Wie eine Handvoll Gymeler Bernhard Pulver aus der - LEBE

21
— Mittwoch, 20. November 2013
Bern
Ballsporthalle nimmt vorletzte Hürde
Das Muriger Gemeindeparlament stellte sich gestern geschlossen hinter das Projekt. Die federführende
Stiftung wird für die Gemeindeparzelle aber deutlich mehr bezahlen müssen als ursprünglich vereinbart.
Sebastian Meier
Für die Gemeinde Muri ging es gestern
um nichts – und doch um viel. Der Bau
der neuen Ballsporthalle beim Schulhaus Moos in Gümligen ist das private
Projekt einer Sportstiftung. Trotz Kosten
von insgesamt 13 Millionen Franken soll
die Muriger Gemeindekasse nicht belastet werden. Noch im August drohte das
grundsätzlich unbestrittene Projekt im
Gemeindeparlament zu scheitern, worauf der Gemeinderat das Geschäft kurzerhand zurückzog.
Im zweiten Anlauf sprach sich das
Parlament gestern nun aber doch dafür
aus, die nötigen baurechtlichen Voraussetzungen zu schaffen und die Gemeindeparzelle im Baurecht an die Stiftung abzugeben. Die Diskussion dauerte eine
knappe halbe Stunde, der Entscheid fiel
einstimmig. Das letzte Wort wird allerdings, voraussichtlich im kommenden
Jahr, das Muriger Stimmvolk haben.
Der ursprünglich vorgesehene Baustart im Frühling 2014 ist damit endgültig vom Tisch. Drei grosse Steine lagen
bis anhin auf dem Weg zur neuen Sporthalle. So hatten die Schrebergarten-
besitzer auf der Bauparzelle mittels Petition gegen ihre Verlegung protestiert.
Zudem befürchteten diese aufgrund der
neuen Halle mit Platz für 2000 Zuschauer
eine massive Verkehrszunahme. Dies
konnte mittlerweile mit einem externen
Gutachten widerlegt werden. Die Schrebergärtner erhielten mittlerweile die
Kündigung. Die Thematik wurde gestern
im Parlament allerdings nicht mehr
angesprochen.
Gemeinde bekommt mehr Zinsen
Ein zweites, ungleich höheres Hindernis
war eher politischer Natur. So forderten
bei der Parlamentssitzung im August
mehrere Fraktionen eine Überprüfung
des Baurechtszinses, welche die Stiftung
der Gemeinde abliefern sollte. Moniert
wurde, dass die vom Gemeinderat vorgesehenen rund 40 000 Franken pro
Jahr zu tief angesetzt seien.
Der Gemeinderat ging daher nochmals über die Bücher, um den Vorwurf
vertieft abzuklären. Ein weiteres externes Gutachten bestätigte schliesslich,
dass der mit der Stiftung vereinbarte Betrag, im Vergleich mit der Praxis der
Burgergemeinde Bern, durchaus vertretbar sei.
Hinter den Kulissen brodelte es aber
in den Parteien weiter, wie die zuständige Gemeinderätin Patricia Gubler
(FDP) gestern sagte. Laut der nun gutgeheissenen Vorlage soll der Betrag deshalb nur während der ersten drei Jahre
Ortsplanung
Vorwärts in kleinen Schritten
Nachdem die Muriger Stimmbevölkerung
2012 eine umfassende Ortsplanungsrevision
abgelehnt hat, will der Gemeinderat die
Siedlungsentwicklung mit kleineren Massnahmepaketen vorantreiben. Ein erstes
solches Paket geht am 21. November in die
öffentliche Mitwirkung und enthält neben der
Anpassung der Überbauungsordnung für die
Ballsporthalle Moos (siehe Haupttext) etwa
auch eine neue Gebäudetypologisierung oder
Gefahrenkarten. Die Behörden orientieren am
27. November in Gümligen und am 4. Dezember in Muri über das weitere Vorgehen und
genaue Inhalte der Ortsplanungsstrategie.
Weitere Infos: www.muri-guemligen.ch (sem)
bei 40 000, dann für drei Jahre bei
50 000 und schliesslich für die verbleibenden 74 Jahre der Vertragsdauer bei
jährlich 60 000 Franken liegen.
Die dritte und grösste Hürde liegt
aber im Baurecht. Für den Bau der Halle
muss die entsprechende Überbauungsordnung aus dem Jahr 1994 angepasst
werden. Dies war eigentlich bereits in
der Ortsplanungsrevision vorgesehen,
welche das Stimmvolk 2012 abgelehnt
hat. Nun wird das Volk im Rahmen des
ersten Teilpaketes der neuen Ortsplanungsstrategie erneut darüber befinden
können (siehe Kasten).
