SEITE 11 Jenseits der LIEBIGSTRASSE „Mittlerweile tut sich was“ L Mit der Eröffnung des City-Tunnels fährt die S1 wieder nach Grünau. Während in der Innenstadt alles schmuck ist, sieht es an einigen Haltepunkten im Südwesten der Stadt aber noch immer nach Baustelle aus: Absperrbänder, Baumaterial, unbepflanzte Flächen. Die Bahnsteige seien dennoch fertig und die Nutzung nicht eingeschränkt, teilte die Deutsche Bahn auf Anfrage mit. Betroffen sind die Stationen an der Karlsruher Straße, Grünauer Allee und AlleeCenter. Zum Fahrplanwechsel im Dezember seien alle Stationen fertiggestellt worden, so die Bahn. Die Lagerflächen Foto: Dirk Knofe Stationen an der S1 nach Leipzig-Grünau teils noch Baustelle - neue Rampe entsteht am Allee-Center Halbfertige Baustellen: Haltepunkte der S1 in Leipzig-Grünau. würden nun kurzfristig von Baumaterial geräumt. Da noch Restarbeiten anstehen, gebe es teilweise noch Baucontainer an den Stationen. Am Allee-Center haben die Fahrgäste mit den Füßen neue Tatsachen geschaffen: Weil die Strecke zwischen dem eigentlich vorgesehenen Weg und Wetterhäuschen über eine freie Fläche abgekürzt werde, will die Bahn dieses Areal nun befestigen. Außerdem sei am Allee- Center auch eine zusätzliche, von der Stadt gewünschte Rampe im Bau. „Das ist tatsächlich nötig, denn die alte war für die Nutzung von Fußgängern und Radfahrern viel zu eng“, sagte Ilse Lauter. Die Linken-Stadträtin hatte im Februar per Anfrage bei der Stadt bemängelt, dass die Stationen in Grünau nicht fertig seien. „Mittlerweile tut sich was, das ist in Arbeit“, zeigte sie sich jetzt zufrieden. Zu den Restarbeiten gehört laut Bahn auch die Umpflasterung der Infovitrinen auf dem Bahnsteig in der Karlsruher Straße. Im Frühjahr wird gepflanzt: An den alten Wegen zu den Stationen sollen schnell wachsende Sträucher gesetzt werden. Evelyn ter Vehn Das ganze Leben zwischen Weisheit, Melancholie und Ulk Wiederaufnahme zum Richard-Strauss-Jahr: Alfred Kirchners „Rosenkavalier“ in der Oper Leipzig Mit kleinen Gesten und großer Haltung kleidet Uhl ein gelebtes Leben, das Wissen um die Vergänglichkeit aller Schönheit und allen Glücks, die Würde der Entsagung in eine Bühnendarstellung von tief empfundener Menschlichkeit. Schon für dieses Charakter-Porträt lohnt sich der Besuch dieser mittlerweile knapp 16 Jahre alten Kirchner-Inszenierung, die die Oper Leipzig nun zum Strauss-Jahr wieder hervorgeholt hat. Zumal Uhl auch wunderbar singt. Weich, warm, mit einer Stimme von erlesener Schönheit spürt sie den melodischen Herrlichkeiten und der emotionalen Kraft nach, die Strauss in die Noten grub, und rührt damit ein ums andere Mal zu Tränen. Für die ist auch Jürgen Linn als Baron Ochs auf Lerchenau gut. Doch sind es Lachtränen. Als vom Dünkel geblähtes selbstgefälliges Schürzenjäger-Landei auf Freiersfüßen hat Linn in dieser Partie die Leipziger bereits mehrfach von seinem komischen Talent überzeugt, von seiner Spielwut, der markanten Beweglichkeit seines Bass-Baritons. Wieder bildet er mit derbem Witz, der hart an der Grenze zum Klamauk navigiert, sie aber im letzten Moment doch respektiert, das andere Ende des Spektrums dieser Oper ab, in der die ganze Welt, das ganze Leben Platz findet. Dazwischen finden Oktavian und Sophie Foto: xTom Schulze L Es ist vielleicht die schönste SopranPartie des Repertoires: die Marschallin in Richard Strauss ’ „Rosenkavalier“. Die in bester Gesellschaft Erblühte, die sich mit dem Jungspund Oktavian in echter Liebesglut ein wenig Abwechslung verschafft – und doch nur in Ausnahmefällen das Wissen ums Ablaufen der eigenen Uhr verdrängen kann. Manuela Uhl, die Mitte Februar in der voll besetzten Oper Leipzig ihr hiesiges Rollendebüt gab, füllt diese weiseste der Bühnen-Figuren Hugo von Hofmannsthals mit melancholischer Grandezza. Jürgen Linn (Ochs), Jean Broekhuizen (Oktavian) und Manuela Uhl (Marschallin, v.l.). einander, der schwärmerisch entflammte Graf und der frisch erglühte Backfisch. Aber hier, beim jugendlichen Paar im Zentrum, bleiben Fragen. Jean Broekhuizen etwa stattet Oktavian mit verliebtem Feuer und Mezzo-Schönheit aus. Das ist für ein Rollendebüt in dieser enorm anspruchsvollen Riesenpartie ein eindrucksvolles Ergebnis. Szenisch indes bleibt sie der Hosenrolle die Glaubwürdigkeit schuldig. Die betont männlichen Posen des ersten Bildes geraten in ihrer ungelenken Eckigkeit unfreiwillig komisch. Und wenn sie als Frau einen jungen Mann spielt, der sich als Mädchen verkleidet, fehlt die Vielschichtigkeit. Bei Eun Yee You verhält es sich andersherum: Bezaubernd spielt sie die Naive auf dem Weg ins Leben und in die Liebe. Ihr schöner Sopran aber ist der Partie bereits entwachsen. Und doch: Wenn sie am Ende, nach rund viereinhalb Stunden, mit Broekhuizen konstatiert „Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“, wünschte man, diese Oper würde niemals enden. Beim Rest der vielköpfigen Personage gibt es keine nennenswerten Einwände: Vom sensationellen Sänger Gaston Riveros über den überdreht neureichen Faninal, den Jürgen Kurth rollendeckend mit Leben füllt, den Intriganten Valzacchi, den Martin Petzold über die Szene quecksilbern lässt, bis hinunter zum depperten Ochs-Bastard Leopold, den Andreas Reinboth herrlich überzeichnet. Eine „Komödie für Musik“ ist dieses Werk. Kirchner zeigte dies in seiner Inszenie- rung, die Gundula Nowack liebevoll wiederaufbereitete, indem am Schluss das Bühnenbild verschwindet und die Darsteller allein bleiben mit sich, ihren Gefühlen und Strauss ’ Wunder-Partitur. Um die kümmern sich im Graben Generalmusikdirektor-Intendant Ulf Schirmer und das Gewandhausorchester. Ihrem schillernden Detailreichtum, ihrer Virtuosität, ihrem Witz, dem emotionalen Sog bleiben sie nichts schuldig. Ihrem unvergleichlichen Schmelz, der fließenden Eleganz bisweilen schon. Was nichts daran ändert, dass dieser lange Abend ein sehr, sehr schöner ist. Das spiegelt sich auch im begeisterten Applaus, in den sich nur für Schirmer einsam ein gellendes Buh Peter Korfmacher mischt. | LIEBIGSTRASSE AKTUELL
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