Zukunftsthema Bioökonomie Bioenergie und Biobased Industries Pixabay / Pexels 2017 Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Oö. Landesregierung Direktion Präsidium, Oö. Zukunftsakademie Kärntnerstraße 10-12, 4021 Linz Tel.: +43 732 7720 14402 E-Mail: [email protected] www.ooe-zukunftsakademie.at DVR: 0069264 Auflage: Februar 2017 Redaktionsteam: Mag.a Dr.in Reingard Peyrl, MSc (Projektleitung) in DI Judit Asztalos DI Dr. Klaus Bernhard a Mag. Simone Hüttmeir unterstützend: DI Günther Humer, MSc Ruth Fartacek (Ferialpraktikantin September 2016) Für die fachliche Inputs bedanken wir uns beim Cleantech-Cluster der Business Upper Austria – OÖ Wirtschaftsagentur GmbH sehr herzlich. Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Ergänzungen, Berichtigungen und Hinweise per E-Mail an [email protected], Betreff: Themenreport Bioökonomie. 2 Inhalt Executive Summary 4 1. 9 Einleitung 1.1. Begriffsbestimmung 10 1.2. Bioökonomie auf der politischen Agenda 11 2. 13 Bioenergie 2.1. Ausgangsstoffe 17 2.2. Wärme und Strom aus Biomasse 22 2.3. Biokraftstoffe 24 3. 27 Biobased Industries 3.1. Ausgangsstoffe 27 3.2. Biobasierte Kunststoffe und Komposite 28 3.3. Zellstoff und Papier 30 3.4. Holzbau und biogene Dämmstoffe 31 3.5. Feinchemikalien, Futtermittel und andere Produkte 32 4. 34 Ausblick und Impulse 4.1. Energieerzeugung 34 4.2. Rohstoffbedarf und –verfügbarkeit 34 4.3. Forschung und Entwicklung 34 4.4. Produktion und Dienstleistungen 35 4.5. Regionalpolitische Relevanz 35 4.6. Klimatische Auswirkungen 36 4.7. Gesellschaftliche Akzeptanz 36 Verwendete Quellen 37 3 Executive Summary Vor dem Hintergrund des Klimawandels und einer sich in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich verstärkenden Ressourcenknappheit stehen Wirtschaft und Forschung sowie die Gesellschaft insgesamt vor deutlichen Veränderungen. Das Konzept der Bioökonomie, also die Nutzung nachwachsender biogener Rohstoffe für energetische und stoffliche Zwecke anstatt der derzeit vorwiegend verwendeten fossilen Energieträger wie Erdöl, verspricht eine nachhaltige, resiliente und klimaneutrale Wirtschaft. Um die zwar nachwachsenden, ober dennoch beschränkten biogenen Ressourcen optimal zu nützen, rückt zusätzlich das Kreislaufprinzip und die Kaskadennutzung immer mehr in den Fokus internationaler aber auch regionaler Bestrebungen. Bereits jetzt deckt Oberösterreich seinen Energieverbrauch zu zirka einem Viertel aus erneuerbaren Energien, wobei den größten Anteil daran heimische, biogene Energieträger aufweisen. Gerade in den letzten Jahren hat die Bedeutung der Bioenergie weiter stark zugenommen. In ähnlicher Weise bilden Produkte aus biogenen Ausgangsmaterialien die Grundlage vieler Wirtschaftszweige wie der Papier- und Zellstoffindustrie sowie dem Holzbau. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine Stärkung der Bioökonomie stark wissensbasiert und ihre Entwicklung daher in großem Maße von Forschungsanstrengungen abhängig ist. Das Bundesland Oberösterreich hat in Hinblick auf die schon derzeit intensive Nutzung der biogenen Rohstoffe wie Holz, agrarischen Pflanzen und organischen Reststoffen sowie der umfangreichen Forschungslandschaft beste Vorrausetzungen, um Vorreiter und überregionale Drehscheibe im Zukunftsfeld Bioökonomie zu werden. Aus Anlass der in Entwicklung befindlichen nationalen Bioökonomie-Strategie und in Übereinstimmung mit bundeslandspezifischen Leitlinien wie der oberösterreichischen Energiestrategie „Energie-Leitregion OÖ 2050“ hat die Oö. Zukunftsakademie die internationalen und regionalen Nutzungsperspektiven biogener Stoffe erhoben. Unter besonderer Berücksichtigung der lokal vorhandenen wirtschaftlichen Schwerpunkte sowie ressourcenmäßigen Ausgangssituation wurden daraus Stärkefelder sowie Zukunftsperspektiven für Oberösterreich sowohl für die energetische Nutzung als auch für die stoffliche Verwertung abgeleitet. Der vorliegende Themenreport beschäftigt sich mit den Schwerpunkten Bioenergie und Biobased Industries im Umfeld des oberösterreichischen Wirtschaftsgefüges. 4 Bioenergie Wärme und Strom aus Biomasse Biomasse ist ein in Oberösterreich sehr bedeutender und traditionell beliebter erneuerbarer Energieträger. Mit der geplanten weitgehenden Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energiequellen wird in Zukunft die kombinierte Strom- und Wärmegewinnung auch in Kleinanlagen immer bedeutender. Neben bereits bestehenden Möglichkeiten wie dem Stirlingmotor könnten künftig praktisch wartungsfreie Peltierelemente, spezielle elektrothermische Wandler, diese Aufgabe erfüllen. Diese Perspektive wird derzeit von der Johannes Kepler Universität Linz in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kompetenzzentrum für Bioenergieforschung erforscht. Die optimierte Aufbereitung und Nutzung zusätzlicher organischer Rest- und Abfallstoffe ergibt künftig weitere ressourcenschonende Potenziale zur thermischen Bioenergienutzung. Ein anderes Beispiel ist die Erhöhung des Wirkungsgrades von Biogasanlagen durch Membranfiltration (Projekt des Umwelttechnik-Clusters). In Hinblick auf die laufend verschärften Grenzwerte von Luftschadstoffen (insbesondere NOx und Feinstaub) ist das Ziel der „Near Zero Emission“ erkennbar. Dies bedeutet sowohl eine Herausforderung für die produzierenden Betriebe aber auch eine große Chance für neue Absatzmärkte. Biokraftstoffe Auch wenn in einer längerfristigen Sicht eine stärkere Elektrifizierung des Verkehrs wahrscheinlich ist (größere Wirkungsgrade, keine lokalen Emissionen), werden auf absehbare Zeit flüssige und gasförmige Energieträger unabdingbar für die Mobilität bleiben. Kraftstoffe auf biogener Basis können künftig dazu beitragen, fossile CO2Emissionen aus dem Verkehrsbereich zu verringern und eine höhere lokale Wertschöpfung zu erzielen. Die künftigen Forschungen sollten darauf abzielen, die Rohstoffbasis zu verbreitern, um dem Spannungsfeld "Teller-Trog-Tank" auszuweichen. Um Erträge zu maximieren, sollen künftig möglichst viele Anwendungsbereiche abgedeckt werden. Insbesondere bieten Prozesse zur Umwandlung verschiedener biogener Reststoffe wie beispielsweise wie zellulosehältige Rückstände in biogene Treibstoffe (Wasserstoff, Methan, Ethanol) besondere Chancen für innovative Unternehmen, was in einem Projekt der Johannes Kepler Universität erforscht wird. Neben schon in der näheren Zukunft großtechnisch nutzbaren Verfahren sollten auch Grundlagenstudien für völlig neuartige Verfahren for- 5 ciert werden. Ein konkretes Beispiel ist die Ethanolproduktion durch Cyanobakterien durch die FH Oberösterreich. Biobased Industries Biobasierte Kunststoffe und Komposite Aufgrund der absehbaren Entwicklungen sind Biokunststoffe („Bioplastics“) sowohl in der EU insgesamt als auch im oberösterreichischen Kunststoff-Cluster zu einem Schwerpunkt der Forschungen im Bereich der Werkstoffwissen geworden. Die verwendeten Grundstoffe, die auch als Monomere bezeichnet werden, sind häufig wesentlich empfindlicher z.B. in Hinblick auf die Temperatur als erdölbasierte. Daher müssen etwa umfangreiche Grundlagenforschungen betrieben werden, wie diese Substanzen in einem industriellen Maßstab gereinigt und verarbeitet werden können, wofür sich interessante Perspektiven für eine Zusammenarbeit heimischer Universitäten und andere Forschungseinrichtungen mit einschlägig tätigen Unternehmen ergeben. Auf Grund der milden chemischen Bedingungen, bei denen Monomere von Biokunststoffen verarbeitet werden und der geringen Toxizität ergeben sich neben den etablierten Chemieindustrien insbesondere auch Chancen für kleine, innovative Unternehmen. Ein Forschungsthema mit abschätzbarem großen Potenzial ist der "Newcomer" unter den Kunststoffverbindungen Polyethylenfuranoat (PEF), der auf Grund seiner überragenden physikalischen Eigenschaften die PET-Flasche ablösen könnte. Aufgrund der nachhaltigen Produktionsmöglichkeiten und des geringen Ressourcenverbrauchs wird voraussichtlich die Kombination von Naturstoffen mit Kunststoffen weiter an Bedeutung gewinnen, was im Kompetenzzentrum Holz untersucht wird. Zellstoff und Papier Oberösterreich ist durch den Waldreichtum prädestiniert zur Papier- und Zellstoffherstellung, die sich im Laufe der Zeit zu einem wesentlichen Wirtschaftsbereich entwickelte mit bekannten Firmen wie z.B. Smurfit Kappa Nettingsdorfer, Laakirchen Papier AG, UPM Steyrermühl, Tannpapier (Traun) und die Lenzing AG. Papier- und Zellstoffprodukte werden in den nächsten Jahrzehnten in einem noch höheren Ausmaß zum High Tech-Produkt, während manche klassische Anwendungen wie Druckerpapier vermutlich auf Grund der Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten mengenmäßig tendenziell stagnieren oder zurückgehen könnten. Andererseits könnten auf Grund des boomenden Onlinehandels in Zukunft auch Kartonverpackungen stärker als derzeit nachgefragt werden. Die größte technologische Herausforderung wird sein, den nachwachsenden, aber dennoch begrenzten Rohstoff Holz noch effizienter zu nutzen, etwa den Altpapiereinsatz für Papier und Kartonprodukte noch zu erhöhen. 