LITERATUR UND KUNST - Neue Zürcher Zeitung

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«SOrdjtr
LITERATUR UND KUNST
^chinin
Relikte indianischer Kultur
Aus Anlass einer Ausstellung im Museum
Bellerive, Zürich
Von Wolfgang Haberland
Es ist heute eine weitverbreitete Unsitte, von
den Urbewohnern Nordamerikas, den Indianern oder «Native Americans», so zu sprechen,
als ob es eine einzige geschlossene Kultur-
gruppe würe. Das ist falsch, denn die kulturellen Unterschiede, die die Europüer bei der Eroberung antrafen, waren ausgeprägter als in vielen anderen Teilen der Welt, vergleichbar vielleicht nur mit dem asiatischen Kontinent. Es
gab Feldbauern und Jäger, Fischer und Sammler, Stüdte mit Märkten und Pyramiden, Dörfer
mit festen Häusern aus Holz oder Stein und
Buschlager mit schnell errichteten Unterkünften
aus Zweigen, Rinde oder Leder, geschichtete
Gesellschaften mit Adel und Sklaven und egalitäre Gemeinschaften, kurz, eine Vielfalt von
Formen menschlichen Zusammenlebens. Sie
dies überhaupt noch möglich ist), stehen oft in
scharfem Gegensatz einander gegenüber und erschüttern das Gefüge der Gruppe. Für uns, die
wir dies nur vom Rande her beobachten können, selbst wenn wir uns als Völkerkundler ein-
gehend damit beschäftigen und meinen, die
Probleme erfasst zu haben, ist es ein schier unentwirrbares Knäuel von Problemen. Welchen
Standpunkt wir auch immer einnehmen: wir
werden stets im Gegensatz zu einem nicht unerheblichen Teil der Menschen indianischer Abkunft stehen. Unsere Ratschläge oder Meinungen sind und bleiben Einmischungen von Fremden, die nie in der Lage sein werden, voll zu
begreifen, was es heisst, Oglala oder Gwagiulth,
Cherokee oder Zuni zu sein.
PUEBLO-INDI ANER
Salako Taka mit grossem Kopfschmuck. Um 1900 entstandene Figur aus der Studiensammlung Antes.
wird heute in den Klischeevorstellungen von jenem Bild «des Indianers» überdeckt, wie es sich
nach dem Eindringen der Europäer in den Prärien auf der Grundlage von Importen aus der
Alten Welt wie dem Pferd und den Eisengeräten
ausprägte und
gerade im deutschsprachigen
Raum
durch die Trivialliteratur, aber auch
durch Film und Fernsehen verbreitet wurde und
wird.
Auch die heute noch in Nordamerika lebenden «Native Americans» (in den USA allein
etwa 1,2 Millionen) weisen grosse Unterschiede
in Kultur und Lebensweise auf, geprägt einerseits durch ihre angestammten Verhaltensweifreiwillig
sen, anderseits durch die Stärke des
angenommenen oder aufgezwungenen
Einflusses aus der europäisch-amerikanischen Welt.
So gibt es Gruppen, die nur noch Reste ihrer
(wobei
Tradition bewahrt haben
h e u t oft eine
e
Rückbesinnung, ein Wiederaufleben der alten
Formen gerade unter den jüngeren Menschen
eingesetzt hat), neben Einheiten, deren Kultur
weitgehend den alten Mustern entspricht,
mit
allen Zwischenstufen, die dabei möglich sind.
Auch e
h e u t darf man daher nicht von dem Indianer oder der indianischen Kultur sprechen,
selbst wenn man diese, was ebenfalls falsch ist,
auf den nordamerikanischen Kontinent beschränkt. Selbst innerhalb der einzelnen Gruppen können gewaltige Unterschiede vorhanden
sein, sowohl im materiellen wie auch im geistigen Besitz. Arm und Reich, «Traditionalisten
»
und «Progressive», jene, die nach dem «American way of life» streben, und jene, die nur die
angestammte Lebensweise gelten lassen (sofern
Zu den «konservativsten», das heisst der ursprünglichen Lebensform am engsten verhafteten Einheiten zählen die im Südwesten der
USA, in Arizona und New Mexico, lebenden
Gruppen, die man als «Pueblo-lndianer» zusammenfasst. Feldbauern seit mehr als zweitausendfünfhundert Jahren in einem semiariden
Gebiet, das eigentlich für den Anbau weitgehend ungeeignet ist und daher auch von der
«weissen» Besiedlung nicht so stark wie andere
nordamerikanische Regionen betroffen war,
entwickelten sie raffinierte Bewässerungsmethoden und züchteten Pflanzensorten, die den klimatischen Bedingungen voll angepasst waren
und heute wertvolle Beiträge zur Bekämpfung
der Welternährungskrise leisten könnten. Ursprünglich in Grubenhäusern, das heisst in den
Boden versenkten Bauten, lebend, errichteten
sie seit etwa 600 n. Chr. oberirdische Häuser.
