Deutschlandfunk GESICHTER EUROPAS Samstag, 4. März 2017, 11.05 – 12.00 Uhr KW 09 Operation Halali – Alltag und Lobbyarbeit der französischen Jäger Mit Reportagen von Suzanne Krause Am Mikrofon: Andreas Noll Musikauswahl und Regie: Simonetta Dibbern Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar – Die Jagd gehört zum französischen Alltag wie die Kirche im Dorf. Mit mehr als einer Million aktiven Jägern steht Frankreich europaweit an der Spitze. In manchen Regionen sind Jagdvereine das einzige Freizeitangebot. Doch die Älteren unter den Waidmännern schwören: Früher war alles besser. Es gab mehr Wild, weniger Vorschriften und weniger Gegner der Jagd. Im Vorfeld der Präsidentenwahlen gehen Frankreichs Jäger auf die Pirsch nach politischer Unterstützung. Bei den bürgerlichen Parteien finden sie offene Ohren, denn mit waidmännischer Schützenhilfe wollen die Konservativen das Vorrücken des Front National auf dem Land stoppen. O-Ton: « Schon im Mutterbauch habe ich vom Jagen geträumt. Ich bin ein Landbewohner. Mit sechs, sieben Jahren hatte ich meine erste Schrotflinte, habe meine erste Amsel erlegt. » O-Ton: « Wir Naturschützer haben alles Mögliche unternommen: Wir haben Protestkundgebungen organisiert, den Präfekten und Politiker getroffen, geklagt, bis hin zum Europäischen Gerichtshof. Die Gegenseite hat sehr gewalttätig reagiert. Todesdrohungen habe ich jahrelang erhalten. » O-Ton: « Im Prinzip ist jedes junge Mädchen bei uns auf dem Lande imstande, ein Wildragout zuzubereiten. Früher hieß es in manchen Regionen: Konnte ein Mädchen kein Ragout kochen, war die Hochzeit mit einem Jäger ausgeschlossen. Das passt einfach nicht zusammen. Naja, von den alten Traditionen ist nicht mehr viel übriggeblieben – leider. ».“ Operation Halali – Alltag und Lobbyarbeit der französischen Jäger Gesichter Europas mit Reportagen von Suzanne Krause. Am Mikrofon ist Andreas Noll Reportage 1 Die Jagd als Vergnügen – Auf der Pirsch in Rambouillet Wenn die Jäger aus der französischen Hauptstadt ihr Gewehr ins Auto laden, machen sich viele auf den Weg nach Rambouillet. Gut 50 Kilometer sind es von Paris bis in den riesigen Staatsforst. Dort zieht sich auf fast 100 Kilometern ein dichtes Wegenetz durch den Wald, dessen Kern König Heinrich IV. im 16. Jahrhundert anlegen ließ - für die königlichen Hetzjagden. Anders als damals steht heute die Jagd allen Franzosen offen – wenn sie den verhältnismäßig einfach zu erwerbenden Jagdschein besitzen. Dominque Blanchard ist einer von gut einer Million aktiven Jägern in Frankreich. Der ehemalige Bankangestellte aus einer kleinen Gemeinde südlich von Paris ist im Ruhestand und hat viel Zeit für sein Hobby. Noch vor Sonnenaufgang ist er aufgebrochen – um im Wald von Rambouillet auf die Pirsch zu gehen: * Auf einem Parkplatz im Wald trudeln nach und nach die JagdTeilnehmer ein. Die gut dreißig Personen, Treiber und Jäger tragen orangefarbene Schutzwesten und manche Hosen im Tarnlook. Nur wenig Junge sind darunter, viele im Rentenalter, eine einzige Frau. Der Jagdleiter hat eine Karte auf der Kühlerhaube seines Geländewagens ausgebreitet und erklärt den Treibern, wo sie sich im Wald positionieren sollen. Was gejagt werden darf, welche Sicherheitsregeln zu beachten sind. Dominique Blanchard hört aufmerksam zu. Dabei ist der hochgewachsene Anfang 60-Jährige mit den grauen Schläfen, dem offenen Blick und dem festen Handschlag keineswegs ein Novize. Blanchard rückt den braunen Filzhut auf dem Kopf zurecht. «Das erste Mal bin ich 1976 auf die Pirsch gegangen, an Details kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Mein Schwiegervater hatte mich mitgenommen und mit dem Jagdvirus infiziert. Damals bin ich auf den Geschmack gekommen.» Während die Treiber unterwegs sind zu ihren Posten, überbrücken die Jäger mit einem Plausch die Zeit. Einige haben ihre Hunde von der Leine gelassen, die beiden Jack-Russell-Terrier von Blanchard sind noch im Auto. Ohne Hund sei ein Jäger kein Jäger, sinniert Blanchard, während er den Tieren zuschaut, wie sie über den Parkplatz schnüffeln. Der Bekannte neben ihm nickt. « Die Hunde langweilen sich, sie fragen sich, wann es endlich losgeht. » « Ich bin gespannt, ob wir viel Wild sehen werden. Heute ist es sehr kalt, da stehen die Chancen eigentlich gut. Aber vorab weiß man das nie und befehlen kann man nichts. » « Wir jagen ja nicht des Fleisches wegen. Sondern um Tiere in freier Wildbahn zu sehen und um deren Bestand zu regulieren. » « Dass wir Tiere erlegen, ist längst nicht das Wichtigste bei einem Jagdausflug. Da wiegt die Pirsch und alles andere drum herum viel mehr. Ein Tier zu töten, das macht keinen Spaß. