu bezeichnen.
Unbestimmte bzw. unvollständige Klagebegehren sind nur zulässig, wenn deren
Unvollständigkeit im materiellen Recht begründet ist, d.h. ein Recht eingeklagt wird,
das unter einem Vorbehalt steht, z.B. unter einer Bedingung oder unter dem Vorbe-
2
Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, 1979, Zürich, S. 193.
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halt, das Zug um Zug eine Gegenleistung erbracht wird, oder das durch den Richter
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zu konkretisieren ist .
Der prozessuale Grundsatz der Bestimmtheit und Unzweideutigkeit der Klagebe4
gehren beruht auf mehrfachen Überlegungen . Zunächst folgt er aus der
Dispositionsmaxime. Danach hat der Kläger den Streitgegenstand zu bestimmen
und das Gericht darf ihm weder mehr noch anderes zusprechen, als er mit der
Klage selbst verlangt hat. Das Verlangte ist im Klagebegehren deshalb genau festzulegen. Dieses Erfordernis ergibt sich zwangsläufig auch aus dem Grundsatz des
rechtlichen Gehörs. Der Beklagte muss genau erkennen können, was von ihm verlangt wird, damit er sich dagegen verteidigen und substantiiert dazu Stellung nehmen kann. Bestimmt und unzweideutig hat ein Klagebegehren weiter auch zu sein,
weil der Vollstreckungsrichter auf ein Urteilsdispositiv angewiesen ist, das den Vollstreckungsgegenstand klar und abschliessend umschreibt. Das Rechtsbegehren ist
m.a.W. so zu umschreiben, dass es ohne Ergänzungen oder Änderungen in ein
vollstreckbares Urteil umgesetzt werden kann. Andernfalls bleibt das Urteil entweder
unvollstreckbar oder es wird die Beurteilung eines Teils des eingeklagten Rechts
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dem hiefür nicht zuständigen Vollstreckungsrichter übertragen . Schliesslich verlangt
auch die von einem Urteilsdispositiv ausgehende materielle Rechtskraft, dass die
Tragweite des Urteils genau bestimmt ist.
3.2
Sonderfall: Unbezifferte Rechtsbegehren auf Geldzahlung
Klagebegehren auf Geldzahlung sind bestimmt und unzweideutig, wenn sie beziffert
sind. Es gelten hier indessen Ausnahmen vom Grundsatz der Bezifferung. Dies trifft
zunächst auf den Fall zu, wo der Kläger auf Rechnungslegung oder Auskunfterteilung durch den Beklagten angewiesen ist, um die Klage zu beziffern. Es handelt
sich um den Fall der Stufenklage, bei welcher ein Begehren um Rechnungslegung
(als Hilfsanspruch) mit einer zunächst unbestimmten Forderungsklage auf Leistung
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des Geschuldeten (als Hauptanspruch) verbunden ist . Eine zweite Ausnahme gilt,
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ZR 97 (1998) Nr. 114.
Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechtes, 7. Auflage 2001 Bern, S. 188; vgl. auch ZR 97 (1998) Nr. 114.
ZR 97 (1998) Nr. 114.
Vogel/Spühler, S. 189 mit Verweis auf BGE 116 II 219 f.
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wenn dem Kläger nicht zumutbar ist oder er überhaupt nicht in der Lage ist, die
Höhe seiner Forderung zu Beginn des Prozesses zahlenmässig zu beziffern. Dies7
falls ist ihm zu gestatten, die Forderung erst nach der Beweiserhebung zu beziffern .
Der Vorentwurf für eine schweizerische Zivilprozessordnung sieht in diesem Fall jedoch ausdrücklich vor, dass der Kläger einen Mindestwert anzugeben hat, der als
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vorläufiger Streitwert gilt . Ein Spezialfall liegt vor, wo ein bereits eingetretener
Schaden nicht ziffernmässig nachweisbar ist oder wo die Nachteile, die ein Geschädigter voraussichtlich noch erleiden wird, noch nicht bestimmt voraussehbar sind. In
beiden Fällen ist ein beziffertes Klagebegehren nicht möglich und der Richter hat
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den Schaden nach Art. 42 Abs. 2 OR abzuschätzen .
3.3
Rechtsfolgen bei mangelnder Bestimmtheit der Rechtsbegehren
Die genügende Bestimmtheit der Klagebegehren gehört zu den Prozessvoraussetzungen. Ob ein Klagebegehren der Form nach genügend formuliert ist und was
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zu geschehen hat, falls dies nicht zutrifft, ist eine Verfahrensfrage .
Die Prozessvoraussetzungen sind vom Richter nach Eingang der Klage zu prüfen.