Aus rechteckigen, agglutinierenden Wohneinheiten bestehend, konnten sie bis zu fünf Stockwerke hoch sein und über achthundert Räume
umfassen, in denen mehr als tausendfünfhundert Menschen wohnten. Diese AppartementTerrassenhäuser waren es, die der Kultur von
europäischer Seite ihren Namen, den spanischen Ausdruck für «Dorf», gaben. Heute existieren noch achtundzwanzig solcher Dörfer,
mehr oder weniger in der überlieferten Form.
Sie sind nur ein Ausdruck der bis weit in die
voreuropäische Zeit zurückreichenden Traditio,n e n die auch in vielen anderen Bereichen materieller und immaterieller Art erhalten blieben,
wobei die sprachlich sehr zersplitterten, zu teilweise grundverschiedenen Sprachfamilien gehörenden Gruppen wieder unterschiedlich starke
Abwandlungen durch europäische, vor allem
spanische Einflüsse zeigen. Am wenigsten beeinflusst sind die zehn von den Hopi besiedelten Dörfer am Südrande des Coloradoplateaus
im heutigen Arizona, die westlichste der
Pueblogruppen. Das zeigt sich unter anderm in
ihren religiösen Aktivitäten, die hier
nach
unserer Ansicht
am deutlichsten das voreuropäische Muster widerspiegeln, während in anderen Pueblos, vor allem am Rio Grande in
New Mexico, der christliche Einfluss dominiert.
Sichtbarer Ausdruck dieser Hopireligion sind
die zwischen Mitte Dezember und Anfang Juli
stattfindenden Feste und das damit verbundene
Auftreten von Maskentänzern, den Kachina.
KACHINAGEISTER
U N KACHINATÄNZER
D
Was sind nun aber diese Kachina? Einmal
Maskentänzer, die während eines halben Jahres
bei zeremoniellen Handlungen auftreten. Sie
verkörpern Geister, die mit dem gleichen Namen belegt werden und den eigentlichen
Grundbegriff wiedergeben. Will man also die
Kachinatänzer begreifen, so muss man sich zunächst über die Natur der Kachinageister klar-
Samstag/Sonnug, 3O.A3I. Mal
werden. Kachina sind keine Götter, sondern
Mittler zwischen Menschen und Göttern und so
in gewisser Weise katholischen Heiligen vergleichbar, allerdings nur in dieser Funktion. Sie
bringen Gebete und Bitten der Menschen
zu
den Göttern und bewegen diese durch ihre Fürbitten, den Menschen zu helfen. Sie sind aber
auch, bis zu einem gewissen Grade, selbst in der
Lage, diese Bitten zu erfüllen, die sich weitgehend auf Fruchtbarkeit und besonders auf
Feuchtigkeit beziehen. Ohne Regen und Schnee
ist kein Wachstum möglich, wird das Leben in
diesem semiariden Gebiet zur Qual.
Kachina sind aber auch die Verkörperungen
von Tieren und Pflanzen, Menschen und Elementen. Sie enthalten die Essenz jener, die sie
wiedergeben. Ein Opuntienkachina zum Beispiel verkörpert nicht einen bestimmten Feigenkaktus, sondern die Summe aller Opuntien, ihr
gemeinsames Wesen, wenn man so will, ihre
Seele. Es ist also ein grosses Gedankengebäude,
das hinter jedem einzelnen Kachina steht, aber
auch hinter ihrer Gemeinsamkeit. Sie sind letztlich die Essenz aller den Menschen umgebenden Elemente und Wesen, ihm wohlgesinnt,
Fruchtbarkeit und Feuchtigkeit bringend, ihn
vor Krankheiten und Missgeschicken schützend, und zwar nicht nur das Individuum, sondern auch die Gemeinschaft, das Dorf; denn so
wie der Kachina nur ein Teil seines Ganzen ist,
so ist auch der einzelne Mensch nur der Teil
einer Gemeinschaft, nur in ihr kann er existieren. Damit ist die Funktionsfähigkeit dieser Gemeinschaft ein hohes, wenn nicht gar unabdingbares Ziel und die Befolgung rd e sozialen Normen, die für ihr Bestehen und Funktionieren
aufgestellt sind, von grosser Wichtigkeit. Auch
dafür sorgen die Kachina, indem sie den Kindern soziales Verhalten, das Einstehen eines für
den anderen zeigen, wie zum Beispiel in der
Soyoko-Zeremonie, aber auch indem sie jene
bestrafen, die sich gegen die Norm vergangen
haben.
Nr. 123
67
ERZIEHERISCHE FUNKTION
Natürlich sind es in unseren europäischen
Augen Menschen, die diese Kachina, von denen
man heute etwa 350 verschiedene kennt, verkörpern und die ihre Handlungen vornehmen. Für
den Kachinatänzer und andere Hopi ist es jedoch der Kachina selber, denn sobald der Tänzer die mit unverwechselbaren Merkmalen ausgestattete Maske und Kleidung eines bestimmten Kachina anlegt, geht auch dessen Geist in
ihn über. Er spielt dann keinen Kachina, sondern er ist einer. So kommen auch heute noch
die Kachina wie in der Urzeit für ein halbes
Jahr aus ihrem Dorf in der Unterwelt auf diese
Erde, um den Menschen zu helfen, in einer unerbittlichen Umwelt zu existieren, so wie auch
die Pfanzen und Tiere helfen, dass der Mensch
sich nährt, die Elemente wieder, dass diese gedeihen.