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Wildschweine zu stark vermehrt und sie richten immer mehr Schaden an. » Mit weitausholenden Schritten laufen die Jäger los, zu einem schmalen Waldweg. Unter den Stiefeln knirscht der Harschschnee. Lautlos kämen sie heute nicht durch den Wald, kommentiert Blanchard leicht verärgert. Ein paar Hundert Meter weiter, in Nähe eines Wildwechsels, beziehen die Männer ihre Posten. Von Blanchards linker Schulter baumelt das Jagdhorn, die gesicherte Flinte hat er unter den rechten Arm geklemmt. Mechanisch streift sein Blick durch das Unterholz. « Die Jagd ist ein teures Vergnügen. Vor allem angesichts der heutigen Wirtschaftslage. Und insbesondere im Pariser Großraum. Denn die hiesigen Jäger verfügen über ein höheres Einkommen als die in der Provinz. Und sie sind zahlreicher. Deshalb ist hier die Pacht viel teurer als andernorts. Ich muss für die Pachtgebühren jährlich bis zu 4.800 Euro aufbringen. Nicht eingerechnet sind da die weiteren Kosten: für die Fahrten, für Waffen, Munition und für alles andere. » Blanchard unterbricht – aus dem Wald schallt eine Botschaft herüber. « Eine Hirschkuh ist erlegt worden. Die einzige, die wir heute schießen durften. Jetzt können wir nur noch auf Kitze und Hirsche anlegen. Zurück zum Budget. Derzeit kann ich mir diese Leidenschaft noch erlauben. Wenn es noch teurer wird, werde ich wohl an anderer Stelle den Gürtel enger schnallen. Denn die Jagd liegt mir einfach zu sehr am Herzen. » Wieder spitzt Dominique Blanchard die Ohren. In der Ferne kracht es im Unterholz. Der Jäger reißt seine Flinte unter dem Arm hervor, entsichert sie schwungvoll und legt sie an der Wange an. Seine beiden Terrier sind schon losgespurtet, ganz aufgeregt, ab ins Unterholz. Mit weit vorgebeugtem Oberkörper starrt Blanchard ihnen hinterher. Das Jagdfieber hat ihn sichtlich gepackt. Sau! Vielleicht fünfzig Meter von Blanchard entfernt rennt eine Rotte Wildschweine vorbei, ein Keiler vorweg, zwei Bachen hinterher, gefolgt von einem knappen Dutzend Frischlingen. Im Schweinsgalopp nähern sie sich einem Jäger, der anlegt, aber sein Ziel verfehlt. Einige Sekunden später hat der Wald die Wildschweine verschluckt, einige Hunde bleiben ihnen auf der Fährte. Blanchard lässt tief ausatmend die Flinte wieder sinken und wendet sich dem glücklosen Schützen zu. « Du hättest Dich mal anstrengen können! Warum hast Du nicht eine der Bachen anvisiert? Dafür musst Du nachher eine Runde spendieren! » Die Jäger sind wieder aufgebrochen, quer durchs Gestrüpp. Routiniert schlängelt sich Dominique Blanchard an niedrigen Ästen vorbei, trampelt Dornenranken nieder. Am Rande einer Lichtung stoppt er, genau wie seine Kollegen weitab links und rechts. Jetzt ist nur noch Vogelgezwitscher zu hören. « Niederwild gibt es hier kaum noch, nur noch Hochwild. Rebhühner, Kaninchen und wilde Fasane sind bei uns vollständig verschwunden. Dafür gibt es mehrere Gründe: die zunehmende Urbanisierung. Die Pestizide. Die Vernichtung von Hecken als natürliche Rückzugsorte für das Wild. Und die Monokultur in der Landwirtschaft. » In den kommenden zwei Stunden wird Dominique Blanchard kein Wild mehr vor die Flinte kommen. Dabei durchkämmen Jäger und Treiber im Kesselverfahren ein großes Waldstück. Gute dreizehn Kilometer Parcours, ein überaus sportliches Unterfangen. Kurz vor dem Parkplatz zieht Blanchard Bilanz, ein zufriedenes Lächeln umspielt seine Lippen. « Alles läuft bestens. Wir haben einige Tiere erlegt und die vorgegebene Abschussquote verbessert. Dazu haben wir Glück mit dem Wetter: Es ist kalt, aber sonnig und der Himmel blau. Das einzig Besorgniserregende ist, dass einige Hunde noch einem verletzten Wildschwein auf der Spur sind. Denn ein angebleiter Keiler neigt dazu, auf die Hunde loszugehen und so etwas kann schlimm enden. » Einige Minuten später sind die Hunde endlich wieder aufgetaucht, Blanchards Terrier leicht humpelnd, aber unverletzt. Die Jagdgesellschaft macht sich auf zum 'Schüsseltreiben', zum Mittagessen in einer nahen Landgaststätte. Sich aufwärmen und stärken, bevor es dann zurück in den Wald geht. Literatur I Die Jagd in Frankreich folgt eigenen Gesetzen. Regeln, die für Außenstehende schwer zu durchschauen sind. Schon die Fachsprache hält Laien auf Distanz. Und weil die Jäger in der Öffentlichkeit zunehmend in den Hintergrund rücken, verschwindet auch das gar nicht so komplizierte Jägerlatein aus dem Alltag. Jene Heldengeschichten von der Jagd, die maßlos übertrieben sind. Jäger und Nicht-Jäger brauchen also immer häufiger Dolmetscher. La Chasse pour les Nuls – also „DieJagd für Dummies“ von David Gaillardon und Antoine Berton übernimmt diese Aufgabe vorzüglich und ist damit zum Standardwerk für die Jagd in Frankreich geworden. Warum die Jagd ? Das Räuber-Beute-Verhalten...