TYPOGRAFIE Seite 1 WAS BEDEUTET TYPOGRAFIE? Etymologisch lässt sich das Wort Typo- vom altgriechischen typos herleiten, das eigentlich Schlag, Stoss, später auch Eindruck, Muster, Bild bedeutet. Als Ursprung für das lateinische typus, das dann Figur, Bild, Muster meint. Das Wort -graphie entspricht dem altgriechischen graphein für ritzen, schreiben. Die Typographie entwickelte sich in der Frührenaissance durch die Erfindung des Buchdrucks mit einzelnen, beweglichen Blei-Lettern. Sie wurden in Europa zwischen 1450 und 1457 durch den Mainzer Prototypographen Johannes Gutenberg (~ 1400 – 1468) erfunden. Bis dahin war die Schriftkultur lediglich in Skriptorien (Räume für handschriftliche Kopien religiöser Texte im Kloster) und Holztafeldruckereien zu finden. Gutenberg revolutionierte damit grundlegend den 6500-jährigen elitären Schriftgebrauch und demokratisierte die Schrifttechnologie; denn von nun an konnten Ideen und Wissen maschinell reproduziert und schnell verbreitet werden und wurden für jeden Alphabeten immer erschwinglicher. leicht abgeändert aus: www.typolexikon.de/t/typographie.html DER SCHRIFTVERLAUF aus dem Buch „Der Mensch und seine Zeichen“ von Adrian Frutiger, einem Schweizer Typografen. Das Buch erschien im Jahr 2000 in der siebten Auflage im fourier Verlag. TYPOGRAFIE Seite 2 Die erste Schrift, die Babylonische Keilschrift, beruht auf Bildern. Ihre Lesbarkeit erzielt sie durch die Kombination lediglich eines Bildes, des Keils. Von 1700 bis 800 v.u.Z. erlangte die Schrift immer mehr die uns bekannte Gestalt (Lautschrift). Die Gründung Roms durch die Etrusker setzt eine wichtige Zäsur. Die Capitalis Monumentalis wurde, wie der Name sagt, für Monumentalbauten benutzt und weist weder Kleinbuchstaben noch Leerräume auf. Erst durch die ansteigende Textmenge wurde der Schrift in Manuskripten und Inschriften im Mittelalter Leerstellen hinzugefügt. Die Schrift wurde rhythmisiert und war einfacher lesbar. Seit Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern auf Bleisätzen 1517 spricht man von diesem Zwischenraum als Spatium (ändert man am Computer die Laufweite der Schrift, nennt man dies auch Spationieren). Die Arbeit am PC veränderte die Erscheinung der Schrift: sie dient heute dem Wiedererkennungswert und steht stellvertretend für eine spezifische Unternehmenskultur oder richtet sich marketingtechnisch an eine bestimmte Zielgruppe. Sumerisch 3500 v.u.Z. Ägyptische Hieroglyphen Akkadisch 2500 v.u.Z. Babylonisch-Assyrisch 1800 v.u.Z. Phönizisch 1200 v.u.Z. Altgriechisch 900 v.u.Z. Etruskisch 800 v.u.Z. 3000 v.u.Z. 100 200 400 Merowingisch 500 Langobardisch 1000 800 1455 1470 1480 1757 1507 1800 serifenbetonte Egyptienne 1815 ITALIENNE Akzidenz Grotesk Times New Roman Helvetica 1821 1898 1931 1958 2002 TYPOGRAFIE Seite 3 ZUSAMMENFASSUNG DER ENTWICKLUNG ANHAND DES LAUTZEICHENS A TYPOGRAFIE VON DER MAJUSKEL ZUR MINUSKEL Seite 4 TYPOGRAFIE Seite 5 DIE ÄSTHETIK DES BUCHSTABENS Eines der beliebtesten Schreibinstrumente war die Rohrfeder. Ihr zweitausendjähriger Gebrauch bestimmte die Formentwicklung des Buchstabens wesentlich. Die Rohrfeder wurde aus Schilfrohren oder aus Geflügel-Federn zurechtgeschnitten: Das Rohr wurde schräg durchschnitten, die Spitze in der Länge gespalten und der äusserste Teil der Spitze aus Gründen der Stabilität quer abgetrennt. So entstand ein Schreibgerät mit Flüssigkeitsreservoir, das dem Schreiber ein schnelleres Vorwärtskommen erlaubte. Auch entstand der Reiz, durch stärkeres oder schwächeres Aufdrücken mehr oder weniger Flüssigkeit auf das Trägermedium fliessen zu lassen, was sich wiederum an der Erscheinungsform des Geschriebenen zeigte. Eine weitere, noch wichtigere Art der Strichenden-Formung wirkt sich durch die Federstellung selbst aus. Durch das Abschneiden der Spitze erhielt die Feder die Eigenschaft, die Striche je nach Drehung in differenzierte Stärken zu bringen. Die Breitseite des Federstrichs hat durch die individuelle Handhabung in den verschiedensten Epochen für einen eigenwilligen Ausdruck gesorgt. TYPOGRAFIE ZWISCHENRÄUME IN SCHRIFT UND ARCHITEKTUR Seite 6 TYPOGRAFIE DIE