Kachina sind endlich noch kleine, meist
etwa 30 Zentimeter grosse Figuren, aus dem
Wurzelholz des Cottonwood geschnitzt und als
naturgetreues Abbild eines Kachinageistes bemalt. Diese Tihu, wie ihr richtiger Name lautet,
sind keine Puppen, das heisst sie dienen nicht
oder nur in seltenen Fällen zum Spielen. Vielmehr sind es in einem ganz modernen Sinne
Lehrmittel: sie werden von einem Kachinatänzer, meist dem erziehungsberechtigten Brüder
der Mutter, während einer Pause dem Kind gegeben, wobei ihm gleichzeitig
erklärt wird, welcher Kachina es ist, wann er auftritt, wie er
tanzt, woran man ihn erkennen kann usw. So
wird eine Grundkenntnis vermittelt, eine erste
Schulung vorgenommen, die später, ab
etwa
dem n
z e h n t e Lebensjahr für die Jungen
denn
nur Männer stellen Kachina dar, auch solche
weiblicher Natur , nach ihrer Einführung (Initiation) in den Kult verstärkt fortgesetzt wird.
Die Ausstellung der Kachinafiguren aus der
Studiensammlung Antes ist bis zum 16. August
im Museum Bellerive in Zürich zu sehen, ehe sie
weiter nach Hamburg und München wandert.
D i Indianer Kanadas und ihre Sprachen
e
Von Günther iF r e
Die Sprachen der Indianer, der Ureinwohner Amerikas, bilden keine Einheit. Im Gegenteil, nirgends auf der Erde ist die sprachliche
Vielfalt grösser als auf dem amerikanischen
Kontinent. Alexander von Humboldt rechnete
mit 3000 bis 4000 Sprachen. Diese Zahl wurde
später dank dem besseren Verständnis der Indianersprachen und ihrer Verwandtschaften bedeutend verringert» Dennoch soll es nach neueren Einteilungen vor der Ankunft der Europäer
in Nordamerika etwa 300 Sprachen mit eineinhalb Millionen Sprechern, in Mittelamerika 300
Sprachen mit rund fünf Millionen Sprechern
und in Südamerika, sehr vage geschätzt, etwa
1400 Sprachen mit neun Millionen Sprechern
gegeben haben. Heute überleben davon etwa
1200 Sprachen mit rund zwölf Millionen Sprechern. Von der Vielfalt kann man sich einen
ersten Begriff machen, wenn man die Zahlen 1,
2, 3 in den drei amerikanischen Hochkultur
sprachen vergleicht: Nahuatl (Azteken): ce,
ome, ie; Quiche (Maya): hun, cab, ox; Ketschua
(Inka): suk, iscay, kimsa.
DIE SPRACHEN
DES
AMERIKANISCHEN KONTINENTES
Viele der Indianersprachen sind polysynthetisch, das heisst sie schmelzen Lautelemente, die
nur eine syntaktische Funktion haben, und
Wörter zu Komplexen zusammen, die ein ganzes Ideengefüge ausdrücken. So zerlegt sich das
Tschinuk-Wort ania'lot (ich gebe ihn ihr) folgendermassen: a (Zeit), n = ich, a = ihr, l = zu
,
hin (Allativ), o = von weg (Elativ)
t = geben.
Die Art der Polysynthese variiert von einer
Sprache zur anderen ganz beträchtlich. Daneben kommen aber auch agglutinierende, analytische und flektierende Sprachtypen vor. Gemeinsame Merkmale vieler nordamerikanischer
Sprachen sind ein Kehlkopfverschlusslaut ('),
die genaue Unterscheidung der Modi, Aspekte
und Aktionsarten, der räumlichen Lage sowie
der Bezugnahme des Sprechenden zum Angesprochenen und zu Drittpersonen. Dagegen fehlen Zeitformen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), wie sie die indoeuropäischen Sprachen
kennen. Abstrakte Begriffe sind weit weniger
häufig als in den europäischen Sprachen, lassen
sich aber leicht aus den spracheigenen Elementen formen.
Man nimmt heute an, dass der amerikanische Kontinent während und nach der Eiszeit
von Asien her über eine damals bestehende
Landbrücke im Gebiet der heutigen Bering-
strasse besiedelt wurde. Die sprachliche Mannigfaltigkeit lässt auf mehrere Einwanderungs-
Pflanzenkachina. Von links : Zwei Yung'a (Opuntienfrucktkachina), Navuk'china (Opuntienkachina), Tsiloto (Blumenkachina), Muzribi (Bohnenkachina). Aus der Studiensammlung
Horst Antes.
