KU N D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 KO M M E N TA R Zippert zappt Viele zweifeln an der Demokratie in Deutschland B THEMEN Umfrage: Wirtschaft hat Politik in der Hand BERLIN – Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, hält die Einrichtung von Asylzentren auf dem afrikanischen Kontinent für notwendig. Im Interview der „Welt“ sagte der Behördenleiter, solche Zentren seien „eine Frage der Zeit“. Jeder wisse, „dass es so nicht weitergehen kann“. Seiner Ansicht nach müsste es bei den Asylzentren zunächst darum gehen, über legale Möglichkeiten der Zuwanderung zu informieren. „Ob dann perspektivisch auch die Entscheidungen über Asylanträge dort getroffen werden könnten, müsste man dann in einem späteren Schritt sehen“, sagte er. Er forderte, bei den Abschiebungen „konsequenter und konzentrierter“ vorzugehen. „Wir haben 530 Ausländerbehörden. Diese 530 Ausländerbehörden gehen höchst unterschiedlich mit den Fragen der Abschiebung um. Manche gehen souverän vor, andere tun sich schwerer“, kritisierte der BAMF-Präsident. Schmidt sprach sich daher für zentrale Rückführungseinrichtungen in den Bundesländern aus. Kommentar Seite 3 und Seite 20 Seite 6 [email protected] grafische Bilder gekauft zu haben. Nach eineinhalb Stunden ist schon wieder Schluss, die Anwälte wollen in Ruhe über eine mögliche Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage verhandeln. Seite 4 Kinderschutzbund warnt vor Impfverweigerung Hollywood feiert sich mit vielen Oscars mal wieder selbst Seite 21 Mittelstand Der große Frust über die Politik Beilage Wissen Mittagsschlaf ist kontraproduktiv Seite 20 Aus aller Welt Ein netter Mann, der tonnenweise Gags produziert VERLAUF „SCHICKSALHAFT“ Masern werden durch das MasernVirus ausgelöst. Schon fünf Tage vor dem typischen roten Hautausschlag sind Infizierte ansteckend. Die Viren werden von Mensch zu Mensch durch Tröpfchen übertragen. „Nach dem Ausbruch können Ärzte nur die Symptome behandeln und beispielsweise fiebersenkende Medikamente geben. Der weitere Verlauf der Krankheit ist schicksalhaft“, erklärt Ronald G. Schmid, Vizepräsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. In einem von 1000 Fällen kommt es nach einer Masern-Erkrankung zu einer schweren Hirnentzündung. 30 Prozent dieser Enzephalitisfälle verlaufen tödlich, bei weiteren 20 Prozent kommt es zu schweren bleibenden Schäden. Im Plus Forscher bauen Roboter, der auf einem Saturnmond nach Wasser suchen soll EURO DOW Xetra-Schluss EZB-Kurs 17.45 Uhr 11.130,92 1,1298 18.108,97 +0,73% ±0,00% –0,17% US-$ Punkte ANZEIGE Gibt es eine zweite Erde? „Sci Fi Science: Planet Erde 2.0“ Heute um 23.00 Uhr Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle Siehe Kommentar und Seite 5 Asylzentren in Afrika sind „eine Frage der Zeit“ Behördenchef will konsequent abschieben D ANZEIGE Ein Maulwurf, der sich ins Eis frisst Seite 15 Punkte Kind den Impfschutz verweigere, gefährde nicht nur das eigene Kind, sondern auch andere. Gröhe will im Präventionsgesetz festlegen, dass Eltern vor der Eingewöhnung ihres Kindes in einer Kita einen Nachweis über eine ärztliche Impfberatung Dax Seite 23 DAX N ach dem Tod eines Kleinkindes in Berlin rät der Deutsche Kinderschutzbund allen Eltern, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. „An dem Todesfall in Berlin zeigt sich, wie gefährlich die Folgen einer Impfverweigerung sein können“, sagte Paula HonkanenSchoberth, Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, der „Welt“. Bevor aber über eine Impfpflicht diskutiert werde, müsse geklärt werden, welches Ausmaß die Masern-Epidemie in Deutschland tatsächlich angenommen habe. „Wir als Kinderschutzbund können nur sagen, dass es prinzipiell wichtig ist, die Eltern aufzuklären und davon zu überzeugen, ihre Kinder impfen zu lassen.“ Die bestehende Impflücke müsse jetzt durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Ärzten, Kitas, Schulen und allen anderen Verantwortlichen geschlossen werden, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). „Wenn das nicht gelingt, ist eine Impfpflicht kein Tabu, aber sie steht jetzt nicht an.