- ist wie die Liebe oder der Krebs. Es schlummert in uns, wie eine Zelle im Organismus und erwacht oder auch nicht. Dieses Verhalten ist der stärkste Motor, der zur Jagd antreibt, ein schalkhaftes Spiel, bei dem der Affe, einer Gazelle nachjagend, zum Mensch wird... Im heutigen Frankreich stößt die Jagd quer durch alle sozialen Schichten auf Interesse, und ihr Umfeld versucht aufzuzeigen, dass es sich bei der Jagd um einen wichtigen Bestandteil des ökonomischen Alltags auf dem Land handelt. Die Jagdvereine finden ihren Nachwuchs unter Jugendlichen ebenso wie unter frischgebackenen Rentnern, betreiben ein dichtes Netzwerk, sie geben zahllosen kleinen und mittleren Unternehmen Brot und Arbeit und zeigen so Präsenz im politischen und im öffentlichen Leben. Darüber hinaus erklärt sich die Jagd heutzutage auch mit dem Bedürfnis, wahre Werte wiederzufinden, landsmännische, dem Heimatgut verpflichtet, ohne dies in langen Reden herauszustellen... Also, warum die Jagd ? Weil sie uns unsere wahre Natur aufzeigt, unsere eigene Rolle in der Natur. Ein Befund, den ein Hermann Hesse vielleicht festgemacht hätte an Siddharta, der bewundernd dem Wasser des Ganges hinterher schaut... Reportage 2 – Politische Flexibilität – Die Lobbyarbeit der Jäger in Nordfrankreich Die Jäger in Frankreich sind straff organisiert – und in vielen Regionen ein politischer Machtfaktor. Eine knappe Autostunde nördlich von Paris liegt das Département Oise mit mehr als 800.000 Einwohnern – und 17.000 aktiven Jägern. An den Jägern kommt die Politik hier nicht vorbei. Das demonstriert schon der mächtige Sitz des Verbandes mit großem Parkgelände am Rande der Kleinstadt Clermont de l’Oise. Seit vielen Jahren steht Guy Harlé d’Ophove an der Spitze der Vereinigung auf Departementsebene. Harlé d’Ophove kennt keine Berührungsängste mit der Politik – und die Politiker nicht mit ihm. Bei den jüngsten Regionalwahlen vor gut einem Jahr stand sein Name auf der Liste der konservativen Partei Les Republicains, die heute mit Xavier Bertrand den Regionalpräsidenten stellt. Bertrand hat den Jäger Harlé d'Ophove zum Chef der Umweltkommission gemacht – und damit ein politisches Signal an die Jägerlobby geschickt: * Das Büro des Umweltbeauftragten der Regionalregierung im nordfranzösischen Lille ist an diesem Nachmittag verwaist - Guy Harlé d'Ophove hält es heute nicht am Schreibtisch. Er ist zum 'Haus der Jagd und der Natur' in Clermont-de-l'Oise gefahren, das dem regionalen Jägerverband gehört. Hier in einem Park am Stadtrand befindet sich dessen weidmännisches Ausbildungsgelände. Harlé d'Ophove deutet auf das Stück Brachland mit Info-Tafeln, die anschaulich Maßnahmen zur Pflege der Artenvielfalt vermitteln. Ein paar Meter weiter befindet sich die Baumschule für heimische Laub- und Nadelbäume, mehr als 4.000 Schüler kommen jährlich zum Naturkundeunterricht auf das Gelände. Der korpulente Endsechziger in Anzug und Krawatte ist stolz auf diese Außenwirkung. Ein positives Image der Jagd zu vermitteln, aufzuklären, dass die Jäger beim Naturschutz eine wichtige Rolle spielten - diese politische Mission begleitet fast sein ganzes Leben. « Ich habe einfach den dogmatischen Diskurs der Grünen nicht mehr ertragen können. Die Region Nord-Pas-de-Calais war unter den Sozialisten langer in grüner Hand. Das wollte ich nie wieder. Denn die haben eine sektiererische Vision von der Natur. Sie wollen die Natur mit Normen und Regeln vor dem Menschen abschirmen. Aber das ist falsch - der Mensch ist doch die Krone der Schöpfung. Wenn der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt der Natur steht, wird diese entstellt und ist dem Untergang geweiht. » Berufspolitiker sei er nicht, winkt Guy Harlé d'Ophove gleich ab. Er habe einfach dem Werben von Xavier Bertrand nachgegeben, der für die Regionalwahlen im Winter 2015 die Liste der konservativen Partei Les Républicains zusammenstellte. Und dabei auf die Schützenhilfe der Jäger setzte: Die Region zählt 120.000 Waidmänner, deren Familien gar nicht mitgerechnet. Xavier Bertrand wollte seine härteste Konkurrenz ausbooten: Marine Le Pen, Chefin des Front National. Denn 2012, bei der Präsidentschaftswahl, hatten im Norden 40 Prozent der Jäger für die Rechtsextremen gestimmt. Nun aber machte Bertrand das Rennen. Und dankte als frischgekürter Regionspräsident den Weidmännern, indem er sechs Jäger in sein Kabinett holte. Seither ist Guy Harlé d'Ophove für die Umweltpolitik zuständig. Nicht das erste Amt für den politisch flexiblen Fürsprecher der Jäger. Ab 1986 war er zwei Jahre lang Vizepräsident des Regionalrats - damals noch für den Front National. An diese Erfahrung knüpft er an. « Schauen Sie sich um – für alles, was der Jägerverband hier aufgebaut hat, erhalten wir Null Subventionen. Die Ökovereine hingegen sind lange mit öffentlichen Geldern gemästet worden. Für nichts und wieder nichts. Wenn ich mir die Bilanz der letzten zehn Jahre anschaue, ist die Artenvielfalt rückläufig! Ich verwalte Steuergelder und habe deshalb Schluss gemacht mit der herkömmlichen Subventionspolitik. Ich finanziere nur noch