STEFAN GIMPL: STYLER DES JAHRZEHNTS GUTE ZEITEN – SCHLECHTE ZEITEN Bei den großen Freestyle-Contests ist Stefan Gimpl als Abräumer berüchtigt. Was den Snowboard-Pro aus dem Salzburger Land so sympathisch und erfolgreich macht, ist seine Gelassenheit. Die hat ihm geholfen, im schnelllebigen Snowboard-Business zu einem Athleten zu werden, an dem so leicht keiner vorbei kommt. Text Stephanie Kranz tefan Gimpl ist Snowboard-Luftakrobat und in der Freestyle-Szene als »Serienkiller« aus Leogang im Salzburger Land berüchtigt. Aber ruhig Blut, »Gimpi« ist weder radikal, noch wirklich gefährlich. Im Gegenteil, er ist ein ganz Friedlicher und Ausgeglichener. Trotzdem hat er sich glatt drei Mal in Folge den Sieg beim Air & Style unter den Nagel gerissen, zwei Mal hintereinander gewann er den Soul City in Wien und selbst im fernen Osten folgte er dem Gesetz der Serie und wurde drei Mal Zweiter beim Toyota Big Air. Aber Stefan ist bei Gott kein Newcomer, der innerhalb kürzester Zeit alles abräumt und dann in der Versenkung verschwindet. Der Österreicher ist mit seinen 25 Jahren bereits ein alter Hase im Geschäft. Seit sechs Jahren fährt Stefan Gimpl schon professionell Snowboard, bis vorletztes Jahr wurde er vom »großen B« gesponsert. Jetzt boardet er mit seinem eigenen Pro-Model für F2 und trägt dabei Klamotten von O’Neill. Er beobachtet seit vielen Jahren die Contest-Szene und weiß, wie es im Profi-Business zugeht. Seine Freunde und Kollegen sagen, er sei einer der entspanntesten, aufrichtigsten und natürlichsten Persönlichkeiten in der Branche. Er selbst sagt, dass genau diese Einstellung sein Weg zum Erfolg war: nicht zu verbissen ein Ziel zu verfolgen, sondern den Sport einfach zu genießen. Er genoss ihn so sehr, dass man den Hände- und Fußabdruck des frisch gekürten »Styler des Jahrzehnts« auf der Straße der Sieger in Wien verewigt haben wollte. Gimpi grinst und zuckt mit den Schultern: »Na wenn sie meinen…« S 46 SNOW Foto Patrick Armbruster Stefan, du bist seit sechs Jahren Profi-Snowboarder, kennst die Branche und die Leute, gute und schlechte Zeiten. Hat sich die Contest-Szene während dieser Zeiten verändert? Auf alle Fälle. Heutzutage ist es nicht mehr so einfach, sich in der Szene zu behaupten. Es gibt so viele Kids, die schon in ganz jungen Jahren mit dem Snowboarden anfangen und bald extrem gut sind. Es gibt aber nur eine bestimmte Anzahl von Sponsorfirmen und -verträgen und begrenzte Budgets. Da fallen immer mehr Talente durchs Raster. Früher war auf den Contests auch viel weniger los, weniger Rider, weniger Medien, da hatten die einzelnen Fahrer noch mehr Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Die Szene war überschaubarer und familiärer. Heute hat man noch lange keinen Namen, nur weil man einige Contests gewinnt. Snowboard-Pro werden ist nicht schwer, Snowboard-Pro bleiben dagegen sehr? Ja, genau. Das ganze Snowboard-Business ist ja grundsätzlich extrem schnelllebig. Oft macht ein Newcomer eine Saison lang Schlagzeilen, und das war’s. Es wird immer schwieriger, über die Jahre hinweg konstant auf sich aufmerksam zu machen und Leistung zu bringen. Aber ich glaube ohnehin, dass nur die Leute es an die Spitze schaffen, die diese pure Leidenschaft für den Sport mitbringen, in deren Leben kein Tag vergeht, ohne dass sie ans Boarden denken. Wie hast du es geschafft, dich über die Jahre hinweg immer wieder zu motivieren, bei den Contests beständig Leistung zu bringen? Snowboarden ist einfach das, was ich machen will, es ist einfach geil. Und wenn bei Contests dann die Zuschauer, meine Freunde und die anderen ProRider da sind, pusht mich das ungemein. Dann will ich eben keine Scheiße produzieren, sondern einen lässigen Trick springen und den auch stehen. Wenn mir das gelingt, weiß ich, warum ich Snowboarder bin und dass ich das Richtige mache. Die Branche und die Medien vermitteln einem Snowboard-Star oft, er sei der Größte. Wie hast du es angestellt, trotz des ganzes Hypes um deine Erfolge und deine Person auf dem Boden zu bleiben? Ach, ich bin doch nur so wie ich bin, und das wird auch immer so bleiben. Ich glaube, ich kann mit der Situation ganz gut umgehen, weil ich das Ganze nicht so wichtig