SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, Chefredaktion Nachrichten und Distribution Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Cem Özdemir (Grüne), Parteivorsitzender, gab heute, Telefon 08.03.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: Telefax „Deutsch-Türkische Beziehung: Gabriel trifft Cavusoglu“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Internet Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Datum: 07221/929-23981 07221/929-22050 www.swr2.de 08.03.2017 Grünen-Parteichef Özdemir: Erdogan hat offensichtlich Angst, zu verlieren Baden-Baden: Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hält es für falsch, sich über türkische Provokationen aufzuregen. Wenn man auf Irrsinn mit Irrsinn antworte, gewinne am Ende nur der Irrsinn, sagte Özdemir im SWR (Südwestrundfunk). Stattdessen sei es richtig, mit „klugem Kopf“ zu reagieren. Man müsse jetzt alles daran setzen, dass die Türken beim Verfassungsreferendum mit Nein stimmen würden, forderte Özdemir. Denn wenn Präsident Erdogan die „absolute Macht“ bekomme, werde es für die Opposition in der Türkei sehr ungemütlich; es wäre das endgültige Signal, dass der Versuch, in einem mehrheitlich muslimischen Land wie der Türkei eine Demokratie zu installieren, als gescheitert betrachtet werden muss. Der Parteichef rät deshalb dazu, die Nein-Bewegung, die auch in Deutschland aktiv sei, zu unterstützen. Das lohne sich, es gebe offensichtlich eine Chance auf ein Nein. Das lasse sich an den scharfen, schrillen Reaktionen von Erdogan ablesen. Özdemir wörtlich: „Da scheint auch Vieles Angstschweiß zu sein.“ Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Deutschland mache systematisch Propaganda gegen die Türkei. Das hat der türkische Außenminister gestern Abend behauptet. Können Sie das nachvollziehen? Özdemir: Nein, das ist natürlich absurd und spricht vor allem dafür, dass es um den innertürkischen Wahlkampf geht, das Referendum. Erdogan hat offensichtlich Angst, diesmal die Wahl zu verlieren. Er scheint Zahlen zu haben, die zeigen, dass es nicht gut bestellt ist um seinen Wunsch, in der Türkei absoluter Diktator zu werden, und darum braucht er Gegner innerhalb der Türkei wie auch außerhalb der Türkei, und außerhalb der Türkei sind es offensichtlich wir Deutsche. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Theis: Vielleicht sind wir doch nicht ganz unschuldig. Die Türkische Gemeinde in Deutschland, die immer für ein gutes Miteinander zwischen Türken und Deutschen ist, wirft der türkischen und der deutschen Regierung sinnloses populistisches Anheizen vor. Sehen Sie das anders? Özdemir: Also, ich bin der Türkischen Gemeinde sehr dankbar - sie hat ja eine nicht ganz einfache Rolle -, dass sie sich nicht in den Chor der Ja-Sager eingereiht hat, sondern aktiv wirbt für „Nein“ in dem Referendum. Das erfordert in diesen Tagen ja geradezu Mut, da sollten wir sie dabei unterstützen. Ich kann verstehen, dass sie darauf achten muss, da ausgeglichen zu sein, die wollen ja schließlich auch noch gesprächsfähig sein mit der türkischen Seite, aber ich kann jetzt nicht erkennen, dass die Bundesregierung Öl ins Feuer gegossen hätte. Ich bin Oppositionspolitiker und als solcher quasi verpflichtet, die Bundesregierung zu kritisieren, aber hier ging doch die Provokation ausdrücklich von Ankara aus. Trotzdem finde ich es richtig, dass wir mit klugem Kopf reagieren. Auf Irrsinn mit Irrsinn zu antworten, da gewinnt am Ende immer nur der Irrsinn. Also, wenn die reden wollen, dann sollen sie in Gottes Namen hier reden, aber dann sollte auch klar sein, sie müssen sich hier an unsere Ordnung halten, und wir erwarten auch eine Geste des guten Willens. Was wir nicht tun sollten ist, es an die Kommunen zu delegieren, das ist das schwächste Glied in der Kette. Vor allem