Datum: 08.02.2017 THOMAS ROMER YOUSUF KHAN DIE FINMA DEFINIERT CORPORATEGOVERNANCE-RICHTLINIEN FÜR BANKEN Aufsichtsrechtliche Entwicklung Die Finanzmarktaufsicht (Finma) reagiert mit dem neuen Rundschreiben 17/1 «Corporate Governance - Banken» auf die internationalen Entwicklungen. Entsprechend fällt ein besonderes Gewicht auf die Implementierung und Überwachung der «Risk Governance». THOMAS ROMER, YOUSUF KHAN, DIPL. WIRTSCHAFTSPRÜFER, DIPL. WIRTSCHAFTSPRÜFER, PARTNER, LEITER BANKEN, SENIOR MANAGER, PRÄSIDENT FACHBEREICH PWC, ZÜRICH FINANZMARKT VON EXPERTSUISSE, PWC, ZÜRICH besondere im Bereich der «Risk Governance» festgestellt. Es 1. HINTERGRUND DER NEUERUNG Im Anschluss an die Finanzkrise wurde klar, dass die Steue- wurde kritisiert, dass die Banken viele Vorgaben zur Risikorungsmechanismen des Finanzsektors neu durchdacht politik und zur Risikokultur machen, vielfach aber keine geund entsprechend reformiert werden mussten. Es entstan- eigneten Mittel haben, um zu überwachen, ob diese Vorgaden neue oder angepasste Regulierungen vor allem in den ben eingehalten werden. Eine umfassende Sicht auf die Risi- Bereichen Kapital, Liquidität und Vergütung. Es wurde ken, wie und ob diese risikomindernden Massnahmen auch klar, dass die «Checks and Balances» zu wenig griffig durchgeführt und kontrolliert werden, fehlte an vielen waren, um eine nachhaltige Geschäftspraxis zu gewährleis- Orten. Ausserdem waren die Conduct-Risiken für viele Banten. Entsprechend widmeten sich die Branche und die Re- ken nicht ausreichend in den Risikomanagementkonzepgulatoren intensiv dem Thema Corporate Governance von ten berücksichtigt. Im Jahr 2015 haben sowohl die OECD als auch der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ihre beBanken. Die Corporate-Governance-Richtlinien wurden auf inter- reits vorhandenen Publikationen «Principles of Corporate nationaler und nationaler Basis weiterentwickelt; die Rolle und auch die fachlichen Anforderungen an die Oberleitungs- Governance» und «Corporate Governance for Banks» entorgane (Verwaltungsrat, Bankrat etc.) wurden verstärkt, die sprechend überarbeitet. Die Finma folgte der internationalen Entwicklung und hat Vorgaben an interne Kontrollsysteme weiter verfeinert. Lüdas Rundschreiben 17/1 «Corporate Governance - Banken» cken und dementsprechend Handlungsbedarf wurden ins- Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 10'778 Argus Ref.: 64244354 Datum: 08.02.2017 am 1. November 2016 publiziert. Dieses ersetzt das bisherige Rundschreiben 08/24 «Überwachung und interne Kontrolle Banken». Gleichzeitig wurden die Anforderungen an die Corporate Governance in Frequently Asked Questions (FAQ) sowie in anderen Rundschreiben (z. B. Rundschreiben «Vergütungssysteme» und 08/21 «Operationelle Risiken Banken») miteinbezogen. Das vorliegende Rundschreiben 17/1 Corporate Governance tritt am 1. Juli 2017 in Kraft. 2. WESENTLICHE NEUERUNGEN IM ÜBERBLICK 2.1 Proportionalitätsprinzip und der Wegfall von «Comply or Explain». Das Proportionalitätsprinzip und die prinzipienorientierte Formulierung sind wichtige Bestandteile des neuen Rundschreibens. Damit soll sichergestellt werden, dass das neue Rundschreiben die Grösse und Komplexität von Banken bei der Regulierung berücksichtigt. Die Anforderungen an die konkrete Umsetzung werden hinsichtlich wesentlicher Elemente des Rundschreibens anhand der aufsichtsrechtlichen Kategorien (1-5) abgestuft. Die Möglichkeit, sich nicht an die Vorgaben des Rundschreibens zu halten und dies entsprechend im Geschäftsbericht offenzulegen und zu erklären, wurde gestrichen. Das früher geltende «Comply or Explain» ist nicht mehr anwendbar. Abweichungen von den Bestimmungen müssen künftig vorgängig von der Finma genehmigt werden. 