A USGABE 22 A UGUST 201 3 INHALT 01 Was i st der AKON? 02 Gas(t) spi el am Bosporus 06 Syrer i n Deutschl and 1 0 Der Rapper der Revol uti on 1 3 Gi bt es Pressefrei hei t i m Arabi schen Frühl i ng? 1 5 Semi narthemen 1 6 Erl angen. Master Nahoststudi en CHEFREDAKTION: Fabi an Schmi dmei er, Fel i x Wi edeman n A UTOREN: Chri sti na Gei sl er, Fabi an Schmi dmei er, Marcus Schoft, Al exander Schul z, Mari e- Sophi e Werz, Fel i x Wi edemann L AYOUT: Cem Cel i k, Karl Fel secker, Fel i x Wi edemann KONTAKT: i nfo@ak- ori ent. de FACEBOOK- GRUPPE: Bamberg/Ori ent E DITORIAL Was ist der AKON? VON F ELIX WIEDEMANN Bamberg, 29. 07. 2013 Nach fast drei Jahren ohne neue Ausgaben muss diese Frage leider gestellt werden. Der AKON ist eine Publikation des AK Orient Bamberg und wird von Studierenden für Studierende geschrieben. Er bietet Raum dafür, Kritik zu äußern, über den letzten Auslandsaufenthalt zu berichten, eigene Seminarund Abschlussarbeiten vorzustellen, Informationen zu verbreiten, die auch für Eure Kommilitonen interessant sind und dafür, journalistische Erfahrungen zu sammeln. Nicht zuletzt soll der AKON auch einer Präsentation des AK Orient und des Bamberger Orientalistik-Studiums an anderen Universitäten und in anderen Städten dienen. Zu besten Zeiten wurde er einbis zweimal pro Semester herausgegeben. Er erscheint immer als pdfDokument. In dieser Form wird er über den Verteiler des AK Orient verbreitet und ist ab dieser Ausgabe auch in der Facebook-Gruppe der Bamberger Orientalistik (siehe links) abrufbar. Außerdem liegen ein paar gedruckte Exemplare in der U11 aus. Wer Interesse hat, sich für den AKON zu engagieren, der ist herzlich dazu aufgerufen, sich über die E-Mail des AK Orient (siehe links) an uns zu wenden oder einen der Chefredakteure direkt anzusprechen. Nutzt den AKON, um Eure Hausund Abschlussarbeiten vorzustellen. Manchmal gibt es auch in einem so kleinen Institut Leute, die Ihr noch nicht kennt und die zu ähnlichen Themen forschen und Arbeiten geschrieben haben. Durch den AKON könnt Ihr Eure eigene Arbeit anderen Studierenden (und Dozenten) präsentieren, die diese noch nicht gelesen haben. Auch wer sich mit Design auskennt ist eingeladen sich beim AKON zu engagieren. Schreibt über Euren Sprachkurs in Teheran oder Usbekistan, Euer Praktikum in Kairo, Eure Reise in den Jemen. Jede weitergegebene Erfahrung und jeder zusätzliche Tipp, kann Neugierde wecken und Euren Nachfolgern einiges erleichtern. In diesem Sinne: Meldet Euch bei uns und bringt Euch ein! Schöne Semesterferien wünscht Euer AK Orient REPORTAGE Gas( t) - spiel am Bosporus Istanbul, 10. 06. 2013 VON C HRISTINA G EISLER “Geh an den Ort des Geschehens, schließ deine Augen, ertaste deine Umgebung, konzentriere dich auf das, was du hörst, was du riechst. Wenn du dann die Augen wieder öffnest, siehst du die Dinge aus einer anderen Perspektive.” Oft musste ich in den vergangenen Tagen daran denken, wie mir ein Kommilitone die beste Methode zum Reportage-Schreiben schilderte. Bewusstes Erleben. Momentaufnahmen. Abspeichern. 29. Mai 2013: Nach 11 Monaten ohne Istanbul kehren Daria und ich endlich zurück in unsere zweite Heimat. Die großflächigen Baustellen lassen den Flughafenshuttle einen langen Umweg nach Taksim fahren. Wir passieren den mit Zelten besetzten und Transparenten geschmückten Gezi Parkı. Ich erinnere mich an Facebook-Posts von unseren in Istanbul lebenden, türkischen Freunden, die sich darin gegen die Abholzung der Bäume aussprechen. Es ist anders als sonst, aber dennoch ein Hochgefühl, wieder da zu sein. Unsere Mansarde für die kommende Woche liegt zwei Parallelstraßen zur Istiklal, zwischen den Ausgehvierteln Nevizade und Küçük Beyoğlu. Nur 2 Gehminuten von der längsten Einkaufsstraße Europas entfernt und 7 von Taksim – purer Luxus. Ein paar Tage nach meiner Rückkehr aus der Türkei auf meiner sonnigen Terrasse an einem der wohl friedlichsten Orte Bayerns. Angestrengt versuche ich, meine Gedanken zu sortieren und die gesammelten Eindrücke in Worte zu fassen. Das, was ich in meiner Erinnerung sehe, fühle und schmecke ist in mir so präsent und scheint aus der räumlichen Distanz doch so weit weg. Nur langsam setzen sich die Impressionen der vergangenen Woche sinnvoll zusammen. Istanbul… seit unserer ersten Begegnung 2009 habe ich schon so einige skurrile Situationen und politische Prozesse miterleben dürfen. Dass ich jedoch ein derartig einschneidendes Ereignis der türkischen Republik-Geschichte zufällig abpassen würde, wäre mir nie in den Sinn gekommen. 2 31. Mai 2013: Früher Abend eines sonnig warmen Freitags. Wir schlendern über die Galatabrücke in Richtung der Wohnung, als uns die SMS meines ehemaligen Mitbewohners Emir erreicht. “Hey girls, are you ok? Please don’t go out tonight. There are going to be riots in Taksim. It will be very dangerous on the streets. Call me if you need anything and take care of you. ” wie etliche Verkäufer sogar ihre Schaufensterware verräumen. Anspannung liegt in der Luft. Weder die Gruppen, die uns entgegenkommen, noch die immer unruhiger werdende Atmosphäre geben uns Aufschluss darüber, was genau vor sich geht. Kann es sein, dass die Türken tatsächlich für die Erhaltung eines Stadtparks auf die Straße gehen? So viele? Sind das nicht dieselben, die sogar die unter Naturschutz stehende Prinzeninsel Heybeliada im Marmarameer nach dem Picknicken vermüllt zurücklassen? Wir