Was soll ich nach einer Vergewaltigung tun? - Hi!

Sexualkunde – Vergewaltigung – Was tun? – Material
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MIssbrauch:
Was soll ich nach einer Vergewaltigung tun?
Dieses Material
-
beschreibt die empfohlene Vorgehensweise nach einer Vergewaltigung
-
gibt Hinweise auf Beratungsstellen und zum Gerichtsverfahren
-
Verhaltenstipps für Freundinnen und Freunde der Betroffenen
1.
Notieren Sie sich als Flussdiagramm welche Schritte Sie der Reihe nach tun sollten, falls Sie
oder Ihre Freundin vergewaltigt werden. Was niemandem zu wünschen ist!
WAS TUN NACH EINER VERGEWALTIGUNG ?
1. Person des Vertrauens
Suchen Sie Unterstützung bei einer Person
Ihres Vertrauens oder bei einem FrauenNotruf. Zum Beispiel:
2. VIOLA: 0 8 00 –111–0–111
Bundesweit und rund um die Uhr und
kostenlos.
3. Alles für die Spurensicherung
aufbewahren
Unterwäsche, während der Tat getragene
Kleidungsstücke
und
alle
anderen
Beweismittel
aufheben
(Tampons,
Slipeinlagen, Taschentuch etc.). All das
sind wichtige Spurenträger.
Beweissicherung beim Frauenarzt
Obwohl eine medizinisch-gynäkologische
Untersuchung nach einer Vergewaltigung
für betroffene Frauen und Mädchen eine
psychische Belastung darstellt, ist sie sehr
sinnvoll. Sie dient der Feststellung und
Behandlung
möglicher
Verletzungen,
sowie der Beweissicherung. Sie können
sich an die Ambulanz eines Krankenhauses
wenden oder zu einer Ärztin ihres
Vertrauens gehen.
Nicht Duschen oder Waschen!
Duschen
oder
Waschen
vernichtet
wichtige Beweismittel, deshalb nicht
vorher abduschen.
Auch nach einer Untersuchung kann sich
eine Frau für oder gegen eine Anzeige
entscheiden. Gerade, wenn eine Frau sich
zu einem späteren Zeitpunkt für eine
Anzeige entscheiden will, kann die
medizinische
Untersuchung
als
Beweismittel sehr hilfreich sein. Soll die
Untersuchung auch zur Beweissicherung
dienen, sollten der ÄrztIn gegenüber
detaillierte Angaben zum Tatverlauf
gemacht werden, um alle Spuren sichern
zu können.
Es sollten alle, auch scheinbar geringe
Verletzungen festgehalten werden.
Pille oder Spirale danach
Die
spätest
mögliche
Einnahme möglichkeit der "Pille danach" beträgt 48
Std..! Die "Spirale danach" kann bis zu 5
Tagen nach der Vergewaltigung eingesetzt
werden.
Anzeige - ja oder nein?
Die Entscheidung für oder gegen eine
Anzeige ist für viele Vergewaltigungsopfer
schwierig. Auf der einen Seite steht der
Wunsch nach Gerechtigkeit, Bestrafung
des Täters und Verhinderung weiterer
Taten, auf der anderen Seite stehen jedoch
die psychischen Belastungen, die mit
einem Strafverfahren verbunden sind. Es
kann sehr hilfreich sein, sich bei einem
Notruf beraten zu lassen, um zu einer
Entscheidung zu kommen, die für Sie
stimmig ist. Es ist auch möglich, vor
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Anzeigeerstattung
eine
anwaltliche
Erstberatung in Anspruch zu nehmen.
Der Schritt zu einer Anzeige sollte gut
überlegt werden. Vergewaltigung ist ein
Offizialdelikt. Eine Anzeige kann deshalb
nicht mehr zurückgezogen werden. Die
Ermittlungsbehörden müssen tätig werden,
sobald sie von einer Vergewaltigung in
Kenntnis gesetzt werden.
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unterschreiben Sie es nur, wenn es 100%
richtig ist.
Im weiteren Verfahren
Anwaltliche Vertretung in einem Prozess
gegen den Täter ist empfehlenswert.
Wegen der Kosten müssen Sie sich keine
Sorgen machen. Sie erhalten auf Antrag
einen anwaltlichen Beistand vom Gericht
beigeordnet (auch schon im Vorverfahren).