Projekte, die der Region zugute kommen. » Seine Augen strahlen, als er den Teich am Rande des Parks erreicht. Drei Enten schwimmen auf dem Wasser, direkt dahinter erhebt sich ein Erdhügel, dessen Ausläufer geschwungen fast bis ans Wasser heranreicht. Auf der Rückseite allerdings entpuppt sich der Erdhügel als ein gemauertes Häuschen. Eine Hütte, typisch für die Jagd auf Wasservögel in Nordfrankreich. Es geht in einen karg eingerichteten Raum. Ein leichter Modergeruch steigt auf. Nur vier Schritte, dann steht Harlé d'Ophove im Schießbereich. Er muss sich tief bücken, um den Holzladen der Schießscharte an der Stirnwand hochzuklappen. Nun ist er fast Aug in Aug mit den Enten auf dem Teich. « Schon im Mutterbauch habe ich vom Jagen geträumt. Ich bin ein Landbewohner. Mit sechs, sieben Jahren hatte ich meine erste Schrotflinte, habe meine erste Amsel erlegt. » Auf dem Weg nach draußen wird der Verbandspräsident melancholisch. Unzählige Nächte habe er schon mit Freunden, vom Fabrikarbeiter bis zum Großindustriellen, in solchen Jagdhütten verbracht, die Stimmung hier sei etwas ganz besonderes. Und wiege viel mehr als die 1,3 Enten, die im Schnitt bei einer Jagd geschossen würden. « Ich kenne viele Leute, die sagen: 'Ich verzichte auf Skiferien und auch auf Strandurlaub. Mein Leben: das ist die Hütte. Also lasst uns gefälligst in Ruhe Wasservögel jagen!' Diese Leute belästigen niemanden, im Gegenteil. Sie reinigen den Teich vor ihrer Hütte, damit er nicht zuwuchert. Sie pflegen also ehrenamtlich ein Stück wilder Natur, das es ohne ihren Einsatz so nicht mehr gäbe. Dennoch lassen uns die Ökos keine Ruhe – die haben neulich auch unseren Verbandssitz mit der Parole 'Tod den Jägern' besprüht. » In seinem Büro im Verbandsheim hat Guy Harlé d'Ophove Broschüren zurechtgelegt: darunter ein Faltblatt des JägerLandesverbands. Es thematisiert in bunten Grafiken die wirtschaftliche Bedeutung der Jagd: 3,6 Milliarden Euro Umsatz, 25.800 Vollzeitjobs. Zahlen, die Harlé d'Ophove auswendig kennt – wohl, weil er sie bei jeder Gelegenheit zitiert. « Wir Jäger repräsentieren eine Stimme der Landbevölkerung - eine aktive Stimme. Die Grünen haben uns unseren Lebensstil angekreidet. Wenn eine Minderheit angegriffen wird, gibt es zwei Möglichkeiten - sie reagiert nicht und geht unter. Oder sie setzt sich zur Wehr. Und zieht andere mit. Und wir Weidmänner sind ein Machtfaktor, der andere mitreißen kann. Der Ausdruck ist ein bisschen gewagt, aber nun gut: Wir sind der bewaffnete Arm der Bevölkerung im ländlichen Raum! » « Lange Zeit waren wir einem Motto treu: das glückliche Leben blüht im Verborgenen. Damit ist nun Schluss! Und bei der Umweltpolitik, die wir in der Region Hauts-de-France betreiben, gehen wir vor wie ein guter Familienvater: sehr pragmatisch, aber auch entschlossen – sehr entschlossen!» Literatur II Die Großkundgebung von Februar 1998 In der jüngeren Geschichte der Jagd in Frankreich gibt es ein Datum, das kein Jagdbegeisterter vergessen kann: den 14. Februar 1998. An diesem Tag waren an die 450.000 Jagdunterstützer – die Polizei zählte 250.000 – in Paris, um gegen die Regierungspolitik, also einen Gesetzentwurf von Umweltministerin Dominique Voynet, zu demonstrieren. Diese friedliche und beeindruckende Kundgebung war ein direkter Beweis für die Organisationskraft der französischen Waidmanns-Zunft. Zwei Jahre später verabschiedete die Regierung ein sehr ansprechendes Jagd-Gesetz. Zu betonen ist außerdem, dass bei den Europaparlamentswahlen ein Jahr nach der Großkundgebung die politische Bewegung « Chasse-Peche-Nature-Traditions » sechs Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden konnte. Reportage 3 – Den Jägern Grenzen setzen – Unterwegs mit einem Naturschützer in Lyon Obwohl sie vorgeben, ähnliche Ziele zu verfolgen, stehen sich Jäger und Umweltschützer auch in Frankreich unversöhnlich gegenüber. Doch im Vergleich zu den Jägern haben die Umweltschützer weniger Nachwuchssorgen. Im Gegenteil: Ihr politischer Einfluss wächst – wie die Reform des Zivilrechts zeigt. Jahrhundertelang galten in Frankreich Tiere als „bewegliches Gut“ – seit gut zwei Jahren hat sie der Gesetzgeber als „bewegliche und sensible Wesen“ anerkannt. Ein Punktsieg der Naturschützer. Und auch im direkten Revier der Jäger wildern die Freunde von Hase, Hirsch und Wildschwein. Verschärfte Jagdregeln! Das ist ihr Ziel. Als Argument präsentieren sie die Statistik: gut 30 Tote fordert die Jagdsaison in Frankreich pro Jahr. Jäger und Unbeteiligte. Pierre Athanaze zählt zu den prominentesten Jagdgegnern im französischen Südosten. Von Lyon aus kämpft er seit mehr als 30 Jahren für den Tierschutz – und gegen die Jagd: * Die morgendliche Rushhour in Lyon ist vorüber, auf der mehrspurigen Schnellstraße fliesst der Verkehr nun flüssig. Am Lenkrad seines Kleinwagens lehnt sich Pierre Athanaze, ein