Was vom Tage übrig bleibt

Was vom Tage übrig bleibt
Vom Einfluss neuer Kommunikationsformen
auf die traditionellen Medien
Jahreskongress der Schweizer Presse
Prof. Dr. Miriam Meckel
Die Kraft der Prognose
„Das Jahr 2000 wird das Ende der Zeitungs- und
Zeitschriftenverleger einläuten.“
(Bill Gates 1990)
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Agenda
1. Impressionen einer veränderten Medienlandschaft
2. Citizen Journalism
3. Was vom Tage übrig bleibt
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Impressionen einer veränderten Medienlandschaft
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3 Grundpositionen
• Apokalyptiker
• Agnostiker
• Analytiker
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Einige Tatsachen
•
Zeitungen beanspruchten 1995 36 % aller
weltweiten Werbeeinnahmen (iMedia); 2005: 30 %;
2015: 25 % (Prognose)
•
Abwanderung des Anzeigengeschäfts ins Internet
seit 2000
•
Nach Angaben einer Delphi-Expertenbefragung
werden die überregionalen Tageszeitungen bis zum
Jahr 2010 etwa die Hälfte ihres Umsatzes mit
Anzeigen verlieren
•
Der Online-Werbemarkt wächst überproportional,
der Gesamtwerbemarkt stagniert
•
Etwa 28 Millionen Gratiszeitungen pro Tag
international
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Mediennutzung
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Internet: gezielte strukturierte Informationssuche
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Citizen Journalism
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Die Ökonomie der Peer Production
Communities koordinieren die
Herstellung informations- und
kommunikationsbasierter Güter in
einem selbstorganisierenden und
emergenten Prozess.
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Gesetze der Peer Production
Partizipation
(Beteiligung aller an allen Kommunikationsprozessen –
unabhängig von Hierarchien und institutioneller Anbindung)
Transparenz
(Öffentlich beobachtbarer Tauschprozess
von Aufmerksamkeit gegen Beachtung)
Emergente Vernetzung
(„My productivity increases when you join the
network“)
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Das neue „Medienökosystem“
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Mehr Konkurrenz: OhmyNews
• Website aus Südkorea
• Kleines Team von Editors
• Etwa 40.000 freiwillige
Zulieferer überall in der Welt
• Etwa 600.000 Besucher täglich
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Mehr Transparenz und Kontrolle: Medienblogs
• Medienkritik im Internet
• Pressthink: Medienkritischer Blog
• NewAssigment.net: Ein „smart mob“ von
Spendern finanziert Journalisten, damit
sie das veröffentlichen können, was
traditionelle Medien nicht veröffentlichen
• Newssniffer: britische Website, die
redaktionelle Eingriffe und Korrekturen
transparent macht
• Bildblog: Fehlerkorrektur und
Kommentierung der täglichen Ausgabe
Bildzeitung
¾ „We can fact-check your ass!“
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Weniger Regeln: der neue Voyeurismus
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Was vom Tage übrig bleibt …
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Die Positionen
“Over the next few years it [the newspaper industry] must
decide whether to compromise on its notion of »fine
journalism« and take a more innovative, more businesslike
approach – or risk becoming a beautiful old museum piece.”
(The Economist v. 26-08-06)
“Als Funktion ist die Zeitung unersetzbar.
Durch Journalismus.”
(Mathias Döpfner,
VV Axel Springer Verlag
Welt v. 08.05.2006)
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Was wir aus der Geschichte lernen können
• Beispiel: Medienentwicklung im Later Stuart Britain
• Gesellschaften kreieren Strukturen, die die
Herausbildung von Autoritäten in der Herstellung und
Verbreitung von Information und Wissen hervorbringen
• Die „neuen Medien“ damals: Pamphlets and Periodicals
(Spectator, The Tatler, The Medley), die die restringierte
öffentliche Kommunikation durchkreuzten
• Diese Medien waren anpassungs- und
veränderungsfähig und konnten daher spontan zu
politischen Fragen Stellung nehmen („a sort of interactive
entertainment“)
• Ein sich selbst begrenzendes Phänomen: aus den
heftigen Auseinandersetzungen innerhalb dieser
Mediengattung entstand ein zivilisiertes,
institutionalisiertes Medienangebot
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Komplementarität statt Substitution
Es „ergibt sich gewissermaßen als Grundgesetz des
Nachrichtenwesens, daß die einfachsten Mittel, Formen und
Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und für
brauchbar befunden worden sind, auch von den
vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder
gänzlich und dauerhaft verdrängt und außer Kraft gesetzt
werden können, sondern sich neben diesen erhalten, nur daß
sie genötigt werden, andere Aufgaben und
Verwertungsgebiete aufzusuchen.“
(Wolfgang Riepl, 1913)
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Warum vom Tage etwas übrig bleibt …
• … weil Menschen nicht immer ihre
eigenen Programmdirektoren und
Searchengines sein wollen
(Orientierung);
• … weil Menschen sich auf
Medienmarken verlassen, die ihnen
als verlässlich bekannt sind
(Glaubwürdigkeit);
• … weil Menschen Hilfestellung
brauchen, um die Komplexität ihrer
Lebenswelt zu reduzieren
(Übersicht);
• … weil Menschen miteinander über
gemeinsame Themen reden wollen
(Sozialisierung);
• … weil Menschen suchen, was sie
wissen wollen, aber nicht wissen,
was sie suchen könnten
(Überraschung).
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Warum sich trotzdem etwas ändern muss …
• … weil durch Citizen Journalism eine
Konkurrenz erwächst, die die
Definitionshoheit der traditionellen
Medien herausfordert;
• … weil die taditionellen Medien bislang
oft zu viel auf ihre Tradition, aber zu
wenig auf ihre Veränderungskraft
vertrauen;
• … weil journalistische Kompetenz und
Glaubwürdigkeit ins Netz hinein und
nicht aus dem Netz heraus transferiert
werden muss;
• ... weil „the people formerly known as
audience“als „producer“ die
Qualitätsansprüche an den
Journalismus überprüfbar machen.
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Die alte und neue Perspektive
„Traditional means of news gathering and
dissemination are quickly falling behind the new
paradigm. […] We believe news is something that is
made not only by a George W. Bush or a Bill Gates
but, more importantly, by people who are all allowed to
think together. The news is a form of collective
thinking. It is the ideas and minds of the people that are
changing the world, when they are heard.“
(Oh My News)
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Diskussion unter: www.miriammeckel.com
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