Verjährung erst nach 20 Jahren
Eine Anzeige muss nicht unmittelbar nach
der
Vergewaltigung
erfolgen.
Vergewaltigung verjährt erst nach 20
Jahren. Je eher die Vergewaltigung jedoch
angezeigt wird, um so besser kann jedoch
die Beweisführung erfolgen.
Die Anzeige
Bei der Schutzpolizei (BeamtInnen in
Streifenwagen), die nach einem Anruf
kommt, müssen sie nur kurze und präzise
(sichere) Angaben machen. Ausführlichere
Angaben können bei der Kriminalpolizei,
dem Sonderdezernat gegen sexuelle
Gewaltdelikte gemacht werden.
Sie haben das Recht eine
Beamtin zu verlangen
Sie haben dort das Recht, eine Beamtin zur
Vernehmung zu verlangen. Falls Sie sich
als Opfer selbst einer Straftat bezichtigen
müssten, wenn Sie ehrlich antworten ( z.B.
weil Sie betrunken Auto gefahren sind
etc.)
ist
es
besser,
vor
einer
Anzeigeerstattung anwaltlichen Rat zu
suchen.
Von der Vertrauensperson
begleiten lassen
Lassen
Sie
sich
von
einer
Vertrauensperson zu Polizei und/oder
Ärztin begleiten (Freundin, Mitarbeiterin
des Notrufs).
Lesen Sie das Vernehmungsprotokoll bei
der Polizei in Ruhe durch und
Der Staat zahlt Ihren Anwalt
Die Kosten des Beistands oder einer
Nebenklage trägt die Staatskasse.
Opferentschädigung
Stellen
Sie
einen
Antrag
auf
Opferentschädigung beim Versorgungsamt. Opfer von Vergewaltigung und
sexueller Nötigung können verschiedene
Versorgungsleistungen erhalten, wenn sie
durch die Gewalttat psychisch und / oder
physisch sowie wirtschaftlich geschädigt
wurden. Grundlage für die Leistungen des
OEG ist die aktive Mithilfe des Opfers an
der Aufklärung. Es empfiehlt sich, bei
Anträgen
auf
Opferentschädigung
anwaltliche Hilfe oder die Unterstützung
eines Frauennotrufs in Anspruch zu
nehmen.
Psychologische Unterstützung
Psychologische
Unterstützung
zur
Verarbeitung der Gewalterfahrung können
Sie bei einem Frauennotruf in Ihrer Nähe
bekommen.
Reutlingen:
Wirbelwind
07121/ 48 03 72. Bei einem Frauennotruf in
ihrer Nähe können Sie auch eine
Begleitung zum Gerichtsprozess erhalten
(hierfür ist es wichtig, sich frühzeitig zu
melden, damit es zeitlich klappen kann).
Weißer Ring
Sie können sich auch an weitere
Opferorganisationen wie z.B. den Weißen
Ring wenden.
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WENN SIE EINE FREUNDIN ODER ANGEHÖRIGE , DIE VERGEWALTIGT WURDE,
UNTERSTÜTZEN MÖCHTEN :
Die Reaktion der Umwelt und von
Vertrauenspersonen haben einen wichtigen
Einfluss darauf, wie eine Frau den
sexuellen Übergriff bewältigen kann.
Deshalb sind hier einige Punkte
aufgeführt, um den Umgang mit der
Situation zu erleichtern. Über das Erlebnis
zu sprechen und damit die Isolation
aufzuheben ist sehr wichtig für Betroffene.
Nicht eigenmächtig handeln
Keine
Person
sollte
ohne
das
Einverständnis der Frau / des Mädchens
Schritte
unternehmen.
Insbesondere
rechtliche Schritte sollten erst nach
gründlicher Information und Absprache
mit ihr eingeleitet werden.
Die Entscheidungen der
Betroffenen respektieren
Sagen Sie, dass Sie bereit sind
zuzuhören
Sexu elle Übergriffe missachten die eigene
Selbstbestimmung und die Fähigkeit,
Kontrolle über sich und den eigenen
Körper zu bewahren. Darum ist es
unerlässlich,
die
Entscheidung
der
betroffenen Frau zu respektieren. Nur so
kann sich wieder ein Gefühl von Kontrolle
einstellen.
Teilen Sie Ihre Bereitschaft zuzuhören mit,
aber lassen Sie die Betroffene selbst
bestimmen, wann sie etwas erzählt.