unauffällig wirkender Endfünfziger, graue Haare, Schnauzer und Kinnbart, Jeans und olivgrüne Fleecejacke, entspannt zurück. « Es geht in den Süden von Lyon, an das Rhône-Ufer. Zu den Bibern, die dort schon seit Urzeiten leben. In diesem Jahr sind die Tiere besonders aktiv, zum Leidwesen der Anwohner. Die Biber haben mehr große Bäume gefällt als in den Jahren zuvor. Den Verantwortlichen für die umliegenden Staudämme treibt das die Sorgenfalten auf die Stirn. » Pierre Athanaze will sich im Auftrag der Gemeinden ein Bild von der Lage machen - als Förster kann er beurteilen, ob die Sorgen gerechtfertigt sind. Seine Liebe zur Natur wurde ihm fast schon in die Wiege gelegt. « Mein Vater ging zur Jagd, ebenso wie meine Großeltern. Als kleiner Bub und als Teenie war ich nicht wirklich gegen die Jagd. Aber mir fehlte die Lust, mitzutun, ich fand es nie amüsant, auf Tiere anzulegen. Die Natur hingegen hat mich schon immer angezogen. Von klein auf war ich in Naturschutzvereinen. » Anfangs, erinnert sich Pierre Athanaze, habe er gedacht, mit den Jägern ließe sich reden, man könne gemeinsam für den Naturschutz kämpfen. « Als ich im Verein mehr Verantwortung übernommen habe, war ich unmittelbar mit der totalitären Einstellung der Jäger konfrontiert. Speziell im Südosten, in der Ardèche, wo der Staat die Wilderei zuließ, im März, wenn Zugvögel unterwegs sind. Da wurden nicht nur tausende Tauben illegal abgeknallt, sondern auch geschützte Arten. Wir Naturschützer haben alles Mögliche unternommen: Wir haben Protestkundgebungen organisiert, den Präfekten und Politiker getroffen, geklagt, bis hin zum Europäischen Gerichtshof. Die Gegenseite hat sehr gewalttätig reagiert. Todesdrohungen habe ich jahrelang erhalten. » Damals saß der Aktivist im Vorstand des staatlichen 'Amts für Jagd und Fauna', Seite an Seite mit Jägern. Athanaze kennt also die Argumente der Gegenseite. Wie das, bei der Jagd gehe es um die Bestandsregulierung. Der Naturschützer schüttelt den Kopf. « Wenn nur wegen der Bestandsregulierung gejagt wird, wie kann es dann sein, dass die Jäger Züchtern alljährlich 20 Millionen Fasane und Rebhühner abkaufen, um sie am nächsten Tag aufs Korn zu nehmen? Dahinter steckt doch eher das Vergnügen, Tiere zu erlegen. » « Häufig bringen die Jäger das Argument der Wildschweinplage vor – wenn sie die Wildsäue nicht erledigen würden, käme es zu einer Katastrophe. Es stimmt, es gibt zu viele Wildschweine. Das aber liegt daran, dass die Jäger in den 1970er, 1980er Jahren Kreuzungen zwischen Wild- und Hausschweinen freigesetzt haben – die haben öfter und mehr Nachwuchs als die Wildtiere. Zudem werden sie inzwischen im Winter von den Jägern noch gefüttert. Denn auch wenn die für die Schäden durch Wildverbiss aufkommen müssen – die Wildschweine lassen sich bei Jagden richtig gut versilbern. » In der Jagdbranche geh es um hohe Summen, kommentiert Pierre Athanaze. Geld, das bisweilen am Finanzamt vorbei fließt, wie die renommierte Tageszeitung Le Monde kürzlich in einer langen Reportage zu den Jagdhütten im hohen Norden offenlegte. Für einen Tag Miete kassiert mancher Besitzer bis zu mehrere tausend Euro. Längst nicht immer bei der Steuer deklariert. Pierre Athanaze stellt das Auto in einer Sackgasse ab. Von hier führt ein Pfad zum Rhône-Ufer, zu einer Biberburg. Nach ein paar Metern entdeckt er im Unterholz die erste leere Patronenhülse. Hier wird Füchsen nachgestellt. Auch sonntags, wenn Spaziergänger unterwegs sind. Jagdzeit in Frankreich, zwischen Juni und Spätwinter, ist quasi rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Europaweit ein Unikum, ebenso wie die Beuteliste. Die verzeichnet bis zu 90 Tierarten, weit mehr als überall sonst. Zu verdanken sei all dies der intensiven Waidmans-Lobbyarbeit. Der Naturschützer stoppt und verschränkt die Arme vor der Brust. « Der französische Jagdverband entstand 1941, unter der PetainRegierung, die alles andere als demokratisch war. Sie zwang alle Jäger, demselben Verband beizutreten. Damit wurde eine mächtige Lobbygruppe aufgebaut. In Deutschland können die Jäger zwischen mehreren Verbänden wählen, in Frankreich nicht. Damit verfügt die hiesige Organisation auch über enorme finanzielle Mittel. Und kann es sich erlauben, vier Personen zu beschäftigen, die ausschließlich für den Verband Lobbyarbeit macht. Sie stehen in ständigem Kontakt mit den Abgeordneten beider Kammern und bieten den Jägern unter ihnen Ausflüge in prestigeträchtige Jagdgebiete. Nicht-Jäger werden in gute Restaurants eingeladen. Diese Lobbyarbeit steht der großer Pharma- und Industrie-Unternehmen in nichts nach. Und leider sind die Politiker dafür sehr offen.» Vor dreieinhalb Jahren haben sich zahlreiche Vereine zu einer breiten Protestfront zusammengeschlossen. Sie organisiert zum Auftakt der Jagdsaison Protestkundgebungen. Im vergangenen Jahr in 17 großen