Schäuble lässt Athen mit Hilfsgesuch abblitzen - ePaper

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KO M M E N TA R
Zippert zappt
Viele zweifeln an
der Demokratie
in Deutschland
B
THEMEN
Umfrage: Wirtschaft
hat Politik in der Hand
BERLIN – Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
(BAMF), Manfred Schmidt, hält die
Einrichtung von Asylzentren auf dem
afrikanischen Kontinent für notwendig. Im Interview der „Welt“ sagte der
Behördenleiter, solche Zentren seien
„eine Frage der Zeit“. Jeder wisse,
„dass es so nicht weitergehen kann“.
Seiner Ansicht nach müsste es bei den
Asylzentren zunächst darum gehen,
über legale Möglichkeiten der Zuwanderung zu informieren. „Ob dann perspektivisch auch die Entscheidungen
über Asylanträge dort getroffen werden könnten, müsste man dann in einem späteren Schritt sehen“, sagte er.
Er forderte, bei den Abschiebungen
„konsequenter und konzentrierter“
vorzugehen. „Wir haben 530 Ausländerbehörden. Diese 530 Ausländerbehörden gehen höchst unterschiedlich
mit den Fragen der Abschiebung um.
Manche gehen souverän vor, andere
tun sich schwerer“, kritisierte der
BAMF-Präsident. Schmidt sprach sich
daher für zentrale Rückführungseinrichtungen in den Bundesländern aus.
Kommentar Seite 3 und Seite 20
Seite 6
[email protected]
grafische Bilder gekauft zu haben. Nach eineinhalb Stunden ist
schon wieder Schluss, die Anwälte wollen in Ruhe über eine mögliche Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage verhandeln. Seite 4
Kinderschutzbund warnt
vor Impfverweigerung
Hollywood feiert
sich mit
vielen Oscars
mal wieder selbst
Seite 21
Mittelstand
Der große Frust
über die Politik
Beilage
Wissen
Mittagsschlaf ist
kontraproduktiv
Seite 20
Aus aller Welt
Ein netter Mann,
der tonnenweise
Gags produziert
VERLAUF „SCHICKSALHAFT“
Masern werden durch das MasernVirus ausgelöst. Schon fünf Tage vor
dem typischen roten Hautausschlag sind
Infizierte ansteckend. Die Viren werden
von Mensch zu Mensch durch Tröpfchen
übertragen. „Nach dem Ausbruch können Ärzte nur die Symptome behandeln
und beispielsweise fiebersenkende Medikamente geben. Der weitere Verlauf der
Krankheit ist schicksalhaft“, erklärt Ronald G. Schmid, Vizepräsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. In einem von 1000 Fällen kommt
es nach einer Masern-Erkrankung zu
einer schweren Hirnentzündung. 30
Prozent dieser Enzephalitisfälle verlaufen
tödlich, bei weiteren 20 Prozent kommt
es zu schweren bleibenden Schäden.
Im Plus
Forscher bauen Roboter, der auf einem Saturnmond nach Wasser suchen soll
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Gibt es eine zweite Erde?
„Sci Fi Science:
Planet Erde 2.0“
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Siehe Kommentar und Seite 5
Asylzentren in
Afrika sind „eine
Frage der Zeit“
Behördenchef will
konsequent abschieben
D
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Ein Maulwurf, der sich ins Eis frisst
Seite 15
Punkte
Kind den Impfschutz verweigere, gefährde
nicht nur das eigene Kind, sondern auch
andere. Gröhe will im Präventionsgesetz
festlegen, dass Eltern vor der Eingewöhnung ihres Kindes in einer Kita einen
Nachweis über eine ärztliche Impfberatung
Dax
Seite 23
DAX
N
ach dem Tod eines Kleinkindes in Berlin rät der Deutsche Kinderschutzbund allen Eltern, ihre Kinder gegen
Masern impfen zu lassen.
„An dem Todesfall in Berlin zeigt sich, wie
gefährlich die Folgen einer Impfverweigerung sein können“, sagte Paula HonkanenSchoberth, Bundesgeschäftsführerin des
Kinderschutzbundes, der „Welt“.
Bevor aber über eine Impfpflicht diskutiert werde, müsse geklärt werden, welches
Ausmaß die Masern-Epidemie in Deutschland tatsächlich angenommen habe. „Wir
als Kinderschutzbund können nur sagen,
dass es prinzipiell wichtig ist, die Eltern
aufzuklären und davon zu überzeugen, ihre
Kinder impfen zu lassen.“
Die bestehende Impflücke müsse jetzt
durch eine gemeinsame Kraftanstrengung
von Ärzten, Kitas, Schulen und allen anderen Verantwortlichen geschlossen werden,
sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). „Wenn das nicht gelingt, ist eine Impfpflicht kein Tabu, aber
sie steht jetzt nicht an.“
Der Minister riet Eltern dringend, die
empfohlenen Impfungen nachzuholen. Die
irrationale Angstmacherei von Impfgegnern sei verantwortungslos. Wer seinem
Luther, Hegel
und Marx
vorweisen müssen. Bei Untersuchungen
soll der Impfstatus überprüft werden und
eine Impfberatung erfolgen.