Bedrängen Sie sie nicht, über ihre
Erlebnisse zu sprechen. Oft ist es nicht
leicht, das Geschehene in Worte zu fassen.
Unvoreingenommen zuhören
Suchen Sie sich selbst Hilfe
Betroffene von sexueller Gewalt werden
zusätzlich belastet, wenn man ihnen nicht
glaubt oder ihnen (Mit-)Schuld zuweist.
Deshalb
ist
es
sehr
wichtig,
unvoreingenommen zuzuhören, auch wenn
Ihnen die Vergewaltiger persönlich nahe
stehen.
Suchen Sie sich selbst Unterstützung,
wenn Sie Gefühle von Wut, Hilflosigkeit
oder Trauer spüren. Sie können Betroffene
besser unterstützen, wenn Sie Ihre eigenen
Grenzen achten. Am Anfang hilft Ihnen
vielleicht diese Seite weiter:
www.verbuendete.de
WEITERE INFOS
Sie finden auf der Homepage der Bundesvernetzung der
autonomen Frauennotrufe unter der Internetadresse
www.frauennotrufe.de
weitere Informationen
rechtlichen Situation
Frauenberatungsstellen
zum
und
Thema sexuelle Gewalt,
zu den Hilfestellungen
zur
der
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Definition
Vergewaltigung ist die extremste Form
sexualisierter Gewalt, bei der Sexualität als
Mittel
zur
Machtdemonstration,
Demütigung und Unterwerfung von
Frauen und Mädchen eingesetzt wird.
Vergewaltigung ist jegliches Eindringen in
den Körper einer Frau gegen ihren Willen,
unabhängig davon, ob die Penetration
vaginal, anal oder oral, mit dem Penis,
dem Finger oder mit einem Gegenstand
erfolgt.
12-13.000 Fälle pro Jahr
Jährlich werden bundesweit ca. 12. –
13.000 Fälle von Vergewaltigung und
sexueller
Nötigung
angezeigt.
Die
Dunkelziffer wird auf das 10- bis 20-fache
geschätzt.
Mythen und Tatsachen
Mythos
Nur junge, attraktive Frauen oder solche,
die sich aufreizend kleiden oder verhalten,
werden vergewaltigt.
Tatsache
Es gibt kein Verhalten von Mädchen und
Frauen,
das
eine
Vergewaltigung
rechtfertigen könnte. Es gibt auch kein
Verhalten, das eine Vergewaltigung
ausschließen kann.
Mythos
Frauen und Mädchen wollen vergewaltigt
werden – sonst würden sie sich mit allen
Mitteln wehren.
Tatsache
Eine Vergewaltigung erfolgt immer gegen
den Willen einer Frau. Sie wird nicht als
lustvoll sondern als lebensgefährliche
Bedrohung mit akuter Todesangst erlebt.
In vielen Fällen führt dies zu einem
Schockzustand, in dem eine körperliche
Gegenwehr unmöglich ist. Darüber hinaus
werden Formen der Gegenwehr häufig
nicht als solche anerkannt – z.B. weinen,
betteln.
Mythos
Vergewaltigung ist eine aggressive Form
des Geschlechtsverkehrs, die manche
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Frauen sogar als "luststeigernd" oder als
besonders "männlich" empfinden.
Tatsache
Frauen und Mädchen erleben eine
Vergewaltigung als massiven Angriff auf
ihre psychische und physische Integrität
(d.h. auf ihre gesamte Persönlichkeit), als
existenzielle Bedrohung und niemals als
sexuellen Akt!
Mythos
Viele Anzeigen wegen Vergewaltigung
basieren auf Lügen. Frauen zeigen Männer
an, um diese zu schädigen oder sich an
ihnen zu rächen.
Tatsache
Falschbeschuldigungen sind laut Polizei
extrem selten. Viel häufiger verzichten
Frauen aus Angst und Scham auf eine
Anzeige. Je näher sie mit dem Täter
bekannt oder verwandt sind, desto seltener
zeigen Frauen eine Vergewaltigung an.
Mythos
Vergewaltigungen finden meist nachts in
einsamen Parks oder dunklen Straßen
überfallartig durch Fremdtäter statt.
Tatsache
Zwei Drittel aller Vergewaltigungen
finden im sozialen Umfeld der betroffenen
Mädchen und Frauen statt. D.h. Mädchen
und Frauen sind dort am stärksten bedroht,
wo sie sich am sichersten fühlen – nämlich
in der Familie, im Freundeskreis, am
Arbeitsplatz oder in der eigenen Wohnung.