Städten. « Vor sechs Jahren wurden die Franzosen zu ihrer Einstellung zur Jagd befragt. Damals äußerten sich 54 Prozent der Befragten dagegen. Vor einem halben Jahr wurde die Frage erneut gestellt - nun sind 80 Prozent der Befragten gegen die Jagd. Und das Gros unter ihnen lebt auf dem Land. Es wäre an der Zeit, dass die Politiker die Augen öffnen und erkennen, dass die Gesellschaft heute anders denkt als früher. Und dass die Jagd weitaus strikter reglementiert werden sollte. » Pierre Athanaze deutet auf einen rundum angenagten Baum an der Uferböschung. Den will der Förster sich näher anschauen. Schließlich ist er ja heute in Biber-Mission unterwegs. Reportage 4 – „König Hase“ – Das Wildbret in der modernen Küche Die Ernährungsberater sind sich einig: Ein besseres Fleisch als Wildbret ist kaum zu finden. Wenig Fett – hoher Eiweißgehalt. Und auch die Naturschützer müssten es eigentlich lieben: 100% nachhaltig, Bio durch und durch und noch dazu aus lokaler Produktion. Und doch fristet Wildbret ein Nischendasein. Gerade einmal 600 Gramm Wildfleisch isst der Durchschnittsfranzose im Jahr – weniger als die Nachbarn in Deutschland Aber es gibt sie, die Restaurants, die Wildbret auf ihre Speisekarte nehmen – und Jungköche, die an raffinierten Gerichten tüfteln. Im Pariser Jagdhaus „Maison de la Chasse et de la Nature“ ist Küchenchef Fabrice Girardeau für solche Kreationen zuständig. Er bekocht hier ausschließlich zahlende Mitglieder – wohlhabende Jäger aus der Hauptstadtregion:: * Das Reich von Fabrice Girardeau verbirgt sich im Bauch der 'Maison de la Chasse', im Untergeschoss, fensterlos, niedrige Decke. Eine Profiküche: in der Raummitte ein Edelstahlblock mit Kochstellen, rundum polierte Arbeitsflächen. Der Chefkoch, ein mittelgroßer, dezent gerundeter Mann mit schalkhaftem Blick, inspiziert die Kühlkammer. Dort baumelt buntes Federvieh am Haken. « Die beiden hübschen Schnepfen werden wir nach traditionell französischem Rezept mit den Innereien verarbeiten. Daneben hängen zwei Stockenten. Und da die Jagdsaison fast vorbei ist, haben wir nur eine kleine Rehkeule und einen Frischling reinbekommen. » Das Wildschwein will Girardeau zum Diner servieren, ein Frischlingsragout an Birne. Auf dem Weg zur Küche streift sein Blick eine Steige Birnen – in Rotwein und Gewürzen will er die Früchte einlegen. Und dazu soll es ein Selleriepüree geben. « Damit lässt sich der erdige Wildgeschmack hervorheben. » Das Fleisch hat der Küchenchef schon sorgfältig ausgebeint. Nun hackt er eine Frischlings-Rippe klein. « Die Knochenreste werden für einen Saucenfond angeschwitzt. Dazu kommen Wein und Schweinsblut und in dem Sud schmort dann das Wildschwein. So gehört es sich bei einem zünftigen Jagdessen. » Zum Anbräunen nutzt Fabrice Girardeau eine in der Kochzeile eingebaute Kippbratpfanne, die der Koch auf 250 Grad erhitzt. Nach wenigen Sekunden hat die viereckige Pfannenschale die vorgesehene Temperatur erreicht. Der Küchenchef kippt die Knochenreste hinein und verteilt sie mit der Hand. Ein bisschen Knoblauch und ein paar Zwiebeln brauche er noch, kleingehackt, ruft Girardeau seinem Kommis zu. Früher war Wildragout eine Speise für das Volk, sagt der Koch. Ein Resteessen mit dem, was am Tisch der Herrschaft abfiel. König und Adel verzehrten Jagdbeute immer gegrillt. Heute gebe es beim Verzehr von Wildbret keine vergleichbaren Klassenunterschiede mehr. « An der Zubereitung hat sich im Prinzip kaum etwas geändert. Aber natürlich hat sich die Küche weiterentwickelt, heute verwenden wir viel weniger Fett. Und zudem veredeln wir ein Frischlingsragout nun mit Foie gras oder mit frischen Pilzen. » Die Knochenreste brutzeln sich braun, ein leckerer Duft steigt auf. Gedankenverloren starrt Fabrice Giradeau auf den Saucenfond. « Im Prinzip ist jedes junge Mädchen bei uns auf dem Lande imstande, ein Wildragout zuzubereiten. Eigentlich auch heute noch. Früher hieß es in manchen Regionen: Konnte ein Mädchen kein Ragout kochen, war die Hochzeit mit einem Jäger ausgeschlossen. Das ging einfach nicht zusammen. Naja, von den alten Traditionen ist nicht mehr viel übriggeblieben – leider. » Vorsichtshalber bietet das Maison de la Chasse den Mitgliedern inzwischen einen speziellen Service an: Jäger können ihre Beute ausweiden und sie sich ganz nach Wunsch zubereiten lassen. Zum Mitnehmen. Oder für ein stilvolles Essen mit Freunden in einem der Säle des feudalen Jäger-Clubhauses. Eigentlich sei fast jeden Mittag und Abend Betrieb im Haus, sinniert der Küchenchef. « Ich kann Ihnen nicht sagen, wer alles ins Haus kommt – ich darf es nicht ! Hier herrscht Schweigepflicht. Nur soviel: Ein Gutteil des europäischen Adels geht hier ein und aus. Manch gekröntes Haupt. Und von Zeit zu Zeit auch Politiker, aus dem In- und Ausland, Botschafter. Die Jagdleidenschaft vereint viele Leute. Jäger sind im