6 Papier als auch Zellstoff wird in den nächsten Jahrzehnten in einem noch höheren Ausmaß Grundlage von High Tech-Produkten: Aufgedruckte Leiterbahnen können Informationen über die Frische und den Transportweg von Lebensmittelverpackungen liefern, was künftig auch beispielsweise für Arzneimittel, Blutkonserven und Impfstoffe verwendet werden könnte. Neuartige Kombination von Zellstofffaserprodukten könnten sich mit elektronischen Anwendungen in Form von "Wearables" ergeben. Holzbau und biogene Dämmstoffe Für eine Forcierung der Bioökonomie sollten Holzbaustoffe künftig weitere Anwendungsbereiche einnehmen, die bislang anorganischen Produkten wie Ziegel, Stahl und Beton vorbehalten waren wie etwa dem Bau von Holzhochhäusern. Holz könnte somit vermehrt Baustoff in den wachsenden urbanen Räumen werden. Um neue Anwendungsbereiche von Holz zu erschließen werden in den nächsten Jahrzehnten intensive Forschungen notwendig sein (z.B. in Richtung mehrgeschoßige Bauten, umweltfreundliche Imprägnierungen und Flammschutz für erneuerbare Dämmstoffe). Ein Aufsehen erregendes Beispiel ist der Neubau der Haltestelle Canary Wharf in London, wobei das Dach als Holzkonstruktion durch die WIEHAG GmbH in Altheim ausgeführt wurde. Weitere Chancen werden in der Kombination von verschiedenen Werkstoffen liegen wie die bereits erwähnten Holz-Kunststoffkomposite oder auch Kombinationen von Holz, Beton und Metall bei Möbeln (z.B. Beton-Holz-MetallKombinationsmöbel in Projekten des Möbel- und Holzbau-Clusters). Feinchemikalien, Futtermittel und andere Produkte Bioraffinerien arbeiten in Oberösterreich schon seit Jahrzehnten erfolgreich, wie jene der Lenzing AG beweist. Sowohl in Oberösterreich als auch überregional werden große Hoffnungen in den weiteren Ausbau von Bioraffinerien gesetzt. Entwicklungen gehen sowohl in Richtung der Verbreiterung der Rohstoffbasis als auch zu neuen Produkten wie etwa Omega 3 Fettsäuren aus Algen. Oberösterreich ist durch die vorhandenen biogenen Rohstoffe, chemisch-technischen Betriebe sowie der industrienahen Forschungseinrichtungen in einer guten Position, Vorreiter bei der stofflichen Nutzung von Biomasse zu werden. Im Hinblick auf die Komplexität von Bioraffinerien, den chemischen Prozessen bis hin zu einem wirtschaftlichen Betrieb sollten Forschungen bzw. Pilotprojekte möglichst in breiten Kooperationen durchgeführt werden. Ein Beispiel ist die Erzeugung der Itakonsäure aus Holz, die als Grundlage für Gummi, als auch Farben und Lacke dienen kann und dem als oberösterreichische Institution ua. das TDZ Ennstal beteiligt ist. 7 Biogene Energieerzeugung in der Kaskade sollte Teil einer „Energiewende“ sein und im Mix der erneuerbaren Energieträger eine zusätzliche Säule darstellen. Durch das Durchlaufen verschiedener stofflicher Verwertungsprozesse mit sinkendem Anspruch an die Rohstoffqualität und einer finalen energetischen Nutzung kann die Rohstoffproduktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber fossilen Rohstoffen gesteigert werden (nova-Institut für Ökologie und Innovation (Hrsg.), 2012). Bioökonomie kann zudem aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Rohstoff und Produktion dem ländlichen Raum neue Möglichkeiten eröffnen. Um Folgekosten und negative Effekte zu vermeiden, sollten bei bioökonomischen Überlegungen etwaige ökologische Auswirkungen Beachtung finden. Oberösterreich verfügt über breit gefächerte universitäre Einrichtungen und Fachhochschulen, die mit ihrem Know How (Ökoenergie, Logistik, Design, Lebensmitteltechnik, Informatik, Kunststofftechnik, Chemie etc.) insbesondere durch eine fachübergreifende Zusammenarbeit wesentliche Beiträge zum Thema leisten können. Auch die speziellen Wirtschaftsstrukturen (wie Industrie- und Gewerbebetriebe im Bereich Holz, Zellstoff, Biowärme, Forschungsinstitute, Clusteraktivitäten) stellen eine ausgezeichnete Ausgangsbasis dar, um künftig die Potenziale der Bioökonomie in einem noch höheren Ausmaß nützen zu können. Langfristig gesehen bietet Oberösterreich alle Voraussetzungen, um die sich öffnenden Chancen bestmöglich nutzen zu können. Eine Ausweitung der biogenen Energieproduktion ist nach den gegebenen Potenzialen möglich. Ebenso sind durch vertiefende Forschungen neue biobasierte Produktentwicklungen und Innovationen zu erwarten. 8 1. Einleitung Bioökonomie erfährt gegenwärtig eine neue Aktualität: sie soll insbesondere den Staaten dazu dienen, Kohlendioxid-Emissionen einzusparen, um die Klimaziele zu erreichen. Der vorliegende Themenreport zeigt die unterschiedlichen Zugänge und interdisziplinären Zusammenhänge einer Bioökonomie ebenso auf wie internationale und nationale Entwicklungen. In einem sehr komplexen System von unterschiedlichsten Ausgangstoffen und Verarbeitungsschritten kann die Bioökonomie im Sinne der Vermarktung der Endprodukte in vier Teilbereiche gegliedert werden: Bioenergieträger, Biobasierte Produkte, Lebens- und Futtermittel. Bioenergieträger Lebensmittel Bioökonomie Biobasierte Produkte Futtermittel Abbildung 1: Teilbereiche der Bioökonomie nach der Vermarktung des Endproduktes (vgl. Bioökonomierat (D), 2010) Der vorliegende Themenreport beschäftigt sich mit den daraus abgeleiteten Schwerpunkten Bioenergie und Biobased Industries im Umfeld des oberösterreichischen Wirtschaftsgefüges. 9 1.1. Begriffsbestimmung Im europäischen Kontext wird verstärkt der Begriff der „wissensbasierten Bioökonomie“ verwendet, der die beiden Kernelemente der Wissens- und Biobasierung unterstreichen soll. Das Konzept der Bioökonomie beruht auf der Transformation einer erdöl-basierten Wirtschaft hin zu einer Wirtschaftsform, die auf nicht-fossile Ausgangsstoffe aufbaut. Dabei rücken das Kreislaufprinzip und die Kaskadenutzung immer mehr in den Fokus internationaler Bestrebungen. Historisch hat sich das Konzept der Bioökonomie in Zusammenhang mit dem globalen Bevölkerungsanstieg und knapper werdenden fossilen Rohstoffen entwickelt. Es folgte eine stärkere Fokussierung auf biotechnologische Schwerpunkte, bevor die Dekarbonisierung der Wirtschaft im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele wieder einen ganzheitlicheren Ansatz bioökonomischer Überlegungen nach sich zog. Definitionen der Bioökonomie reichen von sehr technisch fokussierten Auslegungen bis hin zu Erwartungen eines ökonomischen Paradigmenwechsels und der Realisierung einer dekarbonisierten Wirtschaft durch Bioökonomie. So definiert der deutsche Bioökonomierat die Bioökonomie sehr allgemein als, „die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen“ (http://biooekonomierat.de/biooekonomie, 2017), wohingegen beispielsweise die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Potenziale der Biotechnologie hervorkehrt: „Biotechnology offers technological solutions for many of the health and resource-based problems facing the world. The application of biotechnology to primary production, health and industrie could result in an emerging „bioeconomy“ where biotechnology contributes to a significant share of economic output” (OECD, 2009). Im Zentrum der Bioökonomie stehen erneuerbare biologische Ressourcen, deren Herstellung und Umwandlung in Nahrungs- und Futtermittel, biobasierte Produkte und Bioenergie. Die Bioökonomie umfasst zahlreiche Sektoren, wie beispielsweise die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die Nahrungsmittelindustrie, die Holz- und Papierindustrie, die Biotechnologie und andere Verfahrenstechnologien, aber auch Teile der Chemie-, Textil- und Energieindustrien sowie Dienstleistungen in den Bereichen Handel, Logistik und Umwelttechnologien. Den Stärkefeldern der oberösterreichischen Wirtschaft entsprechend stellen wir im vorliegenden Themenreport die Schwerpunkte Bioenergie und Biobased Industries in den Mittelpunkt der bioökonomischen Überlegungen. 