Dokumentation Projekt L61209 113-68 Integrieren oder Rausschmeißen? Projektträger: Sportkreis Wetterau Was tue ich, wenn ich merke, dass meine C-Jugend von einem Trainer mit rechter Gesinnung trainiert wird? Schmeiße ich meinen besten Stürmer in der A-Mannschaft raus, weil er auf einmal fremdenfeindliche Parolen skandiert, wenn sein türkischer Mitspieler eine Torchance verhaut? Das sind Dinge mit denen man sich als Vereinsvorstand oder Trainer vielleicht irgendwann einmal auseinander setzen muss. Trenne ich mich rigoros von einem langjährigen Freund und Spielerkollegen oder versuche ich mit Hilfe von außen denjenigen zu integrieren? Das waren die Fragen mit denen sich der Infoabend „Integrieren oder Rausschmeißen?“ auseinandersetzte. Der Sportkreis Wetterau lud hierzu Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen und Dr. phil. Reiner Becker vom beratungsNetzwerk hessen ein. Beide nahmen sich auf ihren Spezialgebieten des Themas an. Moderiert wurde der Abend von Florstadts Vereinsberater Rolf Lutz. Angelika Ribler zeigte anhand von Beispielen, wie die Sportjugend im Fall von rechtsextremen Erscheinungen in Sportvereinen helfen kann bzw. bereits geholfen hat. Ein rechtsorientierter Trainer wurde beispielsweise nicht aus seinem Verein entfernt, weil man mit dem Vorstand, dem Trainer und der Sportjugend Agreements getroffen hat, dass sich der Trainer seinen Sportlern gegenüber strikt jeder politischen Äußerung enthält. Das funktionierte auch recht gut, bis der betreffende Trainer bei einem Vereinsjubiläum für sein langjähriges Engagement im Verein geehrt wurde. Dies wurde auch auf der Homepage des Vereins veröffentlicht. Daraufhin wurde der Trainer von unbekannt bei der Presse angeschwärzt. Die so ausgelöste Medienschlacht zwang den Verein letztlich doch zu einer Trennung vom Trainer, obwohl die Integration gut gelungen war. Ein weiterer Fall: Eine Gruppe Jugendlicher mietet ein Schützenhaus an um dort zu feiern. Auf Bildern in Facebook war dann zu sehen, dass alle Feiernden T-Shirts mit der Aufschrift „Hunting Season“ und stilistischen weißen Männchen, die schwarze Männchen erschießen, trugen. Eindeutig Kleidung, die der rechten Szene zuzuordnen ist. Als man das Schützenhaus anhand der Bilder ausfindig gemacht hatte und das Gespräch mit dem Vereinsvertreter gesuchte, der das Schützenhaus vermietet hatte, stellte sich raus, dass dieser nichts von der Gesinnung der jungen Männer wusste und sichtlich geschockt war über deren Erscheinungsbild. In solchen Fällen steht die Sportjugend beratend, unterstützend und aufklärend zur Seite. Das beratungsNetzwerk Hessen arbeitet ebenfalls mit Strategien zur Begegnung rechter Tendenzen. Hier sind allerdings nicht vorrangig Sportvereine die Hauptzielgruppe, sondern auch besorgte Eltern, Bürgerinitiativen oder Betroffene. Dr. Reiner Becker erklärt das Phänomen „Mitte der Gesellschaft“ und wie sie dich mit den Strukturen rechtsextremer Gruppen überschneidet. Er zeigte dies anhand eines Kreisdiagramms, das sich in 5 Ringen um einen Kern (Kameradschaften und Kader) anordnet. Die beiden äußeren Ringe bilden hierbei den Dunstkreis, der noch nicht wirklich in der Szene verankert ist, sondern lediglich mit ihr sympathisiert. An diesen äußeren Dunstkreis aus der Mitte der Gesellschaft richtet sich der Programm „Rote Linie“ – der Ausstieg vor dem Einstieg. Das Programm versucht zu verhindern, dass labile Jugendliche überhaupt erst in die inneren rechtsextremen Kreise gezogen werden. Becker erklärte auch, warum die rechte Szene immer noch attraktiv ist für Jugendliche. Sie passt sich an. „Die rechte Szene will wen vom Schläger-Image, hin zur sozialen Anerkennung“ so Becker. Oftmals arbeiten beide Organisationen (beratungsNetzwerk Hessen und Sportjugend Hessen) auch eng zusammen. Im Fall der Old Brothers hatte die Grätsche gegen Rechtsaußen beispielsweise von beiden anwesenden Referenten Unterstützung, als es um die Bekämpfung der rechten Umtriebe in der Wiesengasse ging. Am Infoabend in Florstadt nahmen 22 Personen teil, die nach den Vorträgen auch rege diskutierten und Nachfragen stellten. Die Vorsitzende des Tennisvereins war so begeistert von Frau Ribler, das sie das Angebot einer Schulung durch Frau Ribler für ihren Verein überdenken will. Frau Eckhard fordert ebenfalls ein klares Bekenntnis aller Vereine zu Toleranz und Vielfalt. Man solle klar definieren „wofür man steht“. Diese Frage sollten alle Vereine für sich klären. Eine Integration wirklich aller Kinder und Jugendlichen in die Sportvereine sollte ermöglicht werden, auch wenn deren Eltern nicht in der Lage sein sollten, Mitgliedsbeiträge zu bezahlen. Bemerkenswert war, dass neben Lisa Gnadl von der SPD auch zwei NPD-Funktionäre anwesend waren. Sie wurden jedoch nicht in irgendeiner Art und Weise auffällig und störten die Veranstaltung nicht. Infomaterial zum Thema Rechtsextremismus Der Moderator und die Referenten V. l. n. r.: Bürgermeister Herbert Unger, Sorin Onetiu (Sportkreis Wetterau), Moderator Rolf Lutz, Dr. Reiner Becker (beratungsNetzwerk hessen) und Angelika Ribler (Sportjugend Hessen) (Fotos: Stephan Lutz)
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