Kinderärzte halten eine Impfpflicht für
unrealistisch. „Eine generelle Impfpflicht
wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen“, sagte
der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann,
der „Welt“. Auch Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) erklärte, für eine
Impfpflicht gebe es in Deutschland keine
gesellschaftspolitische Mehrheit.
In Berlin grassiert seit Oktober eine Masern-Welle. Derzeit gebe es etwas mehr als
500 Erkrankte, sagte Czaja. Im Ortsteil
Lichtenrade blieb eine Sekundarschule am
Montag vorsorglich für einen Tag geschlossen. Grund sei ein schwerwiegender Verlauf der Infektionskrankheit bei einem Jugendlichen, sagte eine Sprecherin des Berliner Senats. Der eineinhalb Jahre alte Junge starb am 18. Februar in einem Krankenhaus. Der Fall wurde aber erst gestern von
den Behörden bekannt gegeben. Wie sich
das Kind angesteckt hat, ist noch nicht bekannt. Der Junge war zwar geimpft, aber
nicht gegen Masern. Er hatte keine chronischen Vorerkrankungen.
Ein schnelles Ende?
In Berlin stirbt ein Kleinkind an Masern. Der eineinhalb Jahre alte Junge
war nicht geimpft. Infektionswelle in der Hauptstadt. Schule geschlossen
Feuilleton
Mehr als 60 Prozent der Bürger glauben, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrscht. Schuld
sei der starke Einfluss der Wirtschaft
auf die Politik, die mehr zu sagen habe
als der Wähler. Das ist das Ergebnis
einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im
Auftrag des Forschungsverbundes
SED-Staat der Freien Universität Berlin. Jeder Dritte ist demnach davon
überzeugt, dass der Kapitalismus
zwangsläufig zu Armut und Hunger
führe. Den Kommunismus und Sozialismus halten 37 Prozent aller Westund 59 Prozent aller Ostdeutschen für
eine gute Idee, die bisher nur schlecht
ausgeführt wurde.
Das nach Darstellung der Wissenschaftler erstaunlichste Ergebnis betrifft das Gewaltmonopol des Staates:
Nur knapp die Hälfte der Befragten ist
dafür, dass ausschließlich die Polizei
Gewalt zur Wahrung von Sicherheit
und Ordnung einsetzen darf. Die Studie stellt fest, dass im Westen 14 Prozent, im Osten 28 Prozent eine linksradikale oder linksextreme Grundhaltung haben.
BERLIN –
Monatelang war Sebastian Edathy abgetaucht, jetzt steht er im
Saal des Landgerichts Verden. Dem 45 Jahre alten Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten wird vorgeworfen, übers Internet kinderporno-
U L F P O S C H A R DT
ie Deutschen sind ein romantisches, auf verdruckste Art tief
religiöses Volk. Sie haben den
lieben Gott stets gerne tiefergelegt.
Mit der Reformation wurde der Glaube irdischer, mit Philosophen wie Hegel wurde das Denken zum Stellvertreter des Absoluten, und in der Säkularisierung der Gesellschaft werden neutestamentarische und sozialromantische Schwärmereien gewinnbringend
fusioniert. Die Kirchen leeren sich,
doch die Moral der linken Kirchentage
hat die Werteserienausstattung der
Deutschen erreicht und ersetzt. Links
ist normal.
Deshalb sind die Befunde der jüngsten Studie über die Popularität linken
Gedankenguts weniger in ihrer Tendenz als in ihrer Wucht beeindruckend. Die Wiedervereinigung machte
das Land protestantischer und atheistischer. Die Gläubigen des Sozialismus und die Frömmler des Kommunismus geben im Osten weiter den
Ton an. Doch der Glaube an die Revolution als eine gute Sache ist landesweit sehr verbreitet, fast mehrheitsfähig ist die rührende Einschätzung, dass
Sozialismus wie Kommunismus gute
Sachen seien, die bislang nur schlecht
ausgeführt wurden. Eine satte Mehrheit hält die Demokratie durch die
Macht der Wirtschaft für beschädigt.
Bedeutet diese Studie, dass bald
wieder rote Fahnen von den Burgzinnen und Rathäusern wehen? Natürlich
nicht. Es geht diesem Mentalsozialismus eher um eine gepflegte Innerlichkeit, die – von den Mühen einer freien
Gesellschaft und einer freieren Marktwirtschaft befreit – ganz mit sich im
Reinen sein darf. Der Hang zum Egalitären ist Brut jenes Volksgemeinschaftlichen, in dem die Menschen (unentstellt durch den Warencharakter aller
Beziehungen) warm und gemütlich vor
sich hin dampfen. Die Sozialreligion ist
die stärkste Konfession, und ab und an
gelingt es ihren Laienpredigern, auch
eine civitas dei auf Erden zu errichten,
in Thüringen zum Beispiel mit einem
linken Ministerpräsidenten. Karl Marx,
der Kluge, wusste um die Religionsgefahr, deshalb hat er aus seinen Geboten eine Wissenschaft gemacht.
