Transaktionshindernis Haftung im Organkreis

Transaktionshindernis Haftung im Organkreis –
Mitgehangen, mitgefangen?
[27.09.2016]
Von: Benjamin Rapp
Bei Unternehmensverkäufen stellt sich vor allem im Fall des Erwerbs der Gesellschaftsanteile (Share Deal) für den Erwerber regelmäßig die Frage, inwieweit er für Steuern in
Anspruch genommen werden kann, die wirtschaftlich vor dem Erwerb der Anteile verursacht worden sind. Die Frage der Haftung für Steuerverbindlichkeiten, die wirtschaftlich
dem Veräußerer zuzuordnen sind, bekommt besondere Bedeutung, sofern zwischen der
Zielgesellschaft und dem Veräußerer steuerlich eine sogenannte Organschaft bestand.
Aufgrund eines neuen Urteils des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf sollte aufseiten des
Erwerbers dieser Problematik im Einzelfall noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Grundzüge der Haftung für Steuern im Organkreis
Im Rahmen der Organschaft wird dem Organträger steuerlich das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Ergebnis zugerechnet und von diesem versteuert. Schuldner der
Steuern im Organkreis ist der Organträger. Um den Steuerbehörden zur Sicherstellung
des Steueranspruchs den Zugriff auch auf das Vermögen der Organgesellschaft zu ermöglichen, bestimmt § 73 AO, dass die Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers haftet, für welche die Organschaft zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft von Bedeutung ist. Die Haftung beschränkt sich dabei auf die Steuerarten, für
die ein wirksames Organschaftsverhältnis besteht. Existiert z. B. nur eine ertragsteuerliche, aber keine umsatzsteuerliche Organschaft, so kann die Organgesellschaft
auch nur für Ertragsteuern und nicht für fremde Umsatzsteuerverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden.
Fragliche Reichweite der Haftung nach § 73 AO
Die Reichweite der Haftung nach § 73 AO ist seit jeher umstritten. So ist bisher zumindest höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob die Haftung der Organgesellschaft nur
die durch die eigenen Aktivitäten der Organgesellschaft verursachten anteiligen Steuerbeträge umfasst oder grundsätzlich auch die gesamten vom Organträger geschuldeten
Steuern. Bedeutung hat diese Frage insbesondere dann, wenn sich neben der Zielgesellschaft (und dem Organträger) auch weitere Gesellschaften im Organkreis befinden.
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Ebenso fraglich ist, ob auch eine Haftung nach § 73 AO bei sogenannten mittelbaren
Organschaftsverhältnissen besteht. Bejaht man dies, würde z. B. in mehrstöckigen Konzernstrukturen eine Enkelgesellschaft auch für Steuerschulden der Großmutter haften.
Weite Auslegung der Haftung nach § 73 AO durch das FG Düsseldorf
Das FG Düsseldorf (Az.: 16 K 932/12) hat sich für eine weite Auslegung der Haftung
nach § 73 AO entschieden. Demnach soll eine Organgesellschaft nicht nur für Steuern
haften, die durch ihren eigenen Betrieb verursacht worden sind, sondern für die gesamten vom Organträger geschuldeten Steuern. Dies bedeutet insbesondere, dass grundsätzlich eine Organgesellschaft auch für Steuern in Anspruch genommen werden kann, die
wirtschaftlich gesehen z. B. durch eine Schwestergesellschaft verursacht worden sind.
Allerdings soll im Rahmen einer Ermessensausübung, sozusagen im zweiten Schritt, unter Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls nach einem sachgerechten Maßstab eine
Aufteilung der Steuerschulden auf die einzelnen Organgesellschaften erfolgen.
Auch bei der Frage nach der Haftung in mehrstöckigen Konzernstrukturen hat sich das
FG Düsseldorf für eine pro-fiskalische Auslegung entschieden. So soll eine Haftung nach
§ 73 AO auch bei mittelbaren Organschaftsverhältnissen bestehen und zwar unabhängig
davon, wie tief der jeweilige Unternehmensverbund gegliedert ist.
Einordnung und Konsequenzen für die Praxis
Die weite Auslegung des Haftungstatbestandes nach § 73 AO begründet das FG Düsseldorf damit, dass der Organkreis als einheitliches Ganzes betrachtet werden müsse, daher
eine umfassende Haftung für Steuern im Organkreis gerechtfertigt sei und ein Verfahren
zur verursachungsgerechten Aufteilung der Haftungsschuld zu unüberwindbaren
Schwierigkeiten führen würde. Insbesondere letzteres überzeugt nicht, da eine verursachungsgerechte Aufteilung spätestens nach Einführung von § 14 Abs. 5 KStG vor allem
anhand der gesonderten Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens möglich sein sollte.
Unabhängig von der Kritik an den Ausführungen des FG Düsseldorf bedeutet das Urteil
für die Praxis, dass bei einem angedachten Erwerb einer Organgesellschaft der Analyse
der steuerlichen Vergangenheit sowohl der Zielgesellschaft als auch – sofern möglich –
des Veräußerers als Organträger und dessen Beteiligungsgesellschaften im Organkreis
noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, um unliebsame Überraschungen
zu vermeiden. Nach dem Kauf auf eine (sachgerechte) Ermessensentscheidung der Steuerbehörden zu hoffen, könnte teuer werden und im Zweifel die Rentabilität des Investments gefährden. Jedoch hat der Bundesfinanzhof im anhängigen Revisionsverfahren
(Az.: I R 54/14) noch Gelegenheit , der weiten Auslegung von § 73 AO entgegenzutreten. Wir halten Sie gerne auf dem Laufenden.
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