Das letzte Jahr im Kindergarten - Was brauchen Kinder und Eltern?

Das letzte Jahr im Kindergarten Was brauchen Kinder und Eltern?
Prof. Dr. Rainer Dollase
Universität Bielefeld, Abt. Psychologie
Diakonie Jahrestagung, 8. und 9. Mai 2007
Stadthalle Braunschweig
• Vorbemerkung:
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•
Kinder heute sind wie Kinder gestern oder morgen.
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•
Es ändert sich weniger als die meisten glauben....
Kindergartenpädagogik muss nicht alle Jahre wieder
neu erfunden werden.
Was für das letzte Jahr im Kindergarten immer gültig
war, gilt auch heute noch
•
Was war immer Standard für das letzte
Kindergartenjahr?
•
Kooperation Kindergarten Schule (wechselseitige
Besuche, Austausch über die Arbeit - keine Weitergabe
von Meinungen über einzelne Kinder)
•
sog. „Vermittlungsgruppen“ - d.h. anspruchsvolle
Kindergartenarbeit für die älteren Kinder
•
weder eine Verschulung des Kindergartens noch eine
Verkindergartung der Schule
Kindergarten 1948/1949
Oberhausen Alstaden, St. Antonius
Reichsschulkonferenz 1920
• „.. vertrat für Gestaltung und Tätigkeit des
Kindergartens die Methode der ‚erweiterten
Kinderstube‘, lehnte die Methode einer
‚Überleitung des Kleinkindes zur Schule‘ ab.“
• (M. Kiene, in Lexikon der Pädagogik, 1953,
Sp. 1165)
Gliederung
1. Wie lernen Kinder?
2. Entwicklungspsychologische Unterschiede
bei Kindern zwischen 5 und 7
3. Konsequenzen für die praktische Arbeit im
letzten Kindergartenjahr
• 1. Wie lernen Kinder?
• „Das Gehirn lernt immer“ (Spitzer)
• Chaotisch, unsystematisch
• in sozialen Bezügen, mit Bezugspersonen
• mit Sinn
• Ziel: realistisches Bild der Welt und der
eigenen Fähigkeiten,um effektiv handeln zu
können und seine Bedürfnisse zu befriedigen
• ein evolutionäres Programm hat uns zur
Eroberung der natürlichen und kulturellen
Welt befähigt
• das fängt bei der Geburt an - ab 4 Jahre
können Vorerfahrungen für die spätere
Bildung erworben werden
Es gibt verschiedene Arten des Lernens
1. formelles schulisches Lernen, orientiert an
der Fachsystematik (=Verschulung)
2. informelles, implizites, inzidentelles,
situiertes Lernen, spontanes Lernen
(=ganzheitlich)
Falsche These:
Bildung = Schule= schulisches
Lernen im Kollektiv
2. Entwicklungspsychologische Unterschiede
bei Kindern zwischen 5 und 7
Alles Lebendige hat eine
Streuung
Unterschiede zwischen 5 und 7
(im Durchschnitt)
• Reflektionsfähigkeit
• komplexeres Verständnis der Welt
• Reflektionsfähigkeit
• = kann sich selbst zum Objekt des
Nachdenkens machen
darüber nachdenken, ob er recht hat
• =(„Iskann
this correct? Should I consider alternatives that might
make more sense“)
• = kann eigene Schuld anerkennen
• komplexeres Verständnis der Welt
• = symbolisches Denken
• = abstraktes Denken
• = kann planen
• = kann logische Schlüsse ziehen
• Ein Experiment dazu...
• ansonsten...
• in vielen Bereichen auch Ähnlichkeiten (z.B
Spielinteressen)...
• in vielen Bereichen sind 7 jährige oft weiter
als 5 jährige (z.B. sportliche Fähigkeiten)...
• Ähnlichkeiten zwischen 5 und 7:
• können sozial interagieren, können
aufpassen, können Emotionen haben...
• Verschiedenheiten zwischen 5 und 7:
• volle Integration der physischen, kognitiven,
emotionalen und sozialen Welt
3. Konsequenzen für die praktische Arbeit im
letzten Kindergartenjahr
Was wollen Eltern in Herford?
Wichtigkeit von Zielen in Schulnoten, N= 152
Betreuung zu ungewöhnlichen Zeiten
B
Stadtteilarbeit
B
Elterncafe etc.