10 1.2. Bioökonomie auf der politischen Agenda Die Lissabon-Strategie aus dem Jahr 2000 gilt als europäische Geburtsstunde der Bioökonomie mit dem Ziel, die EU müsse innerhalb von zehn Jahren „zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. In Folge wurde ergänzend die europäische Strategie für Biowissenschaften und Biotechnologien (2002) veröffentlicht. Inhalte beider Dokumente wurden in die Strategie Europa 2020 überführt, die vom Europäischen Rat am 17. Juni 2010 angenommen wurde. Sie hält intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum als Ziel der europäischen Wirtschaft fest. Nachhaltiges Wachstum bedeutet, „eine ressourceneffiziente, nachhaltige und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen, die Führungsrolle Europas im Wettbewerb um die Entwicklung neuer Verfahren und Technologien, einschließlich umweltfreundlicher Technologien, auszunutzen.“ (EU Kommission 2010, S.17) In der seit 2012 existierenden Europäischen Bioökonomie-Strategie („Innovating for sustainable growth: A bioeconomy for Europe“) wird die globale Dimension einer biobasierten Wirtschaftsform herausgekehrt und auf die Bedeutung für nachhaltiges Wachstum erneut hingewiesen: „In order to cope with an increasing global population, rapid depletion of many resources, increasing environmental pressures and climate change, Europe needs to radically change its approach to production, consumption, processing, storage, recycling and disposal of biological resources. The Europe 2020 Strategy calls for a bioeconomy as a key element for smart and green growth in Europe.“ (EU Commission 2012, S. 8) In Folge erarbeiteten mehrere EU-Mitgliedsstaaten eigene Bioökonomie-Strategien, allen voran Deutschland, die Niederlande, Finnland und Schweden – jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So setzt Deutschland verstärkt auf biotechnologische Methoden in Industrieprozessen, die Niederlande wollen sich global mit einer biobasierten Wirtschaft positionieren und Skandinavien setzt auf die forstwirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Andere EU-Länder haben bioökonomische Ansätze in nationale Dokumente integriert, ohne eigens eine Bioökonomie-Strategie zu verfassen (z.B. Dänemark, Frankreich). Auch global erfährt die Bioökonomie unterschiedliche Ausprägungen. In den USA, Indien oder Südafrika wird bioökonomisches Wirtschaften aus den Blickwinkeln der Life Sciences bzw. Gesundheitswissenschaften (z.B. Biomedizin) gesehen. Brasilien, Kanada oder Neuseeland verfolgen ähnlich wie Skandinavien den klassischen Ansatz zur Förderung nach- 11 wachsender Rohstoffe. Dagegen setzen China, Japan und Russland auf High TechPotenziale in einer biobasierten Industrie. In Österreich wurde im November 2013 ein Positionspapier zur Bioökonomie vom Verein BIOS Science Austria und der Österreichischen Vereinigung für Agrarwissenschaftliche Forschung (ÖVAF) veröffentlicht. Die Thematik wurde im Arbeitsprogramm 2013-2018 der österreichischen Bundesregierung verankert und eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen Aktionsplan und eine nationale Strategie zur Bioökonomie erarbeiten soll. Dieses Dokument wird für 2017 erwartet. Zusätzlich gibt es verschiedene nationale Strategien, die Anknüpfungspunkte und Übereinstimmungen zu bioökonomischen Inhalten haben, etwa die · die FTI-Strategie der Bundesregierung (2011), · die Nachhaltigkeitsstrategie der Österreichischen Bundesregierung (2002), · die Klima- und Klimawandelanpassungsstrategie (BMLFUW 2012), · der Nationale Ressourceneffizienzplan (BMLFUW 2012), · der Aktionsplan zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe (2015) sowie · die FTI-Strategie für die biobasierte Industrie (BMVIT 2015). (vgl. ÖGFE, 2015) Die wesentlichen Treiber im österreichischen Streben sind die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Eröffnung von neuen Marktchancen durch biobasierte Innovationen und die Erreichung der Klimaziele. Der Umsetzungsplan für Bioökonomie soll Wertschöpfung, Beschäftigung sowie den österreichischen Forschungs-, Technologie- und Wirtschaftsstandort stärken. 12 2. Bioenergie Bioenergie entsteht durch die energetische Nutzung von Biomasse – dies umfasst die Produktion von Strom, Wärme und Treibstoffen. 80 % der in Österreich verwendeten Biomasse findet auch heute noch in der Bereitstellung von Raum- und Prozesswärme Verwendung (Österreichischer Biomasseverband, 2017). Der älteste, hinreichend belegte Nutzungsnachweis von biogenen Ausgangsstoffen zur Erzeugung von Energie ist 790.000 Jahre alt. Die einfachen Feuerstellen von damals sind im Laufe der Zeit zu hochtechnologisierten Verfahren weiterentwickelt worden, wobei die direkte Verbrennung von Biomasse weiterhin einen beachtlichen Teil der biogenen Energiegewinnung ausmacht. Eine Biomassestromanalyse der Österreichischen Energieagentur für das Jahr 2011 zeigt, dass Biomasse hauptsächlich den Posten „Holzverarbeitende Industrie“ durchläuft, bevor sie verbrannt wird (Österreichische Energieagentur, 2011). Daneben sind die Methangärung zur Herstellung von Biogas, die alkoholische Gärung, die Pyrolyse (thermo-chemische Spaltung bei hohen Temperaturen) und die Ölextraktion samt Umesterung zu Biodiesel zu nennen. Am Schluss erfolgt aber bei allen biogenen Energieträgern die Verbrennung. Abbildung 2: Energiebilanz Oberösterreich 2015 (Daten: Energiebilanz, Statistik Austria, eigene Darstellung) 13 Abbildung 2 zeigt die oberösterreichische Energiebilanz für das Jahr 2015 inklusive Eigendeckungrate. Dargestellt sind in den Segmenten die Energieträger. Im äußeren Ring sind die Anteile der Primärproduktion (Produktion in Oberösterreich) dunkler markiert, die helleren Bereiche ergeben sich aus Import, Export und der Lagerveränderung. Innerhalb der erneuerbaren Energieträger nehmen Brennholz und biogene Brenn- und Treibstoffe den größten Anteil ein, gefolgt von der Wasserkraft. Die Bedeutung der Bioenergie in Oberösterreich nimmt stetig zu. Der Anteil der Bioenergie am gesamten Energieverbrauch stieg zwischen 1988 und 2015 von acht auf 15 %, obwohl sich der Energieverbrauch in Oberösterreich in dieser Zeit um mehr als ein Drittel erhöht hat. Biomasse ist in Oberösterreich, wie auch bundesweit, der wichtigste heimische Energieträger, 92 % werden im eigenen Bundesland gewonnen. Abbildung 3: Entwicklung des Energieverbrauchs aus Biomasse und des Eigendeckungsgrades in Oberösterreich, 1988-2015 (Daten: Energiebilanz, Statistik Austria, eigene Darstellung) Im zeitlichen Verlauf ist insbesondere seit 2005 ein deutlicher Anstieg des oberösterreichischen Energieverbrauchs zu erkennen, der mit biogenen Brenn- und Treibstoffen gedeckt wird. Die Energieversorgung durch Brennholz hingegen stagniert bzw. ist leicht rückläufig. Der bioenergetische Eigendeckungsgrad unterliegt Schwankungen, steigt in den vergangenen Jahren jedoch wieder leicht an. 14 Im Hinblick auf künftige zusätzliche Potenziale von Biomasse wurde im Forschungsprojekt REGIO Energy (Österreichisches Institut für Raumplanung, 2010) der potenzielle Beitrag erneuerbarer Energieträger für sämtliche Bezirke Österreichs ermittelt und dabei das Zusammenspiel mit anderen Nutzungsinteressen berücksichtigt. Für den Energieträger Biomasse ergeben sich folgende Bilder: Acker Forst Vieh- und Grünlandwirtschaft Abbildung 4: Realisierbare Potenziale aus Biomasse, Zukunftsszenario 2020 maxi (Quelle: ÖIR, 2010) 15 Demnach liegt Oberösterreich bei den in GWh pro Jahr und Bezirk ausgedrückten Potenzialen aus Biomasse (die anschließend entweder thermisch oder stofflich in Biobased Industries verwendet werden) österreichweit im Spitzenfeld. Sowohl für elektrische Energie, Treibstoffe als auch für Wärme erscheint der Anteil an Biomasse am Gesamtbedarf noch deutlich steigerbar, insbesondere wenn noch eine künftige steigende Effizienz etwa der Gebäudehüllen miteinbezogen wird. Auf Grund des sehr hohen Gesamtenergieverbrauchs des Verkehrs in Oberösterreich wird aber auch in Zukunft nur ein kleinerer Anteil durch heimische Biotreibstoffe abgedeckt werden können. Die Vorteile der Bioenergie liegen in der stetigen Verfügbarkeit, dem Speichervermögen und der Fähigkeit, die hohen Volatilitäten von Wind- und Sonnenenergie zum Teil auszugleichen. Zudem kann sie als kostengünstige, umweltschonende Form der Reststoffnutzung angesehen werden und ist damit wichtiger Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft. Auch in der oberösterreichischen Energiestrategie „Energie-Leitregion