2.2 Rahmenkonzept für das institutsweite Risikomanagement. Der Grundgedanke des Risikorahmenkonzepts wurde aus dem bereits bestehenden Rundschreiben 08/21 «Operationelle Risiken - Banken» übernommen und auf alle Risikoarten ausgeweitet. Mit dem Risikorahmenkonzept berücksichtigt die Finma die internationale Entwicklung in der «Risk Governance». Das Risikorahmenkonzept muss von der Geschäftsleitung ausgearbeitet und durch das Oberleitungsorgan verabschiedet werden. Das Oberleitungsorgan wird nun institutionalisiert, mehr in die Verantwortung einer effektiven Risk Governance genommen und muss sich unabhängig von der internen Organisationsfreiheit intensiver mit dem Thema Risiko auseinandersetzen. Der Risikoausschuss - wo vorhanden - spielt hier eine führende Rolle, da dieser die jährliche Erörterung des Rahmenkonzepts dem gesamten Oberleitungsorgan unterbreitet und eine entsprechende Empfehlung zur Abnahme abgibt. Damit verbunden ist auch, dass die Wirksamkeit der Risikomanagementprozesse, der entsprechenden Kontrollen sowie die jeweilige Risikolage des Finanzinstitutes jährlich beurteilt und abge- Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 10'778 Argus Ref.: 64244354 Datum: 08.02.2017 nommen werden müssen. Abbildung: RISIKORAHMENKONZEPT RISIKORAHMENKONZEPT Das Risikorahmenkonzept (vgl. Abbildung) sollte grundsätz- Abbildung: lich aus einem zentralen Dokument bestehen, das die Grund.Rahmenkonzept für pfeiler Risikopolitik, Risikotoleranz und Risikolimiten abaas institutsweite Risikomanagement deckt. Zudem sollte das Dokument die einheitliche Kategorisierung der wesentlichen Risiken Risikolimiten oleranz gewährleisten; mögliche Verluste aus den wesentlichen Ri- siken präzisieren; - die Definition und den Einsatz der Instrumente festhalten, welche die Identifikation, die Beurteilung der Überwachung und die Beurteilung der Kontrollaktivität sowie die organisatorische Struktur sicherstellen; und Bestimmungen zur Risikodatenaggregation und Berichterstattung enthalten. 2.3 Internes Kontrollsystem/Lines of Defence Standard. Auch die Erwartungen an das interne Kontrollsystem wurden modernisiert und haben sich dem internationalen Standard <ifhree Lines of Defence» angenähert. Das international anerkannte Prinzip basiert auf drei unabhängigen Kontrollinstanzen, wobei die Front als erste Verteidigungslinie agiert, insbesondere die Risikokontrolle und Compliance als zweite Verteidigungslinie und die interne Revision als dritte und letzte Verteidigungslinie angesehen wird. Die Finma spricht von mindestens zwei Kontrollinstanzen, den ertragsorientierten Geschäftseinheiten und den unabhängigen Kontrollinstanzen, die mindestens die Aufgabe und Verantwortlichkeit der Risikokontrolle und der Compliance-Funktion abdecken. Es können beliebig weitere Kontrollinstanzen definiert werden. Für Banken der Kategorien 1-3 wird erwartet, dass eine eigenständige Risikokontrolle und eine Compliance-Funktion vorhanden sind. Zudem wird die Bestimmung eines Chief Risk Officer (CRO) verlangt. Bei den grössten Banken (Kategorien i und 2) muss der CRO zwingend Mitglied der Geschäftsleitung sein. Es ist klar, dass die ertragsorientierten Geschäftseinheiten gemäss der Finma auch Kontrollfunktionen im Rahmen des Tagesgeschäfts wahrnehmen müssen. Dies beinhaltet insbesondere die direkte Überwachung, Steuerung und Berichter- stattung der eingegangenen Risiken. Eine Delegierung der Verantwortung durch die ertragsorientierten Geschäftsein- heiten an die unabhängigen Kontrollinstanzen ist hier nicht vorgesehen und sollte vermieden werden. Der Sinn dieser unabhängigen Kontrolle an der Front besteht darin, dass eine bewusste Risikokultur innerhalb der Unternehmen entsteht. