Diyarbakir im Südosten der Türkei. Bei diesen Bildern ahnt niemand

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Diyarbakir im Südosten der Türkei. Bei diesen Bildern ahnt niemand, welche
Szenen sich wenige Meter weiter abspielen.
Hinter der Stadtmauer, in der Altstadt liefert sich Türkisches Militär blutige
Kämpfe mit der verbotenen PKK.
Das abgesperrte Gebiet erreichen wir nur über CheckPoints - nach langen
Verhandlungen.
Ab hier schwer bewaffnetes Militär an jeder Ecke.
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Das normale Leben im Viertel ist längst erloschen. Von den 25.000 Anwohnern
sind nur noch 2000 übrig - der Rest ist geflohen, erzählt uns eine kurdische
Frau.
OT: Es soll endlich wieder Frieden kommen. Jedem hier geht es hier schlecht. Wir
leben in Angst. Wenn wir ins Bett gehen, dann wissen wir nicht ob wir morgens
wieder aufwachen. Mit solchen Gedanken schlafen wir ein.
Auch ihre Nachbarin beklagt ihre Situation:
OT: Mein Leben ist furchtbar. Ich bin depressiv, gehe jeden Tag ins Krankenhaus.
Jedes Mal wenn ich die Bomben höre, packe ich meine Sachen und will fliehen.
Möge Gott uns helfen, dass dieser Krieg endet. Möge der Frieden kommen. Es
reicht!
Eine Straße weiter treffen wir plötzlich auf eine Gruppe deutscher Juristen, die
sich ein Bild von der Lage machen wollen.
OT: Die Situation ist extrem gefährlich, was soll man sagen? Das ist eine
Katastrophe. Nicht nur für die Kurden, sondern wie der türkische Staat hier
insgesamt mit der Zivilbevölkerung umgeht.
Unter der Gruppe ist auch die Politikerin Feleknas Uca, ehemalige EuropaAbgeordnete der Linken. Mittlerweile sitzt sie für die pro-kurdische HDP im
türkischen Parlament. Diyarbakir ist ihr Wahlbezirk.
OT: Wir haben bis heute versucht immer wieder zu vermitteln und hoffen auf
Vermittlung sowohl auf der politischen Ebene in Ankara, als auch hier vor Ort. so
bald wie möglich die Ausgangssperre aufgehoben werden kann, dass dort die
Menschen evakuiert werden können, frei kommen können.
Wenige Meter weiter ist absolutes Sperrgebiet - hierhin haben sich die
Gefechte verlagert. Mittendrin werden noch rund 200 Zivilisten vermutet, auch
Kinder sollen darunter sein.
Wir dürfen hinter die Absperrung. Gleich soll es eine Feuerpause geben, damit
Zivilisten das Kampfgebiet verlassen können.
Der Presserummel ist groß. Eine Ansage des Militärs soll nun die Zivilisten
über die Waffenruhe informieren.
OT: Verlassen Sie so schnell wie möglich ihren Aufenthaltsort, trönt es aus den
Lautsprechern. Kommen Sie zur Cumhuriyet Grundschule und treten Sie mit den
Sicherheitskräften in Kontakt.
90 Minuten haben die Zivilisten nun Zeit. Unsere türkischen Kollegen zweifeln
daran, das jemand rauskommt. Viele Zivilisten hätten Angst, schließlich gab es
schon Todes-Opfer, viele fürchteten sich auch, als PKK-Kämpfer hingestellt
und verhaftet zu werden.
Wir warten. Dann ist die Zeit um niemand ist raus gekommen.
Ab jetzt dürfen wir nicht mehr filmen. Noch keine Minute ist vergangen - hinter
uns hören wir schon wieder die Schüsse. Seit drei Monaten geht das schon so.
Wie soll es weitergehen?
Für den Parteivorsitzenden der AKP in Diyarbakir, Muhammed Akar ist die
militärische Operation das einzig richtige Mittel:
OT: Wir wollten, dass die PKK die Waffen fallen lässt und eine demokratische
Lösung finden. Aber leider hat die neue geopolitische Lage in Syrien diesen Umstand
beendet. Und die PKK und andere Organisationen haben der Türkei den Krieg
erklärt. Und damit hat eine aktive Bekämpfung angefangen. Das verläuft natürlich
nicht unblutig.
Wir machen uns auf den Weg einige Kilometer außerhalb der Innenstadt. Wird
sind mit Deniz Naki verabredet. Er ist Profi-Fußballer, kommt aus Deutschland
und hat kurdische Wurzeln. Seit dieser Saison spielt er in Diyarbakir für den
Zweitligisten Amedspor.
Vor einigen Wochen hat sich der 26-jährige den Unmut der türkischen
Regierung zugezogen. Der Grund: Ein Facebook-Post. Er widmete einen Sieg,
den Opfern der Gefechte und forderte Frieden. Ein Aufruf mit Folgen:
OT: Und das war angeblich ne Propaganda, die ich gestartet habe gegen den Staat
und gegen das System und deswegen hab ich 12 Spiele Sperre bekommen.
Zwölf Spiele, dh. für drei Monate ist er gesperrt. Das nimmt er jedoch
erstaunlich gelassen.
OT: Es hätte noch schlimmer ausgehen können. Weil wenn man sich anschaut was
hier im Land zur Zeit alles passiert. Wenn Menschen von Frieden und Freiheit reden,
sterben sie oder landen im Knast. Da kann ich noch mit meinen 12 Spielen zufrieden
sein.
05.00
Während Deniz Mannschaft heute für ein Auswärtsspiel nach Adana fliegt,
bleibt er in Diyarbakir.
Er erzählt uns, dass heute eine Demo im Zentrum stattfindet. Er würde gerne
hin gehen, hält es aber für zu gefährlich: Seit seinem Facebook-Post erhält er
sogar Morddrohungen.
05.16
OT: Viele wollen, dass ich hinter Gittern bin, viele wollen, dass ich sterbe. Deswegen
kann es vielleicht sein, dass wir heute reden und nächste Woche bin ich schon weg,
bin ich tot. Man weiß es nicht, was in dieser Stadt passieren wird.
05.30
Wir wollen uns die Demonstration in der Innenstadt anschauen. Es werden
viele Menschen erwartet - angekündigt ist ein Marsch ins Sperrgebiet.
Polizeifahrzeuge stehen bereits in Stellung. Die Stimmung ist aufgeheizt:
05.43
Atmo Gesang
05.48
Pro-Kurdische Gesänge. Bevor die Demo so richtig anfängt, schreitet die
Polizei ein. Es kommt zum Einsatz von Wasserwerfern und Reizgas. Auch uns
erwischt es am Ende.
06.04
Die Lage im Südosten der Türkei: Momentan unberechenbar. Verhärtete
Fronten und gegenseitiges Misstrauen verhindern eine Lösung des Konflikts.
Leidtragende sind die Menschen.