Der Mangel einer verfahrensrechtlichen Prozessvoraussetzung ist verbesserungsfähig. Der Richter hat im Falle eines unbestimmten Rechtsbegehrens somit der Klägerin Frist zur Verbesserung desselben anzusetzen unter der Androhung, dass
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sonst auf die Klage nicht eingetreten werde . Unterlässt die Klägerin die erforderlich
Verbesserung, wird die Klage von der Hand gewiesen bzw. darauf nicht eingetre12
ten .
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Guldener, S. 193; Vogel/Spühler, S. 189, Rz. 5e; ZH ZPO § 61 II.
Vorentwurf CH ZPO, Art. 75. Die Nennung eines Mindest- oder Höchstbetrages verlangt heute bereits teilweise die
kantonale Praxis, siehe Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage,
Zürich 1997, N 17 zu § 100.
Vogel/Spühler, S. 188 f., Rz. 5d.
Vgl. Felix Wiget, Fragen der Verfahrensgestaltung vor Gelegenheitsschiedsgerichten nach zürcherischem
Zivilprozessrecht, in: Festschrift Max Guldener, Zürich 1973, S. 369.
Frank/Sträuli/Messmer, N 19 zu § 108 ZH ZPO; ZR 61 (1982) N 84).
ZR 97 (1998) Nr. 114: "Ein unzulässiges [weil unbestimmtes oder unvollständiges] Rechtsbegehren kann nicht
Gegenstand eines Sachurteils sein. Auf die Klage ist daher nicht einzutreten"; gleich auch ZBJV 1994, 561.
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4.
Die Regeln des internationalen Schiedsverfahrensrechtes über die Ausgestaltung der Rechtsbegehren
4.1
IPRG
Von den Rechtsbegehren ist im IPRG in Art. 181 sowie in Art. 109 Abs. 2 lit. c die
Rede. Art. 181 betrifft die Rechtshängigkeit und bestimmt, dass ein Schiedsverfahren hängig ist, sobald eine Partei "mit einem Rechtsbegehren" die bezeichneten
Schiedsrichter anruft oder das Verfahren zur Bildung des Schiedsgerichtes einleitet.
Über die Frage, wie ausführlich bzw. bestimmt dieses erste Rechtsbegehren sein
muss, gehen die Meinungen auseinander. Vereinzelt wird "sicherheitshalber" die
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Einreichung eines ausformulierten Rechtsbegehrens empfohlen . Mehrheitlich wird
jedoch die Auffassung vertreten, dass das Gesetz kein detailliertes Rechtsbegehren
verlangt. Vielmehr genügt es, wenn der Kläger den Gegenstand der Klage "zumindest summarisch" umschreibt, wobei die Details später noch nachgereicht werden
14
können . Damit ist jedoch über die endgültigen Anforderungen bezüglich Bestimmtheit des Rechtsbegehrens noch nichts gesagt.
Gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG kann mit der Schiedsbeschwerde ans Bundesgericht gerügt werden, wenn ein Schiedsgericht mehr als von einer Partei verlangt
zugesprochen hat (ultra petita) oder wenn es ein gestelltes Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat. Basis des ersten Anfechtungsgrundes ist die bereits erwähnte
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Dispositionsmaxime . Die Anfechtungsregelung impliziert, dass in den
Rechtsbegehren jedenfalls das maximal Verlangte mit der notwendigen Deutlichkeit
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festzulegen ist .
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16
Wenger, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, in: Das neue Bundesgesetz über das internationale Privatrecht
in der praktischen Anwendung, SSIR 67, Zürich 1990, S. 126.
Lalive/Poudret/Reymond, Le droit de l'arbitrage, Lausanne 1989, S. 347; Volken, in: IPRG Kommentar, Zürich 1993,
N 4 zu Art. 181; Vogt, in: Basler Kommentar zum Internationalen Privatrecht, Basel 1996, N 11 zu Art. 181.
Siehe Heini, in: IPRG Kommentar, N 27 zu Art. 190.