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Identifikation von Risiken Risikobeurteilung Risikoüberwachung Berichterstattung Beurteilun der Kontrolleffektivität Quelle: PwC 2.4 Ausschüsse und Zusammensetzung der Oberleitungsorgane. Für Banken der Aufsichtskategorien 1-3 wird mindestens je ein Prüfungs- und ein Risikoausschuss erwartet, wobei Banken der Aufsichtskategorie 3 einen gemischten Ausschuss (Prüfungs- und Risikoausschuss) aufweisen dürfen. Für die Banken der Kategorien 4 und 5 bestehen keine spezifischen Vorschriften mehr. An der im bisherigen Rundschreiben 08/24 «Überwachung und interne Kontrolle Banken» vorgesehenen Forderung nach einer Audit-CommitteeFunktion beim Fehlen eines Prüfungsausschusses wird nicht festgehalten. In Fällen, in denen keine Ausschüsse gebildet werden müssen, obliegen die Aufgaben sinngemäss dem gesamten Oberleitungsorgan. Die Mehrheit der Mitglieder des Prüfungs- und Risikoausschusses muss unabhängig sein, und der Präsident des Oberleitungsorgans darf nicht Mitglied des Prüfungsausschusses oder Vorsitzender des Risikoausschusses sein. Im Grundsatz muss das Oberleitungsorgan mindestens zu einem Drittel aus unabhängigen Mitgliedern bestehen. Die Finma hat unter Berücksichtigung der Antworten auf die Vernehmlassung die ursprünglich vorgesehenen Bestimmungen zu den spezifischen Kenntnissen, die im Verwaltungsrat vertreten sein müssen, entschärft. Die Erwartun- Auflage: 10'778 Argus Ref.: 64244354 Datum: 08.02.2017 gen an eine angemessene Vertretung der erforderlichen Fachkenntnisse im Verwaltungsrat bleiben jedoch bestehen 3.4 Anspruchsvolle Umsetzungsfrist. Das Rundschreiben und sollten bei der Analyse der Zusammensetzung der Ober- tritt per 1. Juli 2017 in Kraft und sieht Übergangsbestimmungen bis spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten für folgende leitungsorgane einfliessen. Themen vor: Im Weiteren müssen systemrelevante Institute über einen Umsetzung Drittelsregel zur Unabhängigkeit des OberleiVergütungs- und Nominationsausschuss verfügen. tungsorgans; Einführung Prüfungsausschuss und Risikoausschuss für Banken der Kategorien 1-3, für Kategorien 3. FAZIT und z müssen zwingend separate Ausschüsse gebildet wer3.1 Stärkung der Risk Governance mit der Einführung den; Erstellung und Genehmigung des Risikorahmeneines Risikorahmenkonzepts. Die Einführung eines Rahkonzepts; - Institute der Kategorien 1-3 bestimmen einen menkonzepts für das institutsweite Risikomanagement darf CRO, der neben der Risikokontrolle auch für andere unabnicht unterschätzt werden. Viele Banken haben bereits Teile hängige Kontrollinstanzen zuständig sein kann. Für sysdes Puzzles, können sich jedoch mit den vorhandenen Teilen temrelevante Institute muss der CRO zwingend Mitglied der noch kein ganzheitliches Bild machen. Zudem wird die jährGeschäftsleitung sein. liche Beurteilung der Wirksamkeit des Rahmenkonzepts mit einigen Herausforderungen verbunden sein. 3.2 Stärkere Einbindung der Fronteinheiten in das interne Kontrollsystem. Die Trennung zwischen den Führungskontrollen innerhalb der ertragsorientierten Einheiten und den unabhängigen Kontrollinstanzen (Compliance, Risikokontrolle) ist in der Theorie einfach durchzuführen. In der Praxis sind die Grenzen zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie nicht immer genügend klar ersichtlich. Das Vermeiden von Delegation der Kontrollverantwortung an unabhängige Kontrollinstanzen erfordert ein Umdenken der Fronteinheiten. 3.3 Höhere Anforderungen an die Ausschüsse, Mitglieder und Unabhängigkeit der Oberleitungsorgane. Die Bildung oder Zusammenlegung von Ausschüssen könnte Einfluss auf das Organisationsreglement der Banken haben. Andererseits sollten sich die Banken fragen, ob genügend Kompetenzen vorhanden sind, um diese Ausschüsse zu besetzen. Dies könnte gegebenenfalls die Wahl neuer Oberleitungsmitglieder erfordern und sollte entsprechend geprüft werden. Vor allem Banken, die einer Gruppe angehören, oft Auslandbanken, könnten davon betroffen sein. Die Finma hat jedoch bereits in Aussicht gestellt, dass sie bereit ist, gewisse Sachverhalte mittels Ausnahmebewilligungen von den Anforderungen des Rundschreibens zu befreien. Es wird sich weisen, in welchen Bereichen hiervon Gebrauch gemacht wird. Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 10'778 Argus Ref.: 64244354
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