«Der Weg ist geebnet»
Die Erleichterung darüber, dass das Geschäft wieder auf Kurs ist, war bei den
Fraktionen greifbar. «Der Weg ist geebnet» sagte Martin Häusermann (Forum),
«die letzten Hindernisse ausgeräumt»,
sagte Christian Spycher (SVP), «der für
Muri typische Kompromiss gefunden»,
so Beat Wegmüller (SP) – und das sogar
mit einer um das 39-Fache gesteigerten
Wertschöpfung der Parzelle, wie Ruth
Raaflaub (FDP) vorrechnete.
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Brief an den
Kanton kam
abhanden
Eine peinliche Panne
sorgt beim Baubewilligungsverfahren für das geplante
Alterszentrum an der
Bernstrasse in Zollikofen
für eine Verzögerung.
Simon Wälti
Die Bauverwaltung in Zollikofen ging davon aus, dass die Akten für die Planungsvorschriften im August 2012 ans Amt für
Gemeinden und Raumordnung gesandt
worden waren. Allerdings sind die
Unterlagen offenbar nie bei der kantonalen Amtsstelle, welche die Vorschriften
genehmigen muss, eingetroffen. Dass
irgendwo ein Knick in der Leitung bestand, wurde aber erst kürzlich klar, wie
Gemeindepräsident Daniel Bichsel (SVP)
erklärt. Das Regierungsstatthalteramt
Bern-Mittelland stellte im Rahmen des
Baubewilligungsverfahrens nämlich
fest, dass die Grundordnung für die
Zone mit Planungspflicht noch gar nicht
genehmigt war.
Wo die Panne passierte, ist unklar
«Eine Kopie des Begleitschreibens an
das Amt für Gemeinden und Raumordnung ist bei uns in den Akten», sagt Bichsel. Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder haben die Unterlagen trotz des
Schreibens das Haus nie verlassen, oder
die Post hat die Sendung nicht zugestellt, oder der Fehler ist beim Amt für
Gemeinden und Raumordnung passiert.
«Das kann nun nicht mehr eruiert werden», sagt Bichsel. Der Gemeinderat bedauere die Panne ausserordentlich. Sendungen dieser Art an Amtsstellen wurden laut Bichsel bisher nicht als eingeschriebene Briefe verschickt.
In Zukunft schneller nachfragen
Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Seefeld haben Regierungsrat Bernhard Pulver an einer Kundgebung dazu aufgefordert, mehr Fantasie zu zeigen. Foto: Adrian Moser
Er hat die Sanierung der
Pensionskassen aufgegleist
und die Lehrer besänftigt.
Aber bei der Fusion der
Gymnasien in Thun hat
Bernhard Pulver kein Rezept.
Bernhard Ott
Die von Lobbys organisierten Kundgebungen vor dem Rathaus sind straff organisiert. Der Ablauf der Veranstaltungen ist berechenbar. Auf Personalisierungen wird verzichtet, auch wenn sich
diese anbieten würden – zum Beispiel
bei den Sparmassnahmen im Sozialbereich. Gestern Morgen war dies jedoch anders, als 51 Schülerinnen und
Schüler des Gymnasiums Thun-Seefeld
Regierungsrat Bernhard Pulver (Grüne)
eine Petition mit über 6500 Unterschriften zum Erhalt ihrer Schule überreichten. «Mehr Fantasie, Herr Pulver», war
auf einem der Transparente zu lesen.
Kratzen an einem Denkmal
Dies ist so unverfroren wie überraschend. Bildungsdirektor Pulver hat bisher geschafft, was seinen Vorgängern
kaum je gelungen ist: Er hat den Reformeifer im Bildungsbereich in geordnete
Bahnen gelenkt, einen Kompromiss bei
den Lehrerlöhnen erwirkt und die Sanierung der Pensionskassen aufgegleist.
Die politische Strahlkraft des Politikers,
der vor den letzten nationalen Wahlen
gar als erster grüner Bundesrat gehandelt wurde, ist ungebrochen. Dabei hilft
ihm sein Pragmatismus. «Ich muss doch
nicht recht haben, ich muss die richtige
Lösung finden», sagte Pulver Anfang
letzten Jahres im «Magazin». Und weil er
dafür die Mehrheit brauche, müsse er
auch der Gegenseite gut zuhören. «Die
richtige Lösung ist immer eine Kombination», sagte Pulver.
Wenn die richtige Lösung fehlt . . .