1981
wellen sprachlich schon getrennter Völker zwischen 25 000 und 10 000 v. Chr. schliessen. Dass
eine Verwandtschaft gewisser Indianersprachen
mit ausseramerikanischen Sprachgruppen, etwa
mit dem Ural-Altaischen oder dem MalayaPolynesischen, bestehe, ist schon mehrfach behauptet worden, konnte bisher aber nicht bewiesen werden. Hierfür sind auch die Beziehungen der Indianersprachen untereinander noch
viel zuwenig bekannt. Man gliedert diese in
etwa 150 Sprachfamilien auf, die etwas willkürlich in drei geographische Gruppen zusammengefasst werden: 1. Sprachen Nordamerikas (54
Familien), 2. Sprachen Mexikos und Zentralamerikas (23 Familien), 3. Sprachen Südamerikas und Westindiens (etwa 77 Familien). Die
Sprachen der ersten Gruppe sind dank den Pio-
Neue Zürcher Zeitung vom 30.05.1981
nierarbeiten der beiden aus Deutschland stammenden Amerikanisten Boas und Sapir recht
gut bekannt. Grosse Anstrengungen werden gegenwärtig unternommen, die Sprachen der
zweiten Gruppe zu klassifizieren, während die
Erschliessung der dritten Gruppe durch ein
paar wenige Linguisten zum Teil erst begonnen
hat.
DIE SPRACHE DER ESKIMO
In Kanada sind heute noch elf Sprachfamilien zu finden: I. Eskiomo-Aleutisch, 2. Athapaskisch, 3. Tlingit, 4. Haida, 5. Tsimschian, 6.
Wakasch, 7. Salisch, 8. Kutenai, 9. Algonkin,
10. Sioux, 1. Huron-Irokesisch. Die Sprachen 5
bis 8 zusammen mit dem ausgestorbenen Beothuk sind sehr alt und müssen einer frühen Einwanderungswelle zugerechnet werden. Die
Gruppe 9 bis II geht auf eine spätere Einwanderung vor mehreren tausend Jahren zurück,
während die Denesprachen 2 bis 4 erst etwa
1000 Jahrealt sind.
Die Eskimo sind die Nachfahren eines Volkes, das zu den letzten asiatischen Einwanderern gehört. Heute besiedeln sie die ganze arktische Küste von der Halbinsel Tschukotski in
Nordostsibirien über Alaska, das arktisch
e
Kanada bis nach Grönland. Vor der Ankunft der
Europäer waren sie im kanadischen Osten sogar
bis zum Nordufer des St.-Lorenz-Stromes und
in Nordneufundland anzutreffen. Dieser kulturell und sprachlich recht einheitlichen Gruppe,
die heute etwa 70 000 Seelen umfasst, sind auch
die Unangan auf den Aleuten (6000 Bewohner)
zuzurechnen. Infolge ihrer ausgeprägten mongoliden Merkmale rechnet man die Eskimo
nicht zu den Indianern. Ihre Lebensgrundlage
bilden die Robbe und das Ren, das seit dem
Ende des 19. Jahrhunderts auch domestiziert
wird. Im Sommer wohnen die Eskimo in Fellzelten, im Winter in Erd- oder Schneehütten
(Iglu). Klassenunterschiede und Häuptlinge gibt
es bei ihnen nicht, ausgenommen auf den Aleuten und an der Pazifikküste, wo sich russische
und indianische Einflüsse geltend machen.
Der Name Eskimo, eigentlich «eskimaw»,
ist eine Verbform des indianischen Micmac (Algonkin) und bedeutet Rohfleischesser. Die Eskimo selbst nennen sich «Inuit» (Singular Inuk,
im Westen Yuk), was mit «Menschen, Bewohner, Besitzer» zu übersetzen ist. Man unterscheidet Osteskimoisch (von Grönland bis zum Yukondelta in Alaska), dessen Dialekte gegenseitig
verständlich sind, und Westeskimoisch. Letzteres zerfällt in Alaska-Eskimoisch mit drei wechselseitig kaum verständlichen Mundarten (südlich des Yukondeltas und auf den Inseln Nunivak und Kodiak) und Asiatisch-Eskimoisch
(Ostzipfel der Halbinsel Tschukotski und St.Lawrence-Insel). Eine eigene, aber mit dem Eskimoischen verwandte Sprache bildet das Aleutische.
Die Sprache der Eskimo ist polysynthetisch.
Flektiert werden nur Substantive und Verben,
wozu ausschliesslich Suffixe verwendet werden.
Nach Geschlechtem wird nicht unterschieden.
Artikel, Präpositionen, Konjunktionen, Adjektive und nominale Adverbien fehlen. Dagegen
gibt es drei Numeri: Singular, Dual, Plural.
Hierzu zwei Beispiele: ig!u = Huus. igluk = zwei
Häuser, iglut» Häuser; tuquppaa er tötet ihn,
tuquppaak = sie beide töten ihn, tuquppaat = sie
töten ihn. Bei den Substantiven unterscheidet
man die beiden rein syntaktischen Fälle Absolu1
*
Samstag/Soiinliig, 3O./3I. Mai
68
1981
Nr.