Im Unterschied dazu enthält z.B. der englische Arbitration Act 1996 kein ultra petita Verbot. Das Schiedsgericht
kann zusprechen, was es aufgrund der bewiesenen Tatsachen für rechtlich gerechtfertigt hält (Art. 48). Jedoch
kann ein Schiedsspruch angefochten werden, wenn vorgetragene Ansprüche unbeurteilt gelassen wurden (Art. 68
Abs. 2 lit. d: "failure by the Tribunal to deal with all the issues that were put to it") oder wenn die Wirkungen des
Schiedsspruches unbestimmt oder unklar sind (Art. 68 Abs. 2 lit. f: "uncertainty or ambiguity as to the effect of the
award"). Auch wenn somit nach englischem Schiedsrecht ein bestimmtes Rechtsbegehren nicht erforderlich ist,
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Zur Frage, wann denn ein schweizerischer Schiedsspruch gemäss Art. 190 Abs. 2
lit. e IPRG ausserhalb des gestellten Rechtsbegehrens zu liegen kommt und welche
Anforderungen unter diesem Gesichtspunkt an das zuvor dem Schiedsgericht unterbreitete Begehren zu stellen sind, liegt ein vielbeachteter Entscheid des Bundes17
gerichtes vom 19. Dezember 2001 vor ("Methania" Entscheid) . Das Urteil befasst
sich mit einem Streit über einen Chartervertrag betreffend die "Methania", ein zum
Transport von Naturgas gebautes Schiff. Der Chartervertrag war ursprünglich auf
eine Dauer von 20 Jahren, beginnend im Jahre 1978, abgeschlossen worden, sah
aber vor, dass Schiffseigentümer und Charterer bei Ablauf der Vertragsdauer über
eine Vertragsverlängerung verhandeln würden. Falls eine diesbezügliche Einigung
nicht zustande käme, sollte der Charterer die Option haben, das Schiff zum
Schrottwert zu kaufen. Tatsächlich führten die Parteien dann von 1996 bis 1998
Verhandlungen über die Verlängerung des Chartervertrages. Diese Verhandlungen
endeten mit einer Einigung über sämtliche Bedingungen einer Vertragsverlängerung
bis ins Jahr 2014, mit Ausnahme der Einigung über eine vom Charterer gewünschte
neue Kaufsoption. Mitte 1998 übte dann der Charterer, in der Annahme dass die
Parteien sich nicht über sämtliche notwendige Punkte für eine Vertragsverlängerung
geeinigt hätten, die Kaufoption gemäss ursprünglichem Vertrag aus.
Anfangs 1999 leitete der Charterer ein Schiedsverfahren (unter den Regeln der ICC
mit Sitz in Genf) gegen die Schiffseigentümerin ein mit den hauptsächlichen
Rechtsbegehren, dass das Schiedsgericht (1) feststelle, dass der Charterer seine
Option gemäss Chartervertrag gültig ausgeübt habe und (2) dem Eigentümer zu
befehlen sei, das Schiff dem Charterer zu übergeben. Im übrigen verlangte die Klägerin, es seien ihr alle weiteren Rechtsbehelfe zuzusprechen, welche das Schiedsgericht billig und rechtlich angemessen finde ("awarding to Claimant such other and
further relief as the Arbitral Tribunal may determine is just and appropriate under the
law") – ein, wie eingangs erwähnt, in internationalen Schiedsverfahren nicht unübliches "Auffangbegehren". Der beklagte Eigentümer verlangte seinerseits Abweisung
der klägerischen Begehren und Schadenersatz und Mietzinszahlungen infolge
Nichtübergabe des Schiffes bei Vertragsende.
muss dennoch der Schiedsspruch – gleich wie im schweizerischen Schiedsrecht – bestimmt und unzweideutig
lauten.
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Urteil vom 19. Dezember 2001, 4P/114/2001, publiziert in ASA Bull. 3/2002, S. 493 ff.
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In seinem Urteil hiess das Schiedsrichter die Forderungen der Klägerin (Charterer),
welche alle zur Voraussetzung hatten, dass die Option gemäss ursprünglichem
Chartervertrag gültig ausgeübt worden sei, ab; gleichzeitig verneinte es sämtliche
Forderungen der Beklagten (Schiffseigentümerin), welche auf der Annahme beruhten, dass sie die Rückgabe des Schiffes verlangen durfte. Darüber hinaus stellte
das Schiedsgericht fest, ohne dass eine solche Feststellung von einer der Parteien
verlangt worden wäre, dass die Parteien sich über alle Bedingungen einer Verlängerung des Chartervertrages bis 2014 geeinigt hätten, ausgenommen über die vom
Charterer geforderte, im Vergleich zur bislang bestehenden Optionsregelung, günstigeren Kaufoption. Das Schiedsgericht befand sodann, die Verlängerungsvereinbarung sei durch Einfügung mutatis mutandis der Klausel über die ursprüngliche
Kaufsoption zu ergänzen.