B
Seniorenmitarbeit
B
Migranten
B
Elterntreff
B
Koope Beratungsstellen
B
Elternkurse
B
U3 Angebote
B
Erziehungsberatung
B
Sprachförderung
B
Vorbereitung auf Schule
B
1
1,5
B
Note
2
2,5
3
3,5
Schulvorbereitung ja - aber
mit der richtigen Methode
„Vorbereitung - nicht
Verschulung“
HEAD START
• Head start = Kopfstart, Frühstart
• verursacht durch Sputnikschock
• Millionenprogramm zur frühkindlichen
Bildungs- und Intelligenzförderung
• Beginn: Ende der 60er Jahre
HEAD START - Resumee
•
Gut: entwicklungspsychologisches Konzept statt
fachdidaktisches
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•
•
•
Gut: situationsorientiertes Lernen
Gut: Gruppen mit max. 20, zwei BetreuerInnen
Gut: Teamplanung und Fortbildung
Gut: partnerschaftliche Elternarbeit
Gut: für Kinder in slums (low income families)
• Vorverlagerung schulischen Arbeitens in den
Head Start Programmen nicht positiv besser: kindergartenähnliches,
ganzheitliches, situationsorientiertes
Arbeiten
• Also: keine Schulvorbereitung im
Kindergarten
Ganz Neu
• Patrick A. Puhani und Andrea M. Weber TU
Darmstadt 2005
• „Does the Early Bird Catch the Worm?“,
Bericht Nr. 151, Arbeitspapiere für
Volkswirtschaftslehre
Puhani & Weber 2005
• Untersuchung der früh-(ca. mit 6) und später
(ca. mit 7)eingeschulten Kinder
• anhand der IGLU Daten und anderer
Datensätze
• Späteingeschulte im 4. Schuljahr deutlich
besser
Originalzitat
• „We find robust and significant positive
effects on educational attainment for pupils
who enter school at seven instead of six
years of age: Test scores at the end of
primary school increase about 0.42 standard
deviations and years increase by almost half
a year.“
• Ganzheitliches „situiertes Lernen“ bei
Kindern von 5 bis 7 besser.... also auch im
letzten Kindergartenjahr
• ähnliche Ergebnisse im „Kindergarten-
Vorklassen“ Versuch NRW 1970 - 1977
Ähnliche Begriffe
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Child initiated (Initiativen gehen vom Kinde aus)
Kindorientierte Pädagogik
Developmentally appropriate Education (entwicklungsangemessenes
Lernen)
Didaktisierung der Situation
Situationsansatz
Integrierte Lerngelegenheiten
Kennzeichen guter Tagesstätten
Pierrehumbert et.al.(2002),International Journal of Behavioral Development, 385 - 396
Kennzeichen
Engl.Ausdruck
Beispiel
Erreichbarkeit
availability
Erzieherin auch erreichbar, wenn
sie beschäftigt ist
Anregung
stimulation
Das Kind ist meist beschäftigt
Festigkeit
firmness
Die Erzieherin ist konsequent
Warmherzigkeit
warmth
Die Erzieherin geht positiv und
warmherzig mit dem Kind um
Autonomie
autonomy
Die Erzieherin respektiert
Bedürfnisse des Kindes
Leistungsanregung
achievement
Es sind Lerngelegenheiten
vorhanden
Gute Organisation
organisation
Spielgelände ist sicher
• In einer guten Kindergartenarbeit können
bessere Schulvoraussetzungen geschaffen
werden als durch Verschulung
• These: ein guter Kindergarten ist die beste
Schulvorbereitung
• Wie sieht das „situierte Lernen“ aus?
• Das „Brumm-Brumm“ Beispiel...
• Im situierten Ansatz sind selbstverständlich
Anregungen durch die Erzieherin erlaubt....
• Die Erzieherin erschließt durch ihre Bildung
die Bildung der Kinder...
• Was im letzten Kindergartenjahr nicht sein
muss...
• Also: Wir müssen lernen, auch in ganz
banalen Alltagssituationen den Kindern den
Reichtum menschlichen Wissens und
menschlicher Kultur zu erschließen...
• Das gilt für Eltern wie für ErzieherInnen
• ...und ist die beste Schulvorbereitung für die
Fünfjährigen
Ende