LITERATUR UND KUNST
123
Gleite
,3Jird)cr Reifung
Jugenderinnerungen eines Sioux-Indianers
Eine Taschenbuchausgabe von Charles A. Eastmans «Ohijesa»
&>;
m. v. In der kleinen indianischen Literatur,
die neben der grossen liidianerlitcratur der
Weissen entstand, nehmen die Jugenderinnerungen von Charles A. Eastman eine Sonderstellung ein. Zwar wurden auch sie, wie alle
Werke indianischer Autoren, unter dem Eindruck der Begegnung mit den Weissen geschrieben
die ursprüngliche Literatur der Indianer
war, wofür gerade dieses Buch eindrückliche
Beispiele gibt, das orale Erzählen von Märchen,
Sagen, Jagd- und Kriegsabenteuern.
Doch aus
der Zivilisation blickt Eastman zurück in die
noch völlig unberührten Wälder, wo er mit den
letzten freien Prärie-Indianern seine Kindheit
verbrachte.
Ohijesa, der Sieger, wie er bis zu
seinem
fünfzehnten Jahr hiess, wurde 1858 oder 1859
als Angehöriger des Santee-Stammes geboren,
zugerechnet
der dem Reitervolk der Sioux
wird.
Die Santee lebten damals im Minnesotatal, wurden dann aber nach dem grossen Aufstand von
S i p p von
1862 vernichtet oder vertrieben. Die e
Ohijesa flüchtete nach Norden über die
kanadische Grenze. Dort geriet sein Vater in Gefangenschaft
die Mutter hatte er schon früher
Sohn,
verloren. Der
der nun von einem Onkel
erzogen wurde, glaubte ihn tot und hasste dafür
die Weissen. Erst als er fünfzehnjährig war,
tauchte der Vater, der inzwischen die Lebensweise der Weissen übernommen hatte, wieder
auf und nahm ihn mit in die amerikanische Zi-
vilisation.
Als Charles A. Eastman besuchte er nun die
Missionsschule in Santee und das Beloit College in Wisconsin, und
mit einem staatlichen
Stipendium studierte er dann am Dortmouth
Sprachenkarle von Nordamerika (um 1500):
tl
Alg: Algonkin
Alh: Athapaskisch
B: Bcothuk
E: Eskimoisch
Ey: Eyak
H: Haida
Ir:
Iiokesisch
K: Kutenai
Sal: Salisch
Si: Sioux
tiv- (entspricht etwa unserem Nominativ und
Akkusativ) und Relativ (vergleichbar unserem
Genitiv) und die sechs adverbialen Fälle Lokativ, Ablativ, Allativ, Perlativ, Instrumental und
Similativ. Die ersten beiden werden auch in verbalen Zusammenhängen verwendet, zum Beispiel tigianiap iglu = der Fuchs (relativ)
sein
Haus, also das Haus des Fuchses, tigianiap tokubaa-dcr Fuchs (relativ)
er sah ihn, also
der Fuchs sah ihn, tigianiaq takubaa der
Fuchs (absolutiv)
er sah ihn, also er sah den
Fuchs. Weiter gibt es vier Personen, wobei die
vierte selbständig-reflexiv ist. Das Verb unterliegt drei unabhängigen und vier untergeordneten Modi. Fortgesetzte SufPixbildungen erlauben, ganze Sätze in einem Worte auszudrücken.
Ausser Iglu stammen auch die Wörter Kajak,
Anorak und Uniak aus dem Eskimoischen.
DIE SPRACHEN DER WESTKÜSTE
Die Sprachen 2 bis 7 gruppieren sich alle
entlang der Pazifikküste. Dass dies die sprachendichteste Gegend Nordamerikas ist, mag
daher rühren, dass alle einwandernden Völker
dieses Gebiet durchqueren mussten. Auch haben die vielen Inseln und das wilde Gebirgsland
einen isolierenden Einfluss. Dem Sprachgebiet
der Eskimo am nächsten liegt das Athapaskische (Nordathapaskisch), das abgesehen vom
pazifischen und arktischen Küstenstreifen in
ganz Nordostkanada und in Alaska gesprochen
wird. Es zerfällt in acht Sprachen mit gegenseitig mehr oder weniger verständlichen Dialekten.
Zur gleichen Sprachfamilie gehören einige isolierte Sprachen in Nordkalifornien (Küstenathapaskisch) und das Apachische (Südathapaskisch) in Neumexiko, a
A r i z o n und angrenzenden Teilen in Mexiko sowie isoliert in Westkanada und Texas. Zu den Apachen zählen die
Navahos (80 000 Sprecher), die in grossen Reservaten innerhalb der ursprünglichen Heimat
ihre Eigenständigkeit bewahren konnten und es
dort (dank Oel- und Uranvorkommen) sogar zu
einem gewissen Wohlstand brachten trotz der
ständigen Bedrohung durch die
Kolonisten.
Das Tlingit ist mit einigen lose zusammenhängenden Sprachen entlang dem
südlichen Teil
des alaskischen Küstenkorridors vertreten, während das Haida auf den Königin-Charlotte-Inseln gesprochen wird.