Gegen diesen Schiedsspruch erhob die Beklagte Beschwerde, u.a. gestützt auf
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Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG wegen Verletzung des ultra petita Verbotes . Das
Bundesgericht befand indessen, dass keine solche Verletzung vorläge und verwies
auf das obenerwähnte "subsidiäre" Rechtsbegehren der Klägerin, wonach ihr jeder
andere Rechtsbehelf zu gewähren sei, welchen das Schiedsgericht billig und rechtlich angemessen finde! Dies ermögliche es dem Schiedsgericht, nicht nur über das
hauptsächliche Begehren der Klägerin betreffend gültige Ausübung der Kaufoption
zu entscheiden, sondern auch eine verbindliche Einigung der Parteien über die
Verlängerung des Chartervertrages festzustellen und dieselbe bezüglich einer
Lücke zu ergänzen. Dem Einwand der Beklagten, das vom Bundesgericht herangezogene "subsidiäre" Rechtsbegehren der Klägerin sei, weil viel zu unbestimmt, kein
rechtsgenügendes Begehren, hielt das Gericht entgegen, die Beklagte hätte im
Verlauf des Schiedsverfahrens nie gegen dieses Begehren protestiert und damit ihr
diesbezügliches Einspruchsrecht verwirkt. Wäre die Beklagte der Auffassung gewesen, das subsidiäre Begehren der Klägerin sei zu wenig bestimmt und liesse dem
Schiedsgericht zu weiten Raum für ausserhalb des Erwartungshorizontes der Par-
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Der hauptsächlichste Einwand der Beschwerdeführerin gegen den Schiedsspruch betraf Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG:
Das Schiedsgericht sei nicht zuständig, die Verlängerungsvereinbarung bezüglich eines wesentlichen Punktes,
nämlich der Kaufoption, zu ergänzen. Demgegenüber hielt das Bundesgericht mit ausführlicher Begründung fest,
auch Schiedsgerichte (mit Sitz in der Schweiz) hätten die Kompetenz, gleich wie der schweizerische Richter,
Verträge gemäss dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen. Vgl. dazu den Kommentar von J. Frick "Sichere
Fahrt für die Methania - das Bundesgericht bekräftigt die Kompetenz von Schiedsgerichten zur Vertragsergänzung",
in: ASA Bull. 2002/3, S. 516 ff.
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teien liegende Entscheidungen, hätte sie von der Klägerin ohne Zeitverzug entsprechende Präzisierungen verlangen sollen!
Das Urteil offenbart einen überraschend wohlwollenden Umgang mit einem Rechtsbegehren, dass unbestimmter wohl kaum hätte sein können. Darauf ist noch zurückzukommen.
4.2
UNCITRAL Schiedsordnung
Gemäss Art. 3(3)(f) der UNCITRAL SchO hat die Mitteilung des Klägers über die
Einleitung des Schiedsverfahrens unter anderem "das Klagebegehren" aufzuführen.
Art. 18(2)(d) wiederholt diese Anforderung für die später vom Kläger einzureichende
Klageschrift.
Die Bestimmungen werden dahingehend kommentiert, dass es genüge, wenn das
Klagebegehren in allgemeiner Form mitgeteilt werde. Ein im Sinne des deutschen
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Prozessrechtes "bestimmter Antrag" sei nicht erforderlich . Immerhin wird in den
UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings dann aber ausgeführt, dass
das Schiedsgericht, falls es das Rechtsbegehr für unzureichend definiert betrachte,
die Parteien über den Grad der Bestimmtheit, mit welcher die Begehren zu formulieren seien, aufklären möge. Eine solche Aufklärung könne sinnvoll sein, weil die Anforderungen bezüglich der Bestimmtheit der Rechtsbegehren im internationalen
Vergleich unterschiedlich seien ("since criteria are not uniform as to how specific the
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Claimant must be in formulating a relief or remedy") .
In der Praxis des Iran-U.S. Claims Tribunal zum (ergänzten) Art. 18 der Rules wurde
bezüglich der Bestimmtheit der Klageschrift bzw. der Rechtsbegehren wiederholt
festgehalten, dass diese jedenfalls für den Beklagten so klar zu sein hätten, dass er
sich vollständig und umfassend dagegen verteidigen kann ("to allow a response to
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all parts of the claim") .
19
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21
Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage, München 2003, S. 618.
UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings, 1996, Ziff. 46.
Siehe van Hof, Commentary on the UNCITRAL Arbitration Rules, The Application by the Iran-U.S. Claims Tribunal,
The Hague 1991, S. 122 f.