allgemeinen Feinschmecker, Bon Vivants, die das Leben ebenso lieben wie einen guten Tropfen. Und eine Küche wie die hier ist ja ein Ort der Geselligkeit, des Miteinander Teilens. » Jetzt sollte das Gemüse zu den Knochenresten in der Pfanne. Der Kommis hat eine gutgefüllte Kiste geholt. Für den Soßenfond werde alles verwertet, erklärt der Chef: das grüne Ende vom Poreestengel, das Karottenkraut. Eschalotten, Zwiebeln, Thymian. Fabrice Girardeau kratzt sich kurz am glattrasierten Kinn. « Seit einiger Zeit kommt Wildbret wieder in Mode. Denn man hat festgestellt, dass das Fleisch sehr mager und sehr proteinreich ist. Genau das richtige gerade für Sportler zum Beispiel. Früher musste man Wildbret total durchkochen, es mangelte an Kühlmöglichkeiten. Das ist heute anders. » Vor zwanzig Jahren habe in Paris kein Restaurant mehr den sogenannten 'Lièvre à la Royale' angeboten – der 'Hase nach Königsmanier' verlangt eine sehr komplexe Zubereitung und gilt als ein Glanzlicht der traditionellen französischen Küche. « Heute aber hat jedes renommierte Restaurant während der HasenJagdsaison seinen 'Lièvre à la Royale' auf der Karte. Das ist schon mal ein guter Anfang. Neuer Beliebtheit erfreuen sich auch Wildpasteten, ob so oder im Brotteig. Das sind klassische Rezepte, die in Vergessenheit geraten waren und die nun mit Foie gras und Trüffeln veredelt erneut auf den Tisch kommen. Und zwar in allen Lokalen mit Michelin-Stern. » Überaus zufrieden wirkt Fabrice Girardeau nun. Dabei ist er, im Gegensatz zu seinen Vorfahren, kein Jäger. Allerdings hat ihm sein Großvater, Waldhornist bei Jagden, das Halali beigebracht. Mit glänzenden Augen holt Girardeau sein Jagdhorn vom Haken direkt neben der Kühlkammer. Und in der Küche im Bauch des Maison de la Chasse mitten in Paris stößt der Chefkoch dem Frischling im Kochtopf zu Ehren ins Horn. Literatur III Die Jagd während des Ancien Regime Nach und nach wurde die Jagd zu einem Monopol des Adels, der so seiner Macht über den dritten Stand Ausdruck verlieh. Das Jagdrecht hing ab vom Lehnsgut, also vom Landbesitz. Und solange in Frankreich die Politik der Leibeigenschaft betrieben wurde, blieb die Bauernschaft vom Jagdrecht ausgeschlossen. Nichts sollte den Bauern von seiner Haupttätigkeit abhalten, die Lehnherr und Krone zu Einkommen verhalf. 'Ackerbau und Viehzucht sind die beiden Zitzen Frankreichs', pflegte Sully, der Minister von Heinrich IV., zu sagen. Schon unter Karl VI. wird mit einer königlichen Anweisung vom 13. Januar 1396 Nichtadligen der Besitz von Hunden verboten - und gleichfalls von allen Werkzeugen, die bei der Jagd dienen könnten. Wachhunde sind nur erlaubt, wenn sie angekettet bleiben und ein Halsband tragen. Die Schäfer dürfen Hunde besitzen, aber diese müßen angeleint sein. Als die Bourbonen an die Macht gelangen, wird mit dem Erlass von 1601 das Jagdwesen noch stärker beschränkt. Vorgesehen ist ein abgestuftes Strafmaß bis hin zur Todesstrafe. Beim ersten Verstoß gegen die Regeln droht ein Bußgeld, beim zweiten Peitschenhiebe, beim dritten Verbannung, im Anschluss die Todesstrafe. Reportage 5 – Eine Institution – Der „Chasseur Francais“ testet Flinten und verkuppelt Jagdfreunde Jäger überall auf der Welt sind sich einig: Die Jagd ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Kein Wunder, dass viele Jäger ihresgleichen bevorzugen, wenn es um die Partnerwahl geht. Mehr als 100.000 Ehen soll die Fachzeitschrift „Le Chasseur francais“ – „der französische Jäger“ mit ihren Kontaktanzeigen gestiftet haben. Sagen die Macher des Blattes, das 2015 sein 130jähriges Bestehen gefeiert hat. „Le Chasseur francais“ ist in Frankreich eine Institution – verkauft sich das Monatsblatt doch mehr als 400.000 Mal. Ursprünglich diente die Zeitschrift allerdings vor allem den Interessen eines Industriellen aus dem südostfranzösischen Saint-Etienne. Er wollte im 19. Jahrhundert Fahrräder, Flinten und Fotoapparate aus eigener Produktion an den Mann bringen. Das Unternehmen ist längst liquidiert – der „Chasseur Francais“ aber lebt weiter. Residiert heute in einem schicken Vorort von Paris und versorgt die Jäger mit Tipps zur Treibjagd, testet Munition und Waffen und betreibt seit ein paar Jahren auch eine Internetplattform, die JagdVideos veröffentlicht: * Das Gedächtnis der französischen Jäger lagert in einem fensterlosen Raum schräg gegenüber vom Büro des Chefredakteurs. Die Sekretärin von Antoine Berton hütet Schlüssel und Zugang für das Archiv des 'Chasseur français'. Die 131 Jahrgänge stehen säuberlich aufgereiht in einer Vier-Meter-Schrankwand aus weißem Kunststoff mit Falttüren - von historischer Patina keine Spur. Der Zugang allerdings ist ziemlich zugestellt. Antoine Berton, ein kräftig gebauter und salopp gekleideter 52-Jähriger, schlängelt sich an einem Kistenberg vorbei und zieht einen Pappordner aus dem Schrank. In