OÖ 2050“ ist die Nutzung von Restholzmengen und organischen Reststoffen unter Bedachtnahme auf vorhandene, regionale Ressourcen als Maßnahme zur Verbesserung der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen mit einer Reduktion der CO2-Intensität (Oö. Landeskorrespondenz, 2017). Dem gegenüber stehen aber Zielkonflikte mit der Nahrungsmittelversorgung, der stofflichen Nutzung, mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität und indirekte Landnutzungseffekte. Auch die soziale Dimension mit lokalen und internationalen Preiseffekten darf nicht vernachlässigt werden (Bioökonomierat (D), 2015). Bioenergie ist ein breites Forschungsfeld, das international wie national hochaktiv ist. So beschäftigen sich zum Beispiel die Internationale Energieagentur IEA (IEA – Bioenergy, International Collaboration in Bioenergy), die Plattform ERA-NET Bioenergy, die Österreichische Energieagentur (Austrian Energy Agency) und der Österreichische Biomasseverband intensiv mit der Thematik. Das breite Forschungsfeld spiegelt sich auch in den möglichen Anwendungsbereichen der Bioenergie wider. Abbildung 5 zeigt die Verwendung biogener Energieträger nach Sektoren in Oberösterreich. Der produzierende Bereich und die privaten Haushalte verwenden 79 % der in Oberösterreich zur Verfügung stehenden Bioenergie in unterschiedlichen Bereichen. 20 % entfallen auf den Verkehrssektor und die Landwirtschaft. 16 Abbildung 5: Verwendung der Bioenergie in Oberösterreich nach Sektoren (Daten: Energiebilanz Statistik Austria, eigene Darstellung) Als biogene Energieträger werden alle organischen Stoffe bezeichnet, die zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie für die Treibstoffproduktion genutzt werden können. Verwendung findet feste, flüssige und gasförmige Biomasse. Nachstehend werden die Ausgangsstoffe einer biogenen Energieversorgung näher erläutert. 2.1. Ausgangsstoffe 2.1.1. Holz Unter Holzenergie versteht man die in Holz gespeicherte Energie in Form von Biomasse, die der Baum während seiner Wachstumsphase durch die Photosynthese aufgebaut hat. Das heißt: Sonnenergie wird in chemische Energie umgewandelt und im Holz gespeichert. Nutzbar gemacht wird sie durch das Verbrennen des Holzes. Dabei wird die gespeicherte Energie der Biomasse in Wärmeenergie umgewandelt. Die Fotolia / Smileus 17 erzeugte Wärme kann entweder direkt für Heizzwecke oder zur Stromerzeugung genutzt werden. Holz kann zum einen direkt als Brennholz energetisch verwertet werden, zum anderen als Abfallprodukt, das bei der Holzverarbeitung anfällt. Zu den typischen Abfallprodukten, die der energetischen Nutzung zugeführt werden, zählen · Nebenprodukte aus der Holzernte: Rinde und Kappholz · Sägenebenprodukte: Hackgut und Späne · Industrieholz und Presslinge · Nebenprodukte aus der Holzverarbeitung, z.B. Hobel- und Sägespäne · Nebenprodukte der Zellstoffproduktion: Laugen Holz ist auf globaler, europäischer und nationaler Ebene der wichtigste erneuerbare Energieträger: global trägt Holz zu etwa 70 % zum Gesamtaufkommen an erneuerbarer Energie bei, in der EU etwa mit 50 % (Nemesthóty, 2015). Eine detaillierte Holzstromanalyse der Österreichischen Energieagentur aus dem Jahr 2014 für Österreich zeigt, dass rund 24 Millionen Festmeter Holz einer energetischen Verwendung zugeführt wurden. Die Analyse umfasst die Holzquellen „Holznutzung Wald“, „Sonstiges Holzaufkommen“ und „Import“. Berücksichtigt wird sowohl Holz, das unmittelbar energetisch verwendet wird (z.B. Brennholz) wie auch jenes, das erst im Zuge der Holzverarbeitung als „Abfallprodukt“ (z.B. Sägespäne) anfällt und dann zu Energiezwecken eingesetzt wird. Von den genannten 24 Millionen Festmetern ist „Brennholz“ mit 6,1 Millionen Festmeter am bedeutendsten, gefolgt von „Sägenebenprodukten, Industrieholz, Presslingen“ mit 5,4 Millionen, „Hackgut“ mit 5,7 Millionen, „Lauge“ mit 4,2 Millionen und „Rinde“ mit 2,6 Millionen Festmetern. Der Holzeinsatz und damit die Umwandlung in Energie erfolgt am häufigsten in Brenn- und Scheitholzfeuerungsanlagen (6,8 Millionen Festmeter) sowie in KWK-Anlagen und Anlagen zur Prozessdampferzeugung (8,8 Millionen Festmeter). In Heizanlagen mit einer Leistung unter einem Mega-Watt werden 6,6 Millionen Festmeter bzw. in Anlagen mit einer Leistung größer 1 Mega-Watt 1,8 Millionen Festmeter Holz verbrannt. In Oberösterreich gab es mit Stand 2014 mehr als 20.000 Hackschnitzelheizungen und fast 25.000 Pelletsöfen. Mehr als ein Viertel aller in Österreich installierten Kleinfeuerungsanlagen stehen in Oberösterreich. Zusätzlich sorgen rund 13.000 Scheitholzanlagen und 330 Nahwärmeprojekte für Wärme (Amt der Oö. Landesregierung, 2014). 18 2.1.2. Agrarrohstoffe Agrarrohstoffe sind erneuerbare, in Abhängigkeit von zur Verfügung stehenden Flächen reproduzierbare Rohstoffe. Sie werden hauptsächlich von der Landwirtschaft, aber auch von Forst- und Fischereiwirtschaft geliefert und sind meist pflanzlichen, in geringerer Menge auch tierischen Ursprungs. Zu den wichtigsten Agrarrohstoffen in Europa und Österreich zählen Getreide (Mais, Weizen, Hirse, Roggen, Hafer, Gerste und Triticale, d.i. eine Kreuzung aus Weizen und Roggen), Hackfrüchte (Kartoffel, Zuckerrübe, Zuckerrohr) und Ölpflanzen (Raps, Sonnenblume, Soja). Der überwiegende Teil wird zu Nahrungs- oder Futtermitteln weiterverarbeitet, nur ein vergleichsweise kleiner Anteil fließt in die energetische oder Pixabay / blickpixel stoffliche Nutzung. Unter energetisch genutzten Agrarrohstoffen werden jene zusammengefasst, die nicht nur zu Nahrungsmitteln verarbeitet werden, sondern auch als Energielieferanten dienen. Die typischen, energetisch genutzten Agrarrohstoffe in Österreich und Europa sind · Ölpflanzen, darunter vor allem Raps, Soja und Sonnenblumen. Raps bzw. Rapsöl dient in Europa vor allem der Herstellung von Biodiesel, international hingegen werden vor allem Palm- und Sojaöl verwendet. · Zuckerrohr und Zuckerrüben werden vor allem zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt, ebenso wie · Mais (auch Maisspindeln als Koppelprodukt der Maiskörnerproduktion), Kartoffeln und Getreide. · Ein vergleichsweise junge Geschichte als Energiepflanze hat beispielsweise das Riesen-Chinaschilf (wissensch. Miscanthus x giganteus), ein schnellwüchsiges Süßgras mit Heizwerten, die annähernd dem von Holz entsprechen. Es kann ebenso wie Getreide nicht nur als Einstreu sondern vor allem auch als Energiepflanze genutzt werden. Die industrielle Verwendung von Miscanthus befindet sich noch in den Kinderschuhen - in der Kraftstoffherstellung ebenso wie in der Brennstoffnutzung. Die genannten Nutzpflanzen tragen den großen Teil der bioenergetischen Nutzung von Agrarrohstoffen. Daneben gibt es noch weitere Agrarrohstoffen, die zur Erzeugung von umweltfreundlicher Bioenergie genutzt werden. Ihr Anteil am Gesamtaufkommen ist jedoch vergleichsweise gering. 19 Die wissenschaftliche, anwendungsorientierte Forschung im Bereich der energetischen Nutzung von Agrarrohstoffen ist international hochaktiv, fördert stetig neue Erkenntnisse zu Tage und trägt zur laufenden Weiterentwicklung des breiten Themenfeldes bei. Großen Raum in der Diskussion um die energetische Agrarrohstoffnutzung nehmen dabei der Flächenbedarf, der in Kombination mit der Flächennutzung zur Ernährungssicherung zu betrachten ist, und der Biodiversitätsschutz ein, der sich mit der Problematik der Monokulturen beschäftigt. 