Das vor dreissig Jahren entdeckte Eyak
nördlich davon, das noch bei etwa zweihundert
Personen an der Einmündung des Kupferflusses
in Alaska in Gebrauch ist, bildet ein Bindeglied
zwischen Athapaskisch und Tlingit. Sapir fasste
1915 Athapaskisch, Tlingit und Haida zur
Sprachgruppe Na-Dene zusammen.
Diese ist
möglicherweise verwandt mit gewissen
ostasiatischen Sprachen. An der Küste Britisch-Kolumbiens findet sich im Norden zunächst das
Tsimschian. Nach Sapir soll es zur Grossfamilie
des Penutischen gehören, das viele Sprachen
Kaliforniens und möglicherweise die Mayaspra-
T: Tlingit
Ts: Tsimschian
W. Wakasch
Wi: Wiyot
Y: Yurok
chen in Mexiko umfasst und mit dem ChipayaUru sogar bis nach Bolivien reichen würde.
Südlich des Tsimschian schliesst sich das Wakasch an, dem je drei Sprachen auf der Vancouverinsel und auf dem gegenüberliegenden Festland zuzurechnen sind. Das Salische im Süden
bildet eine grosse Gruppe, die etwa zwanzig
Sprachen in den Berggebieten von Süd-Britisch-
Kolumbien, Washington, Nord-Idaho und
Nordwest-Montana umfasst. Eine eigene
Sprachfamilie im Südosten Britisch-Kolumbiens stellt das Kutenai dar.
Kennzeichnend für die milde und praktisch
schneefreie Pazifikküste Kanadas ist der überaus grosse Reichtum an Naturprodukten (vor
allem Lachs und Holz), der den Bewohnern einen gewissen Wohlstand sichert. Demzufolge
vermochten sich dort ein ausgeprägter Hang zu
Eigentum und eine streng hierarchische Gliederung der Gesellschaft in Häuptlinge, Vornehme,
Gemeine und Sklaven herauszubilden. So übertrifft denn auch die Kunst und das Kunsthandwerk (Holzschnitzereien, Flechtarbeiten, gehämmerte Kupferplatten) der Küstenindianer
jene aller übrigen Völker Nordamerikas. Ihre
Kultur scheint sich auf die der Eskimo aufzubauen, welche selbst wieder auf eine noch ältere
sibirische Eisenzeitkultur zurückgeht. Die Pazifikindianer wohnten in geräumigen Mehrfamilienhäusern aus Holz (meist Zedern). Davor errichteten sie hohe «Totempfähle», auf denen
sich die Würdezeichen und die Geschichte der
Sippe dargestellt fanden. Eine
besondere Eing
richtun
war der Potlatsch, ein Festanlass, an
dem ein Häuptling seinen Besitz verschenkte,
um seinen Reichtum zu demonstrieren. Daraus
ergaben sich gelegentlich regelrechte
Wettstreite
zwischen Häuptlingen, wobei jeder versuchte,
mehr zu verschenken oder zu zerstören, als der
andere und dessen Volk aufbieten konnten.
Aus der Vielfalt der Küstensprachen seien
einige Besonderheiten herausgegriffen.
Wie das
Eskimoische verachtet das Athapaskische auf
die Unterscheidung der Geschlechter. Es kennt
auch keinen Plural, ein Merkmal, das es mit
dem Haida und dem Kwakiutl (Wakasch) teilt.
Statt dessen unterscheidet das Kwakiutl sichtbare und unsichtbare Objekte und deren Lage
zu den Personen (nahe bei mir, bei dir, bei ihm).
Ein Ausdruck wie «das Haus» muss daher im
n
Kwakiutl durch eine der folgende
sechs Formen wiedergegeben werden: Haus sichtbar bei
mir, unsichtbar bei mir, sichtbar bei dir, undir,
sichtbar bei
sichtbar bei ihm, unsichtbar bei
ihm. Wie im Eskimoischen ist die Rolle von
Substantiv und Verb nicht eindeutig. Das Tsimschian zeichnet sich durch eine Fülle von Partikeln aus, die das nachfolgende Wort bestimmen. Wie das Eskimoische erlaubt es die Bildung langer Wörter. Fast allen Küstensprachen
gemeinsam ist das Vorkommen
von drei Betonungsarten. Die starke Betonung (p, t, usw.)
kommt durch Ueberdruck in der Mundhöhle
College bei Boston, wo er damals der einzige
indianische Schüler war und als solcher mit besonderem Wohlwollen behandelt und von den
Mädchen umschwärmt wurde. Hier entschloss
er sich, fortan wie ein Weisser zu leben. 1890
beendete er sein Studium an der Universität Boston mit dem medizinischen Doktorexamen.
(Seinen Bildungsgang hat er im 1916 erschienenen Band «From the Deep Woods to Civilization» beschrieben.) Ein Jahr danach heiratete er
die weisse Lehrerin und Schriftstellerin Elaine
Goodale. Später wurde er Beamter in Washington. Er starb 1939, zivilisationsgeschichtlich
Jahrhunderte nach seiner Geburt.