fragen andere Umherstehende und bekommen die Aussage, die später in nahezu jedem Artikel auftauchen wird: “Ja, wir sind wegen dem Gezi Parkı da, aber eigentlich hat der nur das Fass zum Überlaufen gebracht. ” Von überall her kommen Verbündete. Mal beginnt einer zu klatschen und zu jubeln und alle stimmen mit ein. Dann schreit auf einmal jemand los und alle schreien mit. Neben uns taucht ein Mann mit Atemschutz auf. Sein halbes Gesicht ist mit einer weißen Flüssigkeit verschmiert. Eine Frau folgt ihm mit Schwimmbrille. Ich stehe am Eingang einer Nebenstraße und halte meine Kamera über die faszinierend große Menschenansammlung, als einer losrennt – und alle mitrennen. Auf uns zu und ab in die Nebenstraße. Der natürliche Instinkt ist aktiviert: Hinterher, Hauptsache weg! Ich suche nach Darias Hand. Ein undefinierbarer Knall. Und wieder Jubel, Klatschen, Schreien, Buhen. Menschenmassen haben eine gewaltige Noch haben wir keine Vorstellung davon, um was es sich bei den Ausschreitungen handeln könnte. Ich bin leicht verwirrt. In den etwas mehr als zwei Jahren, seit ich Emir kenne, hat er mich kein einziges Mal darum gebeten, das Haus nicht zu verlassen. Und schon gar nicht an einem Freitagabend in einer der wohl aufregendsten Metropolen der Welt. Wir erklimmen eine der steilen Gassen um den Galataturm, die in die Istiklal Caddesi münden und fragen uns, was Emir gemeint haben könnte. Oben angekommen, schließen bereits viele Läden. 19 Uhr, eine sehr unübliche Zeit, um Feierabend zu machen in einer Stadt, die nur selten schläft. Daria entdeckt, 3 Eigendynamik, die uns verunsichert. Wenn das hier eskaliert, liegt man schneller auf dem Pflaster als man daran denken kann, wegzulaufen. Wir beschließen, nach Hause zu gehen, bahnen uns einen Weg durch die Menge, in der sich vermummte Gestalten unter Fluchen Taschentücher und Zitronenscheiben an die Augen pressen. Wenige Ecken weiter liegt unsere Gasse ganz ruhig und friedlich da, dabei sind wir nur durch ein paar Gebäude von den Geschehnissen getrennt. In der Sitzecke unserer Wohnung verharren wir für Stunden, lauschen dem Knattern rotierender Hubschrauber, gemischt mit unbekanntem Donnern und stets heftiger werdenden Sprechchören von draußen. Sie fordern den Rücktritt der Regierung, den Rücktritt Tayyip Erdoğans, den gemeinsamen Widerstand gegen Faschismus. Es ist ziemlich rasch klar, dass etwas Großes begonnen haben muss. Als ich die SMS eines Freundes erhalte, den ich an diesem Abend nach langer Zeit endlich wiedertreffen sollte, wird uns bewusst, dass nicht nur er sich inmitten des Chaos befindet, das wir zwar hören, aber von dem wir aus dem 5. Stock der Seitengasse nichts außer Suchscheinwerfer der Helikopter sehen können. während wir nutzlos im sicheren Heim herumhocken. Unser Wasser geht zur Neige, wir hätten noch einkaufen gehen sollen. Rauchen eine nach der anderen. Schrecken bei jedem Krachen zusammen. Sind das echte Schüsse? Ungewissheit kann einen wahnsinnig machen. Die spärliche, aber dafür umso erschreckendere Berichterstattung im kaum funktionierenden und ständig aussetzenden Internet macht es nicht besser. Das Zwiegespräch reicht uns nicht mehr aus. Wir beginnen Informationen zu sammeln und auf Facebook zusammenzutragen. Erlösende Nachricht im Morgengrauen: “Wir sind zuhause. Hoffe, wir sehen uns morgen. ” Erleichterung. Jetzt finden auch wir endlich Schlaf. 1. J uni 2013: Der folgende Tag gleicht einem schlechten Film. Die Stadt ist nicht wiederzuerkennen, die Prachtstraße Rue de Pera gezeichnet von Verwüstung und Zerstörung. Man trägt Mundschutz, Gasmaske oder zumindest einen Schal, um sich vor dem beißenden Gasnebel zu schützen. Trotzdem bleibt einem die Luft weg wenn man erst mal in der Wolke steht. Oder ihr – soweit möglich – zu entkommen versucht. Ich muss an die Videospiele denken, in denen man aus der Perspektive eines Kämpfers durch Gassen irrt und einen Ausweg sucht. Was erwartet uns hinter der nächsten Ecke? Eine Straßensperre aus Menschenkörpern dicht aneinandergedrängter “Sorry, sind in Taksim. ” Die Bilder der Realität, die uns wegen der schlechten Aussicht verborgen bleiben, finden ihren Ersatz in Phantasieszenarien, die durch die fremde Geräuschkulisse genährt werden. Sorge ist kein zulänglicher Ausdruck. Unsere Freunde sind da draußen 4 Polizisten. Demonstranten, die Barrikaden errichten. Fliegende Gegenstände. Platzende Flugkörper, aus denen Gas strömt. Freiwillige in weißen Kitteln, die uns Zitronenstücke reichen und die milchige Lotion aus Wasser und einem Medikament gegen Säure in die aufgehaltenen Handflächen spritzen, damit wir uns die Augen auswaschen können. Konturen der passierenden, bewaffneten Polizisten brechen. Gestern saßen wir hier noch bei hausgemachter Limonade und haben uns mit der netten Amerikanerin vom Nebentisch unterhalten während die Café-Katze zusammengerollt neben uns lag und schnurrte. Die Situation wirkt surreal und ist zu abgefahren, um sie rekonstruieren zu können. Wie es so weit kommen konnte, dass wir uns jetzt, keine 24 Stunden später, vor der Staatsgewalt verstecken müssen? Das versteht hier wohl keiner so richtig. Kurz darauf wird das Café geschlossen. “Tut euch was weh? Seid ihr verletzt?” Und immer wieder rennt einer los – und die meisten hinterher. “Was sollen wir jetzt tun, Ali?” — “Go home!” Die Fortsetzung von Christina Geislers Reportage ist unter www.marcusschoft.de/gastspiel-am-bosporus