Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material M 1 – Seite 1 von 5 MIssbrauch: Was soll ich nach einer Vergewaltigung tun? Dieses Material - beschreibt die empfohlene Vorgehensweise nach einer Vergewaltigung - gibt Hinweise auf Beratungsstellen und zum Gerichtsverfahren - Verhaltenstipps für Freundinnen und Freunde der Betroffenen 1. Notieren Sie sich als Flussdiagramm welche Schritte Sie der Reihe nach tun sollten, falls Sie oder Ihre Freundin vergewaltigt werden. Was niemandem zu wünschen ist! WAS TUN NACH EINER VERGEWALTIGUNG ? 1. Person des Vertrauens Suchen Sie Unterstützung bei einer Person Ihres Vertrauens oder bei einem FrauenNotruf. Zum Beispiel: 2. VIOLA: 0 8 00 –111–0–111 Bundesweit und rund um die Uhr und kostenlos. 3. Alles für die Spurensicherung aufbewahren Unterwäsche, während der Tat getragene Kleidungsstücke und alle anderen Beweismittel aufheben (Tampons, Slipeinlagen, Taschentuch etc.). All das sind wichtige Spurenträger. Beweissicherung beim Frauenarzt Obwohl eine medizinisch-gynäkologische Untersuchung nach einer Vergewaltigung für betroffene Frauen und Mädchen eine psychische Belastung darstellt, ist sie sehr sinnvoll. Sie dient der Feststellung und Behandlung möglicher Verletzungen, sowie der Beweissicherung. Sie können sich an die Ambulanz eines Krankenhauses wenden oder zu einer Ärztin ihres Vertrauens gehen. Nicht Duschen oder Waschen! Duschen oder Waschen vernichtet wichtige Beweismittel, deshalb nicht vorher abduschen. Auch nach einer Untersuchung kann sich eine Frau für oder gegen eine Anzeige entscheiden. Gerade, wenn eine Frau sich zu einem späteren Zeitpunkt für eine Anzeige entscheiden will, kann die medizinische Untersuchung als Beweismittel sehr hilfreich sein. Soll die Untersuchung auch zur Beweissicherung dienen, sollten der ÄrztIn gegenüber detaillierte Angaben zum Tatverlauf gemacht werden, um alle Spuren sichern zu können. Es sollten alle, auch scheinbar geringe Verletzungen festgehalten werden. Pille oder Spirale danach Die spätest mögliche Einnahme möglichkeit der "Pille danach" beträgt 48 Std..! Die "Spirale danach" kann bis zu 5 Tagen nach der Vergewaltigung eingesetzt werden. Anzeige - ja oder nein? Die Entscheidung für oder gegen eine Anzeige ist für viele Vergewaltigungsopfer schwierig. Auf der einen Seite steht der Wunsch nach Gerechtigkeit, Bestrafung des Täters und Verhinderung weiterer Taten, auf der anderen Seite stehen jedoch die psychischen Belastungen, die mit einem Strafverfahren verbunden sind. Es kann sehr hilfreich sein, sich bei einem Notruf beraten zu lassen, um zu einer Entscheidung zu kommen, die für Sie stimmig ist. Es ist auch möglich, vor Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material Anzeigeerstattung eine anwaltliche Erstberatung in Anspruch zu nehmen. Der Schritt zu einer Anzeige sollte gut überlegt werden. Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt. Eine Anzeige kann deshalb nicht mehr zurückgezogen werden. Die Ermittlungsbehörden müssen tätig werden, sobald sie von einer Vergewaltigung in Kenntnis gesetzt werden. M 1 – Seite 2 von 5 unterschreiben Sie es nur, wenn es 100% richtig ist. Im weiteren Verfahren Anwaltliche Vertretung in einem Prozess gegen den Täter ist empfehlenswert. Wegen der Kosten müssen Sie sich keine Sorgen machen. Sie erhalten auf Antrag einen anwaltlichen Beistand vom Gericht beigeordnet (auch schon im Vorverfahren). Verjährung erst nach 20 Jahren Eine Anzeige muss nicht unmittelbar nach der Vergewaltigung erfolgen. Vergewaltigung verjährt erst nach 20 Jahren. Je eher die Vergewaltigung jedoch angezeigt wird, um so besser kann jedoch die Beweisführung erfolgen. Die Anzeige Bei der Schutzpolizei (BeamtInnen in Streifenwagen), die nach einem Anruf kommt, müssen sie nur kurze und präzise (sichere) Angaben machen. Ausführlichere Angaben können bei der Kriminalpolizei, dem Sonderdezernat gegen sexuelle Gewaltdelikte gemacht werden. Sie haben das Recht eine Beamtin zu verlangen Sie haben dort das Recht, eine Beamtin zur Vernehmung zu verlangen. Falls Sie sich als Opfer selbst einer Straftat bezichtigen müssten, wenn Sie ehrlich antworten ( z.B. weil Sie betrunken Auto gefahren sind etc.) ist es besser, vor einer Anzeigeerstattung anwaltlichen Rat zu suchen. Von der Vertrauensperson begleiten lassen Lassen Sie sich von einer Vertrauensperson zu Polizei und/oder Ärztin begleiten (Freundin, Mitarbeiterin des Notrufs). Lesen Sie das Vernehmungsprotokoll bei der Polizei in Ruhe durch und Der Staat zahlt Ihren Anwalt Die Kosten des Beistands oder einer Nebenklage trägt die Staatskasse. Opferentschädigung Stellen Sie einen Antrag auf Opferentschädigung beim Versorgungsamt. Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung können verschiedene Versorgungsleistungen erhalten, wenn sie durch die Gewalttat psychisch und / oder physisch sowie wirtschaftlich geschädigt wurden. Grundlage für die Leistungen des OEG ist die aktive Mithilfe des Opfers an der Aufklärung. Es empfiehlt sich, bei Anträgen auf Opferentschädigung anwaltliche Hilfe oder die Unterstützung eines Frauennotrufs in Anspruch zu nehmen. Psychologische Unterstützung Psychologische Unterstützung zur Verarbeitung der Gewalterfahrung können Sie bei einem Frauennotruf in Ihrer Nähe bekommen. Reutlingen: Wirbelwind 07121/ 48 03 72. Bei einem Frauennotruf in ihrer Nähe können Sie auch eine Begleitung zum Gerichtsprozess erhalten (hierfür ist es wichtig, sich frühzeitig zu melden, damit es zeitlich klappen kann). Weißer Ring Sie können sich auch an weitere Opferorganisationen wie z.B. den Weißen Ring wenden. Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material M 1 – Seite 3 von 5 WENN SIE EINE FREUNDIN ODER ANGEHÖRIGE , DIE VERGEWALTIGT WURDE, UNTERSTÜTZEN MÖCHTEN : Die Reaktion der Umwelt und von Vertrauenspersonen haben einen wichtigen Einfluss darauf, wie eine Frau den sexuellen Übergriff bewältigen kann. Deshalb sind hier einige Punkte aufgeführt, um den Umgang mit der Situation zu erleichtern. Über das Erlebnis zu sprechen und damit die Isolation aufzuheben ist sehr wichtig für Betroffene. Nicht eigenmächtig handeln Keine Person sollte ohne das Einverständnis der Frau / des Mädchens Schritte unternehmen. Insbesondere rechtliche Schritte sollten erst nach gründlicher Information und Absprache mit ihr eingeleitet werden. Die Entscheidungen der Betroffenen respektieren Sagen Sie, dass Sie bereit sind zuzuhören Sexu elle Übergriffe missachten die eigene Selbstbestimmung und die Fähigkeit, Kontrolle über sich und den eigenen Körper zu bewahren. Darum ist es unerlässlich, die Entscheidung der betroffenen Frau zu respektieren. Nur so kann sich wieder ein Gefühl von Kontrolle einstellen. Teilen Sie Ihre Bereitschaft zuzuhören mit, aber lassen Sie die Betroffene selbst bestimmen, wann sie etwas erzählt. Bedrängen Sie sie nicht, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Oft ist es nicht leicht, das Geschehene in Worte zu fassen. Unvoreingenommen zuhören Suchen Sie sich selbst Hilfe Betroffene von sexueller Gewalt werden zusätzlich belastet, wenn man ihnen nicht glaubt oder ihnen (Mit-)Schuld zuweist. Deshalb ist es sehr wichtig, unvoreingenommen zuzuhören, auch wenn Ihnen die Vergewaltiger persönlich nahe stehen. Suchen Sie sich selbst Unterstützung, wenn Sie Gefühle von Wut, Hilflosigkeit oder Trauer spüren. Sie können Betroffene besser unterstützen, wenn Sie Ihre eigenen Grenzen achten. Am Anfang hilft Ihnen vielleicht diese Seite weiter: www.verbuendete.de WEITERE INFOS Sie finden auf der Homepage der Bundesvernetzung der autonomen Frauennotrufe unter der Internetadresse www.frauennotrufe.de weitere Informationen rechtlichen Situation Frauenberatungsstellen zum und Thema sexuelle Gewalt, zu den Hilfestellungen zur der Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material Definition Vergewaltigung ist die extremste Form sexualisierter Gewalt, bei der Sexualität als Mittel zur Machtdemonstration, Demütigung und Unterwerfung von Frauen und Mädchen eingesetzt wird. Vergewaltigung ist jegliches Eindringen in den Körper einer Frau gegen ihren Willen, unabhängig davon, ob die Penetration vaginal, anal oder oral, mit dem Penis, dem Finger oder mit einem Gegenstand erfolgt. 