11 | 18
4.3
Institutionelle Schiedsordnungen
Die ICC Schiedsordnung legt in Art. 4(3)(c) fest, dass die Schiedsklage, mit der das
Schiedsverfahren einzuleiten ist u.a. die Anträge und, soweit möglich, Angaben über
die eingeklagten Beträge ("a statement of the relief sought including, to the extent
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possible, an indication of any amount(s) claimed" zu enthalten hat. Die gleichen
Angaben sind gemäss Art. 18(1)(c) auch im Schiedsauftrag (Terms of Reference)
aufzuführen. Das Erfordernis der Angabe der Anträge und, soweit möglich, einer
Bezifferung der Geldforderungsklagen wurde erst anlässlich der Revision der ICC
SchO im Jahre 1998 neu in Art. 4(3)(c) und 18(1)(c) aufgenommen. Gemäss Art. 19
ICC SchO kann eine Partei später "neue Ansprüche" nur geltend machen, soweit
diese sich in den Grenzen des Schiedsauftrags halten oder das Schiedsgericht
diese zugelassen hat.
In den Kommentaren zum revidierten Art. 4(3)(c) der ICC Schiedsordnung wird der
zweifache Zweck der verlangten Angaben betreffend die Klagebegehren hervorgehoben. Erstens soll einerseits der Kläger dazu veranlasst werden, sich selbst über
die von ihm verfolgten Rechtsbehelfe (z.B. Leistungs-, Unterlassungs-, Feststellungs- oder Gehaltsklage) klar zu werden, und andererseits soll der Beklagte verstehen, worum es geht, um darauf entsprechend antworten zu können. Zweitens ist
die Angabe der Klagebegehren und insbesondere eine Bezifferung desselben wichtig für die ICC. Sie erleichtern der Institution z.B. eine zweckmässigen Entscheidung
über die Zahl der Schiedsrichter sowie eine angemessene Festsetzung des Kosten23
vorschusses .
Gelegentlich wird auch die Meinung vertreten, dass bereits in der Schiedsklage die
Anträge so zu stellen seien, "dass sie ggfs. vollstreckt werden können". Diese Pflicht
sei eine Obliegenheit des Klägers, der den Nachteil trage, wenn sein Antrag unklar
24
bleibe . Breitere Zustimmung findet die Forderung, dass die Angaben zum Klagebe-
22
23
24
Die deutsche Übersetzung von Art. 4(3)(c) und 18(1)(c) spricht, etwas unpräzis, von den Anträgen und, "soweit
möglich, Angaben zum Streitwert".
Weigand, Practitioner's Handbook on International Arbitration, München 2002, S. 145 f.; Craig, Park, Paulsson,
International Chamber of Commerce Arbitration, Third Edition 2000, S. 147 f.; Derains/Schwartz, A Guide to the
New ICC Rules of Arbitration, Kluver 1998, S. 52 f.
Aden, op. cit., S. 130.
12 | 18
gehren jedenfalls in dem nach Einreichung der Schiedsklage (und der Antwort) zu
erstellenden Schiedsauftrag näher umschrieben sein sollen. Dort seien die Rechtsbegehren (petita) vollständig und bestimmt darzulegen. Aufzuführen seien auch Nebenbegehren (ancillary petita) wie z.B. verlangte Zinsen und Entschädigung für
25
Rechts- und andere Kosten des Verfahrens .
Die DIS SchO schreibt in Art. 6.2 (2) vor, dass die Klage auf Einleitung des
Schiedsverfahrens "einen bestimmten Antrag" enthalten muss. Die Bestimmung
wird jedoch dahingehend kommentiert, dass "die Ansprüche an die Bestimmtheit"
jedenfalls in der Einleitungsklage "noch nicht übertrieben werden sollten". Das Wort
"bestimmt" gehe zwar über Art. 4 (3) c der ICC SchO hinaus und entspreche § 253 I
2 der deutschen ZPO (welche sich mit den Anforderungen an die Klageschrift befasst). Es sei aber zu beachten, dass nach der DIS SchO im Gegensatz zu Art. 18
ICC SchO kein Schiedsauftrag festzulegen sei, in welchem die Parteien mit dem
Schiedsgericht den Streitgegenstand identifizierten. Die Klage und ihre Inhalt hätten
unter der DIS SchO also ein tendenziell höheres Gewicht. Indessen müsse die DIS
aufgrund der Klageinleitung nur wissen, worum es geht. Zulässig erscheine deshalb,
dass der Kläger sich noch nicht entscheidet und z.B. noch die Wahl zwischen
Feststellungs- und Leistungsklage offen lässt, vorausgesetzt nur, dass erkennbar
ernsthaft geklagt wird. Es sei dann Aufgabe des Schiedsgerichtes, die Zulässigkeit
des Antrages, oder gegebenenfalls von Alternativanträgen, auf der Grundlage des
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anwendbaren Verfahrensrechtes zu prüfen .
5.