2.1.3. Organische Reststoffe Mit organischen Reststoffen wird jener Bereich der Biomasse bezeichnet, der als Abfall oder ungenutztes Nebenprodukt anfällt. Den größten Anteil organischer Reststoffe nehmen pflanzliche und tierische Nebenprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft ein. Aber auch in anderen Bereichen fallen organische Reststoffe an, die energetisch genutzt werden können: Bioab- Fotolia / animaflora fälle und Grünschnitte aus Haushalten, Industrie und Gewerbe, organische Fracht aus Abwässern (Klärschlamm), Speisereste, Gülle, Mist und dergleichen mehr. Durch Vergärung von organischen Reststoffen wird Biogas bzw. Klärgas zur Gewinnung von Wärme und elektrischem Strom erzeugt. Gemäß der EU-Hygieneverordnung müssen bestimmte organische Reststoffe, wie Magen- und Darminhalte oder Schlachtkörperteile vor der Weiterverarbeitung durch Erhitzen pasteurisiert werden. Grundsätzlich ist die Nutzung organischer Reststoffe zur Energieerzeugung aus ökologischer Sicht positiv, wenn etwa tierische Exkremente oder Bio- und Grünabfall als Ausgangssubstrat dienen. Das Gesamtpotenzial biogener Reststoffe unterliegt jedoch auch ökologischen Restriktionen, etwa bei der Verwendung von Stroh oder Restholz, deren Entnahme einen Eingriff in Boden- und Waldökosysteme darstellt. Gemäß den Daten der Abteilung Umweltschutz (Oö. Abfallbericht, 2014) nimmt das mengenmäßige Potenzial an Reststoffen in Oberösterreich auf Grund der immer besseren Abfalltrennung weiter zu. Beispielsweise war bei den getrennt gesammelten und überwiegend in Kompostierungs- und Biogasanlagen behandelten biogenen Abfällen aus Haushalten und ähnlichen Anfallsstellen innerhalb eines Jahres eine Zunahme von 10,3 Prozent zu verzeichnen. Insgesamt wurden im Jahr 2014 in 180 oberösterreichische Anlagen 378.748 Tonnen 20 (biogene Abfälle und sonstige Fraktionen wie z.B. Fest- und Flüssigmist, Klärschlamm) behandelt. Große Mengen biogener Reststoffe (Holzabfälle, Produktionsabfälle etc.) werden in hierfür genehmigten Anlagen (z.B. EEVG GmbH Laakirchen sowie RVL - GmbH, Lenzing) thermisch verwertet. Für eine stoffliche Verwertung von Reststoffen zur Erzeugung von Kunststoffen, Spezialchemikalien könnten somit besonders in Hinblick auf eine Kaskadennutzung und auf den allgemein steigenden Anfall in Zukunft noch größere Mengen als derzeit verwendet werden. 2.1.4. Algen Mikroskopisch kleine Algen, sogenannte Mikroalgen, werden als zukunftsträchtiger Rohstoff zur Energiegewinnung gehandelt. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten, aus den protein- und ölreichen Organismen Energie zu gewinnen: · Vergasung der Algenbiomasse in Biogasanlagen · Extrahierung der Lipidtropfen mit anschließender Veresterung zu Biokraftstoff Algen sind hochproduktive Organismen, für deren Zucht keine Anbauflächen für Nahrungsmittel verwendet werden müssen. Versiegelte oder altlastenverdächtige Flächen können genauso zur Algenzucht benutzt werden wie Fassaden. Das beigefügte Foto zeigt ein Pilotprojekt aus Hamburg, wo ein Mehrparteienhaus mit einer Algenfassade zur Energiegewinnung ausgestattet wurde. Es verfügt über 129 Algenpaneele Wikimedia Commons / www.energie-experten.org (= Photobiokollektoren), in denen Algenbiomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung produziert wird. Gegenüber der Nutzung von Agrarrohstoffen ergeben sich insbesondere zwei Vorteile: zum einen verfügen Algen unter optimalen Bedingungen über einen zehnfachen Biomassezuwachs und zum anderen können sie abseits von landwirtschaftlichen Nutzflächen gezüchtet werden. Um eine Energieversorgung der Zukunft aus Mikroalgen zu etablieren und um das große Potenzial der unterschiedlichsten Algenarten optimal und wirtschaftlich nutzen zu können, ist jedoch noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig. Die Forschung zur Algennutzung wird österreichweit im „Netzwerk Algen“ koordiniert. In Oberösterreich 21 beschäftigen sich zum Beispiel die FH OÖ und das Energieinstitut an der JKU Linz mit Fragen rund um Algen und der Energiegewinnung aus Mikroorganismen. In Österreich hat sich in Bruck an der Leitha ein Unternehmen zur industriellen Produktion von Mikroalgen angesiedelt, das auf die Entwicklung, den Bau und den Betrieb von industriellen Zuchtanlagen spezialisiert ist („hängende Gärten“ von ecoduna). 2017 wird erweitert und am bestehenden Standort ein neues Werk eröffnet, in dem nicht nur Algenbiomasse zur Energieerzeugung produziert, sondern auch hochwertiges veganes Öl erzeugt wird. 2.2. Wärme und Strom aus Biomasse Biomasse ist ein in Oberösterreich sehr bedeutender und traditionell beliebter erneuerbarer Energieträger. Wärme aus Biomasse wird auf vielerlei Weise genutzt: zur Raumwärme, Dampferzeugung und in Industrieöfen. Während der überwiegende Teil der Anlagen in Einfamilienhäusern steht, werden auch zunehmend größere gewerbliche und öffentliche Gebäude mit Biomasse beheizt. Mit 43 PJ ist die feste Biomasse (inkl. Abfall) neben der Wasserkraft, die derzeit wichtigste regional verfügbare Energieform, die gesamte Bioenergie inkl. flüssiger und gasförmiger Biomasse (etwa aus Biogasanlagen) sowie brennbarer Abfälle umfasst 60 PJ, vgl. Oberösterreichischer Energiebericht 2015 (Dell G., 2016). Für die thermische Nutzung von Materialien biogenen Ursprungs kommt eine Vielzahl an Einsatzstoffen in Frage, wobei im Sinne einer künftigen verstärkten ressourcenschonenden Kaskadennutzung sich der Schwerpunkt weiter in Richtung Abfälle und Reststoffe verschieben wird. An dieser Stelle wird angemerkt, dass bereits jetzt mehr als 60 % der Oö. Bioenergie aus Abfällen bzw. Reststoffen gewonnen wird (siehe Abbildung 6). Ein oberösterreichisches Spezifikum ist die Verbrennung von Ablaugen aus der Papier und Zellstoffindustrie, deren Energie immerhin ein Sechstel der gesamten Oö. Bioenergie ausmacht. 22 Abbildung 6: Bruttoinlandsverbrauch - Oö. Bioenergie 2014 (Quelle: Dell G., 2016: Oberösterreichischer Energiebericht Berichtsjahr 2015) Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Die Erzeugung von Biomasseanlagen ist ein bedeutender heimischer Wirtschaftszweig mit bekannten Firmen wie Fröling Heizkessel- und Behälterbau Ges.m.b.H. (Grieskirchen), Gilles Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co KG (Gmunden) und Solarfocus GmbH (St. Ulrich/Steyr). Eine Herausforderung ist die optimierte steuerungstechnische Einbindung auch kleinerer Anlagen in komplexe Energieverbünde mit verschiedensten erneuerbaren Energiequellen. · In Hinblick auf eine weitgehende Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energiequellen wird in Zukunft die kombinierte Strom- und Wärmegewinnung auch in Kleinanlagen immer bedeutender. Neben bereits bestehenden Möglichkeiten wie dem Stirlingmotor könnten künftig praktisch wartungsfreie Peltierelemente, spezielle elektrothermische Wandler, diese Aufgabe erfüllen. Diese Perspektive wird Zusammenarbeit derzeit von mit dem der Johannes Kepler Universität Linz in öster-reichischen Kompetenzzentrum für Bioenergieforschung erforscht (Energieinstitut an der JKU Linz, 2017). 23 · Die optimierte Aufbereitung und Nutzung zusätzlicher organischer Rest- und Abfallstoffe ergibt künftig weitere ressourcenschonende Potenziale zur thermischen Bioenergienutzung, wofür Forschungen in der IEA Bioenergy Task 32: "Biomasseverbrennung und -mitverbrennung" gefördert werden (BM für Verkehr, Innovation und Technologie, 2016). Ein anderes Beispiel ist die Erhöhung des Wirkungsgrades von Biogasanlagen durch Membranfiltration in einem Projekt des UmwelttechnikClusters (Umwelttechnik-Cluster, 2015). · In Hinblick auf die laufend verschärften Grenzwerte von Luftschadstoffen (insbesondere NOx und Feinstaub) ist das Ziel der „Near Zero Emission“ erkennbar. Dies bedeutet sowohl eine Herausforderung für die produzierenden Betriebe aber auch eine große Chance für neue Absatzmärkte, da aufgrund der globalen Problematik der Luftverschmutzung und der immer deutlicher werdenden konkreten gesundheitlichen Auswirkungen etwa von Ultrafeinstäuben mit künftig noch größeren Absatzchancen für emissionsarme Biomassefeuerungsanlagen zu rechnen ist (vgl. verschärfte Grenzwerte gemäß Amt der Oö. Landesregierung, 2016 sowie WHO, 2016). 2.3. Biokraftstoffe Als „Biokraftstoffe“ werden flüssige, aber auch gasförmige Kraftstoffe bezeichnet, die aus Biomasse hergestellt werden und die als Kraftstoff zum Betrieb von Fahrzeugverbrennungsmotoren bestimmt sind (BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 2016). Ähnlich wie bei der Verbrennung von Biomasse in Feuerungsanlagen wird der Energiegehalt verwendet, um fossile Energieträger zu substituieren. Häufig wird zwischen Biokraftstoffe der ersten, zweiten und dritten Generation unterschieden, wobei die einzelnen Kategorien nicht streng definiert sind. Während die Biokraftstoffe erster Generation jene Kraftstoffe darstellen, die aus den Inhaltsstoffen (wie z.B. Öl, Stärke, Zucker) von nur wenigen Teilen der Pflanzen produziert werden, werden als Rohstoff für die zweite Generation die vollständigen Pflanzen verwendet. Zur zweiten Generation zählen etwa Bioethanol aus Zellulose wie z.B. aus Stroh oder 24 Fotolia / Schlierner Biomass to Liquid (BTL)-Biodiesel z.B. aus Holz. Diese Gruppe ist Gegenstand intensiver Forschungen. Ein aktuelles Beispiel ist die Erzeugung von Flugtreibstoffen aus Reststoffen aus der Forstwirtschaft durch die von Washington State University geleiteten Northwest Advanced Renewables Alliance (NARA). Im November 2016 konnten