auf Marcus Schofts Blog zu lesen. Christina studierte bis 2011 in Bamberg Islamischer Orient und Kommunikationswissenschaft. Während ihres Studiums war sie längere Zeit in Istanbul und arbeitete dort am Orient Institut sowie für die ARD. Zur Zeit absolviert sie einen Master in Management und Innovation in Journalismus und Medien in Eichstätt. In ihrer Master-Arbeit plant sie anhand der Gezi-Park-Proteste herauszufinden, inwiefern sich Bürgerjournalismus und die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien unterschieden und ob dies darauf zurückzuführen ist, dass auch deutsche Journalisten in einem Land mit geringer Pressefreiheit gewissen Einschränkungen unterliegen. Jedes Geräusch wird versucht zu identifizieren und lokalisieren. Beim Anblick der Geschosse, die die Polizisten mit sich herumtragen, kommen einem schlimmste Befürchtungen in den Sinn. Wir folgen einem Demonstrantenstrom durch Cihangir, der von Bewohnern des Viertels durch Zurufe und klirrende Schläge auf Küchenutensilien angetrieben wird. Gerade erreichen wir das kleine Café, in dem unser Freund Ali aushilft, als wir bereits hektisch hineingetrieben werden. Auf dem Boden kauernd blicken wir durch die Schlitze des heruntergelassenen Ladenrollos, durch das sich das Sonnenlicht und die © für alle Photos: Christina Geisler 5 BA- ARBEIT Syrer in Deutschland - Schlagabtausch im Exil VON F ABIAN S CHMIDMEIER sagen, der konnte Karriere machen und aufsteigen. "Aber wir Sunniten wurden systematisch benachteiligt", ergänzt Nadhiya. Bonn, 27. 08. 2012 Nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch im deutschen Exil sind die Syrer gespalten, was ihre Haltung zum AssadRegime betrifft. Für viele bedeutet das Exil eine Art Mikrokosmos der rivalisierenden Konfessionen und Interessensgruppen. Fabian Schmidmeier hat sich umgehört. Das wiederkehrende Trauma von Hama Diese Benachteiligung gipfelte in einem Aufstand der Muslimbrüder in Hama im Jahre 1982, der von Hafiz AlAssad blutig niedergeschlagen wurde. Schätzungsweise bis zu 30.000 Menschen wurden dabei getötet. Danach herrschte im Land eine Art Friedhofsruhe. Häufig winken in Deutschland lebende Syrer schnell ab, wenn sie auf die Situation in ihrer Heimat angesprochen werden. Die wenigsten sind bereit, sich frei zu äußern – oftmals aus Angst vor dem syrischen Geheimdienst, der auch in Deutschland ein Netz von Agenten unterhält und die Opposition im Exil ausspäht. "Bitte ohne Namen und lieber keine Fotos", meint Nadhiya (53), die aus Aleppo stammt, seit 23 Jahren in Deutschland lebt und sich selbst in einem westlichen Land nicht sicher fühlt. Als sie noch in Syrien lebte, war Baschar al-Assads Vater, Hafiz al-Assad, noch an der Macht. Doch seit den Ereignissen in Tunesien begannen auch die Menschen in Syrien neuen Mut zu fassen und auf die Straße zu gehen. Nadhiya hatte sich gefreut, als sie davon erfuhr und intensiv mit ihrer Familie diskutiert: "Endlich hatte ein arabisches Land angefangen, gegen einen diktatorischen Machthaber aufzubegehren. Das wünschten wir uns auch. Nun gibt es wieder Gewalt." Vieles erinnert in diesen Tagen wieder an das Massaker von Hama. Schon damals konnte man in Syrien nicht das sagen, was man dachte: "In Syrien gab es keine Meinungsfreiheit. Schon unter Hafiz al-Assad hatten wir Angst, überall war der Geheimdienst zugegen. Wenn man sich kritisch äußerte, dann haben sie einen sofort verhaftet." Wer dagegen darauf verzichtete, seine Meinung offen zu Muhammad (27), der wie Nadhiya aus Aleppo kommt und seit zwei Jahren in Deutschland Kunst studiert, kann sich noch genau an die Anfänge der Proteste erinnern. "Anfangs habe ich gedacht, dass das in Syrien nicht möglicht ist. Alle hatten Angst." Dann kamen die Demonstrationen in Tunesien und Jugendliche in Daraa sprühten Parolen 6 gegen das Regime an die Wände. Jene wurden vom Sicherheitsapparat festgenommen und tagelang festgehalten. Forderungen nach politischen Reformen gewartet: "Hätte er versichert, den Vorfall zu untersuchen, Neuwahlen angekündigt und die Notstandsgesetzgebung abgeschafft, dann hätten ihn die meisten wohl noch unterstützt. Ich wahrscheinlich auch." Ob Assad die Möglichkeit hatte, die Proteste zu tolerieren, anstatt sie zu unterdrücken? "Definitiv", meint Muhammad, "Es war dumm und arrogant von Assad, die Demonstranten von vornherein als Terroristen zu bezeichnen." Bei den Berichten, was dann passierte, gehen die Meinungen auseinander. Es gibt hier zwei Versionen. Die eine des Regimes und die der Aktivisten. Von offizieller Seite wurde den Jugendlichen, allen voran dem 13jährigen Hamza al-Khatib, vorgeworfen, die Frauen von Soldaten vergewaltigen zu wollen. Nadhiya entgegnet hierbei fassungslos: "Das waren doch nur Kinder! Die wollten niemandem etwas Böses antun. Es waren lediglich Parolen für mehr Demokratie und Freiheit." Zum Schutz der Zivilisten sei dann die Freie Syrische Armee durch desertierte Soldaten gegründet worden, auf welche die Armee zu schießen begonnen habe. Assads Kriegserklärung eigene Volk an Assad als Reformer, wie vom Westen zunächst angenommen? "Ja. Wir haben das gehofft. Aber so? Mit Blut und Gewalt?" Nach und nach sei der Konflikt eskaliert. Auf den Terror der regimetreuen Shabiha-Milizen habe die neue Freie Syrische Armee mit Angriffen reagiert. "Besonders in der Stadt Idlib war der Terror der Shabiha schlimm", betont Muhammad. das Der aus