Als Eastman seine Jugenderinnerungen aufzeichnete
sie kamen unter dem Titel «Indian
Boyhood» 1902 in New York heraus und wurden schon 1912 ins Deutsche übersetzt
, waren die Indianer praktisch ausgestorben oder
lebten in Reservaten. Eastman schrieb das Buch
für seinen Sohn, um ihm, auch wenn durch die
zeitliche und zivilisatorische Distanz manches
ins Ungefähre entglitten war, ein Bild seiner
Kindheit und zugleich des «wilden Lebens» zu
geben. Und so beginnt denn auch das
erste Kapitel mit der Frage: «Welcher Junge wollte
nicht eine Weile ein Indianer sein, wenn er an
das freieste Leben auf der Welt denkt?» Nicht
von der Bedrohung durch die Weissen ist die
Rede, sondern von einem Dasein in Uebereinstimmung mit der Natur, von einer Sittlichkeit,
über die er 1911 im Band «The Soul of the Indinach Schliessen des hinteren Mundteiles mit der
Zungenbasis zustande.
DIE SPRACHEN
ÖSTLICH DER ROCKY MOUNTAINS
Der Osten Kanadas von den Rocky Mountains bis zur Atlantikküste wird beherrscht von
den Algonkinsprachen, der ausgedehntesten
Sprachfamilie ganz Amerikas. Nur im Südosten
Saskatchewans schieben sich die Sprachen der
Sioux und entlang dem St.- Lorenz-Strom sowie
um den Ontario- und Eriesee die der Irokesen
dazwischen. Das Algonkin, das sich tief in das
Gebiet der Vereinigten Staaten hinein erstreckt,
umspannt im Westen auf der Hochprärie zwischen Kansas und Alberta das Arapaho, Cheyennisch, Schwarzfuss und Atsina, im Zentrum
um die Grossen Seen von Tennessee bis zur
Hudson-Bay des Shawnee, Peoria-Miami, Kikkapu-Fox-Sauk, Menomini, Potawatomi, Ojib-
wa-Ottawa-A!gonkin,
Kri-Montanesisch-Nas-
kapi und im Osten entlang der Atlantikküste
zwischen Virginia und dem St.-Lorenz-Golf das
Powhatan, Delaware, Mohikanisch-Pequot, Na-
tick-Narraganset, Penobscot-Abnaki, Passamaquoddy-Malecite und Micmac. Dieser geographischen Dreiteilung entspricht auch eine linguistische, wobei allerdings das Powhatan und
das Delaware der Zentralgruppe zugehören.
Entferntere Verwandte sind das isolierte Yurok
und Wiyot in Nordkalifornien und das ausgestorbene Beothuk auf den Neufundlandinseln.
Zusammen mit dem Algonkin bilden diese die
algische Sprachfamilie.
Die Algonkin waren ursprünglich zwischen
Georgsbucht und Ontariosee beheimatet. Etwa
um 1200 v. Chr., möglicherweise nach einem
Vorstoss der Irokesen von Süden her, zerstreuten sie sich in alle Richtungen, wobei sie die
Sioux nach Südwesten drängten. Sie bewohnten
gewöhnlich das Wigwam, eine kuppelförmige
Hütte aus gebogenen Stangen, überdeckt mit
Baumrinden. Die Wigwams fanden sich meist
zu kleinen Dörfern gruppiert, die gelegentlich
mit Palisaden umgeben waren zum Schutz gegen die kriegerischen Irokesen. Im Norden
wurde das Ren, im Süden der Hirsch und der
Elch gejagt, während in der Hochprärie der
an» urteilte: «Von der Zivilisation habe ich
nichts Besseres lernen können.»
Zwischen der Freiheil der Kindheit und der
Freiheit seines Volkes lasst sich dabei nicht
mehr unterscheiden, für Eastman fiel beides zusammen und ging beides zugleich verloren:
«Freie, natürliche Wesen gibt es heute nicht
mehr!» Für solche Freiheit und Naturnähe hält
seine Jugendgeschichte viele Zeugnisse bereit.
Von früh auf wurden die Indianerkinder zur
Beobachtung der Natur angehalten
und «studierten Gewohnheiten und Lebensweise der
Tiere genauso eifrig, wie ihr euch in eure Bücher vertieft». Die Erziehung scheint weitgehend auf dem Princip der Nachahmung basiert
zu haben, wobei die Kinder Jagd und Kriegskunst als Spiel betrieben, bei der Ernte von wildem Reis oder Ahornzucker, die Sache der
Frauen war, jedoch nützliche Arbeit leisteten.
Gelegentlich spielten sie auch
«weisser Mann»,
hatten aber von der Lebensweise der Weissen
nur sehr geringe Kenntnisse. «Wir lebten in eiglücklichen
ner
Unwissenheit anderer Lebensdahin», es fehlte an nichts, und die
e
verhältniss
ganze Natur schien den Indianern wohlgesinnt.
