Leben im Revier Elektrifizierung des Ruhrgebiets Spätzünder Ruhrgebiet Wie der Strom ins Revier kam Blick in die Viehofer Straße in Essen auf das RWE-Kraftwerk Essen (Stammzentrale) und die RWE-Leuchtreklame zwischen den Schornsteinen. (Foto: Historisches Konzernarchiv RWE). D orstfeld 1887: „Ein allgemeiner Jubel brach gestern Abend aus, als unerwartet das ganze Dorf im electrischen Glanze erstrahlte. Jung und Alt lustwandelten auf den Straßen und bewunderten die hübsche Einrichtung. Dorstfeld kann auf diese Einrichtung stolz sein, weil es das erste Dorf im Deutschen Reiche ist, welches elektrische Beleuchtung hat.“ Eine Sensationsmeldung in der Dortmunder Zeitung, in einer Zeit, in der man sich noch lange nicht vorstellen konnte, das Licht im Wohnzimmer einfach anknipsen zu können. 48 REVIER Manager 02/11 Zu verdanken hatten die Dorstfelder ihre „Erleuchtung“ der Zeche Dorstfeld. Wie auch in einigen anderen Gewerbebetrieben hatte man etwa ab 1880 in den Zechen mit verhältnismäßig geringem Aufwand Stromgeneratoren in die schon vorhandenen Dampfkraftanlagen eingebaut. Dadurch erzeugte man Strom, mit dem zunächst die eigenen Produktionsanlagen, und später auch Straßen und Gewerbegebiete beleuchtet wurden. In der Frühzeit der Elektrifizierung von 1900 bis ca. 1960 basierte 90 Prozent der deutschen Stromproduktion auf der Verbrennung von Kohle. Durch seine ausgeprägte gewerbliche Struktur erlebt das Ruhrgebiet, im Gegensatz zu ländlicheren und abgelegenen Gegenden, die zum Teil erst nach 1945 an die Stromversorgung angeschlossen werden, im gewerblichen Bereich zwar schon eine relativ frühe Elektrifizierung (um 1885), doch da das Ruhrgebiet kein starkes Bürgertum hat, was Strom fordert, und weil es immer wieder Konflikte zwischen Gegnern und Befürwortern von Stromerzeugungsanlagen kommt, setzt sich die Elektrifizierung bis in die privaten Haushalte hinein nur langsam durch. So wehrt sich zum Beispiel die Dortmunder Gasgesellschaft – nicht ganz überraschend – gegen den Bau von Stromkraftwerken. 1886 wird eine wichtige Weichenstellung für die weitere Elektrifizierung im Ruhrgebiet gelegt. Die Kölner Elektrizitäts-Gesellschaft Helios beantragt die Konzession für ein Elektrizitätswerk in Dortmund. Der Antrag wird nach Stellungnahme der Gasgesellschaft zunächst zurückgestellt. Parallel entstehen aber weitere kleinere elektrische Anlagen für die Beleuchtung von Gasthäusern und Geschäften. Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass die Bürgermeister und Magistrate der Städte gezwungen sind, die Stromversorgung voranzutreiben – möglichst so, dass ihnen die Hoheit über die Erzeugung von Stroms nicht verloren geht. 1889 wird das erste Elektrizitätswerk außerhalb eines Gewerbebetriebs im Dortmunder Hafen zu dessen Beleuchtung errichtet. Etwa zur gleichen Zeit werden in Bochum Blockheizanlagen für die regionale Stromversorgung errichtet. 1891 wird auf der internationalen Elektrizitätsausstellung in Frankfurt gezeigt, dass Wechselstrom mit der hohen Spannung von 15.000 Volt über weite Entfernungen mit geringen Verlusten transportiert werden kann. Damit wird die Stromübertragung erst recht ökonomisch attraktiv. Dass Dorstfeld absoluter Vorreiter in Sachen öffentliche Beleuchtung war, zeigen auch diese Beispiele: 1901, also erst 14 Jahre nach dem ersten Licht in Dorstfeld, wird der Oberhausener Bahnhof erleuchtet, 1905 bricht in Recklinghausen das elektrische Zeitalter mit der Beleuchtung des Kreishauses und der Elektrifizierung des Ruhrgebiets Leben im Revier Zur richtigen Zeit am richtigen Ort Förderung auch 2011 nutzen! Transformator des RWE in einer Litfasssäule im Stadtgarten Essen, um 1900 (Foto: Historisches Konzernarchiv RWE). Berliner Handels-Gesellschaft das Elektrizitätswerk