Thesen
5.1
Das Erfordernis der Bestimmtheit des Rechtsbegehrens gilt auch in internationalen Schiedsverfahren
Es sprechen triftige Gründe dafür, das Erfordernis der Bestimmtheit der dem Richter
zur Entscheidung unterbreiteten Rechtsbegehren auch für in der Schweiz geführte
internationale Schiedsverfahren zu bejahen.
25
26
Weigand, op. cit., S. 226.
Aden, op. cit., S. 435.
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Auch in Schiedsverfahren müssen die Rechtsbegehren zuletzt so bestimmt formuliert sein, dass sie bei Gutheissung ohne Weiterungen vollstreckt werden können,
d.h. den Vollstreckungsgegenstand klar und abschliessend umschreiben. Es darf
nicht sein, dass anlässlich der Vollstreckung ein Urteilsdispositiv zunächst noch interpretiert werden muss. Gerade im internationalen Schiedsgerichtswesen ist dies
von besonderer Bedeutung, da Schiedssprüche oft in einem Land weit entfernt von
demjenigen, in welchem der Schiedsspruch ergangen ist oder sich der relevante
Sachverhalt abgespielt hat, vollstreckt werden wollen. Somit ist der Vollstreckungsrichter möglicherweise mit dem vom Schiedsspruch beurteilten Streitfall und den
sich daraus ergebenden Rechtsansprüchen wenig vertraut, woraus sich umso mehr
die Notwendigkeit ergibt, das Urteilsdispositiv tel quel vollstrecken zu können.
Es liegt sodann ganz allgemein im Interesse der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die Vollstreckung möglichst zu erleichtern, d.h. der unterlegenen Partei keinen Anlass zu geben, die Vollstreckung mit dem Argument, der Vollstreckungsgegenstand sei nicht genügend bestimmt, zu torpedieren. So lässt sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten im Vollstreckungsverfahren aus einem Schiedsspruch
entstehen, mit dem die eingangs dieses Artikels aufgelisteten Rechtsbegehren gutgeheissen würden. Wie soll ein Urteil vollstreckt werden, das die beklagte Partei
dazu verurteilt, "advice and assistance in strategy and management", oder "all
necessary and reasonable steps for promoting the distribution of K’s products" oder
"all capital contributions necessary for the operation of the partnership" zu leisten?
Dass das zu vollstreckende Urteil bestimmt und unmissverständlich sein muss, folgt
im übrigen auch aus Art. V Abs. 1 lit. e des New Yorker Übereinkommens über die
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Danach setzt die
Vollstreckbarkeit voraus, dass ein Schiedsspruch für die Parteien "verbindlich geworden ist". Zu Recht wird argumentiert, dass eine solche Verbindlichkeit nur vorliegt, wenn jede Partei genau weiss, was sie zu vollstrecken berechtigt bzw. was sie
27
zu leisten verpflichtet ist .
Aus dem Erfordernis der Bestimmtheit des Urteilsdispositivs resultiert unter schweizerischem Schiedsrecht sodann zwingend das Erfordernis der Bestimmtheit der
27
Franz Satmer, Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche wegen Verfahrensmängeln,
Schweizer Studien zum internationalen Recht, Band 89, Zürich 1994, S. 205 f.
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Rechtsbegehren. So verhält es sich, weil ein Schiedsgericht, gleich wie der staatliche Richter, nicht mehr oder anderes zusprechen darf, als die Parteien verlangt haben. Das schweizerische Schiedsrecht hat mit dem Art. 190 Abs. 2 lit. c der Disposi28
tionsmaxime auch in internationalen Schiedsverfahren Geltung verschafft .
Das Erfordernis der Bestimmtheit der Rechtsbegehren ergibt sich indessen zusätzlich und selbständig auch aus dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs.
Dieses verlangt, dass der Beklagte erkennt, was genau von ihm verlangt wird, damit
er sich zielgerichtet dagegen verteidigen kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist der
Methania Entscheid des Bundesgerichtes, wonach ein Schiedsgericht, obwohl dies
von den Parteien gar nicht verlangt wurde, über das Bestehen eines Vertrages entscheiden und diesen sogar noch ergänzen können soll, schwer nachvollziehbar.
Zulässig sollte ein solcher Schiedsspruch nur sein, wenn sich aufgrund des von den
Parteien in ihren Schriftsätzen Vorgetragenen geradezu zwingend und unmissverständlich ergibt, dass materiell etwas verlangt wird, was über die formell gestellten
Rechtsbegehren hinausgeht - und die beklagte Partei auf die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin ausführlich eingegangen ist. Auch nur unter diesen Voraussetzungen erscheint es haltbar, einen Schiedsspruch über die Feststellung eines
Vertragsverhältnisses, wie im Methania Entscheid zugelassen, auf ein subsidiäres
Auffangbegehren abzustützen, welches vom Schiedsgericht lakonisch verlangt, der
Klägerin alle "rechtlich angemessenen Rechtsbehelfe" zuzusprechen.
