Rücklagenbildung und Gewinnabführungsvertrag – Folgewirkungen

Rücklagenbildung und Gewinnabführungsvertrag –
Folgewirkungen des § 253 HGB n. F.
[14.02.2017]
Von: Oliver Münz
Im PSP-Beitrag vom 4. Januar 2017 ist dargestellt, dass sich der aus der zwingenden Anwendung des regelmäßig höheren, durchschnittlichen 10-Jahres-Marktzinssatzes im Vergleich zum niedrigeren 7-Jahres-Marktzinssatz voraussichtlich ergebende Entlastungsbetrag („Bewertungsgewinn“) bei Altersversorgungsverpflichtungen gemäß § 253 Abs. 6
HGB nicht ausgeschüttet werden darf, sofern die frei verfügbaren Rücklagen nicht mindestens dem Bewertungsgewinn entsprechen.
Diese neue Ausschüttungssperre ist nicht durch eine korrespondierende Gewinnabführungssperre vom Gesetzgeber synchronisiert worden; § 301 AktG ist mithin unverändert geblieben. Zur wirksamen Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags und
damit zur steuerlichen Anerkennung einer Organschaft ist die Abführung der nach § 253
Abs. 6 HGB ausschüttungsgesperrten Beträge an den Organträger geboten. Der daraus
resultierende Konflikt zwischen handelsrechtlichen und steuerlichen Vorschriften bleibt
auch nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 23. Dezember 2016 bestehen, da
nach Auffassung der Finanzverwaltung die Änderung des § 253 HGB für sich genommen nicht die Einstellung des Bewertungsgewinns in eine Rücklage rechtfertigt.
Zulässigkeit der Bildung von Gewinnrücklagen bei Gewinnabführungsvertrag
Unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG sind allerdings Einstellungen in die Gewinnrücklagen im Sinne des § 272 Abs. 3 HGB bei der Organgesellschaft unverändert zulässig, falls der Wortlaut des Gewinnabführungsvertrags die Bildung freier Rücklagen nicht ausschließt und insoweit dies im Einzelfall bei vernünftiger
kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründbar ist. Somit muss für die Bildung
einer Gewinnrücklage ein konkreter Anlass gegeben sein, der es auch aus objektiver
unternehmerischer Sicht rechtfertigt, eine Rücklage zu bilden, wie z. B. eine geplante
Kapazitätserweiterung, Werkserneuerung oder Betriebsverlegung. Darüber hinaus ist
auch die Verbesserung der Kapitalstruktur der Organgesellschaft als nicht schädlich anzusehen, sofern dies durch die Abdeckung künftiger konkreter Risiken veranlasst ist.
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Eine während der Geltung des Gewinnabführungsvertrags zulässigerweise nach den
Vorschriften des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG bei der Organgesellschaft gebildete Gewinnrücklage ist gemäß § 27 Abs. 6 KStG dem steuerlichen Einlagekonto zuzuordnen.
Der in die Rücklage eingestellte Betrag gilt als an den Organträger abgeführt und wieder
eingelegt. Dementsprechend bildet der Organträger in der Steuerbilanz zusätzlich zum
Beteiligungsbuchwert an der Organgesellschaft einkommensneutral einen aktiven Ausgleichsposten in Höhe des Teils der versteuerten Rücklage, der seiner Beteiligungsquote
an der Organgesellschaft entspricht. Das Betriebsvermögen des Organträgers erhöht sich
entsprechend.
Bei einer Zuführung zu den Gewinnrücklagen über den in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG
geregelten Zulässigkeitsbereich hinaus wird die Durchführung des Gewinnabführungsvertrags und damit die Organschaft steuerrechtlich nicht anerkannt. Bei einem Verstoß
greift im Übrigen die Heilungsmöglichkeit des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG nicht.
Einstellung in die Kapitalrücklage als Gestaltungsalternative
Vor dem Hintergrund der dargestellten Restriktionen bei der Dotierung von Gewinnrücklagen und der damit verbundenen Risiken für die Anerkennung der Organschaft bietet sich insbesondere zu einer beabsichtigten Stärkung der Eigenkapitalstruktur der Organgesellschaft die Bildung einer Kapitalrücklage im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB
an, da diese Maßnahme die Höhe der Gewinnabführung nicht beeinflusst und somit
keinen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG darstellt. Unter einer Kapitalrücklage im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB sind freiwillige Leistungen zu verstehen, die
ein Gesellschafter ohne Gewährung von gesellschaftsrechtlichen Vorteilen erbringt. Ein
Forderungsverzicht nach § 397 BGB fällt im Übrigen ebenfalls unter eine solche Zuschussgewährung (IDW HFA 2/1996 i. d. F. von 2013). Der Organträger als Gesellschafter muss seine Zuschussgewährung mit der Auflage verbinden, den Zuschuss unmittelbar
in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB einzustellen und muss diese Zuweisung ausdrücklich erklären. Bei der Organgesellschaft ist der Erlass der Verbindlichkeit
ergebnisneutral in die Kapitalrücklage zu buchen. Beim steuerlichen Einlagekonto im
Sinne des § 27 KStG erfolgt ein Zugang in Höhe des Teilwerts der erlassenen Schuld.
Beim Organträger ist der Verzicht auf eine werthaltige Forderung eine verdeckte Einlage
und führt zu einer nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung.
Infolge des Forderungsverzichts erlöschen sowohl die Forderung als auch die Verbindlichkeit durch Konfusion gemäß §§ 387, 389 BGB.
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