Was macht denn der Hund in der Schule? - Besondere Kinder

Harry Wohlbold, Schule für Körperbehinderte Langensteinbach
Was macht denn der Hund in der Schule?
„So schön wollte ich es auch mal haben, während der Arbeitszeit mit meinem Hund
und einem Schüler spazieren gehen.“ „Da bring ich meine Katze auch mit in die
Schule!“ Mit solchen und ähnlichen Aussagen wurde ich in der Anfangszeit immer
wieder konfrontiert. Besonders die abwertenden Blicke einiger Kollegen trafen mich
im ersten Jahr sehr. Mittlerweile arbeite ich mit meinem Hund Sammy schon fast vier
Jahre in der Schule. An den Anblick meines Hundes hat sich die Lehrerschaft
gewöhnt und immer mehr Kollegen schätzen unsere Arbeit. Ich möchte auf diesem
Wege all denjenigen Mut machen, die mit dem Gedanken spielen ihren
ausgebildeten Hund an einer Schule einzusetzen. Die folgende Geschichte soll Ihnen
einen kleinen Einblick in die Arbeit der Tiergestützten Therapie geben.
Justin wurde mit sechs Jahren in unserer Schule eingeschult. Die ersten Tage sprach
er fast überhaupt nichts. „Der Junge braucht noch etwas Zeit.“ „Er muss sich erst an
die neue Situation gewöhnen.“ „Das gibt sich von allein“, hörte man meine
Kolleginnen und mich reden. Doch auch nach einigen Monaten änderte sich an
dieser Situation nur wenig. Wenn Justin redete, dann nur indem er seinen Kopf zur
Seite drehte und so leise sprach, dass man ihn kaum oder gar nicht verstehen
konnte. War er jedoch unter seinen Schulkameraden, so unterhielt er sich mit diesen
ganz normal. Wir (die Lehrer von Justin) beschlossen gemeinsam mit Justin und
dessen Eltern, dass fortan einmal wöchentlich „Hundegestützte Therapie“ auf
seinem Stundenplan stehen solle. Mein Hund Sammy sollte in diesem Fall als
Türöffner dienen und eine Brücke zwischen Lehrern und Justin bauen. Dies stellte
sich jedoch als äußerst schwierig dar, denn Justin hatte Angst vor Sammy. Seine
Furcht zeigte sich darin, dass er den Hund weder streicheln noch füttern wollte und
stets darauf bedacht war, ihn nicht zu nah an sich heran zu lassen. Trotz alledem
mochte Justin Sammy, denn er freute sich immer sehr auf die Einzelstunde mit ihm.
In den ersten Wochen durfte Justin mit Sammy spielen und mit ihm ein paar kleine
Tricks einüben. Damit Sammy diese ausführte, war es notwendig laut und deutlich zu
sprechen. Das gelang Justin von Mal zu Mal besser und bereitete ihm so viel Spaß,
dass er seine Hemmungen zu sprechen überwinden konnte. Der Anfang war getan.
Schnell fand Justin mehr Zutrauen zu Sammy. Nach ein paar Wochen konnte er ihn
das erste Mal streicheln. Für das Füttern aus der Hand brauchte er ca. ein Jahr.
Heute bereitet ihm dies keine Schwierigkeiten mehr. Woche für Woche wurde die
Beziehung intensiver, Justin wurde offener, redete mehr, lauter und deutlicher. Er
begann von sich aus Gespräche und äußerte Wünsche. Sein Selbstvertrauen wuchs
und er genoss jede einzelne Stunde, die er mit Sammy verbringen durfte. Justin
freute sich immer sehr auf die Einzelstunden mit dem Hund und genoss nach einem
Jahr besonders den engen Kontakt zu ihm. Wenn die beiden ruhig und entspannt in
der Hängematte lagen, fing Justin oft an zu erzählen. Auch im Kontakt mit meinen
Kolleginnen redete Justin deutlich mehr. Um sein Selbstvertrauen weiter zu stärken,
beschlossen wir, dass diese Therapiestunde auch in seinem zweiten
Schulbesuchsjahr bestehen bleiben solle. Mittlerweile hat sich Justin zu einem
richtigen Lausbuben entwickelt, der seit kurzem selbst stolzer Besitzer eines Hundes
ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder und Jugendliche bei der Arbeit mit dem
Hund über sich selbst hinauswachsen. Ich staune immer wieder, zu welchen
Fähigkeiten geistig -oder schwer körperlich beeinträchtigte Kinder fähig sind, wenn
es einem gelingt sie für etwas zu begeistern. Ein Beispiel hierfür ist Daniel: Ein 13jähriger Junge mit autistischen Zügen, der eine große Hypersensibilität im Bereich
seiner Füße hat. Berührungen dieser Art ließ er kaum zu. Umso mehr waren wir
erstaunt, dass Sammy ihm Streichkäse von den Füßen ablecken durfte. Inzwischen
lässt er dies nicht nur zu, sondern fordert es sogar ein. Ich hoffe ich konnte Ihnen
anhand dieser beiden Jungen einen kleinen Einblick in die Tiergestützte Therapie
geben. Es wäre schön wenn Sie Lust und Mut bekommen haben ihren Hund im
Unterricht einzusetzen.