Fütterung
Mykotoxin-Gefahr im Mais
Experten schlagen Alarm: Körnermais und Getreide sind oft mit Mykotoxinen
belastet. Wie müssen Schweinehalter reagieren? Diese und weitere Fragen beantwortet
Prof. Dr. Johanna Fink-Gremmels von der Universität Utrecht.
Welche Myko­toxine sind gefährlich?
Foto: Erhardt
Grundsätzlich reagieren Schweine
auf Mykotoxine empfindlicher als alle
anderen Nutztiere. Dabei konzentrieren sich die Probleme auf die beiden
Pilzgifte Deoxynivalenol (DON) und
Zearalenon (ZEA). DON führt zu einer
geringeren Futteraufnahme – im Extremfall verweigern die Tiere sogar das
Futter und erbrechen. Verminderte
Zunahmen und Wachstumsverzögerungen bei Mastschweinen und Ferkeln
sind die Folge.
Zudem: DON schädigt den Darm und
bereitet dadurch bereits in nied­
rigen
Konzentrationen Durchfall­erregern wie
Salmonellen und Lawsonien (Ileitis)
den Weg. So hat sich beispielsweise in
Nordamerika das PED-Virus besonders
rasch in Myko­toxin-Risikogebieten ausgebreitet.
Das zweite wichtige Pilzgift Zea­
ralenon (ZEA) macht besonders den
Sauen und Jungsauen Probleme. Da
ZEA eine ähnliche Struktur wie das
Fruchtbarkeitshormon Östrogen aufweist, bringt es den Hormonhaushalt
der Tiere durcheinander. In den meisten Fällen werden die Sauen aber nicht
Foto: Nathaus
Weiß-rosa Pilzgeflecht bei starkem Fusariumbefall am Maiskolben.
Eine geschwollene Vulva bei den Saug­ferkeln zeigt belastetes Sauenfutter an.
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sichtbar krank, sondern ihre Fruchtbarkeit verschlechtert sich schleichend. So
steigen z. B. die Umrauschquoten an.
Untersuchungen an der Universität
Utrecht konnten darüber hinaus zeigen,
dass weibliche Ferkel, die ZEA in der
Gebärmutter und über die Milch aufgenommen haben, sogar noch als Jungsau
Probleme mit der Rausche und dem
Eisprung haben.
Wie stark ist das Futter belastet?
In vielen Regionen Deutschlands,
besonders in Süddeutschland, ist der
Körnermais aus der Ernte 2014 stark mit
Mykotoxinen belastet. Das Hauptproblem stellt ZEA dar. In Bayern erzielten
einzelne Proben ZEA-Werte von
60 mg/kg Mais. Das ist alarmierend!
Denn der vom Bundeslandwirtschaftsministerium empfohlene Grenz­
wert für Zearalenon (ZEA) liegt bei
0,25 mg/kg Futter (bei 88 % Trockensubstanz). Für weibliche Zuchtläufer
gelten höchstens 0,05 mg/kg Futter.
Bei Getreide ist die Situation weniger
dramatisch. Lediglich in bestimmten
Regionen, besonders in Süddeutschland,
werden die Grenzwerte überschritten –
dann aber meist sehr deutlich!
Bei DON liegt der deutsche Orientierungswert bei 1 mg/kg Futter. In Österreich gilt ein geringerer Richtwert von
0,5 mg/kg Futter. Bei DON zeigt sich
aber immer wieder, dass empfindliche
Tiere, die durch andere Krankheiten
oder Stress belastet sind, auch bei geringeren Werten gesundheitliche Probleme
haben.
Wichtig ist nicht nur, ob und in welchem Ausmaß eine einzelne Futterkomponente mit Mykotoxinen belastet
ist, sondern wie der „Mykotoxin-Cocktail“ für die Gesamtration ausfällt.
Hierbei sollte man wissen, dass es
keine Futtermittel gibt, die vollständig
frei von Mykotoxinen sind. So kann
auch das zugekaufte Sojaschrot belastet
sein. Denn in Brasilien und Argentinien, von wo deutsche Händler und Futtermittelhersteller sehr viel Soja importieren, gibt es ebenfalls Mykotoxin­
Risikogebiete. Besonders ZEA wird hier
häufig nachgewiesen.
Was tun bei belastetem
Zukaufsfutter?
Schweinehalter, die mit Mykotoxinen belastetes Futter zugekauft
haben, fragen sich häufig, inwieweit
sie den Hersteller dafür vor Gericht
zur Verantwortung ziehen können.
Tatsache ist, dass die für DON und
ZEA gültigen Orientierungswerte
keine Höchstgehalte im futtermittel-­
rechtlichen Sinne darstellen.
Schadensersatzansprüche können
also bestenfalls geltend gemacht werden, wenn diese Orientierungswerte
extrem überschritten sind.
Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist in jedem Fall schwierig.
Besser man einigt sich mit dem Futtermittelhersteller auf gütliche
Weise.
In welchen Fällen sind
„Mykotoxin­binder“ sinnvoll?
Inzwischen sind einige gute Myko­
toxinbinder auf dem Markt verfügbar.
Sie helfen dem Tier, die Mykotoxine im
Darm zu binden, sodass sie diesen nicht
schädigen und auch nicht in den Blutkreislauf gelangen können. Ein guter
Mykotoxinbinder ist meistens ein Zweioder Mehr-Komponenten-Produkt aus
Tonmineralen und Hefezellen. Zusätzlich können noch Anti­oxidantien hilfreich sein.