Allerdings: wer Tiere nicht zum Lebensunterhalt, wozu sie den Menschen gegeben waren,
sondern zum Vergnügen tötete, machte sich des
Missbrauchs schuldig und zog gerechte Strafe
auf sich. Dass sich das Leben meist ausserhalb
der Behausungen abspielte, fand Eastman im
Rückblick «für die Jugend sehr günstig».
Verschwiegenheit, Ausdauer,
Selbstbeherrschung und Mässigung waren
oberste Erziehungsziele dieses Jäger- und Kriegervolkes,
und
dem «Grossen Geheimnis» hatte der kleine
Knabe sein Liebstes zum Opfer zu bringen, seinen Hund. An den Weissen, die schliesslich in
sein Gesichtsfeld traten, fiel ihm dagegen zuerst
auf, dass sie in Herren und Diener geteilt waren, nach Reichtum und Besitz strebten, alles,
selbst die Zeit, ausmassen, ihrem grössten
Häuptling, dem Präsidenten, Steuern entrichteten und aU Teilnehmer eines Festessens für das,
was sie gegessen und getrunken hatten, am
Ende bezahlten. «Unter solchen Gesetzen könnten wir Indianer nicht leben», erklärt der Arzt
und Beamte seinem Sohn. Doch er verschweigt
auch nicht, dass dem mächtigen Ungeheuer, das
Kriegsrufe ausstossend von Hügel zu Hügel flog
und für Eastman später zur Eisenbahn wurde,
sein Schrecken und seine Bewunderung galten.
So mussten, als der Vater den Fünfzehnjährigen
in die Vereinigten Staaten mitnahm, «alle meine
alten Gedanken fortan neuen Vorstellungen
weichen».
Der Insel-Verlag, der «Ohijesa» in einer
überarbeiteten Uebersetzung und mit einem
Nachwort von Dietrich Leube schon 1976 herausgegeben hat, legt den aufschlussreichen
Band nun in seiner Taschenbuchreihe vor. Der
Buchschmuck, die Illustrationen und Anmerkungen von Frederick Weygold, einem amerikanischen Ethnographen und Indianermaler
der Jahrhundertwende, sind darin beibehalten
worden.
Charles A. Eastman: Ohijesa. Jugenderinnerungen eines
Sioux-Indianers. Insel-Taschenbuch, Frankfurt a. M. 1981.
Büffel die Lebensgrundlage abgab, bis dieser
gegen 1883 durch weisse Felljäger ausgerottet
wurde. Die Ojibwas am Oberersee bauten den
wilden Reis an; sesshaft aber waren einzig die
Delawaren in der Gegend des heutigen Philadelphia. Bei den Algonkin überlagert sich al-
tem nordasiatischem Kulturgut der Einfluss der
Hügelbauerkultur, die zwischen 500 und 1000
den Osten Nordamerikas von Florida bis zu den
Grossen Seen beherrschte. Diese, ein Ausläufer
der mittelamerikanischen Kultur, erreichte ihren Höhepunkt um 1200.
Aus dem Algonkin stammen die Wörter Eskimo, Manitu, Mokassin, Quahog, Pappuse, Sachem, Skunk, Squaw, Succotasch, Toboggan,
Tomahawk, Totem, Wampum, Wapiti, Wigwam. Die Algonkinsprachen unterscheiden in
der ersten Person Plural die inklusive Form (der
Angesprochene eingeschlossen) und die exklusive Form (der Angesprochene ausgeschlossen).
Ferner werden zwei Geschlechter unterschieden: belebt und unbelebt. Zum belebten Geschlecht gehören Menschen und Tiere, nicht
notwendigerweise Pflanzen, wogegen viele in
unserem Sinne unbelebte Gegenstände wie Ruder, Pfeil, Schneeschuh zum Beispiel im Montanesischen dem belebten Geschlecht zugeordnet
werden. Dem Geschlecht unterworfen sind Substantive wie Verben. So bedeutet im Montanesischen «niwapmaw» ich sehe etwas Belebtes und
«niwapaten» ich sehe etwas Unbelebtes (ni ist
Präfix für die erste Person). Die Sioux zerlegen
sogar Belebtes in Ruhendes und Bewegtes und
Unbelebtes in Langes, Hohes, Rundes und Kollektives, wobei Singular und Plural nur für Belebtes unterschieden werden.
In Kanada gibt es heute 290 000 registrierte
Indianer auf einem Gebiet von 35 000 Quadratkilometern, von denen 264 000 noch ihre eingeborene Sprache sprechen, und etwa ebenso viele
Metis (Mischlinge) und nicht registrierte Indianer. Bei Ankunft der Europäer waren es etwa
300 000 gewesen. 1840 hat der Missionar James
Evans ein syllabisches Schriftsystem für die KriAlgonkin geschaffen, das sich später auch andere Algonkin und die Eskimo aneigneten. Dieses und die damit festgehaltene Tradition und
Literatur stehen heute als wichtiges Zeichen für
indianische Eigenart und Kultur.
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Neue Zürcher Zeitung vom 30.05.1981