Aus Sicht des Schiedsrichters ist anzufügen, dass auch er sich, gleich wie die beklagte Partei, grundsätzlich auf die formell gestellten Rechtsbegehren verlassen
können sollte. Zuzugeben ist, dass ein Schiedsgericht die Kompetenz hat, weniger
zuzusprechen als eine Klägerin verlangt, d.h. z.B. einen kleineren Betrag als eingeklagt oder bei einer sonstigen Leistungsklage weniger als gefordert. Indessen kann
aus dieser Entscheidungskompetenz der Schiedsrichter wohl nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wären, die oft umfangreichen Darlegungen der Parteien
darauf abzusuchen, was nun z.B. mit einem Begehren auf Leistung von "advice and
assistance in strategy and management", von "necessary and reasonable steps for
28
In angelsächsischen Rechtsordnungen gilt dieses Prinzip, wie bereits ausgeführt, hingegen nicht (siehe vorne FN
16). So sehen z.B. die Commercial Arbitration Rules der American Arbitration Association in Art. 43 vor: "The
arbitrator may grant any remedy or relief that the arbitrator deems just and equitable and within the scope of the
agreement of the parties …". Dies steht im Einklang mit den auf Verfahren vor staatlichen (Bundes)Gerichten
geltenden US Federal Rules of Civil Procedure, deren Art. 54 (c) lautet: "Every final judgment shall grant the relief,
to which the party ... is entitled, even if the party has not demanded such relief …".
15 | 18
promoting K’s products" oder mit dem Begehren "affording it [distribution] opportunities in line with its capacities" genau gemeint ist. Und noch weniger kann dies bei
einem Begehren der Fall sein, mit dem das Schiedsgericht kursorisch aufgefordert
wird, die von ihm „als recht und billig befundenen Rechtsbehelfe" zuzusprechen.
Damit sei nicht in Abrede gestellt, dass ein Schiedsgericht unter gewissen Umständen ein Rechtsbegehren zu interpretieren verpflichtet (und ermächtigt) ist. Wo alle
Beteiligten aus dem Wortlaut des Klagebegehrens ersehen, worum es genau geht,
29
soll auch eine mangelhafte Formulierung nicht schaden . Davon zu unterscheiden
sind jedoch die hier zitierten Fälle völlig ungenügend bestimmter Begehren.
Was insbesondere die Bestimmtheit von Rechtsbegehren auf Geldzahlung betrifft,
besteht ebenfalls kein Grund, von den im Zivilprozessrecht diesbezüglich entwickelten Regeln abzuweichen. Grundsätzlich sind Rechtsbegehren auf Geldzahlung zu beziffern. Eine Ausnahme gilt für den Fall der Stufenklage, bei welcher eine
zunächst unbestimmte Geldforderungsklage mit einem materiell-rechtlich abgestützten Hilfsanspruch vorerst auf Rechnungslegung oder Auskunfterteilung durch
den Beklagten, verbunden wird. Eine weitere Einschränkung des Bestimmtheitserfordernisses muss gelten, wenn der Kläger aus Gründen, die ausserhalb seiner
Kontrolle liegen, nicht imstande ist, seine Geldforderung vor dem Beweisverfahren
zahlenmässig zu beziffern. Diesfalls muss eine Bezifferung erst nach der Beweiserhebung zulässig sein, wobei der Gegenpartei dann aber Gelegenheit zur ausführlichen Kommentierung des geforderten Quantums einzuräumen ist.
5.2
Grundsätzlich sind die Rechtsbegehren spätestens vor der Beweisverhandlung bestimmt zu formulieren.
In Übereinstimmung mit verschiedenen oben vermerkten Kommentaren wird hier die
Auffassung vertreten, dass an die Bestimmtheit der Rechtsbegehren in der einleitenden Schiedsklage keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden sollten.
Die Begehren sind in der Einleitungsphase des Schiedsverfahrens lediglich so deutlich zu beschreiben, dass erstens prima vista ersichtlich ist, ob der Streitgegenstand
überhaupt unter die Schiedsklausel fällt, und sodann zweitens ein vernünftiger Entscheid über den Kostenvorschuss und allenfalls die Zahl der zu bestellenden
29
Gleich wie im Zivilprozess vor staatlichen Gerichten, vgl. Frank/Sträuli/Messmer, op. cit., N 15 zu § 100 ZH ZPO.
