den seit Wochen gegen Islam und Asylbe- Religion ist Deutschland. Meine heilige werber hetzen, nichts Böses sagen. „Hier Schrift das Grundgesetz. Und mein Proherrscht Freiheit, die Leute können auf die phet wird alle vier Jahre neu gewählt.“ Straße gehen.“ Der Gastronom zog bereits in den Sieb- Mely Kiyak, 38, Publizistin aus Berlin zigerjahren nach Deutschland. Er lebte Einen prall gefüllten Ordner hat sie mitgelange in Bochum, seit 15 Jahren wohnt er bracht zum Gespräch in einem Berliner in Dresden. Anjum sagt, er habe eine Zeit Café: handgeschriebene Briefe auf feinem gebraucht, um in Sachsen heimisch zu wer- Papier, selbst gebastelte Collagen und den, Ostdeutsche seien Fremden gegen- Zeichnungen. Aber es ist keine Fanpost. über verschlossener als die Menschen im Es ist in Buchstaben gegossener Hass. Die Angriffe auf die Autorin Mely Kiyak Westen. Aber er ist überzeugt, dass sich selbst mit den Pegida-Anhängern eine ge- zielen nicht auf ihre Haltung oder ihre Meimeinsame Basis finden lasse. Die Politiker, nung. Sie beschäftigen sich fast ausschließfordert er, müssten das Gespräch mit lich mit ihrer Herkunft, ihrem Namen oder Pegida suchen. Andernfalls entstehe aus ihrem Geschlecht. Man hält sie, die Tocheiner Bewegung der Unzufriedenen Ter- ter von Kurden, selbstverständlich für eine rorismus wie in seiner früheren Heimat Muslimin, obwohl Religion für Kiyak kaum eine Rolle spielt. Pakistan. Rechtsextreme schreiben ihr, Kiyak erAnjum hat Angst, dass die Stimmung in Deutschland kippen könnte, insbesondere hält aber auch Post aus feinen Gegenden, nach den Anschlägen von Paris. Er lehnt von Akademikern, Unternehmern. Anderen Journalisten mit Migrationsdie Mohammed-Karikaturen strikt ab, so wie jede Abbildung des Propheten. Aber hintergrund, die im SPIEGEL schreiben, in die Terroristen hätten „dem Propheten Mo- der „Zeit“ oder der „taz“, geht es ähnlich. hammed geschadet“. Anjum war deshalb Mal werden sie als Dschihadisten beumso gerührter, als ihn die Dresdner Ober- schimpft, mal als ungezogene Gastarbeibürgermeisterin Helma Orosz am Samstag terkinder, die vergessen haben, dass sie vor einer Woche auf der Anti-Pegida- lieber dankbar und leise sein sollten. Kundgebung vor 35 000 Menschen als VorKiyak und ihre Kollegen haben einen eibild pries, ohne seinen Namen zu nennen. genen Weg gefunden, damit umzugehen: Orosz sprach über ein „kleines, un- „Sie schreiben. Wir lesen“ lautet das Motscheinbares indisches Restaurant“ in der Johannstadt. Den Betreiber solle man mal * Mit „Zeit“-Redakteur Yassin Musharbash und SPIEGELfragen, ob er Hindu, Muslim oder Christ ONLINE-Korrespondent Hasnain Kazim im Kulturzensei. Er werde Folgendes antworten: „Meine trum Rote Flora in Hamburg 2014. 38 DER SPIEGEL 4 / 2015 to ihrer „Hate Poetry“-Veranstaltungen. In einer Mischung aus Lesung, Kabarett und Agitation tragen die Autoren aus ihrer Post vor. Es ist eine ironische Abrechnung mit dem Hass, dem sie begegnen. Oder wie es Yassin Musharbash von der „Zeit“ jeweils am Ende des Auftritts formuliert: „Wir schießen den Scheiß zurück in die Umlaufbahn.“ Kiyak wohnte in den Neunzigerjahren in Leipzig, erlebte Überfälle und Aufmärsche von Neonazis. Aus ihrem Freundeskreis, erzählt sie, „lag damals eigentlich jedes Wochenende einer im Krankenhaus“. Irgendwann verschwanden die Leipziger Neonazis von der Straße, und Kiyak sagt, sie habe sich gefragt, wo sie geblieben seien. Wenn sie heute Pegida beobachte, denke sie oft: „Ach, da seid ihr ja wieder, nur ein bisschen älter geworden.“ „Hate Poetry“ geht bewusst auch dorthin, wo es wehtut, zuletzt waren sie in Dresden, dem Zentrum der Pegida-Bewegung. Die Lesungen sind auch ein Akt der Zivilcourage, die Poetry-Truppe hat dafür einen Preis als „Journalisten des Jahres“ erhalten. Aber lässt sich Hass weglachen? Oder Rassismus? Kiyak hat nach Paris viele kluge Sachen gelesen, viele gute Gedanken gehört von deutschen Muslimen, deutschen Christen, deutschen Juden. Sie sagt, es habe sich schon etwas getan in unserer Gesellschaft. Sie wolle positiv denken, fühlen, leben, sonst halte sie es nicht aus. Laura Backes, Markus Deggerich, Jan Friedmann, Maximilian Popp, Barbara Schmid, Steffen Winter FOTO: THIES RAETZKE Publizistin Kiyak*: Ironische Abrechnung mit dem Hass
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