12-13.000 Fälle pro Jahr Jährlich werden bundesweit ca. 12. – 13.000 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung angezeigt. Die Dunkelziffer wird auf das 10- bis 20-fache geschätzt. Mythen und Tatsachen Mythos Nur junge, attraktive Frauen oder solche, die sich aufreizend kleiden oder verhalten, werden vergewaltigt. Tatsache Es gibt kein Verhalten von Mädchen und Frauen, das eine Vergewaltigung rechtfertigen könnte. Es gibt auch kein Verhalten, das eine Vergewaltigung ausschließen kann. Mythos Frauen und Mädchen wollen vergewaltigt werden – sonst würden sie sich mit allen Mitteln wehren. Tatsache Eine Vergewaltigung erfolgt immer gegen den Willen einer Frau. Sie wird nicht als lustvoll sondern als lebensgefährliche Bedrohung mit akuter Todesangst erlebt. In vielen Fällen führt dies zu einem Schockzustand, in dem eine körperliche Gegenwehr unmöglich ist. Darüber hinaus werden Formen der Gegenwehr häufig nicht als solche anerkannt – z.B. weinen, betteln. Mythos Vergewaltigung ist eine aggressive Form des Geschlechtsverkehrs, die manche M 1 – Seite 4 von 5 Frauen sogar als "luststeigernd" oder als besonders "männlich" empfinden. Tatsache Frauen und Mädchen erleben eine Vergewaltigung als massiven Angriff auf ihre psychische und physische Integrität (d.h. auf ihre gesamte Persönlichkeit), als existenzielle Bedrohung und niemals als sexuellen Akt! Mythos Viele Anzeigen wegen Vergewaltigung basieren auf Lügen. Frauen zeigen Männer an, um diese zu schädigen oder sich an ihnen zu rächen. Tatsache Falschbeschuldigungen sind laut Polizei extrem selten. Viel häufiger verzichten Frauen aus Angst und Scham auf eine Anzeige. Je näher sie mit dem Täter bekannt oder verwandt sind, desto seltener zeigen Frauen eine Vergewaltigung an. Mythos Vergewaltigungen finden meist nachts in einsamen Parks oder dunklen Straßen überfallartig durch Fremdtäter statt. Tatsache Zwei Drittel aller Vergewaltigungen finden im sozialen Umfeld der betroffenen Mädchen und Frauen statt. D.h. Mädchen und Frauen sind dort am stärksten bedroht, wo sie sich am sichersten fühlen – nämlich in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder in der eigenen Wohnung. Die überwiegende Anzahl der Täter ist den Opfern (zuvor zumindest) flüchtig bekannt. Es sind Freunde, Bekannte, Väter, Brüder, Ehemänner, Partner, Kollegen. Vergewaltigungen finden zu jeder Tag- und Nachtzeit statt und sind geplant. Mythos Vergewaltiger sind anormal, psychisch krank oder sexuell gestört. Vergewaltigungen sind sexuell motivierte Triebtaten. Tatsache Vergewaltigungen sind nicht sexuell motiviert sondern in erster Linie aggressiv motivierte Gewalttaten. Sexualität wird als Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material Mittel eingesetzt, um Frauen und Mädchen zu erniedrigen und Macht auszuüben. Mythos Frauen tragen zumindest in manchen Fällen eine Mitschuld. Tatsache Jeder Mensch hat ein Recht darauf, nein zu sagen. Egal, in welcher Situation oder zu welchem Zeitpunkt. Auch wenn eine Frau zuvor den Täter geküsst hat oder eine sexuelle Beziehung zu ihm hat oder hatte, hat sie jederzeit das Recht, Nein zu sagen. Bei Vergewaltigungen wird dieses Recht von Mädchen und Frauen übergangen. Damit liegt die Verantwortung immer ganz allein beim Täter. Folgen der Vergewaltigung. Die Folgen und psychischen Symptome sind vielfältig, z.B. M 1 – Seite 5 von 5 Recht § 177 StGB: Vergewaltigung/ sexuelle Nötigung Wer eine andere Person mit Gewalt, mit Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder • Angstzustände – z.B. Panikstörungen, • Ängste, das Haus zu verlassen, Angst alleine zu sein, Angst unter Menschen zu sein • Schlafstörungen, Alpträume • Zwänge – z.B. sich ständig und wiederholt waschen zu müssen die Tat von mehrere gemeinschaftlich begangen wird. • Depressionen • Suizidalität • Ess-Störungen • sexuelle Probleme • Alkohol-, DrogenTablettenmissbrauch Abhängigkeit • Flashbacks (plötzliche, sich ungewollt aufdrängende Erinnerungen, bei die Tat wie real noch einmal durchlebt wird) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. und oder Darüber hinaus führen mittel- und langfristig psychische Probleme zu körperlichen Erkrankungen und zu sozialen Problemen, die häufig durch das soziale Umfeld verstärkt werden. Beispiele sind Trennung, Scheidung vom Partner, Sekundärschädigungen von Kindern, Rückzug aus dem Freundes- und Bekanntenkreis und Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit von Sozialhilfe. Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, oder das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt
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