und ernst nehme. Es war zwar zum Beispiel eine Ehre für mich, meinen Hände- und Fußabdruck auf der Straße der Sieger in Wien zu verewigen, aber deshalb bin ich kein besserer Mensch. Für mich ist es eine größere Leistung, einen neuen Trick zu probieren und zu schaffen. Für mein Privatleben macht es keinen Unterschied, ob ich viel in den Medien bin oder nicht. Ich gehe auch noch regelmäßig mit meinen beiden Brüdern und Kumpels daheim in Leogang Snowboarden, für die bin ich immer noch der Alte. Das ist wichtig für mich und gibt mir Halt. Fahrer Stefan Gimpl Foto Fischi Nervt es dich, oft im Rampenlicht zu stehen? Früher ja, heute kann ich ganz gut damit umgehen. Aber mir fällt es immer noch schwer, nein zu sagen, wenn ich bestimmte Dinge nicht machen will, zum Beispiel Sponsorenverpflichtungen, die im Grunde nichts mit dem Snowboarden zu tun haben. Sinnlose Autogrammstunden oder so. Aber grundsätzlich gehört das Ganze für mich zu meinem Job und ich kann mir Schlimmeres vorstellen. Das Snowboarder-Leben ist einfach ein cooles Leben, das dir von den Sponsoren ermöglicht wird. Dieses Leben will ich um keinen Preis aufgeben, deshalb bemühe ich mich, alles gut zu machen. Das ist der Deal. Das baut zwar auch einen gewissen Druck auf, aber so lange man zwischendrin immer mal wieder mit den Kumpels und ohne Journalisten oder Leistungsdruck boarden gehen kann, ist alles o.k. Was lehrt dieses Leben? Es lehrt einen, ehrgeizig zu sein und seine Ziele zu verfolgen. Und man lernt, dass man für den Spaß, das geniale, lockere und freie Leben auch arbeiten muss. Das viele Reisen macht außerdem extrem selbstständig, vor allem wenn man allein unterwegs ist. Der Sport und die Szene sind sehr international, so lernt man andere Länder und Kulturen kennen, lernt Sprachen, macht viele Kontakte, bekommt viele Eindrücke und erweitert seinen Horizont. Und dabei geht’s immer ums Snowboarden, dieses spezielle Lebensgefühl. Das ist wirklich genial. >>> SNOW 47 Foto Patrick Armbruster Fahrer Stefan Gimpl Beschreib doch mal das Verhältnis zwischen den alten Hasen wie dir und der nächsten Snowboarder-Generation. Denkst du, du hast Vorbildfunktion? Wir kennen uns ja alle schon lange und mögen uns gerne. Die Jungen sind meistens extrem gut drauf und ziehen ihr Ding selbstständig durch. Natürlich gibt es auch Vorbilder im Business, von denen die Jungen lernen, die sie respektieren und bewundern. Und wenn einer meinen Style gut findet, freue ich mich, dass ich ihn inspirieren konnte. Aber jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen und sich entwickeln. Hast du selbst Vorbilder? Ganz klar, Jeff Brushie und mein großer Held Peter Line. Bist du immer noch nervös vor jedem Jump? Logo. Direkt vorm Sprung hab ich meistens ziemlich Schiss, aber dann konzentriere ich mich einfach genau auf den Trick, den ich springen will, dann geht’s so halbwegs. Die Contest-Atmosphäre pusht einen einfach unheimlich, man riskiert dann eindeutig mehr als normal und macht Dinge, die man normalerweise nicht machen würde. Bei meinem ersten Air & Style-Sieg war das so. Da hab ich alles auf eine Karte gesetzt, und es hat sich gelohnt. »Ich glaube, dass nur die Leute es an die Spitze schaffen, die diese pure Leidenschaft für den Sport mitbringen, in deren Leben kein Tag vergeht, ohne dass sie ans Boarden denken.« Stefan Gimpl über Erfolge und Misserfolge 48 SNOW Foto Yonia Marek Seit etwa zwei Jahren bist du nicht mehr bei Burton unter Vertrag – traurig darüber? Nein, eigentlich nicht. Ich war zwar ehrlich überrascht, als mein Vertrag plötzlich nicht verlängert wurde, aber das ist eben der Lauf der Dinge. Und seit ich bei Burton weg bin, bin ich erstmals richtig zum Filmen gekommen und habe bei einer sehr großen Produktion mitgemacht. Bei meinen neuen Sponsoren hatte ich einen guten Start und durfte sogar mein eigenes Pro-Modell entwickeln. Das hat total Spaß gemacht! Man sieht, es ist nicht unbedingt immer das Beste, beim Platzhirschen unter Vertrag zu sein. In kleineren Firmen bekommt man oft mehr Chancen, weil nicht so viele Leute mitmischen und entscheiden. Unterm Strich kommt mehr dabei raus. Wie gesagt, Snowboarden ist extrem groß geworden und auch