Die Hysterie um rechten Extremismus ist in keiner Weise durch eine
Sensibilität für linken Extremismus
austariert. Knapp die Hälfte der Deutschen hat ihren Glaubenskern im Sozialreligiösen. Dieser Kirche der Selbsterhöhung gehören auch Wähler der
Union an. Bemerkenswert ist, wie wenig diese Schwärmerei dem Wirtschaftsstandort schadet. Wie bei aller
Religion ist die Liturgie wichtiger als
eine konsequente Befolgung der Regeln. Und solange alle herrschenden
Parteien, inklusive der Tarifpartner,
das Hohe Lied auf Gleichheit und Soziales singen, wird kein Bürger mit roten Fahnen ums abbezahlte Reihenhaus ziehen. Dazu sind, das ahnen sie,
Revolutionen einfach zu unbequem.
DPA/CARMEN JASPERSEN; AFP/FREDERIC J. BROWN
isher ist wenig bekannt
darüber, was eigentlich
genau in der legendären
„Reformliste“ der Griechen
steht. Literarisch soll sie sogar
mit der „Ilias“ oder der „Odyssee“ mithalten können, wo es
ja auch um einen listenreichen
Helden geht. Als Entschuldigung für ihr teilweise doch
sehr nassforsches bis aggressives Auftreten wollen die Griechen den Deutschen freundlicherweise ein großes hölzernes Pferd schenken, das in den
Reichstag gezogen werden
soll. Immer wieder ist in der
Liste auch von Angela Merkel
als der „schönsten Frau der
Welt“ die Rede. Darüber hinaus sind noch einige weitere
Punkte der sagenumwobenen
Reformliste durchgesickert. So
sollen in griechischen Lokalen
Dartscheiben mit dem Porträt
von Wolfgang Schäuble aufgehängt werden, und man will
auch Schäuble-Fußabtreter vor
allen öffentlichen Gebäuden
auslegen. Vertreter der „Institutionen“ (Ex-Troika) begrüßten diese Reformen als
wichtige vertrauensbildende
Maßnahme. Im Gegenzug
verpflichten sich alle Finanzminister der Euro-Zone, ihr
Hemd über der Hose zu tragen, wahlweise auch die Hose
unter dem Hemd.
B **
D 2,30 E URO
D I E N STAG , 2 4. F E B RUA R 2 015
W
er Spuren sucht, darf nicht selbst welche legen. Das
wissen Kriminalisten, die daher Overalls und Handschuhe überstreifen und nur mit sterilen Wattestäbchen DNA-Proben nehmen. Das gilt aber genauso für Forscher,
die im Wasser unter dem Eispanzer eines Saturnmonds nach
Spuren von Leben suchen wollen. Auch sie müssen penibel darauf achten, dass sie nicht selbst Stoffe von der Erde oder aus
Meteoriten in das Wasser einbringen, das sie analysieren sollen.
Bei all dem hilft „IceMole“ (zu Deutsch: „Eismaulwurf“). Er wurde von einem deutschen Forscherteam entwickelt.
Und er hat bereits einen Praxistest bestanden. In der Antarktis
arbeitete er sich durch einen Gletscher und nahm eine Probe aus
dem darunter liegenden Wasser. Der „Maulwurf“ ist kein Bohrer.
Es wird kein Material herausgefräst, sondern der „Maulwurf“
verflüssigt das Eis und kommt so voran. Was aber, wenn im Eis
Gestein eingeschlossen wäre, von Meteoriten, oder wenn er auf
Hohlräume träfe und sich verkanten würde? Solche Hindernisse
welt.de/ebook
muss er erkennen können. Hier kam der Elementarteilchenspezialist Christopher Wiebusch von der RWTH Aachen ins Spiel.
„Da Gletschereis sehr milchig ist, war die Idee, es mit akustischen
Sensoren zu versuchen.“ Er hat bereits mit Schallsignalen im Eis
gearbeitet, aus deren Laufzeiten Positionen errechnet werden. So
entstand das Navigationssystem, mit dem mitten im Eis sowohl
der „Maulwurf“ als auch Hindernisse geortet werden. Und dann
ist da ja noch das Problem mit den Spuren.
Das Eis, das der „Maulwurf“ wegschmilzt, darf nicht in die
Wasserprobe geraten. In der Antarktis wurde es deshalb abgepumpt, auf einem Saturnmond sorgt die fehlende Atmosphäre
dafür, dass es verdampft. Weil der Maulwurf wie durch eine Nabelschnur von der Mondoberfläche aus mit Strom versorgt werden muss, kommt er maximal 100 Meter weit. Die Forscher denken deshalb daran, nicht in die Tiefe zu reisen, sondern einen
Kryovulkan, dessen Wände aus Eis bestehen, von der Seite anzustechen – in der Hoffnung, im Inneren auf Wasser zu stoßen.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern
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