einem alawitischen Grenzort stammende Student Hassan widerspricht solchen Darstellungen energisch. Er hegt keinerlei Sympathie für die Revolution: "Die Kämpfer der sogenannten Freie Syrischen Armee sind für mich die wahren Terroristen, die Verbindungen zu al-Qaida haben. Diese Salafisten wollen doch keine Demokratie!" Er stehe nach wie vor zu Baschar al-Assad: "Das sind doch alles Lügen, was die westlichen Medien über Gräueltaten verbreiten!", so Hassan. Die Anhänger des Regimes sehen in der Freien Syrischen Armee keine Freiheitskämpfer. Für sie gibt es keine Revolution gegen Assad. Vielmehr Muhammads Ansichten passen nicht zu der offiziellen Version der syrischen Behörden: "Bei diesem Vorfall erkennt man die Brutalität des Regimes. Hamza al-Khatib wurde verhaftet. Eine Woche später konnte die Familie den Leichnam abholen. Man hatte ihm den Penis abgeschnitten und in den Kopf geschossen." Dieser Mord an Hamza alKhatib sei ein Wendepunkt gewesen, bei dem sich die Einstellung vieler Demonstranten verändert habe. Dabei hätten Muhammad und seine Bekannten noch anfangs auf eine Reaktion von Baschar al-Assad auf die 7 handele es sich hierbei um eine "ausländische Verschwörung", um Syrien zu destabilisieren. "Die wollen keinen Frieden, sondern nur Chaos stiften, um die schiitische Achse Iran-SyrienHisbollah zu zerstören", so Hassan. "Es ist doch ein Witz, dass ausgerechnet Saudi-Arabien Demokratie für Syrien fordert. Dort werden die Schiiten unterdrückt und der Westen sagt nichts." in Aleppo sind die Salafisten sehr aktiv. Sie dominieren die Einheitsbrigade in Aleppo. Ich bin zwar für den Sturz des Regimes, aber auch gegen die Salafisten. Und ich glaube, die Mehrheit der Syrer denkt da so wie ich." Er wird noch konkreter: "Die Shabiha und die Profiteure des Regimes haben durch ihr grausames Vorgehen einen konfessionell gefärbten Krieg entfesselt. Oft geht es nur noch um Schiiten oder Alawiten gegen Sunniten." Die salafistische Gefahr Die 22-jährige Fadwa studiert Islamwissenschaften. Die Ansichten der Assad-Anhänger, die es an jeder Universität auch in Deutschland gibt, sind ihrer Meinung nach unhaltbar: "Der Aufstand wird vom gesamten syrischen Volk getragen. Es gibt auch Alawiten und Christen, die gegen Assad Position beziehen." Sie räumt aber auch ein, dass in Syrien mittlerweile auch die Salafisten aktiv sind. Muhammad ist sich aber auch sicher, viele Schiiten und Christen unterstützten Assad nur aus Angst: "Ein guter Freund von mir, der Schiit ist, hat zu mir gesagt: 'Die schicken uns in den Iran, wenn Assad fällt!' Auch meine christlichen Bekannten haben Angst vor dem, was kommen könnte." Hassan fürchtet sich vor einer Zukunft ohne Baschar al-Assad und die Baath-Partei: "Die Terroristen wollen alle Alawiten massakrieren. Klar gibt es eine alawitische Mehrheit innerhalb des Militärs. Aber dort gibt es auch Christen und Sunniten." Er möchte zwar auch, "dass alle wieder wie früher friedlich zusammenleben. Aber unter der Herrschaft Baschar al-Assad, der seine Reformen nur nicht wegen der Terroristen umsetzen konnte." Als Beispiel benennt Nadhiya eine Kampfeinheit aus ihrer Heimatstadt Aleppo: "Es gibt dort diese 'Einheitsbrigade'. Da sind auch Islamisten dabei, aber sie spielen allgemein keine große Rolle. Vielmehr wirken dort Studentengruppen und andere Aktivisten mit." Fadwa hält es zwar für möglich, dass es Salafisten und al-Qaida-Anhänger unter den Aufständischen gibt, "aber die werden nur akzeptiert, um Assad zu stürzen. Nach dem Sturz wird sie keiner mehr wollen, die Syrer sind nicht dumm." Der steinige Weg zur Demokratie Was die Zukunft betrifft, so sind sich die meisten Syrer in Deutschland einig: "Wir wollen Demokratie!" Interessant ist hierbei, dass alle von Freiheit und friedlichem Miteinander Obwohl Muhammad die Revolution unterstützt, sieht er das anders: "Gerade 8 sprechen. Assad-Gegner wie -Sympathisanten. Auch Fadwa stimmt dem zu: "Ich wünsche mir eine echte Demokratie mit Meinungsfreiheit, wo man endlich auch Kritik äußern kann ohne weggesperrt zu werden. Aber Hauptsache Baschar ist erst einmal weg!" Fabian Schmidmeier ist 23 Jahre alt und studiert seit sechs Semestern den 3-FachBachelor-Studiengang Islamischer Orient, Germanistik und Judaistik an der OttoFriedrich Universität. Neben dem Studium ist er freier Journalist und betreibt das BlogProjekt www.derorient.com. Ob es überhaupt möglich sei, Demokratie in einem Land wie Syrien zu etablieren? Für Muhammad ist diese Frage nicht leicht zu beantworten: "Ich will weder einen Einparteienstaat noch die Salafisten. Ich wünsche mir ein Syrien, wo Sunniten, Schiiten, Drusen, Alawiten und Christen gleichberechtigt zusammenleben. Jeder sollte das Recht haben Präsident werden zu können, egal welcher Konfession er angehört. Eine Demokratie nach westlichem Vorbild ist sehr schwierig. Aber wie in Tunesien oder vielleicht in der Türkei, das ist definitiv möglich." Dieser Artikel erschien bereits am 27. August 2012 im Rahmen eines Praktikums bei der Redaktion Qantara der Deutschen Welle. In der Zwischenzeit haben sich die Kräfteverhältnisse in Syrien nachhaltig verändert. So ist auch der Einfluss der Islamisten innerhalb der syrischen Opposition und die Präsenz von al-Qaida im Bürgerkriegsland im vergangenen Jahr erheblich gestiegen. Abrufbar ist der Artikel unter folgender URL: http://de.qantara.de/Schlagabtausch-imExil/19703c20990i0p498/index.html 9 BA- ARBEIT Der Rapper der Revolution VON F ELIX WIEDEMANN Bamberg, 25. 