Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 1 15.55 Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Kollege Schultes, kann es vielleicht sein, dass Sie den Unterschied zwischen Antidumpingbestimmungen, kartellrechtlichen Bestimmungen, unlauterem Wettbewerb und Freihandel nicht kennen? Kann das sein? – Nur einmal so in den Raum gestellt. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.) Herr Kollege, kann es sein, dass es zur Rechtfertigung eines Abkommens den Leuten nicht reicht, wenn man sagt, das ist gut für Österreich, das ist gut für die Arbeitsplätze, das ist gut für die Industrie und das ist gut für die Bauern, Punkt? Kann es sein, dass das nicht reicht und dass die Leute aus diesen Gründen in einer Zahl von 562 000 und einigen zu einem Volksbegehren gehen? Es ist eine ziemliche Mühe, sich diese Arbeit zu machen. (Beifall bei der FPÖ.) Kann es weiters sein, dass in der gesamten bisherigen Diskussion über CETA und TTIP – ich werde mich aber vor allem auf CETA beschränken – keine wirklich klaren Argumente dafür herausgekommen sind, dass wir diese Abkommen brauchen, außer dass man sagt: Wir brauchen sie einfach, und wenn wir sie nicht haben, ist unser Wohlstand und sind unsere Arbeitsplätze gefährdet? (Eine Mitarbeiterin des FPÖParlamentsklubs bringt dem Redner ein Schriftstück.) – Ich habe das mit, ich habe das eingesteckt, danke. (Ruf bei der ÖVP: Ruck, zuck!) – Das Service ist gut. (Ruf: Gut zugearbeitet!) – Gut zugearbeitet, ja, aber ich bin so gut, dass ich heute ausnahmsweise einmal keinen Zuarbeiter brauche. Gehen wir einmal weiter bei den Sachen, die sein können: Kann es sein, dass wir uns vielleicht in der jetzigen Situation – in der TTIP ja auf des Messers Schneide steht beziehungsweise TTIP erfreulicherweise zu kippen scheint – vieles nicht überlegt haben, in Bezug auf die Bedeutung von CETA und seinen Konsequenzen? CETA gilt ja zwischen der EU und Kanada und nicht zwischen der EU und den USA, das heißt, dass kanadische Unternehmen und Unternehmen, die in Kanada wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, egal, wem sie gehören, die Rechte aus CETA in der gesamten Europäischen Union geltend machen können. Die Europäische Union kann aber diese Rechte natürlich nur in Kanada geltend machen. Kann es nun sein, dass 79 Prozent der Exporte aus Kanada in die USA gehen, 69 Prozent der Importe aus den USA kommen und Kanada daher ein wirtschaftlicher Wurmfortsatz der Vereinigten Staaten ist? Kann es weiters sein, dass in der kanadischen Industrie praktisch ausschließlich amerikanische Unternehmen, die ganz oder überwiegend unter amerikanischem Einfluss oder unter amerikanischer Version vom 08. März 2017, 08:57 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 2 Kapitalkontrolle stehen, die Wirtschaft bilden? Es gibt Ausnahmen, es gibt Bombardier und so weiter. (Abg. Matznetter: Magna, Stronach!) Es gibt auch Magna, das ist auch eine Ausnahme, aber Sie würden sich wundern, wenn ich Ihnen die Aktionärsstruktur von Magna heute darlege. Das ist nicht die Familie Stronach. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wie viel kanadischer Einfluss da noch ist, kann man auch sehen. Kann es daher sein, dass wir, wenn wir jetzt CETA in Kraft setzen, den amerikanischen Unternehmen, und zwar allen, die in Kanada wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten entfalten und ein Geschäft mit Europa durchführen, damit die Möglichkeit geben, europäische Vorschriften über die in CETA enthaltenen Investitionsschutzklauseln auszuhebeln und uns selbst diese Möglichkeit gegen amerikanische Gesellschaften und für den amerikanischen Markt nicht holen? Kann es daher sein, dass wir, auf gut Deutsch gesagt, einen Schuss haben müssen, dieses Abkommen so zu unterzeichnen? (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und Team Stronach.) Ich glaube, es kann sein. Ich glaube nicht, dass es, wie Kollege Schultes das so elegant gesagt hat, Krawallmacher und Wirbelschläger sind, die dieses Volksbegehren unterstützt und unterzeichnet haben. Wir sind der Ansicht: Wenn es einen so breiten Widerstand in der Bevölkerung gibt, wenn es eine so starke Unterstützung für ein Volksbegehren gibt, wenn es so viel Unbehagen und Widerstand in den Koalitionsparteien gegen dieses Abkommen gibt, wenn es bei den Experten – wir waren ja selbst bei den Hearings dabei – eine so große Überzahl von kritischen Stimmen dagegen gibt, wenn es auch die Möglichkeit gibt, wie