einem Plastikschieber verwahrt die Redaktion die allererste Nummer des 'Chasseur français': vier eng bedruckte Seiten aus sehr festem Papier, in einem Format, das dem heutigen DIN-A-3 nahekommt. « Es ist immer wieder ein Erlebnis, diese Doppelseite in die Hand zu nehmen. Schauen Sie, sie enthielt noch keine Fotos, nur eine Anzeige. Im Innenteil wird eine Schrotflinte vorgestellt, eine Zeichnung zeigt einen Jungen, der damit im Garten auf Vögel schießt. Und daneben wird ein Karabiner für den Hausgebrauch beworben – denn damals vergnügte sich mancher Großbürger mit Schießübungen im Salon. » Behutsam dreht der Chefredakteur die Erstausgabe hin und her. Sie erschien in einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren. Und fand reißenden Absatz. Berton deutet mit dem rechten Zeigefinger auf den Preis: 15 Centimes. Für jedermann erschwinglich. Antoine Berton ist stolz, dass der 'Chasseur français' bis heute unter den normalen Zeitschriftenpreisen liegt. « Unsere Leser sind uns ungemein treu – drei von Vieren erneuern regelmäßig ihr Abonnement. Denn der 'Chasssur français' behandelt das Frankreich, in dem sie sich wiedererkennen. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun oder mit einem Kult der Vergangenheit - nein, keineswegs. Bei uns geht es um das aktive, das ländliche Frankreich. Wir hetzen nicht gegen die Städte, aber was uns am Herzen liegt, sind die Kirchtürme in unseren Dörfern. Unsere Kühe auf der Weide, unsere Gockel, die morgens krähen. Wir hängen an dem Frankreich, das von gesundem Menschenverstand geprägt ist, am ewigen Frankreich. An dem Frankreich, das auch die Deutschen so mögen. » 'Le Chasseur français' bietet seinen Lesern den aktuellen Jagdkalender, Flintentests, Anglertipps. Dazu Ratschläge für den Hobbygärtner, Wissenswertes zu Natur und Umweltschutz. Lektüre für die ganze Familie. Tabu sind Politik, Religion und Sex. Das Titelblatt der Ausgabe von August 1939 – dem Zeitpunkt der Mobilmachung gegen die drohende deutsche Invasion-, schmückt ein Gemälde von einem Schäfer mit Herde. Antoine Berton greift zum Karton mit dem Jahrgang 1947. Damals, nach einer Zwangspause während des Zweiten Weltkriegs, nahm die Redaktion wieder die Arbeit auf. Berton überfliegt den Leitartikel. « Die Redaktion schreibt, langsam kehre wieder der Alltag ein nach der langen Besatzungszeit der Nazis. Ja, da steht nicht 'deutsche Besatzung', sondern 'Nazi-Besatzung'. Dies zeigt, welche Werte der 'Chasseur français' hochhält: er hetzt nie Völker gegeneinander auf. Dafür aber stellt er klar, welche Ideen bekämpft werden sollten. » Vor zwei Jahren hat die Redaktion sämtliche Ausgaben des Jägermagazins durchgeackert, für den Jubiläums-Sonderband zum 130. Geburtstag. Gelegenheit, festzustellen, dass dieselben Themen immer wieder kommen – die Natur und das menschliche Wesen seien doch unveränderlich, schmunzelt Berton. Die Jubiläumsausgabe war im Handumdrehen ausverkauft. Auch der Staatspräsident würdigte den 130. Geburtstag der Jägerzeitschrift: er empfing Antoine Berton im Elysée-Palast zum Interview. Fast unmerklich drückt der Journalist das Rückgrat durch. « Da sitze ich also François Hollande in dessen Büro gegenüber und frage ihn, was ihm beim Stichwort 'Chasseur français' einfällt und er antwortet: Die Liebe! Ist das nicht unglaublich? » Ganze Generationen von Franzosen seien mit dem 'Chasseur français' aufgewachsen, sagt Berton. Landauf, landab hätten Eltern ihrem Nachwuchs die Monatszeitschrift in die Hand gedrückt, um den Kindern Wissenswertes zur Natur zu vermitteln. Auch zum Hochwild wie Hirschen und Wildschweinen. Noble Beutetiere, die jahrhundertelang König und Hochadel vorbehalten blieben – weshalb sie als Hochwild bezeichnet werden. Auch mit diesem Privileg machten die Revolutionäre 1789 Schluss. Damals sprachen sie jedem Bürger der jungen Republik das Recht zu, in Feld und Wald Hochwild aufs Korn zu nehmen. Dafür ist ihnen Antoine Berton, selbst begeisterter Jäger seit seinem sechsten Lebensjahr, überaus dankbar. « Für mich ist die Jagd ein Ausdruck persönlicher Freiheit. Soll heißen: Ich habe das Recht, Waffen zu besitzen und mich ihrer in freier Wildbahn überall zu bedienen. Selbstverständlich muss ich die Regeln respektieren, die die Republik festsetzt. Aber die Jagd erlaubt mir, mich als Individuum zu beweisen. » Der Graphiker kommt zu einer Besprechung – Antoine Berton wendet sich wieder seiner redaktionellen Arbeit zu. Operation Halali – Alltag und Lobbyarbeit der französischen Jäger Das waren „Gesichter Europas“ mit Reportagen von Suzanne Krause. Die Literaturauszüge stammen aus dem Buch „La Chasse pour les Nuls“. Sprecher war Volker Risch. Musikauswahl und Regie: Simonetta Dibbern Ton und Technik: Ernst Hartmann und Thomas Widdig. Am Mikrofon war Andreas Noll
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