Spielend zum Erfolg? Was mit Serious Games erreicht werden soll und kann Thesenpapier von Prof. Dr. Jeffrey Wimmer zum Vortrag auf den Stuttgarter Tagen der Medienpädagogik 2014 Augenscheinlichstes Charakteristikum von Computerspielen ist der Akt des Spielens, bei dem sie ihren Spielern Vergnügen und Abwechslung bieten. Wie jegliche andere Form des Spielens prägen auch Computerspiele darüber hinaus individuelle wie kollektive Einstellungen, Kenntnisse, Werte und Verhaltensweisen (vgl. im Überblick Wimmer 2013). Die Kombination von Information und Unterhaltung macht sie grundsätzlich ideal für das Wecken von Interesse und das Aufgreifen aktueller Sachverhalte auf eine publikumswirksame Art und Weise. Diese kulturelle Leistung zeigt sich auch in den psychologischen, sozialisierenden, und sogar demokratischen Qualitäten, die ihnen von einigen Forschern attestiert werden. Die Fähigkeiten für ein erfolgreiches Gruppenspiel in Computerspielwelten wie World of Warcraft dienen beispielsweise mittlerweile Unternehmen als Blaupause für angehende Manager (IBM 2007), Spieldesignelemente als Mittel der organisationaler Effizienzsteigerung oder der Kundenbindung (Blohm/Leimeister 2013). Ein wichtiges Schlagwort in dieser Debatte ist der Begriff des Serious Game, das auf den ersten Blick in einer wörtlichen Übersetzung als „ernsthaftes Spiel“ eigentlich einen begrifflichen Widerspruch darstellt. Nachhaltig geprägt wurde diese Bezeichnung durch eine Definition von Abt (1987: 6), der diesen Begriff ursprünglich für pädagogisch ausgerichtete Gesellschafts- und Rollenspiele einführte und diejenigen Spiele als Serious Games bezeichnete, „(which) have an explicit and carefully thought-out educational purpose and are not intended to be played primarily for amusement.” Wie sich allerdings das Verhältnis von Unterhaltungselementen und Lerninhalten darstellt, ist in vielen Ansätzen ungeklärt. Gegenwärtig werden unter dem Label „Serious Games“ Computerspiele mit unterschiedlichen Lerninhalten und Lernkonzepten sowie für unterschiedliche Zielgruppen und Plattformen angeboten und in vielerlei Handlungsfelder wie z.B.in der Schule, der Ausbildung, der beruflichen Weiterbildung, der medizinischen Behandlung sowie im Privatbereich eingesetzt. Ratan & Ritterfeld klassifizierten 2009 die auf dem Markt vorfindbaren und von Spieleentwicklern, Organisationen oder Webseiten als Serious Games bezeichneten Spiele. In 63% der untersuchten Computerspiele wird, meistens basierend auf einem Lehrplan, schulischer Stoff wie beispielsweise Mathematik oder Physik vermittelt. 14% der Spiele thematisieren politische oder soziale Themen, trainieren berufliche Fähigkeiten (9%), haben Gesundheitsthemen (8%) oder militärische Fähigkeiten (5%) zum Inhalt. Weniger als 1% der Spiele haben einen Marketinghintergrund. Die Hauptzielgruppe von Serious Games sind Grundschüler (39%) sowie Schüler weiterführender Schulen (39%). Allein 5% der Serious Games wurden für Vorschüler und jüngere Kinder sowie 16% für Studenten und Erwachsenenbildung konzipiert. Ein Großteil wissenschaftlicher Studien bescheinigt ihnen eine positive Wirkung, allerdings fehlen bisher Vergleichsstudien und Meta-Analysen. Wenn Serious Games allerdings das Lernen positiv unterstützen, dann sind sie potenziell für weitaus mehr Zielgruppen attraktiv. Häufig werden aufgrund disziplinärer Unterschiede die Begriffe Serious Games und Digital Game-Based Learning gleichgesetzt, da mit beiden das Vorhaben bezeichnet wird, die Eigenschaften digitaler Spiele für andere Zwecke als Unterhaltung und Spaß nutzbar zu machen (vgl. im Überblick Breuer 2010). Der Begriff Serious Games ist dabei umfassender und deckt ebenfalls den Einsatz digitaler Spiele beispielsweise in der medizinischen Behandlung von Patienten, aber auch die Computer- sowie