ich es ein bisschen zu skizzieren versucht habe, sich mit einigen wenigen Überlegungen von der – vorsichtig ausgedrückt – Problematik der Ratifizierung des Abkommens zum jetzigen Zeitpunkt zu überzeugen, und wenn es – um auf die Kollegin Muttonen noch einzugehen – nichts mehr zu verhandeln gibt, weil es verhandelt und im Rat, mit Zustimmung des Rates, bereits vorläufig in Kraft gesetzt ist – die Zustimmung des Europäischen Parlamentes ist aufgrund der dortigen Mehrheitsverhältnisse nur noch eine Formsache –, heißt das, wir können nur noch Ja oder Nein sagen. Wir können es ratifizieren oder nicht ratifizieren. Wir sind daher der Meinung – wir sind es der Bevölkerung schuldig –: In einer so umstrittenen Sache, die so tief in die demokratische Grundstruktur, in unsere Rechte und unsere Rechtstraditionen eingreift, müssen wir die Bevölkerung mitreden lassen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein: Version vom 08. März 2017, 08:57 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 3 Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer verbindlichen Volksabstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung „Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich – für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung – politisch für eine verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen.“ ***** (Beifall bei der FPÖ.) Begründung: In einer so umstrittenen, in einer so existenziellen Sache soll nicht eine Mehrheit des Nationalrates entscheiden – wie auch immer diese Mehrheit zustande kommt –, sondern da ist das Volk zu fragen. Ein solcher Beschluss soll daher nur vorbehaltlich des Ausganges einer dann anzuberaumenden verbindlichen Volksabstimmung wirksam sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.) 16.01 Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung. Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut: Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hübner, Dr. Kassegger und weiterer Abgeordneter betreffend Abhaltung einer verbindlichen Volksabstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung, eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend Verhandlungslegitimation der Bundesregierung zu den Abkommen CETA, TTIP und TISA der Abg. Kogler, Glawischnig-Pieszcek und anderer, in der 162. Sitzung des Nationalrates in der XXV. GP am 1.2.2017. Exakt 562.552 Österreicher haben gegen die umstrittenen Handelsabkommen CETA, TTIP und TISA durch Unterfertigung des Volksbegehrens ihre Stimme erhoben. Die Initiatoren sprachen am Tag nach der Auszählung von einem "überwältigenden Ergebnis". Die Bedenken sind bekannt: die Abkommen bedeuten unter anderem ein Absacken der heimischen Lebensmittelqualität sowie einen Todesstoß für die österreichischen Version vom 08. März 2017, 08:57 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 1. Februar 2017 162. Sitzung / 4 Bauern. Österreich wird nicht mehr der „Feinkostladen“ Europas sein. Weiters drohen durch diese Abkommen Gefahren in vielen Bereichen, wie für den heimischen Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz. Das Ende des Vorsorgeprinzips sowie die indiskutable Einrichtung von Schiedsgerichten, die es amerikanischen und kanadischen Konzernen ermöglichen würden, gegen vitale Interessen unseres Landes und unserer heimischen Bevölkerung vorzugehen, sind weitere, klar abzulehnende Punkte. Abgesehen von faktisch belegten Risiken und Gefahren in den Abkommen ist auch der Willensbildungsprozess rund um diese Abkommen aus demokratiepolitischer Sicht inakzeptabel und der Widerstand in der österreichischen Bevölkerung – verständlicherweise – dementsprechend groß, geht doch die Ablehnung des CETAAbkommens quer durch alle Bevölkerungsschichten und politischen Lager. Für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETARatifizierung sollen die Mitglieder der Bundesregierung daher politisch gefordert sein, sich für eine verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag: Der Nationalrat wolle beschließen: „Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich – für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung – politisch für eine verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen.“ ***** Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Schellhorn, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte. Version vom 08. März 2017, 08:57 nach § 52(2) GOG autorisiert
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