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Schiedsrichter (Einer- oder Dreier-Schiedsgericht) möglich ist. Bei Geldforderungen
bedeutet dies, dass im Einleitungsstadium wenn immer möglich mindestens ein Minimalbetrag genannt wird.
Unter den Gesichtspunkten der Gewährung des rechtlichen Gehörs, der Prozessökonomie und der Sicherstellung der Vollstreckbarkeit ist erforderlich, aber auch
hinreichend, dass die Rechtbegehren im letzten Schriftsatz vor der Beweisverhandlung bestimmt und unzweideutig formuliert werden. Dies erlaubt einerseits die Beweisverhandlung zielgerichtet auf das von den Parteien Geforderte auszurichten
und andererseits erhält der Beklagte damit Gelegenheit, zu den endgültig formulierten Begehren im Post-Hearing Brief or Closing Statement nochmals umfassend
Stellung nehmen zu können.
Für Geldforderungen gelten die bereits genannten Ausnahmen. Unter bestimmten
Voraussetzungen sind sie ausnahmsweise erst nach vorgängiger Durchführung
eines Rechnungslegungsverfahrens oder nach Abschluss des Beweisverfahrens zu
beziffern.
5.3
Das Schiedsgericht ist verpflichtet, die Parteien zur Verbesserung ungenügend bestimmter Rechtsbegehren aufzufordern
Ein Schiedsgericht hat nach der hier vertretenen Auffassung die Pflicht, gleich wie
der Richter im staatlichen Prozessverfahren, die Klägerin oder Widerklägerin auf ein
ungenügend bestimmt formuliertes Rechtsbegehren hinzuweisen und den Parteien
spätestens vor der Beweisverhandlung Gelegenheit einzuräumen, das oder die Begehren zu verbessern. Um keinerlei Unklarheit offenzulassen, ist die Aufforderung
zur Verbesserung mit der Androhung zu verbinden, dass bei Unterbleiben auf die
Schiedsklage nicht eingetreten würde.
Nicht haltbar erscheint die vom Bundesgericht im Methania Entscheid vertretene
Auffassung, wonach es der beklagten Partei obliege, ein ungenügend bestimmtes
Rechtsbegehren zu rügen, und diese Rüge jeweils ohne Zeitverzug erhoben werden
müsse, ansonsten sie verwirkt sei. Eine solche Verwirkungsfolge galt nach bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung (nur) bei Unterlassung einer sofortigen
Rüge von Verfahrensfehlern des Schiedsgerichtes. Mit Recht ist in Frage gestellt
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worden, ob ein von einer Partei ungenügend formuliertes Rechtsbegehren auf die
gleiche Stufe zu stellen ist wie ein vom Schiedsgericht begangener Verfahrensfeh30
ler. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlt es bei einem ungenügend bestimmten Rechtsbegehren an einer Verfahrensvoraussetzung (Prozessvoraussetzung),
die vom Schiedsgericht ex officio festzustellen ist. Die unterlassene Rüge der Gegenpartei kann nicht auf eine Ermächtigung des Schiedsgerichtes hinauslaufen,
nunmehr etwas zuzusprechen, was die Klägerin nicht verlangt hat. Damit würde der
Beschwerdegrund von Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG in einer nicht zu rechtfertigenden
Weise unterminiert.
30
Besson, Réflexions sur la jurisprudence suisse récente rendue en matière d’arbitrage international, in: ASA
Bull. 2003/3, p. 480. Im übrigen weist Besson zu Recht darauf hin, dass im Methania-Fall die Beklagte mit der
Klageantwort ja gesamthaft die Abweisung der klägerischen Rechtsbegehren anbegehrte, womit sie sich also auch
dem zur Diskussion stehenden bestimmten Rechtsbegehren widersetzte.
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Literaturverzeichnis
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Besson, Réflexions sur la jurisprudence suisse récente rendue en matière
d’arbitrage international, in: ASA Bull. 2003/3
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2000
Derains/Schwartz, A Guide to the New ICC Rules of Arbitration, Kluver 1998
Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997
Frick "Sichere Fahrt für die Methania – das Bundesgericht bekräftigt die Kompetenz
von Schiedsgerichten zur Vertragsergänzung", in: ASA Bull. 2002/3
Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979
Heini/Keller/Siehr/Vischer/Volken (Hrsg.), IPRG Kommentar, Zürich 1993
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Auflage, Bern 2000
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Iran-U.S. Claims Tribunal, The Hague 1991
Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechtes, 7. Auflage, Bern 2001
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das internationale Privatrecht in der praktischen Anwendung, SSIR 67, Zürich 1990