Die überwiegende Anzahl der Täter ist den
Opfern (zuvor zumindest) flüchtig
bekannt. Es sind Freunde, Bekannte,
Väter, Brüder, Ehemänner, Partner,
Kollegen. Vergewaltigungen finden zu
jeder Tag- und Nachtzeit statt und sind
geplant.
Mythos
Vergewaltiger sind anormal, psychisch
krank
oder
sexuell
gestört.
Vergewaltigungen sind sexuell motivierte
Triebtaten.
Tatsache
Vergewaltigungen sind nicht sexuell
motiviert sondern in erster Linie aggressiv
motivierte Gewalttaten. Sexualität wird als
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Mittel eingesetzt, um Frauen und Mädchen
zu erniedrigen und Macht auszuüben.
Mythos
Frauen tragen zumindest in manchen
Fällen eine Mitschuld.
Tatsache
Jeder Mensch hat ein Recht darauf, nein zu
sagen. Egal, in welcher Situation oder zu
welchem Zeitpunkt. Auch wenn eine Frau
zuvor den Täter geküsst hat oder eine
sexuelle Beziehung zu ihm hat oder hatte,
hat sie jederzeit das Recht, Nein zu sagen.
Bei Vergewaltigungen wird dieses Recht
von Mädchen und Frauen übergangen.
Damit liegt die Verantwortung immer ganz
allein beim Täter.
Folgen der Vergewaltigung.
Die Folgen und psychischen Symptome
sind vielfältig, z.B.
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Recht
§ 177 StGB: Vergewaltigung/ sexuelle
Nötigung
Wer eine andere Person mit Gewalt, mit
Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für
Leib oder Leben oder unter Ausnutzung
einer Lage, in der das Opfer der
Einwirkung
des
Täters
schutzlos
ausgeliefert
ist,
nötigt,
sexuelle
Handlungen des Täters oder eines Dritten
an sich zu dulden oder an dem Täter oder
einem Dritten vorzunehmen, wird mit
Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr
bestraft.
In besonders schweren Fällen ist die Strafe
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein
besonders schwerer Fall liegt in der Regel
vor, wenn
der Täter mit dem Opfer Beischlaf
vollzieht
oder
ähnliche
sexuelle
Handlungen an dem Opfer vornimmt oder
an sich vornehmen lässt, die dieses
besonders erniedrigen, insbesondere, wenn
sie mit einem Eindringen in den Körper
verbunden sind (Vergewaltigung), oder
•
Angstzustände – z.B. Panikstörungen,
•
Ängste, das Haus zu verlassen, Angst
alleine zu sein, Angst unter Menschen
zu sein
•
Schlafstörungen, Alpträume
•
Zwänge – z.B. sich ständig und
wiederholt waschen zu müssen
die Tat von mehrere gemeinschaftlich
begangen wird.
•
Depressionen
•
Suizidalität
•
Ess-Störungen
•
sexuelle Probleme
•
Alkohol-,
DrogenTablettenmissbrauch
Abhängigkeit
•
Flashbacks (plötzliche, sich ungewollt
aufdrängende Erinnerungen, bei die
Tat wie real noch einmal durchlebt
wird)
Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr
ist zu erkennen, wenn der Täter eine Waffe
oder ein anderes gefährliches Werkzeug
bei sich führt, sonst ein Werkzeug oder
Mittel bei sich führt, um den Widerstand
einer anderen Person durch Gewalt oder
Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu
überwinden, oder das Opfer durch die Tat
in
die
Gefahr
einer
schweren
Gesundheitsschädigung bringt.
und
oder
Darüber hinaus führen mittel- und
langfristig psychische Probleme zu
körperlichen Erkrankungen und zu
sozialen Problemen, die häufig durch das
soziale Umfeld verstärkt werden. Beispiele
sind Trennung, Scheidung vom Partner,
Sekundärschädigungen
von
Kindern,
Rückzug aus dem Freundes- und
Bekanntenkreis und Arbeitsunfähigkeit,
Arbeitslosigkeit,
Abhängigkeit
von
Sozialhilfe.
Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren
ist zu erkennen, wenn der Täter bei der Tat
eine Waffe oder ein anderes gefährliches
Werkzeug verwendet, oder das Opfer bei
der Tat körperlich schwer misshandelt
oder durch die Tat in die Gefahr des Todes
bringt