PROPORTIONEN DES BUCHSTABENS Seite 7 TYPOGRAFIE Seite 8 DIE KONGRUENZ EINES BUCHSTABENS Garamond Baskerville Bodoni Excelsior Times Palatino Optima Helvetica / Univers aA TYPOGRAFIE Seite 9 BEZEICHNUNGEN DER EINZELNEN BESTANDTEILE EINES BUCHSTABENS 1 2 1 3 2 4 3 4 5 5 6 Tropfen Punzen (geschlossen/offen) Abstrich Anstrich Haarstrich Serife Reihenfolge der Zeichnung 6 3 4 5 6 2 TRANSFORMATIONEN DER EINZELNEN BUCHSTABEN Die antike Inschrift zur Trajanssäule in Rom ist aus den Grundformen Quadrat, Kreis und Dreieck aufgebaut. Obwohl dieser „Raster“ sehr einfach gehalten ist, müssen dennoch Anpassungen vorgenommen werden, sollen die Buchstaben harmonisch zusammen wirken. OASE 3 2 1 3 4 3 5 1 mathematische + optische Mitte 2 Überhöhung 3 Zurichtung 4 optische Symmetrie 5 Öffnung ABCDEFGHI JK LMNQ PR ST U V W X Y Z TYPOGRAFIE Seite 10 BUCHSTABEN IM SCHRIFTBILD Die einzelnen Teile eines Wortes werden mit spezifischen Fachbegriffen bezeichnet. Diese Begriffe dienen zur besseren Verständigung bei der Satzherstellung und erleichtern die Angaben bei der Schriftpositionierung. PROPORTIONEN Die verschiedenen Proportionen oder Verhältnisse bei den Buchstaben, z.B. das Verhältnis von der Mittellänge zur Oberlänge, werden bei jeder Schrift individuell gestaltet. Somit werden nur die Bezeichnungen der Buchstabenteile überall gleich angewendet, aber nicht die Proportionen. Schriften: Garamond Regular Times Ten Roman Futura Book Akzidenz Grotesk Regular Schriftgrösse: 54 Punkt aus: „Satztechnik Typografie 1, Typografische Grundlagen“ Seite 17, comedia-Verlag Bern 2003 TYPOGRAFIE BUCHSTABENABSTÄNDE 1: AUSGLEICH VON HAND Seite 11 ANALYSE Bei allen Buchstabenkombinationen bestehen veränderbare und unveränderbare Buchstabenabstände. Beim Ausgleichen versucht man die optisch kleinsten Räume den optisch grössten, unveränderbaren Räumen anzugleichen. Dabei sollte aber nicht nur der optische Buchstabenzwischenraum beachtet werden, sondern auch der Innenraum des Buchstabens selbst. UMSETZUNG Absetzen des Wortes ohne Veränderung der Buchstabenabstände. Bestimmen der grössten Buchstabenzwischenräume. Angleichen der grössten veränderbaren an die grössten unveränderbaren Zwischenräume. Angleichen der optisch kleinsten Buchstabenzwischenräume. Restliche Buchstabenzwischenräume den bestehenden angleichen. Das Wort sollte nun optisch zwischen den einzelnen Buchstaben einen gleichmässigen Abstand (Weissraum, Spatium) aufweisen. aus: „Satztechnik Typografie 1, Typografische Grundlagen“ Seite 22, comedia-Verlag Bern 2003 TYPOGRAFIE Seite 12 BUCHSTABENABSTÄNDE 2: DIGITALER AUSGLEICH Kommen in einem Text besondere Buchstabenkombinationen vor wie zum Beispiel „Te“, „Vo“ oder „Wa“, so müssen diese Abstände individuell während des Entwerfens von Hand (oder am Computer mittels eines speziellen Ästhetikprogramms) verändert werden. Dieser Vorgang wird – je nach Programm – als Unterschneiden, Zurichten oder Kerning bezeichnet. In jedem Bildbearbeitungsprogramm kann durch Halten der alt-Taste und gleichzeitigem Klicken auf die PfeilTaste (←,→) der Abstand individuell gestaltet werden. Schrift: Garamond Regular 54 Punkt aus: „Satztechnik Typografie 1, Typografische Grundlagen“ Seite 19, comedia-Verlag Bern 2003 TYPOGRAFIE IM RAUM oben: Axel Peemoellers typografisches Leitsystem eines Parkhauses www.de-war.de rechts: Text im Raum, gefunden auf www.volderette.de unten: 3D-Schriften, gefunden auf www.handmadefont.com www.serialcut.com www.andreirobu.com Portfolio und Blog: www.iso50.com, www.raktetentim.de Buchtitel im Verlag Die Gestalten: „tactile“ und „tangible“ beide 2009 erschienen Seite 13 TYPOGRAFIE Seite 14 ZWISCHENRÄUME IN SCHRIFT UND ARCHITEKTUR REVISITED Maison Particulière Theo Van Doesburg (De Stijl) 1923 Plattenbau Nachkriegszeit hier in einer Aufnahme von Andreas Gursky Disney Music Hall Frank O‘ Gehry 2003 DS Plattenbau Neubau, Stefan Gandl 1997 Arvore Clarissa Tossin 2004 Frutiger Frutiger Adrian Frutiger 1974 TYPOGRAFIE WAHLSPRACHE WARUM ICH MICH FÜR AMERIKANISCH ALS MEINE NEUE MUTTERSPRACHE ENTSCHIED Seite 15
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