70 arznei-telegramm 6/97 Antirheumatikum (a-t 10 [1994], 94). Deutschland bildet (mal wieder) das Schlusslicht: Hierzulande darf die Thomae GmbH ungehindert „mehr Schutz für den Magen” durch „bevorzugte Cox-2-Hemmung” versprechen (Scrip 2234 [1997], 21/ati d). Was bringen Antibiotika bei akuter Mittelohrentzündung? Im Alter bis zu drei Jahren erkranken zwei von drei Kindern mindestens einmal an Otitis media. Typische Beschwerden wie Ohrschmerz und Krankheitsgefühl klingen bei 90% der Betroffenen unter abschwellenden Nasentropfen und Analgetika innerhalb von drei Tagen ab (a-t 12 [1992], 122). Die häufig begleitende Hörstörung kann dagegen einige Wochen anhalten. Unterschiedliche nationale Gepflogenheiten, Antibiotika zu verordnen – beispielsweise werden in den USA und Australien nahezu alle Kinder damit behandelt, in den Niederlanden nicht einmal jedes dritte –, veranlassen australische Allgemeinmediziner zu einer Metaanalyse von acht klinischen Studien. Sie vergleichen den Nutzen der antimikrobiellen Therapie mit Scheinmedikament oder symptomatischer Behandlung: In beiden Gruppen lässt der Schmerz bei der Mehrzahl (60%) innerhalb von 24 Stunden nach. Zwei bis sieben Tage später klagen noch 14% der Kontrollgruppe über Ohrschmerz im Vergleich zu 8% unter Antibiotika. Es müssen also 17 Kinder vom ersten Tag an antibiotisch behandelt werden, um bei einem Kind über zwei bis sieben Tage anhaltende Schmerzen zu verhindern. Während ein Übergreifen der Entzündung auf die Gegenseite unter ausschließlich symptomatischer Behandlung häufiger (17% vs. 11%) vorkommt, finden sich hinsichtlich Hörstörungen nach ein und drei Monaten, Trommelfellperforation und Rückfällen keine wesentlichen Unterschiede. Dagegen leiden unter Antibiotika mehr Kinder (17% vs. 11%) an Erbrechen, Durchfall und Hautausschlag (DEL MAR C. et al.: Brit. Med. J. 314 [1997], 1526). Der Nutzen einer routinemäßigen antibakteriellen Behandlung von Kindern mit Otitis media ist zweifelhaft, –Red. Grapefruit – ein besonderer Saft: Ein einziges Glas Grapefruitsaft kann die Bioverfügbarkeit vieler eingenommener Arzneimittel deutlich steigern. Betroffen sind vorwiegend Substanzen mit geringer Bioverfügbarkeit wie Kalziumantagonisten, das Antiallergikum Terfenadin (TELDANE u.a., vgl. a-t 5 [1997], 57; 1 [1997], 16) und das Immunsuppressivum Ciclosporin (SANDIMMUN, siehe Tabelle). Entdeckt wurde die Wechselwirkung eher zufällig, als das bitter-herbe Getränk in klinischen Studien als geschmacküberdeckendes Vehikel diente. Überlegungen, die Wirkspiegel teurer Mittel wie Ciclosporin durch „Komedikation” von Pampelmusensaft zu erhöhen, um deren Dosis verringern und Kosten einsparen zu können, scheitern an der fehlenden Standardisierung des Getränks (a-t 7 [1996], 65). Bestandteile des Grapefruitsafts wie der Metabolit des in großen Mengen enthaltenen Bioflavonoids Naringin hemmen Enzyme der Zytochrom-P450Gruppe in der Darmwand (CYP3A4, CYP1A2). Diese bauen viele Substanzen zum Teil bereits im Darm ab, bevor sie überhaupt absorbiert und systemisch wirksam werden können. Das Ausmaß der Interaktion schwankt von Person zu Person stark. Für den Kalziumantagonisten Felodipin (MODIP u.a.) entspricht der Effekt etwa den durch Wechselwirkung mit Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) beobachteten Konzentrationsveränderungen. Zytochrom P450 in der Leber scheint allerdings – wenn überhaupt – nur gering beeinflusst zu werden. Ob andere Substrate von CYP3A4 wie Cholesterinsynthesehemmer (z.B. Lovastatin [MEVINACOR]) und das Prokinetikum Cisaprid (PROPULSIN u.a.) ebenfalls betroffen sind, ist bislang nicht untersucht. Der Effekt einer einzelnen „Dosis” Saft hält möglicherweise länger als einen Tag an. Empfehlungen, eine Stunde vor und nach Einnahme betroffener Arzneimittel auf Grapefruit zu verzichten, greifen dann zu kurz. Einige Autoren raten zu Beständigkeit: Wer regelmäßig oder nie Grapefruitsaft trinkt, habe wenig zu befürchten. Problematisch sei dagegen gelegentli- cher Konsum (SPENCE, J. D.: Clin. Pharmacol. Ther. 61 [1997], 395; MORRIS, K.: Lancet 349 [1997], 1524; Prescr. Update 14 [1997], 18; BAILEY, D. G. et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 60 [1996], 25). Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Tabelle: Interaktionen von Grapefruitsaft mit Arzneimitteln Ciclosporin: SANDIMMUN SANDOZ (A) SANDIMMUN (CH) Wirkstoff Handelsn. (Beispiel) AUC* (%) Cmax* (%) Beschriebener Effekt 60↑-370↑ 10↑-70↑ 20↓-580↑ 60↑-160↑ 10↑-740↑ 50↑-160↑ Blutdruck↓, Herzfrequenz↑ bei Gesunden keiner Blutdruck↓, Herzfrequenz↑ Herzfrequenz↑ Cisaprid: PREPULSID (A, CH) 50↑ 50↑ ↑ 30↑ veränd. psychomot. Tests Schläfrigkeit verstärkt Diltiazem: DILZEM (A, CH) Kalziumantagonisten** Felodipin1 Nifedipin1 Nisoldipin2 Nitrendipin3 MODIP ADALAT BAYMYCARD BAYOTENSIN Benzodiazepine Midazolam4 Triazolam4 DORMICUM HALCION Proteasehemmer Indinavir4 Saquinavir4 CRIXIVAN INVIRASE Erythromycin: MONOMYCIN (A, CH) 30↓ 50↑-220↑ Sonstige Ciclosporin4 Estradiol4 Terfenadin4 Koffein4** * SANDIMMUN ESTRIFAM TELDANE COFFEINUM C. 60↑ ↑ 60↑ 30↑ 40↑ QT-Intervall verlängert AUC: Fläche unter der Blutspiegelkurve als Maß der Bioverfügbarkeit, Cmax: Maximalblutspiegel; ↑ = Anstieg, ↓ = Abfall ** Der Kalziumantagonist Diltiazem (DILZEM u.a.) bzw. das Koffeinähnliche Theophyllin (EUPHYLLIN u.a.) sollen nicht betroffen sein. 1 2 3 4 BAILEY, D. G. et al.: Lancet 337 (1991), 268 BAILEY, D. G. et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 54 (1993), 589 SOONS, P. A. et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 50 (1991), 394 RODVOLD, K. A., J. MEYER: Infect. Med. 13 (1996), 868 Patientengefährdung durch Freseniusprodukte? Zur Sanierung des Nasen-Rachenraumes und der Haut von Patienten und Personal, die mit Methicillin-multiresistenten Staphylokokken-Stämmen (MRSA) kolonisiert sind, werden zur Zeit die Freseniuspräparate FREKAMED und SANALIND beworben („MRSA-wirksame Gegenmaßnahmen ohne Antibiotika”). Klinische Studien, die einen Nutzen belegen, fehlen. Es existiert nur eine experimentelle Untersuchung, in der die in-vitro-Wirksamkeit von FREKAMED gegen lediglich vier MRSA-Stämme getestet wurde.* Zur Wirksamkeit bei Händedesinfektion liegen drei Gutachten vor. In zweien wird Escherichia coli und nur in einem ein einziger MRSAStamm als Testkeim berücksichtigt. Aufgrund der mangelhaften Datenlage und der möglichen Gefährdung von Patienten durch Gebrauch der unzureichend geprüften Mittel wird empfohlen, zur Sanierung des Nasen-Rachenraumes und der Haut weiterhin nur Mupirocin (TURIXIN Salbe) zu verwenden (F. DASCHNER). Teepilz Kombucha nicht immer harmlos: Dem Kombucha-Pilz, einer Symbiose verschiedener Bakterien mit Hefen, werden Heilwirkungen bei Rheuma, Krebs, AIDS u.a. nachgesagt. Die gallertartige Grundmasse gilt als Lebensund nicht als Arzneimittel. Gezuckertem schwarzen Tee zugesetzt, entsteht innerhalb einiger Tage ein säuerliches Gärgetränk. Offenbar kann dieser „Tee” die Gesundheit schädigen: Ein 53jähriger, der das Getränk zwei Wochen lang wegen Fibromyalgie trinkt, klagt plötzlich über krampfartige Bauchschmerzen und Gewichtsverlust. Kurz darauf bemerkt er einen Ausschlag am Oberkörper. Bei der Untersuchung ist die Leber druckschmerzhaft. Im Blutbild fallen Thrombozytopenie, Linksverschiebung, beschleunigte Blutsenkung und erhöhte Leberwerte auf. Ohne weitere Behandlung erholt er sich innerhalb eines Monats (PERRON, A. D. et al.: Ann. Emerg. Med. 26 [1995], 660). Auch die australische Gesund* Zudem enthält FREKAMED 17 Inhaltsstoffe, von denen drei biologisch schwer abbaubar sind und einer sogar zur Remobilisierung von Schwermetallen aus Klärschlamm führt. Felodipin: MUNOBAL RETARD (A) MUNOBAL (CH) Indinavir: CRIXIVAN (CH) Koffein COFFEIN„ANTOS” (A) NIX NAP (CH) Lovastatin: MEVACOR (A) Midazolam: DORMICUM (A, CH) Nifedipin: ADALAT (A, CH) Nisoldipin: SYSCOR (A, CH) Nitrendipin: BAYPRESS (A, CH) Terfenadin: TRILUDAN (A) TELDANE (CH) Theophyllin: AERODYNE RETARD (A) THEODUR (CH) Triazolam: HALCION (A, CH) Piroxicam: FELDEN (A, CH)
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