reicher an Disziplinen. Slopestyle, zum Beispiel. Trifft man dich manchmal auch auf Rails und in Parks? Rails und Parks sind schon o.k., aber nicht so sehr für mich. Um einen Slopestyle-Parcours zu bauen, braucht man nicht unbedingt einen hohen Berg, da reicht schon ein Hügel mit einem Schlepplift. Das ist cool für die Kids, die außerhalb großer Skigebiete aufwachsen. Vielleicht bringt Slopestyle genau diese Kids in den Snowboard-Sport, weil ihnen das Terrain vom Skaten bekannt ist. Da können sie sich super austoben, vor allem weil die Landungen nicht nach zehn Jumps verspurt sind, und weil man sich sehr vielseitig bewegen kann. Mein Fokus liegt aber mehr auf dem Freeriden. Damit bin ich aufgewachsen. Und vor allem wenn es frischen Powder geschneit hat, ist Freeriden im natürlichen Gelände der ultimative Genuss. Aber auch im Powder bin ich immer am Abchecken, ob es irgendwo Möglichkeiten gibt, zu tricksen und zu springen. Denn einen ganzen Tag ohne einen einzigen Jump – no way! Was macht die Faszination am Springen aus? Der coolste Moment während eines Sprungs ist eigentlich der, in dem du nicht mehr nach oben steigst und auch noch nicht nach unten fällst, sondern schwerelos in der Luft schwebst. Dieses Gefühl ist bei weniger technischen Tricks intensiver, weil du die Flugphase mehr genießen kannst. Wenn du einen extrem anspruchsvollen Trick springst, musst du dich einfach so konzentrieren, damit du die Kontrolle behältst. Und wo trifft man Stefan Gimpl, wenn er nicht auf dem Board durch die Luft wirbelt? Im Sommer zum Beispiel? Seit zwei, drei Jahren immer öfter auf dem Golfplatz. Golfspielen ist ein super Ausgleichssport. Seit ich Golf spiele sind meine Frontside-Drehungen beim Snowboarden viel besser geworden, weil die Bewegungen ähnlich sind. Früher hab ich beim Springen die Frontside-Drehungen gehasst, weil ich sie nie richtig hinbekommen hab, heute sind das meine Lieblings-Moves. Außerdem ist Golf mental unglaublich anspruchsvoll. Man muss sich extrem konzentrieren und die Bewegung vorher im Kopf durchspielen, damit man den perfekten Schlag setzen kann. Manchmal ist man nervös, darf aber nicht zittern oder sich ablenken lassen – wie beim Snowboarden. Trotz allem würde ich mich nicht als typischer Golfer bezeichnen – ich trage zum Beispiel keine Karo-Shorts, Golfschuhe oder so dämliche Schildkäppis, sondern Jeans und Turnschuhe. »In den Mainstream-Medien werden die Snowboarder aber immer als Freaks bezeichnet und als verrückt abgestempelt. Damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren.« Stefan Gimpl über das Snowboarder-Image Kannst du dir eine sportliche Karriere im Golf vorstellen, wenn du nicht mehr Snowboard fährst? (lacht) Ich schon, aber der Rest der Welt nicht! Aber grundsätzlich wär’s schon super, um die Welt zu reisen und auf Golfplätzen in aller Herren Länder gegen Tiger Woods zu spielen. Betrachters, und man kann nie wirklich sagen, wer jetzt der Bessere ist. Vieles wird auch in Zukunft auf Image oder Sponsoren basieren oder auch auf Snowboard-Videos. Snowboarden definiert sich sehr über seine Protagonisten, eine individuelle Persönlichkeit und spezieller Style spielen eine sehr große Rolle. In den Mainstream-Medien werden die Snowboarder aber immer als Freaks bezeichnet und als verrückt abgestempelt. Damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. Also doch lieber Snowboarden. In welche Richtung wird sich der Sport deiner Meinung nach entwickeln? Das ist schwierig zu sagen, weil sich Snowboarden als Sport nicht so einfach bewerten lässt. Beim Golf geht es um die Anzahl der Schläge, beim Skirennen um Zeit – man hat also immer einen eindeutigen Sieger. Beim Snowboarden muss gejudged werden, die Leistung liegt im Auge des Wo siehst du künftig deinen Platz im Snowboard-Sport? Irgendwo in der Luft beim Springen. Und im Powder! Meine Ambitionen liegen momentan ganz klar beim Filmen für Snowboard-Videos. Aber das Contest-Fieber hat mich immer noch nicht so ganz losgelassen, und ich werde sicher noch einige Wettkämpfe mitfahren – vorzugsweise Big-Air-Contests. ■ Fahrer Stefan Gimpl Foto Patrick Armbruster SNOW 49
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