06. 2013 «Tunisia arrests blogger and rapper» titelte Al Jazeera am 7. Januar 2011, kurz nach Ausbruch des «Arabischen Frühlings» in Tunesien. In dem Artikel wird über die Verhaftung des Rappers El Général berichtet, der kurz zuvor den Song «Rayes lebled» veröffentlicht hatte. Weshalb schätzte das Regime Ben Alis den Rapper als so gefährlich ein, dass es notwendig erschien, ihn zu verhaften? Um zu verstehen, warum El Général, der sich als patriotischer Tunesier und gläubiger Muslim inszeniert, auch in anderen arabischen Ländern als Symbol des Widerstands wahrgenommen wird, beschäftigte ich mich in meiner Bachelorarbeit unter dem Titel «Der Rapper El Général im Prisma der Identitätsproblematik» mit diesen und ähnlichen Fragestellungen. Nationale und internationale Verbreitung El Général wird 1990 in Sfax, Tunesien, in einer mittelständischen und religiösen Familie geboren. Er studiert Pharmazie, sieht allerdings wegen der herrschenden Korruption und Arbeitslosigkeit keine Perspektiven und versucht, illegal nach Europa zu gelangen. Als er daran scheitert, wendet er sich dem Rap zu und veröffentlicht die ersten Songs. Er orientiert sich an Tupac, Eminem, dem Algerier Lotfi Double 10 Kanon und dem Franzosen Kery James. Rasch wird seine Konzentration auf politische Themen und die Verteidigung des seiner Meinung nach angegriffenen Islams deutlich. Noch vor der Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Muḥammad Bouazizi, die die tunesische Revolution auslöst, postet El Général «Rayes lebled» auf Facebook. Das Lied wird in einer tunesischen Onlinezeitung und bei al-Jazeera vorgestellt und findet sowohl national als auch international Verbreitung. Daraufhin wird das Regime auf ihn aufmerksam, verbietet «Rayes lebled» und sperrt El Générals MySpace- und Facebookseiten. Nachdem der Rapper mit «Tounes bledna» ein weiteres systemkritisches Lied veröffentlicht, stehen am 6. Januar 2011 dreißig Polizisten vor seiner Türe und schaffen ihn ins Innenministerium in Tunis. Mittlerweile ist El Générals Anhängerschaft aber so groß, dass es zu Demonstrationen kommt, auf welchen seine Freilassung gefordert wird. Das Regime gibt dem Druck der Strasse drei Tage später nach. Inzwischen sind El Générals Songs auch in anderen arabischen Ländern zu Hymnen der Protestbewegungen geworden. Wenig später löst Ben Ali die tunesische Regierung auf und setzt sich nach SaudiArabien ab. Das Sprachrohr Tunesiens In El Générals Liedern lassen sich unterschiedliche «Identitätsbausteine» ausmachen. El Général ist gleichzeitig Muslim, Rapper, Tunesier, Araber, junger Erwachsener, Rebell und Mann. Durch Betonung verschiedener Aspekte seiner Identität gelingt es ihm, unterschiedliche Personengruppen anzusprechen und Gemeinsamkeiten zu diesen herzustellen. In «Tahya Tounes» betont der Rapper etwa stark das Wir-Gefühl unter Tunesiern, welche sich «Hand in Hand» für ihr Land einsetzen sollen. Weiter spricht er davon, dass er Tunesien «verteidigen» wird, lässt die Märtyrer der Revolution hochleben. Dabei betont er, dass er «im Namen des tyrannisierten Volkes» spreche (Die Rolle des Sprachrohrs einer Gemeinde ist typisch für das Genre des Conscious Rap.) Seine Identität als Muslim bekräftigt El Général durch Verwendung von islamischem Vokabular. Er vermeidet Vulgärsprache, kritisiert Moralverfall und plädiert für einen Rückbezug zum Glauben. Dieser solle Nationen übergreifend stattfinden und somit zur Wiedervereinigung der Umma, der islamischen Gemeinde, führen. Mehrfach wird Bezug auf Märtyrer und den Kampf für den Glauben genommen. Demzufolge sind in El Générals Texten nicht nur nationale Themen erkennbar. Immer wieder argumentiert der Rapper auch auf einer transnationalen Ebene, wenn er sich für die angesprochene Einheit der arabischen Länder ausspricht und dafür 11 plädiert, den Nahostkonflikt im vereinten Kampf zu lösen. Diese Dimension wird insbesondere in «Direction Filastin» deutlich. Ausdruck von Männlichkeit Die nun ausgebreiteten, unterschiedlichsten Identitätsbausteine lassen sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Eine mögliche Interpretation wäre dahingehend zu versuchen, El Générals Sozialkritik, die offensiv geäußerte Religiosität, die Wahl des Raps als Medium und die Selbstdarstellung als Revolutionär und Kämpfer für das tunesische Volk als «crisis in masculinity» (Ela Greenberg, Making Men Through Hip Hop in Jerusalem’s Shu’afat Refugee Camp, 2011) zu betrachten: Durch seine gesellschaftliche Position fühlt sich El Général in seiner Männlichkeit angegriffen. Selbst eine gute Ausbildung würde ihm durch die herrschende Korruption und Vetternwirtschaft in Tunesien nicht garantieren, dass er später eine Familie ernähren kann. Die männliche Versorgerrolle ist dadurch gefährdet. Hinzu kommt, dass ein Protest gegen die herrschenden Verhältnisse kaum möglich ist, ohne drastische Strafen durch das Regime zu befürchten. Der Beweis von Männlichkeit durch den kämpfenden Einsatz für eine Sache, wird somit verhindert. El Général wählt den Rap als Ausdrucksform, um sich seiner eigenen Männlichkeit zu versichern. Dadurch kann er sich als Widerstandskämpfer inszenieren, ohne selbst zu viel zu riskieren (Die Reaktionen des Regimes werden erst dann drastisch, als seine Bekanntheit stark angestiegen ist). Der Rap erlaubt El Général