Bei der Beratung des 450-MillionenFranken-Sparpakets im Grossen Rat ist
es nun aber offensichtlich, dass es keine
richtige Lösung gibt. Denn die rot-grüne
Mehrheit in der Kantonsregierung wurde
vom bürgerlichen Parlament zu Sparmassnahmen gezwungen, die alles Mögliche sind, nur nicht rot-grüne Politik.
Für die Vertreter der Behinderten- oder
Lehrerverbände ist das klar. Nicht so
aber für die direkt betroffenen Schüle-
rinnen und Schüler des Gymnasiums
Seefeld, die sich gegen die vom Regierungsrat verordnete Fusion ihrer musisch orientierten Schule mit dem naturwissenschaftlich ausgerichteten Gymnasium Schadau wehren.
Bei einem Besuch Pulvers in der
Schule im Thuner Seefeld brach der
Konflikt offen auf. «Ich habe dieses Sparpaket nicht gesucht», sagte Pulver in
einem Interview mit dem «Thuner Tagblatt». Am Gespräch habe «keine sehr
konstruktive Atmosphäre» geherrscht.
Alles, was er und die Vertreter seiner
Direktion vorgebracht hätten, sei sofort
infrage gestellt worden. Schliesslich
habe er eingegriffen und gesagt: «Greift
mein Team nicht an, es kann nichts für
das Sparprogramm.»
. . . werden Entscheide vollzogen
Seine Direktion hingegen habe die alternativen Sparvorschläge der Schule sehr
wohl bedacht. Dabei sei sie zum Schluss
gekommen: «Damit sparen wir keine
halbe Million, sondern nur rund die
Hälfte.» Pulver appellierte daher an die
Schülerschaft, ihre Energien in die
Schaffung einer neuen Schule einzubringen anstatt in den Kampf gegen die
Fusion. Und schliesslich erinnerte er an
die Macht des Faktischen: «Ich gehe
davon aus, dass der Grosse Rat der
Fusion zustimmt. Der Entscheid ist dann
umzusetzen.»
«Mit aller Sorgfalt»
Nein, vor einer Personalisierung der
Spardebatte habe er keine Angst, sagt
Blaise Kropf, Parteipräsident der Grünen. Es sei auch den Lehrkräften bewusst, dass Pulver seine Arbeit «mit
aller Sorgfalt» mache. So sei gerade der
Bildungsbereich von Sparübungen in
grösserem Umfang verschont geblieben.
Zudem gebe es bei Kundgebungen gelegentlich Transparente mit personalisiertem Inhalt, sagt Kropf.
Keine Äusserung zum Protest der
Schülerinnen und Schüler aus Thun gibt
es von Lehrerinnen und Lehrer Bern
(Lebe). Sie zeigen heute den Grossratsmitgliedern «plakativ», was diese mit
den Berner Schulen beabsichtigen und
werfen Klassenfotos in einen Kehrichteimer, um gegen einen drohenden Abbau von Schulklassen zu protestieren.
Mit Transparenten personalisierten
Inhalts ist bei dieser Kundgebung nicht
zu rechnen.
Nach der Panne will die Gemeinde Zollikofen nun in solchen Fällen die Briefe in
Zukunft eingeschrieben verschicken.
Zudem seien auch verwaltungsintern
die Lehren gezogen worden, sagt Bichsel. In Zukunft werde man bei komplexen Verfahren schneller nachfragen, wie
der Stand sei. Die nötigen Unterlagen für
das Alters- und Pflegezentrum wurden
erneut eingereicht. «Wir werden morgen
noch beim Amt vorsprechen, um sicher
zu sein, dass nichts fehlt.» Gestern weilte
Bichsel in Luzern, um sich bei den Investoren für die Fehlleistung zu entschuldigen. «Die Panne hat nicht zu bösen Worten geführt.»
Einsprache der GFL pendent
Zusammen mit der ausstehenden kantonalen Genehmigung wird nun später als
geplant über die unerledigten Einsprachen befunden. Pendent ist hier insbesondere eine Einsprache der GFL Zollikofen in Bezug auf die Energievorschriften. Die Gemeinde will aber darauf hinwirken, dass das Genehmigungsverfahren für die Planungsvorschriften und
das Baubewilligungsverfahren parallel
geführt werden, um den Zeitverlust zu
begrenzen. Die beteiligten Stellen haben
gemäss Gemeinde «eine speditive
Geschäftsbehandlung in Aussicht gestellt». Die Gemeinde rechnete damit,
dass die Baubewilligung bis Ende 2013
erteilt werden könnte.
Bei der Abstimmung 2010 war ursprünglich noch von einer Eröffnung im
Jahr 2014 die Rede.