erste kommerzielle Flüge mit einem Blend (= Gemisch) des holzbasierten erneuerbaren Treibstoffes durchgeführt werden (Alaska Airlines, 2016). Biokraftstoffe aus Algen (dritte Generation) würden Chancen in Hinblick auf eine besonders hohe Effizienz der Umwandlung des Sonnenlichtes bieten, allerdings ist derzeit noch nicht absehbar ist, ob und wann diese Kraftstoffe eine Marktreife erlangen werden. Über den Zeitraum des Kalenderjahres 2015 wurden in Österreich gemessen am Energieinhalt 8,9 % der Treibstoffe substituiert. Diese Zahl zeigt, dass einerseits die Substitution durch Biokraftstoffe einen immer höheren Stellenwert in Österreich bekommt und andererseits auch weiterhin ein großes künftiges Steigerungspotenzial für Biokraftstoffe besteht. Mengenmäßig trugen hierzu die großtechnisch erzeugten Kraftstoffe Biodiesel, der aus Pflanzenöl oder Altspeiseöl produziert wird sowie Bioethanol, welches aus der Vergärung von Getreide(-reststoffen) gewonnen wird einen Großteil bei. Auch wenn in einer längerfristigen Sicht eine stärkere Elektrifizierung des Verkehrs wahrscheinlich ist (größere Wirkungsgrade, keine lokalen Emissionen) werden auf absehbare Zeit flüssige und gasförmige Energieträger unabdingbar für die Mobilität bleiben. Kraftstoffe auf biogener Basis können künftig dazu beitragen, fossile CO2-Emissionen aus dem Verkehrsbereich zu verringern und eine höhere lokale Wertschöpfung zu erzielen. Die vielfältigen internationalen Forschungen zielen darauf ab, die Rohstoffbasis zu verbreitern, um dem Spannungsfeld "Teller-Trog-Tank" Problematik auszuweichen. Um Erträge zu maximieren, sollen künftig möglichst viele Anwendungsbereiche (z.B. auch Flugkraftstoffe) abgedeckt werden. Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Im Projekt "OptFuel" des Energieinstitutes an der Johannes Kepler Universität Linz wird ein neuartiger Prozess zur Verwertung biogener Reststoffe und deren Umwandlung in verschiedene Energieträger unter Einbindung von Überschussstrom entwickelt werden. Die Kernkomponenten beinhalten H2-Fermentation und Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion, Biogasanlage und Produktaufbereitung zur Herstellung von Methan sowie eine chemische oder biologische Methanisierung. Angestrebte Energieträger sind Wasserstoff, Methan, aber auch flüssige Produkte 25 wie Ethanol, Butanol oder organische Säuren. Ziel ist eine kontinuierlich betreibbare Technikumsanlage als Grundlage für eine industrielle Demoanlage (Energieinstitut an der JKU Linz, 2016). · Das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz ist am EU-Projekt "SUNLIQUID" beteiligt, bei dem Ethanol aus zellulosehältigen Rückständen aus der Landwirtschaft erzeugt werden soll. Geplant ist eine kommerzielle Produktionsanlage mit einer Kapazität von 60.000 Tonnen pro Jahr (Clariant Produkte, 2016). · Neben schon in der näheren Zukunft großtechnisch nutzbaren Verfahren werden verschiedenste Grundlagenstudien durchgeführt. Ein konkretes Beispiel ist die Ethanolproduktion durch Cyanobakterien durch die FH Oberösterreich (F. Pfannerer, et al., 2016). 26 3. Biobased Industries Die auf biogenen Stoffen basierende Erzeugung von Wärme und Gütern ist seit Jahrhunderten ein bedeutender Teil der Wirtschaft und Grundlage vieler der modernsten Betriebe Oberösterreichs. Die vorhandenen speziellen Wirtschafts- und Forschungsstrukturen (wie Industrie- und Gewerbebetriebe im Bereich Holz, Zellstoff, Biowärme, Forschungsinstitute, Clusteraktivitäten) stellen eine ausgezeichnete Ausgangs-basis dar, um künftig die Potenziale der Bioökonomie in einem noch höheren Ausmaß nützen zu können. Entscheidend für eine weitere Forcierung der Biobased Industries ist auch die regionale Rohstoffbasis. Wie im Kapitel Bioenergie beschrieben, ist diese sowohl in Hinblick auf die Qualität (Holz, Stroh, Reststoffe) als auch auf die Quantität umfangreich, aber nicht unbeschränkt. Besonders wichtig wird daher in Zukunft die bestmögliche Nutzung der vorhandenen natürlichen Ressourcen in Form der Kaskadennutzung sein, an deren Ende etwa die Verbrennung oder Vergasung und Nutzung des Energiegehaltes in umweltfreundlichen Anlagen mit maximalem Wirkungsgrad steht. Land OÖ / H. Kosina Im Folgenden sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige neuere Entwicklungen sowie Zukunftstrends der Biobased Industries vorgestellt werden, wobei sowohl überregionale Trends als auch konkrete Projekte in unserem Bundesland einbezogen werden. Dabei muss wie auch bei anderen Produkten auf eine langfristige Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu Produkten aus herkömmlichen fossilen Brennstoffen geachtet werden. Wesentlich mehr Produktionsarten sind technisch möglich als im Einzelfall auch langfristig ökonomisch tragbar. 3.1. Ausgangsstoffe Die für energetische Zwecke hauptsächlich verwendeten Ausgangsmaterialien Holz, Agrarrohstoffe, organische Reststoffe sowie in bislang geringerem Ausmaß verwendeten Algen (siehe Kapitel Algen) bilden ebenfalls eine wesentliche Grundlage für die Biobased Industries, die im folgenden Abschnitt im Detail beschrieben werden. Allerdings müssen im Gegensatz zu der energetischen Nutzung deutlich spezifischere Qualitätskriterien für eine 27 stoffliche Verwertung eingehalten werden. Während für eine Biomasseheizanlage verschiedenste Holzarten verwendet werden, ist etwa die Zellstoffherstellung in Lenzing aus prozesstechnischen Gründen auf Buchenholz beschränkt (Lenzing AG, 2017). Ähnliche spezifische Kriterien treffen für den Holzbau zu, zum Beispiel in Hinblick auf unterschiedliche Witterungsbeständigkeiten. Auf Grund der sehr inhomogenen industriellen Verwendungen sind die für Biobased Industries verwendeten Materialmengen in Oberösterreich bislang weniger exakt als für die Energiegewinnung statistisch erfasst. Spezielle Rohstoffe für einzelne Produkte wie Kork und Milchprotein werden in den einzelnen Teilabschnitten beschrieben. 3.2. Biobasierte Kunststoffe und Komposite Biobasierte Kunststoffe gehören etwa in Form von Zelluloid zu den ersten Kunststoffen überhaupt, wurden allerdings großteils von erdöl- bzw. erdgasbasierten Kunststoffen verdrängt. Seit einigen Jahren erstarkt jedoch sowohl international also auch in Oberösterreich das Interesse an Biokunststoffen erneut (Klimaaktiv, 2015). Als Rohstoffe für Kunststoffe auf biologischer Basis kommen vielfältige Quellen wie Holz (Cellulose), stärkehaltige Pflanzen wie Mais bis hin zu Algen in Frage. Aus Grundstoffen tierischen Ursprungs wie Fotolia / Fotoschlick Proteinen aus Kuhmilch können etwa Textilfasern erzeugt werden. Komposite aus Kork mit geringen Mengen an polymerbasierten Bindemitteln ersetzen als "technische Korke" klassische Kunststoffe auf Erdölbasis, wie bei Schuheinlagen, Griffen für Kinderwägen und vielen anderen Anwendungen – einem Bereich in dem auch Oberösterreich aktiv ist. Neben dem Wunsch, die Rohstoffversorgung langfristig auf eine langfristige und erneuerbare Basis umzustellen, sprechen auch andere ökologische Gründe für eine stärkere Nutzung von Biokunststoffen: · In der Natur freigesetzte Biokunststoffabfälle sind im Allgemeinen leichter biologisch abbaubar als herkömmliche. · 28 Monomere der klassischen Kunststoffe (wie Vinylchlorid, Styrol) sind vielfach gesundheitsschädlich und somit schwieriger in der Kunststoffherstellung zu handhaben. Auf Grund der milden chemischen Bedingungen, bei denen Monomere von Biokunststoffen verarbeitet werden und der geringen Toxizität ergeben sich neben den etablierten Chemieindustrien insbesondere auch Chancen für kleine, innovative Unternehmen. Aus diesem Grund hat sich im europäischen Umfeld eine Startup-Szene etabliert. Ein Beispiel ist das französische Startup "Algopack", das Kunststoffe aus Algen erzeugt (Algopack, 2017). · Die aus verschiedenen erdölbasierten Kunststoffprodukten langsam diffundierenden Weichmacher stehen im Verdacht als hormonähnliche Substanzen schädliche Auswirkungen auf Menschen und Umwelt aufzuweisen. Aufgrund der absehbaren Entwicklungen sind Biokunststoffe ("Bioplastics") innerhalb der EU zu einem Schwerpunkt der Forschungen im Bereich der Werkstoffwissen geworden (European Bioplastics, 2016). Die verwendeten Grundstoffe, die auch als Monomere bezeichnet werden, sind häufig wesentlich empfindlicher z.B. in Hinblick auf die Temperatur als erdölbasierte. Daher müssen etwa umfangreiche Grundlagenforschungen betrieben werden, wie diese Substanzen in einem industriellen Maßstab gereinigt und verarbeitet werden können (Biobased News, 2016), wofür sich interessante Perspektiven für eine Zusammenarbeit heimischer Universitäten und andere Forschungseinrichtungen mit einschlägig tätigen Unternehmen ergeben. Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Seit etwa einem Jahrzehnt sind Bio-Kunststoffe einer der Schwerpunkte des Kunststoff-Clusters (Kunststoff-Cluster, 2017). Ausgehend vom internationalen Forschungsprojekt „CORNET Biopacking“, das seinen Schwerpunkt auf Verpackungen aus Polymilchsäure (PLA) legte, wurde das Thema seither kontinuierlich bearbeitet und vertieft. Im Fokus stehen dabei der Wissensaufbau und Know How-Transfer zu heimischen Klein- und Mittelbetrieben. · Aktuelles Forschungsthema beim Kunststoff-Cluster ist etwa der "Newcomer" unter den Kunststoffverbindungen Polyethylenfuranoat (PEF), der auf Grund seiner überragenden physikalischen Eigenschaften die PET-Flasche ablösen könnte. · Aufgrund der nachhaltigen Produktionsmöglichkeiten und des geringen Ressourcenverbrauchs wird voraussichtlich die Kombination von Naturstoffen mit Kunststoffen weiter an Bedeutung gewinnen: Beispiele hierfür sind Naturfaserverstärkte Kunststoffe auf Basis Hanf oder Brennesselfasern sowie die Kombination Holz-Kunststoff ("wood-plastic composites"), wie dies im Kompetenz-zentrum Holz forciert wird (Kompetenzzentrum Holz, 2016). 29 3.3. Zellstoff und Papier Oberösterreich ist durch den Waldreichtum prädestiniert zur Papierund Zellstoffherstellung, die sich im Laufe der Zeit zu einem wesentlichen Wirtschaftsbereich entwickelte. Ganze Regionen wurden bzw. werden durch die bekannten wie z.B. Firmen geprägt, Smurfit Kappa Smurfit Kappa Nettingsdorfer (Foto: Clemens Bernhard) Nettingsdorfer, Laakirchen Papier AG, UPM Steyrermühl, Tannpapier (Traun) und die Lenzing AG. Insgesamt bietet Oberösterreichs Papier- und Zellstoffindustrie Arbeitsplätze für etwa 5000 Personen. Papier und Zellulosefasern werden schon derzeit in unzähligen Produkten verwendet, die in großem Umfang fossile Rohstoffe ersetzen. Beispielsweise werden holzbasierte Zellulosefasern aus Lenzing zur Herstellung von Bekleidungs- oder Schlaftextilien, Teppichen, Autoteilen, Möbelstoffen, Hygiene- und Kosmetikprodukten und technischen Textilien verwendet und substituieren damit fossile Energieträger. Papier- und Zellstoffprodukte werden in den nächsten Jahrzehnten in einem noch höheren Ausmaß zum High Tech-Produkt, während manche klassische Anwendungen wie Druckerpapier vermutlich auf Grund der Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten mengenmäßig tendenziell stagnieren oder zurückgehen könnten. Andererseits könnten auf Grund des boomenden Onlinehandels in Zukunft auch Kartonverpackungen stärker als derzeit nachgefragt werden:. Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Die größte technologische Herausforderung wird sein, den nachwachsenden, aber dennoch begrenzten Rohstoff Holz noch effizienter zu nutzen, etwa den Altpapiereinsatz für Papier und Kartonprodukte noch zu erhöhen (vgl. etwa Papierfabrik Laakirchen in "Die Presse", 2016). · Papier wird in den nächsten Jahrzehnten in einem noch höheren Ausmaß zum High Tech-Produkt: Aufgedruckte Leiterbahnen können Informationen über die Frische und den Transportweg von Lebensmittelverpackungen liefern, was künftig 30 auch beispielsweise für Arzneimittel, Blutkonserven und Impfstoffe verwendet werden könnte. Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung von fälschungssicherem Papier, das sich beim Entwerten (etwa von Eintrittskarten) verfärbt. · Künftige zusätzliche Anwendungsgebiete von Zellstofffasern könnten sich durch einerseits eine Erweiterung der chemisch/physikalischen Eigenschaften (vgl. etwa die Entwicklung der sehr erfolgreichen "Tencel" Faser der Lenzing AG) als auch in neuartigen Kombination von Faserprodukten mit elektronischen Anwendungen in Form von "Wearables" ergeben (Spektrum der Wissenschaft 3/2015; Lenzing AG, 2016). 3.4. Holzbau und biogene Dämmstoffe Über 250 Unternehmen sind Partnerunternehmen des Möbel- & Holzbau-Clusters in Oberösterreich, was die ökonomische aber auch ökologische Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges unterstreicht (Möbel- & Holzbau-Cluster, 2017). Der Baustoff Holz kann wesentlich zur Verringerung des Verbrauches an fossilen Energiequellen beitragen und sogar bereits in die Atmosphäre freigesetztes Kohlendioxid längerfristig in Gebäuden, Möbeln und Gebrauchsgegenständen speichern. Ein Kubikmeter verbautes Holz bindet etwa eine Tonne des Treibhausgases, bei einem zukünftigen Abbruch kann ein Großteil des Holzes recycelt beziehungsweise energetisch genutzt werden. In den Holzbauten, die im Jahr 2013 in Oberösterreich errichtet wurden, sind etwa 650.000 Tonnen des Treibhausgases CO2 gebunden (ProHolz Oberösterreich, Holzbauanteil in Oberösterreich, 2014). Auch im Bereich Dämmstoffe spielen biogene Ausgangsmaterialien eine immer größere Rolle, vgl. den Endbericht der Ressourcen Management Agentur (RMA) über das Aufkommen von Dämmstoffen im Oö. Wohnbau und künftige Anforderungen aus der Sicht der Abfallwirtschaft (RMA, 2012). Als Dämmstoffe werden neben den holzbasierten Ausgangsmaterialien vermehrt Zellulose- und Holzfasern sowie Hanf (z.B. Naporo GmbH, 2017), Schafwolle oder Rohrkolben eingesetzt. Für eine Forcierung der Bioökonomie werden Holzbaustoffe künftig weitere Anwendungsbereiche einnehmen, die bislang anorganischen Produkten wie Ziegel, Stahl und Beton vorbehalten waren. Dies erkennt man schon jetzt bei dem Bau der ersten Holzhochhäuser (proHolz, 2016), wobei bis zu 80-geschoßige Gebäude angedacht sind. Holz könnte somit vermehrt Baustoff in den wachsenden urbanen Räumen werden. 31 Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Um neue Anwendungsbereiche von Holz zu erschließen werden in den nächsten Jahrzehnten intensive Forschungen notwendig sein (z.B. in Richtung mehrgeschoßige Bauten, umweltfreundliche Imprägnierungen und Flammschutz für erneuerbare Dämmstoffe). Ein Aufsehen erregendes Beispiel ist der Neubau der Haltestelle Canary Wharf in London, wobei das Dach als Holzkonstruktion durch die WIEHAG GmbH in Altheim ausgeführt wurde (WIEHAG , 2016). · Weitere Chancen werden in der Kombination von verschiedenen Werkstoffen liegen wie die bereits erwähnten Holz-Kunststoffkomposite oder auch Kombinationen von Holz, Beton und Metall bei Möbeln (z.B. Beton-Holz-Metall-Kombinationsmöbel in Projekten des Möbel- und Holzbau-Clusters). · Forcierung der Ressourceneffizienz auf allen Ebenen von der Produktion (Industrie 4.0) bis hin zu einer verbesserten Recyclingfähigkeit sowie Optimierung der Kaskadennutzung. Das Institut für Betriebliche und Regionale Umweltwirtschaft hat sich im Auftrag der Oö. Zukunftsakademie bereits eingehender mit der Ressourceneffizienz in Oberösterreich beschäftigt (JKU, 2014). 3.5. Feinchemikalien, Futtermittel und andere Produkte Verschiedene Feinchemikalien für die chemische Industrie und Produkte wie Futtermittel können in sogenannten Bioraffinerien aus biogenen Materialien gewonnen werden. Das Prinzip der Bioraffinerie ist vergleichbar mit dem einer Erdölraffinerie, in der der komplex zusammengesetzte Rohstoff Erdöl in einzelne Fraktionen oder Komponenten getrennt wird. Teilweise werden diese durch chemische Verfahren in andere, besser absetzbare Verbindungen umgewandelt. Ein wesentliches Ziel ist die Substitution des Verbrauches an Erdöl, wozu möglichst auch die in Bioraffinerien freigesetzte Energie optimal genützt wird. 32 Fotolia / science photo Bioraffinerien arbeiten in Oberösterreich schon seit Jahrzehnten erfolgreich, wie jene der Lenzing AG beweist (Lenzing AG, 2013). Produkte sind unter anderem Essigsäure für die Lebensmittelindustrie, Furfural (eine Chemikalie, die unter anderem als Lösungsmittel bei der Schmierölraffination Anwendung findet), sowie Magnesium-ligninsulfonat zur Herstellung von Feuerfeststeinen. Oberösterreichische Stärkefelder und Zukunftsperspektiven · Sowohl in Oberösterreich als auch überregional werden große Hoffnungen in den weiteren Ausbau von Bioraffinerien gesetzt (Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz, 2016). Entwicklungen gehen sowohl in Richtung der Verbreiterung der Rohstoffbasis als auch zu neuen Produkten, siehe beispielsweise die bereits erwähnte Bioraffinerie in Bruck an der Leitha, in der aus Algen Omega 3 Fettsäuren produziert werden sollen (Wiener Zeitung, 2016). · Oberösterreich ist durch die vorhandenen biogenen Rohstoffe chemisch- technischen Betriebe sowie der industrienahen Forschungseinrichtungen in einer guten Position, Vorreiter bei der Nutzung von Biomasse zu werden. · Im Hinblick auf die Komplexität von Bioraffinerien, den chemischen Prozessen bis hin zu einem wirtschaftlichen Betrieb sollten Forschungen bzw. Pilotprojekte möglichst in breiten Kooperationen durchgeführt werden. Ein Beispiel ist die Erzeugung der Itakonsäure aus Holz, die als Grundlage für Gummi, als auch Farben und Lacke dienen kann und dem als oberösterreichische Institution ua. das TDZ Ennstal beteiligt ist (M. Sauer, 2015). 