durch die Verwendung von Dialekt und Strassensprache eine Darstellung «männlicher Härte», welche ihm traditionelle Musikgenres so nicht ermöglichen würden. Das wirkliche Kämpfen als Glaubenskrieger, wird im Rap durch die Selbstdarstellung als solcher, als Muǧāhid, ersetzt. Die dabei vorgespielte islamistische Einstellung ist nicht wortwörtlich zu betrachten, sondern dient der Konstruktion von «männlicher Gefährlichkeit», die bei anderen Rappern durch das Bild des Gangsters erreicht wird. Letzteres würde im tunesischen Kontext jedoch nicht authentisch wirken. Viel Forschungsbedarf Wie gelang es El Général, seine tunesischen Landsleute in diesem Masse zu motivieren, dass diese unter Einsatz ihres Lebens für die Freilassung des Rappers eintraten? Was machte seine Lieder zum Symbol des nationalen Widerstands, mit dem sich auch Araber anderer Nationalitäten identifizieren konnten? Liegt in El Générals Selbstdarstellung als muslimischer Rapper ein Widerspruch? Wie sind aggressiv-islamistische Textzeilen einzuordnen? Was motivierte letztendlich den jungen Ḥamada Ibn 'Amr dazu, sich in El Général zu verwandeln und rappend seine Unzufriedenheit mit dem Status quo auszudrücken? In meiner Bachelorarbeit versuchte ich Antworten auf diese Fragen zu finden. Der arabische Rap ist insgesamt ein 12 noch kaum erforschtes Feld. Es mangelt an musikwissenschaftlichen Arbeiten, Intertextualität wurde bisher kaum betrachtet und im Bereich Rapvideos besteht ebenso Forschungsbedarf. Diese Arbeit will einen kleinen Beitrag dazu leisten, den arabischen Rap greifbarer zu machen. Felix Wiedemanns obenstehende Artikel erschien zuerst auf der Seite des Network for Local and Global Sounds and Media Culture . Abrufbar ist er unter www.norient.com/ academic/elgeneral An gleicher Stelle findet sich auch ein Link zum Download der BA-Arbeit. Felix studierte Islamischer Orient, Angewandte Informatik und BWL in Bamberg. Mehrere Auslandsaufenthalte führten ihn unter anderem nach Fès, Damaskus, Paris, Ramallah, Kairo und Teheran . Derzeit befindet er sich in Bamberg und studiert im Master Arabistik. I NTERVIEW Gibt es Pressefreiheit im Arabischen Frühling? VON M ARCUS S CHOFT Amman, 22. 05. 2013 Durch die neuen Medien wie Twitter, Facebook und YouTube lernen arabische Studenten, was Pressefreiheit bedeutet. “Und sie lieben es”, versichert Dr. Matt J. Duffy (@mattjduffy). Einige Jahre hat der Privatdozent der Universität Georgia in Abu Dhabi Journalismus gelehrt, wurde dann aber des Landes verwiesen. Beim Internationalen Journalistentreffen (IPI World Congress) in Amman diskutierte er mit der ägyptischen Journalistin Abeer Saady und ihrem arabischamerikanischen Kollegen Ahmed ShihabEldin über die Rolle von Medien und Pressefreiheit im Arabischen Frühling. Eines der größten Probleme des arabischen Journalismus sieht Duffy dabei in der Ausbildung junger arabischer Journalisten. In einem Interview am Rande der Konferenz spricht er über die arabische Journalistenausbildung und das arabische Erwachen. Denn von Frühling will er noch nicht reden. Mehr als 300 Journalisten – darunter viele arabische – kamen zu der Konferenz nach Amman und haben sich in den vergangenen Tagen ausgetauscht. Was haben sie von ihren arabischen Kollegen über den arabischen Frühling gelernt? Ich würde nicht von einem arabischen Frühling sprechen. Wir sollten lieber den Begriff verwenden, den auch 13 die arabischen Journalisten benutzen: Das arabische Erwachen. Denn der Prozess ist noch nicht vorbei. Er geschieht gerade im Moment und er wird seine Zeit brauchen, wenn wir zum Beispiel nach Ägypten schauen. Ich bin da immer noch optimistisch. Die Dinge die dort gerade passieren sind Dinge, die durchgestanden werden müssen. Auch die USA haben das durchgestanden. Und auch Deutschland. Was nötig ist, ist eine öffentliche Diskussion in der Gesellschaft. Und zwar über das, was toleriert wird, und was nicht. Für eine öffentliche Diskussion ist ein funktionierendes Mediensystem und Pressefreiheit nötig. Doch seit dem Beginn der Revolution häufen sich die Berichte über mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit. Journalisten werden verfolgt, verhaftet und an ihrer Arbeit gehindert. Für viele sieht es so aus, als sei alles nur noch schlimmer geworden. Nein nicht alles ist schlimmer geworden. Zum Beispiel im Yemen: Ich habe während der Konferenz mit einem Journalisten aus dem Yemen gesprochen und er hat mir von Pressefreiheit in seinem Land erzählt. Weil es im Yemen sehr chaotisch ist, gibt es anscheinen ein bisschen Pressefreiheit. Alle sind besorgt über Explosionen und wer als nächstes gefangen genommen wird, aber die Medien arbeiten dabei unter relativer Straflosigkeit. Und das ist eine gute Sache. Für ein gutes Mediensystem braucht es vor allem Journalisten. Gibt es überhaupt so etwas wie Journalistenausbildung in den Golfstaaten? Natürlich. Es gibt hunderte Ausbildungsprogramme für Journalisten, zum Beispiel in den Vereinten Arabischen Emiraten oder Saudiarabien. Aber die Frage ist: Was wird da gelehrt? Wird dort gelehrt, wie man eine Kamera hält? Oder wird da gelehrt, wie Fotos von den Herrschern gemacht werden, so dass diese möglichst prächtig aussehen? Die Antwort ist: Sie lehren nicht die international anerkannten Prinzipien des Journalismus. Zumindest nicht nach den Maßstäben, wie sie an westlichen Schulen gelehrt werden. oder auch an südkoreanische, japanischen