Streit um geheime SPD-Anfragen geht weiter - Waidlerherz

Streit um geheime SPD-Anfragen geht weiter
Wurde bewusst Material gegen Nationalpark-Befürworter gesammelt? – MdL Werner-Muggendorfer geht in die Offensive
Von Alexander Kain
Regen/München. Sammelt die
SPD Material gegen NationalparkBefürworter? Oder wollte sie einfach mal Gerüchten nachgehen,
wonach zahlreiche Nationalparkbefürworter mit der Nationalparkverwaltung wirtschaftlich verbandelt und somit parteiisch sein sollen? Hohe Wellen jedenfalls hat
der PNP-Bericht vom Oktober
über die geheimen Anfragen der
SPD-Landtagsfraktion an das Umweltministerium als übergeordnete Behörde der Nationalparkverwaltung geschlagen. Betroffene
Vereine und abgefragte Personen
haben sich bei der bayerischen
SPD-Führung beschwert, fordern
eine Entschuldigung. Einer, der
damals abgefragt wurde, der Geschäftsführer der Kreisgruppe Regen des Bundes Naturschutz, Jens
Schlüter, fühlte sich fast an Spionage im Stasi-Stil erinnert – und
hat seine Meinung bis heute nicht
geändert.
Insgesamt drei geheime Anfragen waren gestellt worden: Eine
von der Landshuter SPD-Landtagsabgeordneten Ruth Müller, die
im Oktober bereits beantwortet
war, zwei weitere zeitversetzt von
der SPD-Landtagsabgeordneten
Johanna
Werner-Muggendorfer
aus Neustadt an der Donau, die
mittlerweile ebenfalls vom Ministerium beantwortet wurden.
So oder so pikant ist die Frage,
ob die Abgeordneten von sich aus
die Daten gesammelt haben – oder
aber von dritter Seite darum gebeten worden waren. Zumindest
Werner-Muggendorfer hatte im
Oktober eingeräumt, die Anfrage
an das Umweltministerium sei eine
„Auftragsarbeit für einen gewissen
Landrat“, den sie im weiteren Gespräch auch benannt hat: Regens
Landrat Michael Adam (SPD).
„Wenn du etwas hast, sagst Bescheid“, habe sie ihm gesagt – und
ihm so die Möglichkeit eröffnet,
über sie als Landtagsabgeordnete
Themen zur Anfrage zu machen.
Von diesen Aussagen distanziert
sich Werner-Muggendorfer mittlerweile allerdings: Sie wolle „Gerüchte dementieren, die besagen,
dass mir die Anfragen diktiert wurden“, teilte sie am Wochenende
mit. Es habe zwar vor ihrer Anfrage
tatsächlich Unterredungen mit
Landrat Adam gegeben, ebenso
habe sie aber auch mit anderen, etwa Bund Naturschutz und Mitarbeitern der Nationalparkverwaltung, gesprochen. „All dies ist in
die Fragen miteingeflossen“, so
Werner-Muggendorfer.
„Sollte
hier der Eindruck entstanden sein,
dass mir vom Bayerischen Wald
aus Landtagsanfragen diktiert wurden, dann kann ich dies nur von
mir weisen.“ Geheim habe sie die
zunächst nach einer logischen
Antwort. „Wenn ich dann aber bei
persönlichen Recherchen erfahre,
dass dieses Ehrenamt mit zehn Euro pro Stunde entlohnt wird, dann
frage ich mich, ob man dies wirklich als Ehrenamt bezeichnen
kann“, so Werner-Muggendorfer.
„In einer Region, wie dem Bayerischen Wald, in der viele Menschen
gerade einmal den Mindestlohn
bezahlt bekommen, der ab Januar
8,50 Euro pro Stunde beträgt, dann
klingt das für mich nach mehr als
ortsüblicher Bezahlung.“
Pikantere Details enthält die
Antwort des Umweltministeriums
allerdings nicht – und dass das Ministerium darauf verweist, dass
Vorgänge bereits vom Obersten
Rechnungshof (ORH) „geprüft
und als ordnungsgemäß befunden“ worden seien oder dass die
Vergaben vom ORH „intensiv geprüft“ worden seien und „es dazu
keine Beanstandungen“ gegeben
habe, findet sich in der Mitteilung
von Werner-Muggendorfer nicht.
Kreuzer: „Missbrauch
des Fragerechts“
Nationalpark Bayerischer Wald: Der Streit um die Naturzonen schwelt seit Jahren. Für Aufregung haben Landtags-Anfragen der SPD-Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (kl. Bild) gesorgt.
− F.: Hackl/dpa
Anfrage deshalb gestellt, weil ihr
„durchaus bewusst“ gewesen sei,
dass sie „unter anderem nach wirtschaftlichen und dienstlichen Beziehungen verschiedener öffentlicher und privater Personen mit
dem Nationalpark Bayerischer
Wald und dessen vorgesetztem Ministerium gefragt habe“.