Westfalen (EW) mit Sitz in Bochum gegründet. Ziel der Gründung ist es, die u.a. von Politikern wie Landrat Karl Gerstein und Felix Friedrich Graf von Merveldt als bedrohlich wahrgenommene Expansion des von Hugo Stinnes und August Thyssen unterstützten RWE zu stoppen. Hierbei wurden die Politiker von der Berliner Handels-Gesellschaft unter Walther Rathenau unterstützt, da die AEG und weitere Elektrokonzerne ebenfalls versuchten, durch Druck auf das RWE ihre Machtposition im boomenden Energie- und Verkehrssektor zu stärken. Weiter östlich rüstete sich auch Hagen mit dem Elektrizitätswerk Mark gegen RWE. 1908 setzte man auf Drängen des Arnsberger Regierungspräsidenten, der die Verständigung zwischen den Kontrahenten forderte, Grenzpfäle, die im Grunde bis zur Liberalisierung des Strommarkts im Jahr 1998 blieben: Das Tor zum Sauerland war Hoheitsgebiet des Elektrizitätswerks Mark, im östlichen bis mittleren Ruhrgebiet der E-Werke Dortmund und Kruckel und im westlichen Ruhrgebiet des RWE. 1925 übernahm das Dortmunder E-Werk das Kraftwerk Kruckel vollständig, akquirierte das Dortmunder und Verbands-Elektrizitätswerk GmbH und verlegte den Sitz nach Dortmund. Der Name wurde gleichzeitig in Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW) geändert, die ein Jahrhundert später – im Jahr 2000 – schließlich doch mit der RWE fusionierte. Der Bezug von Strom und vor allem Licht waren in privaten Haushalten bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts Statussymbol. 1951 kostete eine Waschmaschine mit ca. 2.000 D-Mark etwa revier Manager 02/11 49 Im Rahmen des „De-minimis“ * Förderprogramms, stattet route control alle Fahrzeuge mit seinem leistungsstarken Ortungssystem aus. Telefon: 0201-8775428 TITEL: RUBRIK KLEIN Titel: Head klein POSITIONIERUNG s n immer recht en Inhale sollte gesetzt werd und links TITEL: RUBRIK TITEL: RUBRIK XX KLEIN XXXXXXXXXX TITEL: RUBR IK GROSS d groß Titel: Hea IK-FARBEN + SCHAT TEN (immer) rik-Farbe Logo = Rub bestmöglichem wählbar nach Bild Kontrast zum RUBR LOGO- UND Ausgabe verpasst? KLEIN XXXXXXXXXX Da s Un ter Gra nehm tis ab er-Ma ww € 500.0 gazin w.r 00 für evi Jah Sü erres dw ma nage umsat estfal z. en. r.d e Bergverwaltung an. Um die Jahrhundertwende beziehen 41 Bürger im Ruhrgebiet Strom zur privaten Nutzung. Im Dezember 1897 wird das Städtische Elektrizitätswerk an der Weißenburger Straße in Dortmund in Betrieb genommen. Einen Tag vor Weihnachten sind 3.036 Glühlampen, 40 Bogenlampen und fünf Motoren in Gebrauch. Die ersten Bogenlampen an den Hauptstraßen der Innenstädte werden mit Kohlestäben betrieben, die rund acht Stunden glühen, und dann ausgewechselt werden müssen. Das besondere am Städtischen Elektrizitätswerk war, dass es die älteren, reinen Gleichstromwerke anderer Städte mit seinem kostengünstigeren Drehstromnetz überflügelte – ein früher Erfolg, wenn man bedenkt, dass erst 1946 eine Vereinheitlichung in Drehstrom stattfand und es bis dahin sogar in der Dortmunder Innenstadt nur Gleichstrom gab. In Essen wird 1898 das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) zunächst als rein städtisches Unternehmen gegründet. Nach der Übernahme der Aktienmehrheit durch die Industriellen Hugo Stinnes und August Thyssen im Jahr 1902 hat RWE Expansionspläne über die Stadtgrenzen hinaus. Man will das Dortmunder E-Werk übernehmen, und die Stadt an den Gewinnen beteiligen. Im westfälischen Teil des Ruhrgebiets stößt dieser Plan auf Widerstand. 