oder chilenischen Schulen. Ich habe selbst in den Vereinten Arabischen Eiraten die Prinzipien des Journalismus gelehrt. Deshalb wurde mein Vertrag nach zwei Jahren nicht mehr verlängert und ich musste ausreisen. Was waren Ihre Erfahrungen als Journalistikdozent in den Emiraten? Gibt es 14 Was waren Ihre Erfahrungen als Journalistikdozent in den Emiraten? Gibt es überhaupt ein Interesse von jungen Studenten am Journalismus und Pressefreiheit? Auf der einen Seite sagen die Emiratis, dass sie eine Ausbildung nach internationalen Standards haben wollen. Aber in Wahrheit stellt sich heraus, dass sie das keineswegs wollen. Was sie wollen ist, dass Journalismus so gelehrt wird, wie er gerade im Moment auch praktiziert wird. Und das ist wenig kritisch und ohne die Mächtigen zu kontrollieren. Es gibt aber dennoch viele Studenten, die über Twitter und Facebook mit der westlichen Vorstellung von Journalismus in Kontakt kommen. Und die wollen das auch hören und wollen auch auf diese Weise gelehrt werden. Genau das ist aber das, wovor die Mächtigen Angst haben: Dass Informationen in das Land fließen und dieses von Grund auf ändern. Und das geschieht gerade. Ist es richtig, wenn sich westliche Organisationen in die Vermittlung dieser demokratischen Werte in der Arabischen Welt einmischen? Das ist sehr wichtig, denn es ist der einzige Weg, dass die international anerkannten Prinzipien des Journalismus ihren Weg in diese Länder finden. Es müsste noch viel mehr Projekte in diese Richtung geben. Wir müssen in diese Länder gehen und sagen: Das sind die internationalen Ansprüche von Menschenwürde. Und das sind internationale Ansprüche, die Regierung zu kritisieren. Dabei sprechen wir nicht über Menschenrechte, sondern wir machen diesen Ländern bewusst, dass es international anerkannte Normen gibt. Und dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen. Aber das ist natürlich ein langer Prozess und alles, was wir tun können ist weiterhin zu zeigen: Das sind die normativen Ziele und wir sollten alles versuchen diese zu erreichen und den arabischen Ländern dabei helfen. Genauso, wie wir zum Beispiel in den USA sagen: Es ist nicht rechtens, die Telefonverbindungen von Journalisten abzuhören. (Das Interview wurde aufgenommen am 21. Mai 2013.) © für das Photo: Marcus Schoft Dieser Artikel ist unter http://www.marcus-schoft.de/pressefreiheitim-arabischen-fruhling/ abrufbar. Auf Marcus Schofts Blog finden sich auch zahlreiche andere lesenswerte Beiträge. Marcus studiert im B. A. Islamischer Orient in Bamberg. Seine Sprachkenntnisse verfeinerte er während Auslandsaufenthalten in Damaskus, Istanbul und Amman. Kurze Trips führten ihn auch nach Marokko, Ägypten, Abu Dhabi und sogar nach Indonesien. Zum Journalismus brachte ihn ein Jahres-Praktikum beim Münchner Merkur. Deshalb hat er Kamera und Laptop immer griffbereit. 15 U NI B AMBERG Seminarthemen VON F ELIX WIEDEMANN Langweilen Euch Eure Seminare? Wenn manche Veranstaltungen nur von 2-3 Studierenden besucht werden, macht das auch unseren Dozenten wenig Spaß. Manchmal liegt dies vielleicht daran, dass von der Seite der Studierenden nicht ausreichend kommuniziert wird, welche Themen interessieren. Bringt Euch also mehr ein, schreibt uns 'ne Mail und schlagt Themen vor, die Euch interessieren! Der AK Orient sammelt Eure Vorschläge und leitet diese weiter. M ASTER Erlangen. Master Nahoststudien VON ALEXANDER S CHULZ, M ARIE - S OPHIE WERZ, F ELIX WIEDEMANN Für viele unserer B.A.-Studierenden stellt sich nach dem Abschluss die Frage, wie es weitergeht. Mit dieser Reihe möchten wir Euch ein paar Möglichkeiten zeigen und Masterstudiengänge vorstellen. Bamberg, 28. 07. 2013 Jedes Jahr zieht es einige Bamberger zu den Nachbarn in Erlangen, um sich dort für den Master Nahoststudien einzuschreiben. Der AKON hat zwei Alumni befragt und deren Erfahrungen für Euch zusammengefasst. Der Master Nahoststudien ist ein interdisziplinärer Studiengang, in dem man sich nach dem Absolvieren eines allgemeinen Pflichtprogramms auf einen von sechs Bereichen spezialisieren kann. Zur Auswahl stehen Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Sprache und Literatur, Religion und Recht, Orientalisches Christentum und schließlich Kulturgeographie . Das Studium sollte in einer Regelstudienzeit von 4 Semestern (maximal 5) absolviert werden. Die Voraussetzungen Vorausgesetzt werden für den Master ein B.A.-Abschluss in Orientalistik / Politikwissenschaft / Wirtschaftswissenschaften / Geographie oder einem verwandten Fach. Bei einer Abschlussnote zwischen 2,51 und 3,00 findet ein Auswahlgespräch statt. 