Videospielkunst ab. Digital Game-Based Learning bezeichnet dagegeben spielbasiertes Lernen in Form von Computerspielen, virtuelle Welten etc. Der Begriff Edutainment, zusammengesetzt aus den Wörtern „education“ und „entertainment“, beschreibt die Kombination von Lern- und Unterhaltungselementen in verschiedenen Medien, beispielsweise in Computerspielen. Dabei übt der Anwender hauptsächlich bereits erlernte Fertigkeiten, wie zum Beispiel Buchstabieren oder Addieren. In Edutainment-Titeln werden oftmals Spiele als Belohnung für den Lernfortschritt eingesetzt. Sie sind somit kein integrativer Bestandteil des Gelernten. Der übergeordnete Bereich des E-Learning weist zwar Schnittmengen mit den anderen Konzepten auf, beinhaltet allerdings nicht zwingend eine Unterhaltungskomponente. Gamification (synonym Gameful Design) als gegenwärtig populärster Begriff für die Transformation von Alltagsabläufen ins Spielerische und die spielerische Vermittlung bestimmter Interessen (vgl. Stampfl 2012), taucht häufig in Verbindung mit ubiquitären, online‐basierten und pervasiven Computerspielen auf. Idealerweise sollte ein Computerspieler keinen Unterschied zwischen einem Lern- und einem reinem Entertainmentspiel wahrnehmen, nicht einmal, dass der Inhalt und das Setting für einen bestimmten Lernzweck konzipiert wurden. Die Entwicklung von Serious Games erschwert also, dass die meisten Menschen heutzutage bereits relativ viel Erfahrung im Umgang mit Computerspielen besitzen. Denn das hat zur Folge, dass potenzielle Spieler grundsätzlich die gleichen Erwartungen an die Qualität und Tiefe eines Lernspieles stellen wie an ein kommerzielles Entertainmentspiel. Da im Gegensatz zur profitorientierten Spielebranche im Bildungsbereich generell ein geringeres Budget für die Entwicklung von Lerninhalten zur Verfügung steht, stellt die Finanzierung eine der größten Herausforderungen dar. Dazu kommt, dass aufgrund der recht kontextspezifischen Lerninhalte Serious Games zumeist nur für eine bestimmte Zielgruppe geeignet sind und die Publikumsresonanz bzw. Verkaufszahlen vorwiegend niedrig ausfallen. Diese finanziellen Restriktionen führen zu Einschränkungen bei der Spieleentwicklung und der Gestaltung einzelner Inhalte. Hinzu kommt, dass meistens auch zu wenig Geld in das Marketing eines Serious Game investiert wird. Autoren wir z. B. Müller-Lietzkow und Jacobs (2012) schlussfolgern deswegen, dass ein professionelles Lernspiel nur am Markt erfolgreich bestehen kann, wenn es im Rahmen einer kommerziellen Auftragsproduktion entsteht oder von staatlicher Seite mit ausreichend Ressourcen unterstützt wird. Literatur Abt, C. (1987): Serious Games. Lanham, MD: University Press of America. Blohm, I./Leimeister, J.M. (2013): Gamification, in: Wirtschaftsinformatik 55(4), 275–278. Breuer, J.(2010): Spielend Lernen? Eine Bestandsaufnahme zum (Digital) Game-Based Learning. Online: www.lfmnrw.de/fileadmin/lfm-nrw/.../Doku41-Spielend-Lernen.pdf (01.03.2014). IBM (2007): „Virtual World, Real Leaders: Online Games Put the Future of Business Leadership on Display. A Globale Innovation Outlook 2.0 Report.“ Online: http://domino.research.ibm.com/comm/www_innovate.nsf/images/giogaming/$FILE/ibm_gio_gaming_report.pdf (01.03.2014). Müller-Lietzkow, J./Jacobs, S. (2012): Serious Games – Theory and Reality. In: International Journal of Computer Science in Sport (11), 42-50. Ratan, R. /Ritterfeld, U.(2009): Classifying Serious Games. In: Ritterfeld, U./Cody, M./Vorderer, P. (Hrsg.): Serious Games: Mechanisms and Effects. New York, NY/London: Routledge, 10-24. Stampfl, N. (2012): Die verspielte Gesellschaft. Heise: Hannover Wimmer, J. (2013): Massenphänomen Computerspiele. Soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte. Konstanz: UVK.
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