33 4. Ausblick und Impulse 4.1. Energieerzeugung Beim Konzept der Bioökonomie wird primär die Nutzung biogener Ausgangsstoffe als Ersatz fossiler Energiequellen betrachtet und weniger andere erneuerbare Energieformen wie Windund Wasserkraft, Sonnenenergie und Geothermie. Auch ist die Kaskadennutzung von vornherein nicht unbedingt Voraussetzung einer Bioökonomie, was die Diskussionen um energetische vs. stoffliche Verwertung anheizen kann. Biogene Energieerzeugung in der Kaskade sollte daher Teil einer „Energiewende“ sein und im Mix der erneuerbaren Energieträger eine zusätzliche Säule darstellen. Durch das Durchlaufen verschiedener stofflicher Verwertungsprozesse mit sinkendem Anspruch an die Rohstoffqualität und einer finalen energetischen Nutzung kann die Rohstoffproduktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber fossilen Rohstoffen gesteigert werden (nova-Institut für Ökologie und Innovation (Hrsg.), 2012). Die naturräumlichen Voraussetzungen und das wissenschaftliche Know-how zur Etablierung neuer und nachhaltiger biogener Energienutzungsformen sind in Oberösterreich jedenfalls gegeben. 4.2. Rohstoffbedarf und –verfügbarkeit Im Hinblick auf den künftig zu erwartenden hohen Bedarf an biogenen Rohstoffen sollten neben regionalen Rohstoffquellen auch Zugänge zu überregionale Quellen gestärkt werden, da im Gegenzug in Oberösterreich bioökonomisch hergestellte Produkte auch überregional vertrieben werden können. Dadurch können Skaleneffekte optimal genützt und die Wirtschaftlichkeit verbessert werden. Unser Bundesland könnte sich auf diese Weise vermehrt als überregionale Drehscheibe für bioökonomische Produkte und Know How etablieren. 4.3. Forschung und Entwicklung Die Bioökonomiestrategie der Europäischen Union hat ihren Fokus im Bereich Forschung und stellt dafür EU-Fördermittel zur Verfügung. 2014 wurde im EU-Rahmenprogramm „Horizon 2020“ ein Schwerpunkt zu „Biobased Industries“ etabliert. Die Ausschreibungsthemen umfassen unterschiedliche Bereiche der Wertschöpfungskette: von der Primärproduktion, wie Land -und Forstwirtschaft, über Biotechnologie, chemische Industrie, Zellstoff- und Papierindustrie, Bioraffinerien bis hin zur Vermarktung von biobasierten Werkstoffen (FFG, 2017). 34 Oberösterreich verfügt über breit gefächerte universitäre Einrichtungen und Fachhochschulen, die mit ihrem Know How (Ökoenergie, Logistik, Design, Lebensmitteltechnik, Informatik, Kunststofftechnik, Chemie etc.) insbesondere durch eine fachübergreifende Zusammenarbeit wesentliche Beiträge zum Thema leisten können. Darüber hinaus ist eine Vernetzung mit nationalen Netzwerken (z.B. Bios Science Austria) sinnvoll. Nationale und EUFinanzierungsquellen könnten dadurch verstärkt für Oberösterreich nutzbar gemacht werden. Ein konkretes und aktuelles Beispiel zur überregionalen Vernetzung ist das Interreg Projekt DanuBioValNet (Interreg, 2017), an dem der Cleantech-Cluster (vormals Umwelttechnik-Cluster) beteiligt ist. Ziel ist die Verbindung von Unternehmen in biobasierten Wertschöpfungsketten über verschiedene Regionen und Branchen hinweg im Sinne eines holistischen, transnationalen Ansatzes. DanuBioValNet beeinhaltet u.a. eine internationale Clusterstrategie für biobasierte Industrien und drei Leuchtturmprojekte beinhaltet sind. 4.4. Produktion und Dienstleistungen Die Palette möglicher neuer bioökonomischer Produktlinien ist aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten und zukunftsträchtiger Verfahren sehr breit: Chemiegrundstoffe, Futtermittel, Energieträger, Kosmetika, Pharmazeutika, Nahrungsmittel, Verbundstoffe, Lacke, Textilien, konstruktiver Holzbau, Fahrzeugbau etc. Die Frage der Rohstoffverfügbarkeit und der geeigneten Logistik ist zu klären, auch ist die Wirtschaftlichkeit bei neuen Verfahren oftmals (noch) nicht gegeben. Aus wirtschaftlicher Sicht ist insbesondere die Forcierung von Produkten, die auf Grund ihrer Eigenschaften nicht in direkter Konkurrenz zu (billigen) Produkten aus fossilen Energiequellen stehen (Hochwertige Zellstoffprodukte, High Tech-Papier etc.) zu empfehlen. Viele neue Produktlinien bedürfen einer branchenübergreifenden Zusammenarbeit. Darüber hinaus wird es neue für die bioökonomische Logistik und Produktion maßgeschneiderte Dienstleistungen brauchen. 4.5. Regionalpolitische Relevanz Bioökonomie kann aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Rohstoff und Produktion dem ländlichen Raum neue Möglichkeiten eröffnen. Aspekte wie Wachstumspotenziale für strukturschwache Regionen, Schaffung neuer qualifizierter Arbeitsplätze, die bioökonomische Reindustrialisierung ländlicher Regionen und die notwendigen regionalen Potenziale und Engpassfaktoren (Investitionskraft, Infrastruktur etc.) bedürfen einer spezifischen Analyse der betroffenen Region (Stichwort „smart specialisation“). Die regional verfügbare Rohstoffbasis entscheidet über die weiteren Wertschöpfungsstufen und -potenziale. Besonders wich- 35 tig erscheint daher die Vernetzung von Primärproduktion mit bioökonomierelevanten Gewerbe- und Industriesektoren. 4.6. Klimatische Auswirkungen Anhand eines integrierten Optimierungsmodells wurde in der 2016 veröffentlichten Studie „BioTransform.at – Perspektiven für die Etablierung einer auf inländischen Ressourcen basierenden Bioökonomie in Österreich“ untersucht, ob bzw. wie auf Basis inländischer Biomasse bis 2050 die Transformation zu einer „low-carbon bioeconomy“ in Österreich möglich ist, was in unterschiedlichen Szenarien, die auch Ernährungsgewohnheiten, Landnutzungsänderungen und Waldbewirtschaftung miteinbeziehen, dargestellt wird. Unter der Voraussetzung, dass der Energieverbrauch drastisch reduziert, die Nutzung anderer erneuerbare Energieträger stark ausgeweitet und Biomasse effizient eingesetzt wird, ist eine treibhausgasarme Wirtschaftsform bis 2050 in Österreich umsetzbar. Hinzuweisen ist dabei aber auf den Zielkonflikt Wirtschaftswachstum und Treibhausgasreduktionen, dessen Entschärfung vorangetrieben werden muss (Österreichische Energieagentur, 2016). Um die heute in Oberösterreich tatsächlich verwendeten industriellen Verfahren auf eine "low-carbon bioeconomy" umzustellen, ist jedenfalls noch viel Forschungsarbeit und Ausweitung der erneuerbaren Energieproduktion erforderlich, wie das prominente Beispiel der Roheisenherstellung der voestalpine belegt (Oö. Nachrichten, 2016). Um die derzeit durch Kohle in den Prozess eingebrachte Energiemenge durch Wasserstoff aus klimaneutralen Strom zu ersetzen, wäre die Leistung von rund 30 Großwasserkraftwerken notwendig, also etwa 50 % des gesamten derzeitigen österreichischen Stromverbrauchs. 4.7. Gesellschaftliche Akzeptanz Um Folgekosten und negative Effekte zu vermeiden, sollten bei bioökonomischen Überlegungen etwaige ökologische Auswirkungen Beachtung finden. Ebenso braucht es gezielte Informationsarbeit und Bewusstseinsbildung, um die gesellschaftliche Akzeptanz sowohl für das Thema selbst, als auch für konkrete Produkte aufzubauen, um deren Nachfrage zu stärken. Auf mögliche Nutzungskonflikte ist vorbeugend zu achten, weshalb die Kaskadennutzung wesentlicher Bestandteil einer bioökonomischen Ausrichtung sein sollte. Langfristig gesehen bietet Oberösterreich alle Voraussetzungen, um die sich öffnenden Chancen bestmöglich nutzen zu können. Eine Ausweitung der biogenen Energieproduktion ist nach den gegebenen Potenzialen möglich. Ebenso sind durch vertiefende Forschungen neue biobasierte Produktentwicklungen und Innovationen zu erwarten. 36 Verwendete Quellen 1-2-3 Energieblog, 2016: Leben mit Algen – Grüne Energieerzeugung in der Stadt http://blog.123energie.de/leben-mit-algen-gruene-energieerzeugung-in-der-stadt/ Agentur für Erneuerbare Energien, 2013: Reststoffe für Bioenergie nutzen. 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