sollten auch nicht die EU-Staaten sich gegeneinander ausspielen lassen, also die Österreicher haben ein eigenes Vorgehen, die Niederländer, vielleicht die Schweden und die Deutschen, sondern wir sollten uns da europapolitisch abstimmen. Das wäre sowieso gut, wenn es endlich so etwas wie eine Art Türkei-Strategie, abgestimmt, gäbe. Theis: Das ist jetzt schon einen Schritt weiter. Jetzt müssen wir vielleicht erst mal gucken, dass wir das deutsch-türkische Verhältnis wieder ein bisschen in den Griff kriegen und vielleicht auch Dampf raus nehmen, wie Sie das ja andeuten. Glauben Sie, Außenminister Gabriel ist der Richtige, das heute zu tun mit seinem türkischen Kollegen? Özdemir: Er ist jetzt der Außenminister. Wer das anders sieht, kann ja im September gern eine andere Partei wählen. Ich hätte da ein gutes Angebot. Aber jetzt ist er erst mal Außenminister, wir werden das bis zum September wohl nicht geändert bekommen, und da muss er jetzt eben schauen, den richtigen Ton zu finden. Dazu gehört aber auch, dass man nochmal daran erinnert, wir reden hier nicht im luftleeren Raum: In der Türkei ist erstmals ein deutscher Journalist verhaftet. Das hat natürlich eine neue Qualität, und die Türkei muss die sich die Kritik auch deshalb gefallen lassen, weil sie schließlich NATO-Mitglied ist, sie ist Mitglied des Europarates, sie will in der Europäischen Union Mitglied werden. Zumindest offiziell will sie das immer noch, auch wenn sie alles dafür tut, dass das niemals in Erfüllung geht, und daran muss sie sich messen lassen. Wir haben da ein klares Interesse, dass Deniz Yücel, der Korrespondent der „Welt“, so schnell wie möglich frei kommt. Aber eigentlich reicht uns das nicht. Auch die anderen 150 Journalisten der Türkei, Politiker, die von der Opposition sind, Wissenschaftler usw., die müssten eigentlich frei kommen und müssen vor rechtsstaatliche Gerichte und nicht vor der Willkürjustiz landen. Theis: Klappt das aber denn nicht nur, wenn wir das Verhältnis noch einmal verbessern? Dafür sind ja unter anderem auch Vereine wie die Union europäisch-türkischer Demokraten, UETD, in Deutschland verantwortlich, die hier Lobbyarbeit für Erdogans Partei machen. Müssen wir nicht da ansetzen? Özdemir: Na ja, diese Vereine sind Vorfeld-Organisationen der AKP, deren einziger Zweck ist, hier für die AKP die Werbetrommel zu rühren, die Schäfchen zu organisieren. Da würde ich mir jetzt nicht viel Integrationsarbeit erwarten. Das wäre, glaube ich, ein bisschen naiv. Aber was wir machen müssen, das ist, dass wir alles daran setzen, dass bei dem Referendum ein Nein rauskommt. Das ist die einzige Hoffnung, dass die Türkei wieder irgendwann zurückkehrt auf den Pfad der Tugend, sich wieder Richtung Demokratie orientiert. Denn wenn Erdogan die absolute Macht bekommt - er hat ja jetzt schon fast sowas wie absolute Macht in der Türkei dann glaube ich, wird es für die Opposition sehr ungemütlich werden. Dann werden viele Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Menschen aus der Türkei sich auf den Weg machen nach Europa, auch nach Deutschland. Intelektuelle Journalisten sind ja schon einige in der Bundesrepublik Deutschland. Das wäre das endgültige Signal, dass der Versuch, in einem mehrheitlich muslimischen Land wie der Türkei eine Demokratie zu installieren, als einstweilen gescheitert betrachtet werden muss. Darum rate ich dazu, die Nein-Bewegung, die es ja auch in Deutschland gibt, also „Nein zur Diktatur in der Türkei“, „Nein zum Verfassungsreferendum“, die jetzt zu unterstützen. Das lohnt sich, es gibt offensichtlich eine Chance auf ein Nein, das sieht man an den scharfen, schrillen Reaktionen von Erdogan, da scheint auch Vieles Angstschweiß zu sein. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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