1906 wird auf Initiative verschiedener Land- und Stadtkreise in Westfalen – darunter insbesondere die Landkreise Bochum, Recklinghausen und Gelsenkirchen sowie die Stadtkreise Bochum und Herne unter Unterstützung der Bergwerksgesellschaft Hibernia und der Rufen Sie uns an wir schicken Ihnen eine! 3 * Förderung für Fahrzeuge ab 12 Tonnen route control GPS-Fahrzeugortung und Flottenmanagement Stephan Härtel Telefon: 0201-8775428 Telefax: 0201-8775429 www.routecontrol.de [email protected] Leben im Revier Elektrifizierung des Ruhrgebiets Dampfturbine und Turbogenerator in der Maschinenhalle des Gemeinschaftswerks Hattingen, um 1912 (Foto: Richardt Ziegler/Historisches Konzernarchiv RWE). die Hälfte eines Volkswagens. Nicht zuletzt liegt die späte öffentliche Verbreitung des Stroms auch an den Preisen, die bis in die späten Fünfziger Jahre noch bei etwa 40 Pfennig pro Kilowattstunde lagen. Mit dem Nachweis durch Julius Elster und Hans Geitel im Jahr 1899, dass Radioaktivität auf Atomzerfall beruht, begann das Zeitalter der Atomkernphysik und somit auch die Möglichkeit, schier unendliche Mengen an Strom zu einem relativ günstigen Preis zu erzeugen. Strom veränderte nicht nur den Alltag der Menschen, sondern auch das Erscheinungsbild seiner Umgebung: 1893 fuhr in Essen die erste elektrische Straßenbahn. Züge brauchten allerdings einige Jahrzehnte länger, bevor sie mit Strom betrieben wurden: Während die Märklin Modelleisenbahnen in den Kinderzimmern der Oberschicht schon 1938 mit Strom fuhren, wurden die Züge auf den Schienen im Revier noch mit Dampfkraft betrieben. Erst 1957 wurde die erste elektrifizierte Strecke vom Hamm, über Düsseldorf und Dortmund, nach Essen eröffnet. Im Bereich des Städtebaus z.B. wurde die Errichtung von mehr als zehnstöckigen Hochhäusern im Grunde erst durch elektrisch Kabellegung für das Gleichstromnetz des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund in der Innenstadt, 1897 (Foto: Historisches Konzernarchiv RWE). angetriebene Fahrstühle möglich. Telefon und Computer ermöglichen es erstmals, dass Menschen kommunizieren, ohne sich anzuschauen. UMTS bewirkt heute schon wieder das Gegenteil: Menschen können sich in Echtzeit anschauen, obwohl sie kilometerweit voneinander entfernt sind, z.B. durch Skype. Zugespitzt formuliert der Soziologe Norbert Bolz, dass sich die Weltgesellschaft überhaupt erst dadurch konstituiert hat, dass es möglich wurde, sich z.B. tagesaktuelle Bilder aus aller Welt ins Wohnzimmer zu holen – dank Strom. Stromverbrauch – ja bitte! Während wir heute daran arbeiten, so wenig Strom wie möglich zu verbrauchen, machte man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast schon so etwas wie Guerilla-Marketing für den Stromverbrauch – in erster Linie indem Hersteller und Energieversorger in Kooperation penetrant für Elektrogeräte warben. 1935 gab es sogar „Reichs-Zuschuss“ für „Strom in jedem Raum“. Es gab Briefmarken, auf denen ein Fön abgebildet war, sowie der Schriftzug „Fön – ärztlich empfohlen“. Auch Höhensonne galt als unverzichtbares Allheilmittel und inspirierte die Werber zu unglaublicher Kreativität: „Die Höhensonne jedem Kind! Wenn das doch Wahrheit würde. Frei wäre die Menschheit dann geschwind, von mancher schweren Bürde.“ Viel mehr zur spannenden Geschichte der Elektrifizierung im Ruhrgebiet ist nachzulesen in „Revier unter Strom“ von Peter Döring und Theo Horstmann (Klartext-Verlag Essen). Tamara Olschewski | [email protected] Sehenswert Auf 2.500 m2 Ausstellungsfläche nimmt das „Museum Strom und Leben“ im Umspannwerk TIPP Recklinghausen seine Besucher mit auf eine Zeitreise durch die Kultur-, Sozial- und Technikgeschichte der Elektrifizierung – die Geschichte der Elektrizität zum Anfassen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Uferstraße 2-4 in 45663 Recklinghausen. Möbel für Büro, Betrieb, Konferenz EINRICHTUNGEN Weitere Produkte unter: Tel. 0611 54541 185x60.indd 1 50 REVIER Manager 02/11 www.schultz.de 02.02.2011 13:28:17 Uhr
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