Bevor man sich jedoch zum Kauf entscheidet, sollte man sich von den Firmen wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit in der jeweiligen
Altersklasse (Ferkel, Sauen, Mastschweine) und zur Bindungsfähigkeit
zeigen lassen. Entscheidend ist, dass der
Binder auch wirklich die beiden für
Schweine
gefährlichsten
Pilzgifte
Deoxynivalenol (DON) und/oder Zearalenon (ZEA) binden kann.
Mykotoxinbinder gegen ZEA wirken
in der Regel gut. DON hingegen ist
schwieriger zu binden, weil es bereits
die
ersten
Dünndarm-Abschnitte
angreift und damit die Binder weniger
Zeit haben, um zu wirken.
In Problembetrieben oder zur Vorbeuge haben sich auch darmstabilisierende Produkte bewährt, z. B. Pro- oder
Prebiotika. Sie stärken die natürlichen
Abwehr- und Selbstheilungskräfte des
Darms.
Fütterung
Milch oder Galle
testen lassen?
Auch Milch­
proben kann
man auf
Mykotoxine
untersuchen
lassen. Das ist
aber nur in den
Fällen ratsam,
in denen eine
Diagnose
abgesichert
werden soll.
Foto: Heil
Um die Belastung der Tiere mit
Mykotoxinen nachzuweisen, ist bisweilen auch eine Untersuchung der Sauenmilch oder der Gallenflüssigkeit im
Gespräch. Problematisch ist jedoch,
dass für diese biologischen Proben keine
Orientierungs- oder gar Höchstwerte
existieren. Das erschwert es, die Ergebnisse richtig zu interpretieren.
Zumal die Milch oder die Galle nie
gänzlich frei von Toxinen sind. Im
schlimmsten Fall führen die gemessenen Werte also nur zu einer Verun­
sicherung.
Daher sollte man die Milch oder Galle
nur in Einzelfällen untersuchen lassen,
wenn bei Sauen und Ferkeln deutliche
Probleme vorhanden sind und man eine
gestellte Diagnose absichern will. Dann
kann man die Sauen am Ende der Laktation anmelken und die Milch testen
lassen. Proben der Gallenflüssigkeit
können nur bei einer Sektion entnommen werden.
Welche Testverfahren wählen?
Futtergetreide und Mais sollte man
auf die beiden Leittoxine DON und
ZEA untersuchen lassen. Für Tierhalter kommt als Nachweisverfahren ein
einfacher ELISA am besten infrage.
Den Test bietet jedes Labor an, meist
für rund 30 € je Toxin.
Im Allgemeinen misst der ELISA
neben Deoxynivalenol und Zearalenon
auch maskierte Mykotoxine und mit
DON und ZEA verwandte Mykotoxine. Maskierte Mykotoxine sind Mykotoxine, die die Pflanze mithilfe von
Enzymen und Zucker in Pflanzen-­
unschädliche Glykoside umgewandelt
hat. Im Verdauungstrakt der Schweine
werden sie jedoch „entmaskiert“ und
dadurch wieder schädlich.
Weil der ELISA maskierte und verwandte Mykotoxine in gewissem
Umfang also ebenfalls erkennt, fallen
die Messergebnisse in der Regel höher
aus. Sie lassen sich deshalb nicht mit
denen des genaueren HPLC-Testverfahrens vergleichen.
Für die Fütterung sind diese „Ungenauigkeiten“ aber von Vorteil, weil
den Schweinen natürlich die gesamte
Mykotoxin-Last Probleme bereitet.
Der Tierhalter ist also mit dem ELISA
auf der sichereren Seite, was seine
Maßnahmen betrifft.
Die sehr exakt arbeitenden HPLCVerfahren werden z. B. von den Lufen
angeboten und können bis zu 100 € je
Toxin kosten. Sie werden dann ange-
Wie die Belastung reduzieren?
Um die Mykotoxin-Belastung der
Getreideernte zu reduzieren, sollten
Eigenmischer das Getreide sorgfältig
reinigen. Denn Spelzen, Bruchkörner und Verunreinigungen sind oft
höher belastet als die Körner selbst.
Wurde das Erntegut zu feucht eingefahren, sollte man es zudem trocknen und gegebenenfalls konservieren.
Andernfalls hätten Lagerpilze, Verderbnis-erzeugende Bakterien und
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Hefen leichtes Spiel. Darüber hinaus
sollten Selbstmischer Weizen, Triticale und Mais von einer Lufa oder
privaten Labors untersuchen lassen.
Nur wer über die tatsächliche
Myko­toxin-Last Bescheid weiß, kann
die Ration entsprechend anpassen
oder Erntepartien verschneiden.
Hoch belastete Komponenten haben
im Futtertrog allerdings nichts zu
suchen!
wandt, wenn es um Schadensersatz­
ansprüche geht.
Sogenannte Multi-Tests, die manche Futtermittelhersteller ebenfalls
für Untersuchungen anbieten, sind
nach Expertenmeinung für die landwirtschaftliche Praxis überdimensioniert. Sie sind vielmehr für wissenschaftliche Untersuchungen geeignet.
Um aussagekräftige Ergebnisse zu
erhalten, sollte man die Proben gut
verteilt aus dem gesamten Erntegut
ziehen. Zusammen sollten diese Vor­
proben mindestens 25 kg ergeben.
Anschließend durchmischt man die
Vorprobe gründlich und entnimmt
eine Probe von 1 kg, die dann ans
Labor geschickt wird.
Schnell gelesen
• Die beiden Pilzgifte DON und
ZEA bereiten Schweinen die
größten Probleme.
• Der Körnermais aus der Ernte
2014 ist vielerorts stark mit
Mykotoxinen belastet, besonders in Süddeutschland.
• Mittels ELISA sollte man Fut-
tergetreide und Mais auf DON
und ZEA untersuchen lassen.
• Hoch belastete Partien verfüt-
tern Sie besser nicht!