“ Der Minister riet Eltern dringend, die empfohlenen Impfungen nachzuholen. Die irrationale Angstmacherei von Impfgegnern sei verantwortungslos. Wer seinem Luther, Hegel und Marx vorweisen müssen. Bei Untersuchungen soll der Impfstatus überprüft werden und eine Impfberatung erfolgen. Kinderärzte halten eine Impfpflicht für unrealistisch. „Eine generelle Impfpflicht wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, der „Welt“. Auch Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) erklärte, für eine Impfpflicht gebe es in Deutschland keine gesellschaftspolitische Mehrheit. In Berlin grassiert seit Oktober eine Masern-Welle. Derzeit gebe es etwas mehr als 500 Erkrankte, sagte Czaja. Im Ortsteil Lichtenrade blieb eine Sekundarschule am Montag vorsorglich für einen Tag geschlossen. Grund sei ein schwerwiegender Verlauf der Infektionskrankheit bei einem Jugendlichen, sagte eine Sprecherin des Berliner Senats. Der eineinhalb Jahre alte Junge starb am 18. Februar in einem Krankenhaus. Der Fall wurde aber erst gestern von den Behörden bekannt gegeben. Wie sich das Kind angesteckt hat, ist noch nicht bekannt. Der Junge war zwar geimpft, aber nicht gegen Masern. Er hatte keine chronischen Vorerkrankungen. Ein schnelles Ende? In Berlin stirbt ein Kleinkind an Masern. Der eineinhalb Jahre alte Junge war nicht geimpft. Infektionswelle in der Hauptstadt. Schule geschlossen Feuilleton Mehr als 60 Prozent der Bürger glauben, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrscht. Schuld sei der starke Einfluss der Wirtschaft auf die Politik, die mehr zu sagen habe als der Wähler. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin. Jeder Dritte ist demnach davon überzeugt, dass der Kapitalismus zwangsläufig zu Armut und Hunger führe. Den Kommunismus und Sozialismus halten 37 Prozent aller Westund 59 Prozent aller Ostdeutschen für eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt wurde. Das nach Darstellung der Wissenschaftler erstaunlichste Ergebnis betrifft das Gewaltmonopol des Staates: Nur knapp die Hälfte der Befragten ist dafür, dass ausschließlich die Polizei Gewalt zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung einsetzen darf. Die Studie stellt fest, dass im Westen 14 Prozent, im Osten 28 Prozent eine linksradikale oder linksextreme Grundhaltung haben. BERLIN – Monatelang war Sebastian Edathy abgetaucht, jetzt steht er im Saal des Landgerichts Verden. Dem 45 Jahre alten Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten wird vorgeworfen, übers Internet kinderporno- U L F P O S C H A R DT ie Deutschen sind ein romantisches, auf verdruckste Art tief religiöses Volk. Sie haben den lieben Gott stets gerne tiefergelegt. Mit der Reformation wurde der Glaube irdischer, mit Philosophen wie Hegel wurde das Denken zum Stellvertreter des Absoluten, und in der Säkularisierung der Gesellschaft werden neutestamentarische und sozialromantische Schwärmereien gewinnbringend fusioniert. Die Kirchen leeren sich, doch die Moral der linken Kirchentage hat die Werteserienausstattung der Deutschen erreicht und ersetzt. Links ist normal. Deshalb sind die Befunde der jüngsten Studie über die Popularität linken Gedankenguts weniger in ihrer Tendenz als in ihrer Wucht beeindruckend. Die Wiedervereinigung machte das Land protestantischer und atheistischer. Die Gläubigen des Sozialismus und die Frömmler des Kommunismus geben im Osten weiter den Ton an. Doch der Glaube an die Revolution als eine gute Sache ist landesweit sehr verbreitet, fast mehrheitsfähig ist die rührende Einschätzung, dass Sozialismus wie Kommunismus gute Sachen seien, die bislang nur schlecht ausgeführt wurden. Eine satte Mehrheit hält die Demokratie durch die Macht der Wirtschaft für beschädigt. Bedeutet diese Studie, dass bald wieder rote Fahnen von den Burgzinnen und Rathäusern wehen? Natürlich nicht. Es geht diesem Mentalsozialismus eher um eine gepflegte Innerlichkeit, die – von den Mühen einer freien Gesellschaft und einer freieren Marktwirtschaft befreit – ganz mit sich im Reinen sein darf. Der Hang zum Egalitären ist Brut jenes Volksgemeinschaftlichen, in dem die Menschen (unentstellt durch den Warencharakter aller Beziehungen) warm und gemütlich vor sich hin dampfen. Die Sozialreligion ist die stärkste Konfession, und ab und an gelingt es ihren Laienpredigern, auch