SPD-Abgeordnete nicht
zufrieden mit Antworten
Nicht, dass auf mehr oder weniger vage Gerüchte hin in großer
Zahl verschiedene Privatpersonen, Verbände und Vereine abgefragt wurden, ist aus Werner-Muggendorfers Sicht problematisch,
sondern dass Medien davon Wind
bekommen haben. „Diese Tatsache halte ich für mehr als befremdlich.“ Schließlich, so Werner-Muggendorfer, habe sie „kein Interesse
daran, dass verschiedene Personen
in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, bevor überhaupt durch Beantwortung meiner Anfrage klar
ist, ob es (wirtschaftliche oder
dienstliche, Anm. d. Red) Beziehungen gab oder nicht“.
Also doch ein Schuss ins Blaue –
in der Hoffnung, dass irgendetwas
dabei herauskommt? Diese Sicht
vertritt nach wie vor der Geschäfts-
führer des Bundes Naturschutz in
Regen, Jens Schlüter, der in der Anfrage der Landtagsabgeordneten
Müller abgefragt worden war.
Schlüter ist ein Befürworter des
Nationalparkplans – und Kritiker
von Adams Position. „Ich kann
mir nicht vorstellen, inwieweit diese Informationen politisch verwertbar wären, außer eben Material zu sammeln für persönliche Angriffe nach dem Motto: Du engagierst dich für den Nationalpark,
weil du über finanzielle Zuschüsse
beziehungsweise geschäftliche Beziehungen gekauft bist“, hatte er
im Oktober der PNP gesagt.
Und auf Angriffsmodus schaltet
nun auch Werner-Muggendorfer,
nachdem ihre Anfrage beantwortet ist – denn die Antwort ließe sie
„teilweise aufhorchen“, teilte sie
mit. So sei sie „äußerst überrascht“, dass der Verein „Pro Nationalpark zur Förderung des
Zwieseler Winkels e.V.“ in den vergangenen sieben Jahren jeweils
rund 100 000 Euro an finanziellen
Zuwendungen vom Nationalpark
erhalten habe. „Die Erklärung der
Staatsregierung, dass der Verein
zum Beispiel im Jahr 2013 für die
Parkplatzbetreuung am Haus zur
Wildnis und Ansprechpartner für
Erstinformation am Parkplatz
65 688 Euro erhalten hat, sowie
36 076 Euro als Entgelt für den
Führungsservice, wirft bei mir
mehr Fragen auf, als beantwortet
werden“, so Werner-Muggendorfer. „Warum übernimmt der Nationalpark seine Parkraumbewirtschaftung nicht selbst? Warum ist
ausgerechnet ein der Nationalparkverwaltung
nahestehender
Verein für die Parkplatzbetreuung
zuständig? Wurde diese Leistung
vorab ordnungsgemäß ausgeschrieben? Unter welchen Voraussetzungen bekommt der Verein
diese monatliche Förderung von
5474 pro Monat?“ Auch angesichts von 7053 geführten Personen überrasche sie das Entgelt, das
über fünf Euro pro geführten Gast
ausmache. In einer weiteren Frage
hatte Werner-Muggendorfer nach
einem möglichen Beschäftigungsverhältnis eines Lokalpolitikers
und einer Verwandten eines Kabinettsmitglieds gefragt. „Wenn
dann die Antwort ist, dass keine
Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie
dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten und den genannten
Personen bestehen“ und ergänzt
werde, beide Personen seien als
ehrenamtliche Waldführer im Nationalpark tätig, dann klinge das
Ob es angesichts dieser Ergebnisse also tatsächlich notwendig
war, eine so große Zahl von Privatpersonen, Verbänden und Vereinen abzufragen, dazu will sich der
Chef der SPD-Fraktion im Landtag, Markus Rinderspacher, offiziell nicht äußern – nur soviel: Es
handle sich um eine lokale Auseinandersetzung.
Anders der Fraktionschef der
CSU-Landtagsfraktion, Thomas
Kreuzer: „Das Fragerecht von Abgeordneten ist ein wichtiges Instrument und kostbares Gut, weil
es zu einer der Aufgaben von
Volksvertretern gehört, die Exekutive zu überprüfen.“ Aber: „Hier
hat es den Anschein, dass nicht die
Arbeit
der
Staatsverwaltung
durchleuchtet werden sollte, sondern für die SPD missliebige Privatpersonen. Dass wäre aus meiner Sicht ein grober Missbrauch
des Fragerechts. Die beiden SPDAbgeordneten täten gut daran, von
sich aus die Sache aufzuklären und
ihr Interesse zu erläutern.“
Klare Worte auch aus dem Büro
des Präsidenten des Bundes Naturschutz (BUND), Prof. Hubert Weiger: „Der BN-Landesvorstand hat
gegenüber der SPD-Fraktion deutlich gemacht, dass das skandalöse
und indiskutable Ausspähen von
ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern des BUND Naturschutz in der Fraktion diskutiert werden muss und daraus für
die Zukunft Konsequenzen gezogen werden müssen.“