16 Schlechtere Abschlüsse werden nicht berücksichtigt, wohingegen bessere Abschlussnoten direkt zum Studium qualifizieren. Gefordert sind auch Sprachkenntnisse in Arabisch oder Türkisch, welche durch den Besuch von Kursen im Umfang von 30 ECTS nachgewiesen werden können. Fehlende Sprachkenntnisse können bis zum 3. Semester nachgeholt werden. Hier ist zu beachten, dass der Schwerpunkt des Masters auf arabischen Ländern und der Arbeit mit arabischen Quellen liegt. Persisch zum Beispiel kann in Erlangen nur in einem einmal wöchentlich stattfindenden Kurs gelernt werden. Iranisten sind also in Bamberg besser aufgehoben. Außerhalb der Sprache und Literatur-Spezialisierung wird auch wenig Wert auf die Vermittlung von Sprachkenntnissen gelegt, welche eher als Werkzeug für das wissenschaftliche Arbeiten vorausgesetzt werden. Man kann jedoch Sprachkurse als Wahlmodule (s.u.) belegen. Der Aufbau Insgesamt besteht das Studium aus 9 Modulen, in welchen meist Seminararbeiten als Leistung erbracht werden müssen. Je nach Vertiefungsprofil und Fächern werden auch Klausuren geschrieben. Alex zum Beispiel schreibt 7 Hausarbeiten und 2 Klausuren. Das erwähnte Pflichtprogramm beinhaltet das Modul „Raum und Region“ und ein Forschungskolloquium, welches meist im vierten Fachsemester absolviert wird. Was genau im Forschungskolloquium gefordert wird, hängt wohl vom betreuenden Dozenten ab. Jedenfalls weichen die Angaben unserer Bamberger Kundschafter hier voneinander ab. Spezialisierung Wirtschaftswissenschaft auch mit Wirtschaftswissenschaftlern und nicht nur Orientalisten in Seminaren sitzt. Im Bereich „Orientalisches Christentum“ werden spezielle Veranstaltungen angeboten. Der Transport Spezialisieren muss man sich eigentlich bereits bei der ersten Prüfungsanmeldung. Allerdings ist ein späterer Wechsel nach etwas Kampf mit der Bürokratie auch möglich. Hat man sich auf einen Bereich festgelegt, wählt man in diesem 2 Kernmodule und dazu zusätzlich 3 Wahlmodule, welche der jeweiligen Spezialisierung oder aber anderen Modulen entstammen können. In Erlangen ist kein Semesterticket in den Verwaltungsgebühren inbegriffen. Der VGN bietet Semestertickets für die Strecke Nürnberg-Erlangen an. Für Pendler aus Bamberg gibt es Monatstickets für Studenten (ca. 135€) oder das 9 Uhr-Ticket Bamberg-Erlangen (ca. 80 €). Für den gesamten VGN kostet dieses 86,70 €-. Damit lassen sich eine zweite Person und 2 Fahrräder mitnehmen. Dazu kommt jedenfalls noch ein Modul „transregionale Themen und Methoden“, sowie ein Modul zum Themenbereich „Migration“ und eines zu „Menschenrechten“. Wirtschaftswissenschaftler können stattdessen auch andere Wirtschaftsmodule wählen. Die Verwaltung des Studiums erfolgt ähnlich wie in Bamberg. „MeinCampus“ ist mit FlexNow vergleichbar und hat mit den gleichen Schwächen zu kämpfen. Viele Dozenten stellen deshalb in Erlangen noch Papierscheine aus, die anschließend nachgetragen werden. Ein „VC“ steht unter dem Namen „StudOn“ zur Verfügung. Das Vorlesungsverzeichnis ist ähnlich dem in Bamberg aufgebaut und recht übersichtlich. Da manche Veranstaltungen nicht an der Orientalistik direkt angeboten werden, muss man sich auch bei anderen Fachbereichen nach passenden Veranstaltungen umsehen. Man kann sich also nach Belieben spezialisieren oder allgemeiner studieren und das Angebot unterschiedlicher Die Technik Bereiche wahrnehmen. Viele der Veranstaltungen werden nicht direkt von „Orientwissenschaftlern“ angeboten, sondern von Spezialisten im jeweiligen Fachbereich (z.B. von Wirtschaftswissenschaftlern, Geographen), welche es den Studierenden ermöglichen, in ihren Seminararbeiten einen Regionalbezug herzustellen. Das bedeutet, dass man zum Beispiel mit der 17 Die Bib in Erlangen Die Unibibliothek Erlangen ist auf eine Hauptbib und mehrere spezialisierte Teilbibliotheken aufgeteilt. Die Ausleihfristen sind generell kürzer als in Bamberg. In der Politik-Bib beträgt die Frist zum Beispiel 1 Woche (2x verlängerbar). Im Vergleich dazu kann man in Bamberg standardmäßig 4 Wochen ausleihen und dies auch 2 mal verlängern. Einige Erlanger Bibliotheken sind auch reine Präsenzbibliotheken, in welchen eine Ausleihe nicht möglich ist. Es gibt zwar eine sehr kleine Orientalistenbib im Philosophenturm, welche aber nicht alle Bücher für die jeweiligen Fächer beinhaltet. Durch die Spezialisierung der Teilbibliotheken muss man auch des Öfteren von Bib zu Bib laufen, um alle benötigten Quellen zu bekommen, da man sich die Bücher nicht in jede TB liefern lassen kann. Im Schwerpunkt Politikwissenschaft, welchen Alex gewählt hat, sollte man sich bei Prof. Christoph Schumann auf einen theoretischen Ansatz einstellen. Ein kleines Nebenfach Politik à 30 ECTS ist fast schon zu wenig, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Fehlendes Vorwissen kann man sich zwar noch erarbeiten, allerdings muss man dafür ausreichend Motivation mitbringen. Das Vertiefungsprofil Sprache und Literatur, für das sich Marie entschieden hat, verpflichtet zum Besuch von je einem Modul „Sprachwissenschaft“, „klassischer Literatur“ und „moderner Literatur“. Außerdem besteht ein Wahlmodul „2. semitische Sprache“, welches aber auch durch andere Module ersetzt werden kann. Die einzelnen Schwerpunkte Erlangen ist was die Nestwärme betrifft mit Bamberg vergleichbar. Insgesamt sind etwa 15 Leute in den diversen Varianten des Masters eingeschrieben, was ein persönliches Verhältnis zu den Dozenten ermöglicht. Jeder kennt jeden, was die auch in Bamberg bekannten Vor- und Nachteile mit sich bringt. Für den Schwerpunkt Islamisches Recht soll die Juristen-Bib sehr gut ausgestattet sein. Allerdings handelt es sich hierbei auch um eine reine Präsenzbibliothek. Prof. Rohe, welcher viel aus der Praxis berichten kann und Anekdoten aus Bundestag und Islamkonferenz erzählen kann, hält außerdem sehr unterhaltsame Vorlesungen. Zu guter Letzt noch ein wichtiger Hinweis: Die Nussschnecken in den Erlanger Caféterien sind laut Alex sehr zu empfehlen. Zusätzlich zu den Bibliotheken gibt es reine Lesesäle. Dadurch kann die Knappheit an Arbeitsplätzen zur Prüfungszeit etwas abgeschwächt werden. 18
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