eine civitas dei auf Erden zu errichten, in Thüringen zum Beispiel mit einem linken Ministerpräsidenten. Karl Marx, der Kluge, wusste um die Religionsgefahr, deshalb hat er aus seinen Geboten eine Wissenschaft gemacht. Die Hysterie um rechten Extremismus ist in keiner Weise durch eine Sensibilität für linken Extremismus austariert. Knapp die Hälfte der Deutschen hat ihren Glaubenskern im Sozialreligiösen. Dieser Kirche der Selbsterhöhung gehören auch Wähler der Union an. Bemerkenswert ist, wie wenig diese Schwärmerei dem Wirtschaftsstandort schadet. Wie bei aller Religion ist die Liturgie wichtiger als eine konsequente Befolgung der Regeln. Und solange alle herrschenden Parteien, inklusive der Tarifpartner, das Hohe Lied auf Gleichheit und Soziales singen, wird kein Bürger mit roten Fahnen ums abbezahlte Reihenhaus ziehen. Dazu sind, das ahnen sie, Revolutionen einfach zu unbequem. DPA/CARMEN JASPERSEN; AFP/FREDERIC J. BROWN isher ist wenig bekannt darüber, was eigentlich genau in der legendären „Reformliste“ der Griechen steht. Literarisch soll sie sogar mit der „Ilias“ oder der „Odyssee“ mithalten können, wo es ja auch um einen listenreichen Helden geht. Als Entschuldigung für ihr teilweise doch sehr nassforsches bis aggressives Auftreten wollen die Griechen den Deutschen freundlicherweise ein großes hölzernes Pferd schenken, das in den Reichstag gezogen werden soll. Immer wieder ist in der Liste auch von Angela Merkel als der „schönsten Frau der Welt“ die Rede. Darüber hinaus sind noch einige weitere Punkte der sagenumwobenen Reformliste durchgesickert. So sollen in griechischen Lokalen Dartscheiben mit dem Porträt von Wolfgang Schäuble aufgehängt werden, und man will auch Schäuble-Fußabtreter vor allen öffentlichen Gebäuden auslegen. Vertreter der „Institutionen“ (Ex-Troika) begrüßten diese Reformen als wichtige vertrauensbildende Maßnahme. Im Gegenzug verpflichten sich alle Finanzminister der Euro-Zone, ihr Hemd über der Hose zu tragen, wahlweise auch die Hose unter dem Hemd. B ** D 2,30 E URO D I E N STAG , 2 4. F E B RUA R 2 015 W er Spuren sucht, darf nicht selbst welche legen. Das wissen Kriminalisten, die daher Overalls und Handschuhe überstreifen und nur mit sterilen Wattestäbchen DNA-Proben nehmen. Das gilt aber genauso für Forscher, die im Wasser unter dem Eispanzer eines Saturnmonds nach Spuren von Leben suchen wollen. Auch sie müssen penibel darauf achten, dass sie nicht selbst Stoffe von der Erde oder aus Meteoriten in das Wasser einbringen, das sie analysieren sollen. Bei all dem hilft „IceMole“ (zu Deutsch: „Eismaulwurf“). Er wurde von einem deutschen Forscherteam entwickelt. Und er hat bereits einen Praxistest bestanden. In der Antarktis arbeitete er sich durch einen Gletscher und nahm eine Probe aus dem darunter liegenden Wasser. Der „Maulwurf“ ist kein Bohrer. Es wird kein Material herausgefräst, sondern der „Maulwurf“ verflüssigt das Eis und kommt so voran. Was aber, wenn im Eis Gestein eingeschlossen wäre, von Meteoriten, oder wenn er auf Hohlräume träfe und sich verkanten würde? Solche Hindernisse welt.de/ebook muss er erkennen können. Hier kam der Elementarteilchenspezialist Christopher Wiebusch von der RWTH Aachen ins Spiel. „Da Gletschereis sehr milchig ist, war die Idee, es mit akustischen Sensoren zu versuchen.“ Er hat bereits mit Schallsignalen im Eis gearbeitet, aus deren Laufzeiten Positionen errechnet werden. So entstand das Navigationssystem, mit dem mitten im Eis sowohl der „Maulwurf“ als auch Hindernisse geortet werden. Und dann ist da ja noch das Problem mit den Spuren. Das Eis, das der „Maulwurf“ wegschmilzt, darf nicht in die Wasserprobe geraten. In der Antarktis wurde es deshalb abgepumpt, auf einem Saturnmond sorgt die fehlende Atmosphäre dafür, dass es verdampft. Weil der Maulwurf wie durch eine Nabelschnur von der Mondoberfläche aus mit Strom versorgt werden muss, kommt er maximal 100 Meter weit. Die Forscher denken deshalb daran, nicht in die Tiefe zu reisen, sondern einen Kryovulkan, dessen Wände aus Eis bestehen, von der Seite anzustechen – in der Hoffnung, im Inneren auf Wasser zu stoßen. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. 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